Nur mit ausländischen Fachkräften bleibt die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig, sagt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Ist das wirklich so?
Wir möchten auf den folgenden Seiten darlegen, dass deutsche Unternehmen und deren Führungspersonal den eigenen grossen Beitrag zur Wettbewerbssituation aus eigener Kraft leisten können, indem sie den ganz alten Grundsatz verfolgen: „Mache es von Anfang an richtig“.
Kostenintensive Fehlbesetzungen werden vermieden, wenn bereits im Vorfeld der Auswahl von Fach- und Führungskräften richtig vorgegangen wird. Zusätzlich braucht es eine strategisch nachhaltige Personalentwicklung, die interne Fehlbesetzungen vermeidet, Potenziale der Mitarbeiter erkennt und das vorhandene brachliegende Potential zur Entfaltung kommen lässt.
Als verantwortliche Spieler auf diesem Feld identifizieren wir das gehobene Management, verantwortliche Personaler und subjektive Entscheidungen.
Lesen Sie hier welche Überzeugungen und psychologischen Mechanismen Fehlbesetzungen begünstigen.
VORWORT
Nur mit ausländischen Fachkräften bleibt die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig, sagt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Ist das wirklich so?
Auf den folgenden Seiten soll dargelegt werden, dass deutsche Unternehmen und deren Führungspersonal den eigenen grossen Beitrag zur Wettbewerbssituation aus eigener Kraft leisten können, indem sie den ganz alten Grundsatz verfolgen: „Mache es von Anfang an richtig".
Kostenintensive Fehlbesetzungen werden vermieden, wenn bereits im Vorfeld der Auswahl von Fach- und Führungskräften richtig vorgegangen wird. Zusätzlich braucht es eine strategisch nachhaltige Personalentwicklung, die interne Fehlbesetzungen vermeidet, Potenziale der Mitarbeiter erkennt und das vorhandene brachliegende Potential zur Entfaltung kommen lässt.
Als verantwortliche Spieler auf diesem Feld identifiziert der Autor das gehobene Management, verantwortliche Personaler und subjektive Entscheidungen.
Lesen Sie hier welche Überzeugungen und psychologischen Mechanismen Fehlbesetzungen begünstigen.
Alle kennen die Metapher vom Fisch, der vom Kopf her stinkt. Zwar scheint dies zunächst ein negatives Bild zu sein. Andererseits ist damit deutlich lokalisiert, wo das Entscheidende und Maßgebliche sitzt: im Kopf, an der Spitze oder schlicht: oben. Übertragen auf Unternehmen: Das Topmanagement ist es, dem eine im wörtlichen Sinn entscheidende und maßgebliche Bedeutung zukommt. Seine Entscheidungen sind es, die weit reichende Auswirkungen im gesamten Unternehmen haben. Das gilt selbstverständlich auch für die Besetzung von Funktionen und Positionen. In diesem Sinn versinnbildlicht die Metapher vom Fisch, wo wir die entscheidenden Hebel sehen, um Fehlbesetzungen zu vermeiden.
Auch in den Führungsetagen deutscher Unternehmen sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass das vorhandene Humankapital den Ausschlag gibt, ob sich das Unternehmen auf der globalen Überholspur befindet oder den Standstreifen der Marktwirtschaft einnimmt. Mit den Mitarbeitern entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg. Es sollte mittlerweile in das Bewusstsein der Entscheider getreten sein, dass die mit jeder Stellenbesetzung verbundenen Kosten, ob intern oder extern verursacht, entweder als gute Investition enden oder als Kosten für eine Fehlbesetzung mit zusätzlichen Aufwendungen in den Büchern erscheinen.
Es geht um Vorbeugung: Welchen Beitrag können die Personen aus der Entscheidungszentrale leisten, um Fehlbesetzungen zu verhindern? Wir leben nicht im Elfenbeinturm; deshalb passiert es in der Praxis, dass ein Kandidat falsch platziert wird. Dann geht es darum, den Schaden zu beheben. Man kann auch sagen: um Regeneration. Was können die Entscheider tun, um sie zu beschleunigen? Schließlich geht es um möglichst optimale Platzierung. Die Frage ist dann, was die Entscheider bereits bei der Kandidatenauswahl tun können, um die oder den Geeigneten zu finden.
Erstaunlicherweise werden Personalentscheidungen dieser tragenden Bedeutung noch immer wenig gerecht. Dies in mindestens zwei Richtungen: Die einen werden von Personalem und/oder Chefs gehätschelt und befördert, die anderen vernachlässigt und vergessen - und zwar weitgehend unabhängig von faktischen Leistungen und Qualifikation. Hier wirkt das Matthäus-Prinzip: „Wer hat, dem wird gegeben" - nicht aus Böswilligkeit (wenn auch das vorkommt), sondern aus verschiedenen Gründen. Einer davon liegt in der Überforderung vor allem von Personalem und Chefs, die sich für einen Kandidaten entscheiden sollen.
Was ist das höchste Risiko, das ein Unternehmen eingeht, wenn es eine Führungsposition besetzt?
Mit einem Kandidaten von außen, aus der Fremde. Wir fokussieren nicht den Spatz in der Hand, sondern die Taube auf dem Dach.
Der Spatz in der Hand verweist auf die Illusion interner Besetzungspolitik: „Da weiß ich, was ich habe". Die Erfahrung zeigt, dass es ein Irrtum ist, zu meinen, dass selbst bei internen Besetzungen klar ist, „was ich habe". Sie kennen das: In einem Team A läuft Kollegin B zur Hochform auf und fällt, in ein Team B versetzt, in Lichtgeschwindigkeit vom Himmel - schlicht, weil der Kontext ein anderer ist.
Für die Besetzung von Funktionen mit Kandidaten von außen gilt eher: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" - dies allerdings als kalkuliertes Risiko und folglich mit einem Mindestgrad an Unsicherheit. Ein „Restrisiko" ist unvermeidbar. Erweist sich schon die interne Besetzung als virusanfällig - wie dann erst die externe Besetzung!
Eine Studie der Managementberatung Kienbaum aus dem Jahr 2005 zeigt, dass zwischen fünf und fünfundzwanzig Prozent gefällter Personalentscheidungen innerhalb der ersten zwei Jahre vom Unternehmen oder von den neuen Mitarbeitern revidiert werden. An weiteren zehn bis 15 Prozent der Anstellungen wird festgehalten, obwohl die Unzufriedenheit mit ihnen überwiegt. Die Begründung: „Kontinuitätsgründe". Diese Begründung mag zunächst einmal Kopfschütteln hervorrufen. Für die Rechner wird die Kostenkalkulation den Aha-Effekt auslösen. Für die Psychologen sei diese Anmerkung angefügt: Sich von neu Eingestellten zu trennen, fällt zwar nicht so schwer, wie die Verabschiedung von Altgedienten. Aber: Jedes Trennungsgespräch kostet Überwindung, weil die Nachricht die unangenehmste ist, die in einem Unternehmen überbracht werden kann. Sie kostet auch Risikobewusstsein - meist in der Form von Angst oder Furcht: Wir haben gestandene Führungskräfte erlebt, die Nächte lang kaum schlafen konnten, weil sie nicht einschätzen konnten, wie der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin reagieren würden. Männern fällt es übrigens besonders schwer, Frauen zu kündigen, weil „die auch schon einmal weinen - und dann weiß ich nicht, was ich tun soll " Psychologisch heikel ist die Situation des Trennungsgesprächs zudem, weil sich der Entscheider einen Fehler eingestehen muss. Das schadet dem Selbstwert - ein Grund dafür, dass trotz Unzufriedenheit an zumindest schlechten Entscheidungen festgehalten wird. - Doch vertiefen wir uns an dieser Stelle nicht weiter in psychologische Fragestellungen, sondern liefern wir Zahlen.
Widmen wir uns einer groben Kostenkalkulation, die eine Fehlbesetzung in Gang setzen kann. Die Spannweite von Schätzungen einer falschen Platzierung geht von drei Monatsgehältern bis zu dem Dreifachen des Jahresverdienstes. (z.B. Kramer, Sarah, Teurer Fehlgriff, aus: Berlin Maximal, Wirtschaftsmagazin für den Mittelstand der Region Berlin Ausgabe 3 / 2010). Ferner wird vermutet, dass jede fünfte Entscheidung für einen neuen Mitarbeiter sich innerhalb der ersten sechs Monate als eine Fehlentscheidung entpuppt. Daher die inzwischen bis zu einem halben Jahr währenden Probezeiten. Das lassen sich Anfänger gefallen - Profis allerdings nicht.
Eine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung für die „Fehlinvestition" muss diverse Größen beinhalten: Funktion und Gehaltsstufe, variable Anteile und deren präzise Messung; sowohl interne Kosten für die Suche (z.B. Anzeigenschaltung) als auch externe (Einschalten von Personalberatern). Oft vernachlässigt werden Kosten im Rahmen der Einarbeitung. Hier sollte nicht nur die individuelle Leistung, sondern sollten ebenfalls weitere betroffene Abteilungen in den Blick geraten sowie Personenkreise, mit denen der neue Kollege zu tun hat bzw. in die hinein sein Wirken ausstrahlt. Das können Kollegen anderer Abteilungen oder Teams genauso sein wie Kunden oder Mitbewerber, bei denen die Person infolge von Fehlleistungen oder anders motivierten kontraproduktiven Verhaltens Schaden anrichten kann. Gemäß dem systemischen Blick sollten auch sachliche oder fachliche Fehl- oder so genannte Minderleistungen und deren Breitenwirkung grob geschätzt werden.
Laut der Kienbaum Studie belaufen sich die direkten und indirekten Kosten einer Fehlbesetzung auf der Ebene eines Geschäftsführers oder einer vergleichbaren Funktion auf das bis zu Dreifache des Jahresgehaltes des Funktionsträgers. Bei einem Geschäftsführer mit 110 - 160 Tausend Euro kann sich die Summe dann leicht im Bereich von 165 bis 480 Tausend Euro einpendeln. Kienbaum etwa veranschlagt für die Rekrutierung eines Nachfolgers einer Führungskraft rund 140 000 Euro. Darin enthalten sind die Kosten für das Schalten von Anzeigen, verlorene Arbeitszeit durch Bewerbermanagement und Bewerbungsgespräche sowie Reisekosten. Hinzu kommt die verminderte Arbeitsleistung während der Einarbeitungszeit und - in der Idealrechnung - deren Auswirkungen. Wenn die Beschäftigung nicht mit Ablauf der Probezeit beendet wird, fällt häufig der Aufwand für eine Abfindung und/oder potentielle gerichtliche Kontroversen an, die in die gesamte Summe bereits einkalkuliert sind. Man kann den Kreis der Kostenschätzung noch erweitern, indem Kosten für entgangenes Geschäft, für eine wiederholte Suche, für Neubesetzung und Einarbeitung bis hin zu möglichen Negativ-Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens einbezogen werden. Diese Ausführungen deuten an, inwiefern Personalentscheider unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein zeigten, wenn sie sich solche Kalkulationen öfter vergegenwärtigen würden.
In der folgenden Beispielrechnung wird von einer Fehlbesetzungsquote zwischen 22 und 30% ausgegangen. Das hört sich im ersten Moment recht hoch an, spiegelt die reale Situation in den Unternehmen nach unserer Auffassung doch sehr gut. Besonders bei den Führungskräften und den Höheren Managern ist zu erkennen, wie sich schon ein oder zwei Fehlbesetzungen in Euro und Cent unterm Strich negativ für das Unternehmen auswirken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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