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Globalisierung und wirtschaftliche Entwicklung in Brasilien

Armutsreduktion durch Bioethanol?

©2011 Fachbuch 77 Seiten

Zusammenfassung

Brasilien überzeugt als weltweit größter Zuckerexporteur und erster Initiator eines Programms zur Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrohr. Wie lassen sich aber die immensen sozialen und räumlichen Disparitäten des Landes erklären? Hat sich Brasilien einer mit der Globalisierung einhergehenden Strukturanpassung widersetzt? Finden sich allgemein diskutierte Kontroversen im nationalen Pró-Álcool-Programm wieder? Kordula Pfeiffer analysiert die Effekte der Globalisierung auf Brasiliens wirtschaftliche Entwicklung und Armut. Grundlage ihrer fundierten Untersuchung bildet nicht nur die Theorie des wirtschaftlichen Armutskonzepts, sondern sie greift auch das entwicklungspolitische Konzept eines breitenwirksamen Wachstums sowie eine neue Erscheinungsform von Armut auf. Unter dem Grundsatz des komparativen Kostenvorteils und einer fortwährenden Produktionsausweitung von Bioethanol stellt sie die ökonomischen und sozioökonomischen Chancen und Risiken des Programms für die arme Bevölkerung heraus. Das Buch richtet sich an Studierende, Wissenschaftler, Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit und Politik.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung

Danksagung

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Das Grüne Gold

2 Die Integration Brasiliens in die globale Wirtschaft
2.1 Definitorische Abgrenzung von Globalisierung
2.2 Aspekte der Globalisierung in Brasilien
2.2.1 Nationale Wirtschaftspolitik und Tendenzen des Außenhandels
2.2.1.1 Die 80er Jahre - Das verlorene Jahrzehnt
2.2.1.2 Die 90er Jahre - Die wirtschaftspolitische Wende
2.2.1.3 Das 21. Jahrhundert - Die Regierung unter Präsident Lula
2.2.2 Wirtschaftsbeziehungen und Frei-Handelsbündnisse
2.2.2.1 Die World Trade Organisation (WTO)
2.2.2.2 Der gemeinsame Markt Südamerikas (Mercosur)
2.2.2.3 Die Gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA)
2.2.2.4 Das EU-Mercosur-Assoziierungsabkommen

3 Wirtschaftliche Entwicklung und Armut in Brasilien
3.1. Das wirtschaftliche Entwicklungsniveau Brasiliens
3.2 Definitorische Abgrenzung von Armut
3.3 Ein wirtschaftliches Armutskonzept - Einkommensarmut
3.3.1 Absolute und relative Armut
3.3.2 Armutskennzahlen
3.4 Brasiliens Armutsprofil
3.4.1 Pro-poor growth
3.4.2 Einkommensungleichheit
3.4.3 Globalisierung und neue Armut

4 Brasiliens Zucker- und Bioethanolmarkt
4.1 Der Zuckermarkt
4.2 Das Pró-Álcool Programm
4.2.1 Auslöser und Ziele des Pró-Álcool Programms
4.2.2 Entwicklungsphasen des Pró-Álcool Programms
4.2.2.1 Die Anfänge des Prò-Àlcool Programms, 1975-1979
4.2.2.2 Ausbau und Konsolidierung des Pró-Álcool Programms, 1979-1996
4.2.2.3. Liberalisierung und Pró-Álcool II, 1996 bis heute
4.3. Bioethanol im globalen Zusammenhang und Trends

5 Chancen und Risiken des Pró-Álcool Programms
5.1 Ökonomische Faktoren
5.1.2 Technologie und komparativer Kostenvorteil von Bioethanol
5.1.3 Komparativer Kostenvorteil von Zucker
5.2 Sozioökonomische Faktoren
5.2.1 Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen
5.2.2 Einkommen
5.2.3 Ernährungssicherung
5.2.3.1 Flächenkonkurrenz und Nahrungsmittelproduktion
5.2.3.2 Nahrungsmittelpreise

6 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Kurzfassung

Brasilien überzeugt als weltweit größter Zuckerexporteur und erster Initiator eines Pro­gramms zur Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrohr. Wie lassen sich aber die im­mensen sozialen und räumlichen Disparitäten des Landes erklären? Hat sich Brasilien einer mit der Globalisierung einhergehenden Strukturanpassung widersetzt? Finden sich allgemein diskutierte Kontroversen im nationalen Pró-Álcool-Programm wieder? Kordula Pfeiffer analysiert die Effekte der Globalisierung auf Brasiliens wirtschaftliche Entwicklung und Armut. Grundlage ihrer fundierten Untersuchung bildet nicht nur die Theorie des wirtschaftlichen Armutskonzepts, sondern sie greift auch das entwick­lungspolitische Konzept eines breitenwirksamen Wachstums sowie eine neue Erschei­nungsform von Armut auf. Unter dem Grundsatz des komparativen Kostenvorteils und einer fortwährenden Produktionsausweitung von Bioethanol stellt sie die ökonomischen und sozioökonomischen Chancen und Risiken des Programms für die arme Bevölke­rung heraus. Das Buch richtet sich an Studierende, Wissenschaftler, Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit und Politik.

Schlagwörter: Armut, Bioenergie, Bioethanol, Brasilien, Ernährungssicherung, Globa­lisierung, Pró-Álcool, Proalcool, Pro-Poor Growth, Wirtschaftliche Entwicklung, Zucker­rohr

Danksagung

Mein herzlichster Dank gilt meinen Eltern und Geschwistern für die überaus hilfreiche Unterstützung, die Anteilnahme an meiner Arbeit und dafür, dass sie mir immer Mut machten.

Vorwort

Die Substitution fossiler durch regenerative Energien wird gewöhnlich als eine strategi­sche Komponente nachhaltigen Wirtschaftens angesehen. Insbesondere die Produkti­on von Bioethanol wird derzeit als Substitut für Benzin propagiert und in einer Reihe von Ländern erheblich gefördert. Nachhaltigkeit beinhaltet selbstverständlich nicht nur ökologische und soziale Aspekte, sondern auch ökonomische, vor allem den Wohl­fahrtszuwachs armer Menschen.

Kaum ein Land hat eine so lange Erfahrung mit der Förderung und Produktion von Bi­oethanol wie Brasilien. Kordula Pfeiffer zeichnet die Entwicklung der Bioethanol-Politik in Brasilien im Kontext der Wirtschaftspolitik des Landes nach und beurteilt den Beitrag dieser Politik zur Steigerung des Wohlstands armer, in der Landwirtschaft tätiger Men­schen. Das Ergebnis der Studie, die auch interessierten Laien sehr gut zugänglich ist, ist recht ernüchternd. Obgleich die Nachfrage nach Arbeitskräften durch die Bioetha­nol-Politik stimuliert wurde, werden regionale und personale Einkommensunterschiede nicht abgeschwächt und sozioökonomische Anforderungen an eine nachhaltige Politik nur unzureichend erfüllt. Mit ihrer Studie ist der Autorin ein lesenswerter Beitrag zur differenzierten Bewertung einer wichtigen Nachhaltigkeits-Strategie gelungen.

Prof. Dr. Rolf A.E. Müller

Institut für Agrarökonomie, CAU Kiel

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Armutsverteilung in Brasilien, 2000

Abbildung 2: Wirtschaftliche Entwicklung in Brasilien

Abbildung 3: Regionen der Zuckerrohrproduktion in Brasilien, 2001

Abbildung 4: Die fünf größten Bioethanolproduzenten weltweit, 2006

Abbildung 5: Die größten Exporteure von Bioethanol weltweit, Handel in Millionen Tonnen (US-Dollar)

Abbildung 6: Die größten Importeure von Bioethanol weltweit, Handel in Millionen Tonnen US-Dollar (1985-2004)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Länderklassifizierung anhand des BNE pro Kopf, 2008

Tabelle 2: Entwicklung des durchschnittlichen BNE pro Kopf in Brasilien 2005-2007

Tabelle 3: Ländliche und städtische Armut im Süd-Osten und Nord-Osten Brasiliens, 1999

Tabelle 4: Entwicklung des Headcount- und Income Gap Index in Brasilien, 2000-2004

Tabelle 5: Hauptcharakteristika der Beschäftigten im Zucker- und Bioethanolsektor, 2003

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Das Grüne Gold

Brasilien ist der Initiator des weltweit ältesten Programms zur Herstellung von alternati­vem Kraftstoff. Seit 1975 wird unter dem nationalen Programa Nacional do Àlcool (Prò- Àlcool Programm) Bioethanol aus Zuckerrohr hergestellt, wobei die Produktionspro­zesse fortwährend modifiziert und ausgeweitet wurden. Seither gerät das Land zuneh­mend in den Fokus weltweiter Klimadiskussionen. Eine befürchtete Verknappung der Erdölvorkommen, ein international steigender Ölpreis sowie die Verabschiedung des Kyoto-Protokolls1 (1997) gaben einen zusätzlichen Anstoß auf der Suche nach einem geeigneten Substitut für fossilen Kraftstoff. Neben großen Anbaukapazitäten verfügt Brasilien hinsichtlich des Pró-Álcool Programms über eine technologische Kompetenz und Infrastruktur, die derzeit auf dem Weltmarkt konkurrenzlos ist. Somit hat das brasi­lianische Programm einen Modellcharakter, welchen andere Länder nachzuahmen versuchen.

Der Begriff das Grüne Gold reflektiert die Bedeutsamkeit des Pró-Álcool Programms für den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (Lula, seit 2003). Grün steht im weitesten Sinne für eine Umweltpolitik zur signifikanten Reduktion der Schad­stoffemissionen durch Bioethanol. Gold hingegen beschreibt die Möglichkeit des Schwellenlands durch Exportzuwachs zu einer der führenden Industrienationen zu avancieren und impliziert gleichzeitig eine Überwindung der ländlichen Armut durch positive Beschäftigungs- und Einkommenseffekte. Dies sind auch die wesentlichen Legitimationsargumente für das Programm, mit denen Lula als globaler Förderer der Agrarenergie in der Öffentlichkeit wirbt und eine intensivierte Produktion von Bioetha­nol in Aussicht stellt.

Vor diesem Hintergrund besteht das Ziel darin, die ökonomischen und sozioökonomi- schen Chancen und Risiken des Pró-Álcool Programms aufzudecken und zu untersu­chen, ob eine steigende Produktionsausweitung die Armut im Land reduzieren kann.

Hierfür wird zunächst grundlegend geklärt, inwieweit Globalisierungsprozesse auf die wirtschaftliche Entwicklung und schlussendlich auf die Armut in Brasilien wirken. Auf diesen Resultaten beruhend wird überprüft, ob sich die allgemeinen Kontroversen der Globalisierung auch im Prò-Àlcool Programm wiederfinden.

Wissenschaftliche Untersuchungen und Berichte zum Thema Biokraftstoff im umweltpolitischen Kontext sind zahlreich. Die Tortilla-Krise in Mexiko (Anfang 2007) und die Hungerkrise in Haiti (2008) haben in diesem Zusammenhang das Thema Ernährungssicherung verschärft hervorgebracht. Veröffentlichungen staatlicher Institutionen wie die der Food and Agriculture Organization (FAO), der World Bank, des International Food Policy Research Institute (IFPRI) oder der United Nations (UN) sind oftmals in einen breiten, themenübergreifenden Kontext eingebunden. Seltener findet eine konkrete Projektion auf Brasilien statt, ganz besonders hinsichtlich möglicher Auswirkungen des nationalen Programms auf die Armen. Zudem basieren wissenschaftliche Studien ebenso wenig wie zahlreiche Berichte der Non­Governmental Organizations (NGOs) auf einer soliden Datenbasis und vertiefen nicht die Thematik sozioökonomischer Chancen und Risiken. Literatur, die sich eingehender mit dem brasilianischen Modell befasst, wurde bisher auf Portugiesisch veröffentlicht, jedoch in keiner anderen Sprache.

Kapitel 2 behandelt die Frage, inwieweit Brasilien weltwirtschaftlich integriert ist. In die­sem Kontext wird der Globalisierungsbegriff definitorisch abgegrenzt, bevor die Aspek­te der Globalisierung in Brasilien herausgestellt werden. Hierfür werden die verschie­denen Strategien nationaler Wirtschaftspolitik chronologisch dargelegt. Verhandlungen zu multinationalen, bilateralen und interregionalen Freihandelsabkommen belegen zu­dem die Ausrichtung der brasilianischen Außenhandelsstrategie. Kapitel 3 umschreibt die wirtschaftliche Entwicklung und Armut in Brasilien. In diesem Zusammenhang wird das brasilianische Entwicklungsniveau zunächst anhand wirtschaftlicher Indikatoren verortet. An eine allgemeine Definition von Armut schließt dann eine Erläuterung des wirtschaftlichen Armutskonzepts, der Einkommensarmut. Darauf aufbauend wird das aktuelle Armutsprofil des Landes beschrieben. Basierend auf angeführten Statistiken zum wirtschaftlichen Wachstum sowie zur Armuts- und Einkommensmessung wird un­tersucht, ob das Wachstum in Brasilien pro-poor2 ist. Nachdem auf die Problematik der Einkommensungleichheit eingegangen wird, folgt eine Beschreibung der neuen Armut. Kapitel 4 gibt einen geschichtlichen Abriss über die Entwicklung des Zucker- und Bio­ethanolmarkts in Brasilien. Neben der Verflechtung dieser bedeutsamen Märkte, die sich aus dem Pró-Álcool Programm ergibt, wird auf die Förderpolitik der Regierung eingegangen. Darüber hinaus werden die wesentlichen Akteure des internationalen Bioethanolmarktes genannt. Unter Berücksichtigung der tarifären Einordnung von Bio-ethanol werden globale Trends in der Produktion aufgezeigt. Welche nationalen Chan­cen und Risiken das Prò-Àlcool Programm für die Armen birgt, wird unter ökonomi­schen und sozioökonomischen Gesichtspunkten in Kapitel 5 herausgestellt. Kapitel 6 schließt mit einem Fazit zur Fragestellung.

2 Die Integration Brasiliens in die globale Wirtschaft

Kapitel 2 gibt zunächst eine Definition von Globalisierung. Darauf aufbauend wird in Kapitel 2.3.1 untersucht, welche Weichen Brasilien zur Teilnahme an dem Globalisierungsprozess stellte. Dies geschieht im Hinblick auf die nationale Wirtschafts­und Handelspolitik der 80er Jahre bis heute. In Kapitel 2.3.2 werden Brasiliens Bemühungen zur weltwirtschaftlichen Einbindung erläutert. Um Brasiliens Außenhandelsstrategie und -ausrichtung zu verdeutlichen, wird auf Verhandlungen zu multinationalen, bilateralen und interregionalen Freihandelsabkommen eingegangen.

2.1 Definitorische Abgrenzung von Globalisierung

Der Globalisierungsbegriff hat sich erstmalig im Verlauf des 20. Jahrhunderts etabliert. Er ist bis heute in seiner Verwendung oft vage und auf verschiedenste Weise interpre­tiert (vgl. EBENTHAL 2007, S. 4).

„Globalization is the increased international mobility of goods, people, contracts (includ­ing financial claims) and thoughts (facts, ideas, and believes)" (LEAMER 2007, S. 104).

“Economic globalization constitutes integration of national economies into the interna­tional economy through trade, direct foreign investment (by corporations and multina­tionals), short-term capital flows, international flows of workers and humanity generally, and flows of technology: [...]. It is distinct from other aspects of globalization, such as cultural globalization (which is affected, [...] by economic globalization) and communica­tions (which is among the factors that cause the deepening of economic globalization)" (BHAGWATI2004, S.3-4).

„Ökonomische Globalisierung sei daher hier grundlegend definiert als der zunehmende Anteil grenzüberscheitender privatwirtschaftlicher Aktivitäten an der gesamten Wirt­schaftsleistung von Ländern” (SCHIRM 2007a, S. 13).

J. A. Scholte kritisiert eine oftmals unzureichende begriffliche Abgrenzung zu verwand­ten Prozessen wie Internationalisierung, Uniformisierung, Liberalisierung oder Wester­nisation (vgl. SCHOLTE 2002, S. 8-13).

Auf einem in den 90er Jahren entstandenen Liberalisierungskonzept beruhend, verste­hen Ökonomen unter Globalisierung den grenzüberschreitenden freien Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitskräften und Kapital, begünstigt durch den Abbau von Restriktionen (vgl. HESHMATI 2007, S. 59). Internationale Transaktionen steigen mit zunehmender staatlicher Departizipation, sinkenden Transport- und Kommunikations­kosten, dem Abbau von Handelshemmnissen, steigender Kommunikation, steigendem Kapitalfluss und Wettbewerb sowie Standardisierung und Migration (vgl. SCHOLTE, ROBERTSON 2007, S. 526 ff.).

Allerdings vollzieht sich die Globalisierung räumlich und zeitlich nicht einheitlich (vgl. HESHMATI 2007, S. 59). Diese Heterogenität löst ungleiche Entwicklungen aus. Dabei stehen unter Anderem positive Effekte wie ein höheres wirtschaftliches Wachstum und verbesserte Lebensstandards dem Risiko steigender Ungleichheit und Exklusion ge­genüber (WORLD BANK 2000, S. 3).

2.2 Aspekte der Globalisierung in Brasilien

2.2.1 Nationale Wirtschaftspolitik und Tendenzen des Außenhandels

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß ein Land von der Globalisierung profitieren kann, erfordert nicht nur die Berücksichtigung solcher Fakto­ren, die außerhalb des nationalen Einflussbereichs liegen. Vielmehr ist eine eingehen­de Analyse der nationalen Wirtschaftspolitik notwendig. Nationale Regierungen können einen erheblichen Beitrag leisten, die Tendenzen des Globalisierungsprozesses zu bestimmen. Globalisierungswirkungen ergeben sich dabei aus der Fähigkeit der natio­nalen Wirtschaftspolitik stabile makroökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, Investitionen in Sach- und Humankapital zu erhöhen und dem internationalen Handel und ausländischen Direktinvestitionen ausreichend offen gegenüber zu stehen. Eine wirtschaftliche Stabilität ist bei niedrigen, konstanten Inflationsraten gegeben. Hohe Inflationsraten und langfristige Inflationsschwankungen sind meist die Folge staatlicher Budgetdefizite, wodurch die Standortattraktivität für national operierende Unternehmen erheblich geschmälert wird. Damit ist gleichzeitig der Zustrom ausländischer Direktin­vestitionen gering, welcher ein Indikator für die Intensität der globalen Einbindung ei­nes Landes ist. Investitionen in Sachkapital steigern die Arbeitsproduktivität und gleichzeitig die Aussicht auf ein vorteilhaftes wirtschaftliches Wachstum. Hohe Investi­tionsquoten sind hingegen kein Garant für wirtschaftlichen Fortschritt. Regierungen sind in diesem Zusammenhang gefordert, nicht nur Investitionen zu steigern, sondern diese in solche Bereiche einfließen zu lassen, in denen das Land einen komparativen Produktionsvorteil3 hat. Zur Weiterentwicklung technischer Fertigkeiten ist mit zuneh­mender Globalisierung eine verstärkte Investition in Humankapital erforderlich. Die wirtschaftspolitische Offenheit gegenüber Importen und ausländischen Direktinvestitio­nen fördert den Wettbewerb und die Effizienz auf den nationalen Märkten. Hierbei ist der Offenheitsgrad entscheidend darüber, wie schnell und in welchem Ausmaß der materielle Wohlstand eines Landes, also das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ansteigt (NUNNENKAMP 1997, S. 109-111).

Brasilien hatte sich zunächst der mit der Globalisierung einhergehenden wirtschaftspolitischen Strukturanpassung widersetzt. Das Land fällt somit aus dem typischen Rahmen, denn im internationalen Vergleich wurde der Weg zu neuen Wirtschaftsreformen erst spät geebnet. Um zu verstehen, warum eine neoliberalistische Strategie der brasilianischen Regierung verzögert einsetzte, soll rückblickend auf die letzte Phase der importsubstituierenden Industrialisierung unter Militärregime eingegangen werden (CALCAGNOTTO 1996, S. 526; NUNNENKAMP 1997, S. 109-111). Dies geschieht in Kapitel 2.2.1.1. Welchen Grundstein die brasilianische Wirtschaftspolitik bis heute legte und inwieweit Brasilien dadurch an dem Globalisierungsprozess partizipiert, wird in den anschließenden Kapiteln erläutert. Hierzu werden Strategien und Effekte verschiedener Regierungsführungen der 80er Jahre bis heute aufgezeigt.

2.2.1.1 Die 80er Jahre - Das verlorene Jahrzehnt

Brasilien konnte seine Chancen in den 80er Jahren nicht nutzen. Obwohl das Land bis dahin hohe gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten aufwies und bevorzugter Standort der Entwicklungsländer für ausländische Direktinvestitionen war, ist es nicht gelungen, das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen weitestgehend dem höheren Niveau der OECD-Mitgliedsländer anzu passen.

Zu Beginn der 80er Jahre überstiegen die brasilianischen Exporte die Importe, wodurch das Land temporäre Handelsüberschüsse erzielte. Dieser enorme Exportan­stieg war auf den Industrialisierungsprozess und die hohe Außenverschuldung zurück­zuführen. Weil Brasilien unzureichend kreditwürdig war, wurden die brasilianischen Exporte staatlich subventioniert, um über diesen Weg an Auslandsdevisen zu gelan-gen. Phasenweise deckten diese Subventionen bis zu 75% des nationalen Exportvo­lumens. Gleichzeitig wurden die Importquoten stark reduziert. Dies ging im Bereich der Technologieimporte mit einer repressiven Politik einher, weswegen der Modernisie­rungsprozess stagnierte. Die höchste Exportquote von 14% im Jahr 1984 fiel bereits Mitte der 80er Jahre wieder auf historische 7% (KOHLHEPP 2003, S. 130; NUNNEN- KAMP 1997, S. 112).

Für den rückläufigen Trend der Exporte war die unter General Ernesto Geisel (1974­1979) und General Joäo Figueiredo (1979-1985) geführte Militärregierung verantwort­lich. Anstatt die Konjunktur- und Strukturpolitik den sich abzeichnenden nationalen wirtschaftlichen Krisen anzupassen, wurden hohe Wachstumsraten angestrebt und die importsubstituierende Industrialisierung vertieft. Somit konnte den wirtschaftlichen Kri­sen nicht ausreichend entgegengewirkt werden und auch die schnelle Überwindung interner und externer Ungleichgewichte blieb vernachlässigt (BAER 2008 S. 179; CALCAGNOTTO 1996, S. 526). Die nachholende Industrialisierung der Militärregie­rung stützte sich auf eine dreigliedrige Wirtschaftsstruktur aus staatlichem, nationalem und transnationalem Kapital und setzte auf ansteigende Investitionen ausländischer Unternehmen sowie günstige Auslandskredite (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 3-4). Die von tarifären wie nicht tarifären Handelsbeschränkungen4 begleitete Industriepolitik war vornehmlich an dem binnenländischen Markt orientiert und förderte kapitalintensive Industriesektoren. Mit der damaligen Industriepolitik konnte Brasilien ein industriell entwickeltes Niveau erreichen, auf dem es bis heute verharrt (KOHLHEPP 2003, S. 127-128). Traditionelle Sektoren waren demgegenüber vernachlässigt, da die Herstel­lung von Gütern rapide wachsender Bereiche des internationalen Handels an Entwick­lungsländer übergeben wurde. Zwar förderte die Regierung weiterhin strategisch wich­tige Bereiche der nationalen Land-, Energie- und Exportwirtschaft, jedoch resultierte daraus eine verzerrte Industriestruktur. Gleichzeitig schmälerte sich das Exportpoten­zial solcher Erzeugnisse, in denen Brasilien einen komparativen Vorteil hätte erzielen müssen (CALCAGNOTTO 1996, S. 526, KOHLHEPP 2003, S. 127-130).

Mit der Ölkrise (1979/80) brach in Brasilien endgültig eine Wirtschaftskrise aus. Das schuldeninduzierte Wachstum war für das Land bald nicht mehr tragbar, so dass es 1981 in die Schuldenkrise geriet (BAER 2008, S. 179; CALCAGNOTTO 1996, S. 526; SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 4). Eine starke Rezession machte das Land gegenüber den Auswirkungen der darauffolgenden Mexiko-Krise (1982) äußerst fragil, so dass Brasilien im gleichen Jahr die Zahlungsunfähigkeit erklärte (CALCAGNOTTO 1996, S. 526). Zahlreich angewandte Stabilisierungsprogramme, verschiedene Lohnpolitiken und andere Politikansätze konnten den aufeinanderfolgenden Krisen nicht erfolgreich entgegenwirken (WEHRHAHN 2002, S. 5). Infolgedessen blieb Brasiliens Wirtschaft in dieser Phase gekennzeichnet durch hohe, noch nie da gewesene Inflationsraten und Budgetdefizite, die fast 12% des BIP ausmachten (NUNNENKAMP 1997, S. 113). Zwi­schen 1985 und 1994 war das brasilianische Pro-Kopf-Einkommen im Jahresdurch­schnitt um 0,4% rückläufig, so dass es, insbesondere im Vergleich zu den ostasiati­schen Ländern, aber auch im lateinamerikanischen Vergleich, erheblich zurückgefallen war (NUNNENKAMP 1997, S. 106).

Wegen der gesamtwirtschaftlichen Instabilität und der fortwährenden Importsubstituti­onspolitik war Brasiliens Außenorientierung bis in die 90er Jahre sehr gering. Nicht nur der Anteil der Exporte am brasilianischen BIP war rückläufig, sondern auch die auslän­dischen Direktinvestitionen im Vergleich zu den Exporten. Wettbewerbsfähige lokale Zulieferindustrien konnten sich aufgrund umfassender, güterverzerrender Interventio­nen des Staates nur unzureichend entwickeln. Demzufolge war das Land für ausländi­sches Risikokapital nicht mehr interessant. Die Importsubstitutionspolitik des Landes war zudem darauf ausgelegt, ausländische Direktinvestitionen für die lokalen Märkte zu verwenden. Auf diese Weise konnte Brasilien wenig vom Globalisierungsprozess profi­tieren, denn es sah von einer Investition zur Ausweitung der Exporte ab (BAER 2008, S. 179; NUNNENKAMP 1997, S. 113).

2.2.1.2 Die 90er Jahre - Die wirtschaftspolitische Wende

Globalisierungseffekte begannen in Brasilien erst zu Beginn der 90er Jahre zu greifen, denn die derzeitige Regierung hatte das Ausmaß der Wirtschaftskrise und die Zusam­menhänge zwischen Wirtschaftspolitik und Inflation sowie Haushaltsdefizit besser er­fassen können (CALCAGNOTTO 1998, S. 504-505). Mit der Regierung unter Fernando Collor de Mello (Collor, 1990-1992) war die brasilianische Außenpolitik integraler Be­standteil einer neoliberalen Strategie im Zeichen einer sich öffnenden Wirtschaft, in der Handelsbarrieren abgebaut und Restriktionen für Fremdkapital entschärft werden (BA­ER 2008, S. 179; SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 9). Der Staatspräsident initiierte Refor­men zur Privatisierung von Staatsunternehmen, zur sukzessiven Liberalisierung des Außenhandels sowie zur Deregulierung, die eine größere Wirkung zeigten als die Maßnahmen zuvor. Um Handelsmärkte zu öffnen, wurden Zolltarife schrittweise von über 30% (vor 1990) auf 13% (1995) gesenkt. Einige Unternehmen, die unter protekti­onistischen Bedingungen entstanden, waren dann nicht mehr überlebensfähig. Insbe­sondere die brasilianische Elektroindustrie und Computerbranche waren von Unter­nehmensschließungen betroffen. Somit war die strukturelle Modernisierung und ein signifikanter Anstieg der Arbeitsproduktivität in den 90er Jahren von einer zunehmen­den Arbeitslosigkeit begleitet (CALCAGNOTTO 1998, S. 504-505; WEHRHAHN 2002, S. 5). Ein früheres Importverbot von auch im Inland hergestellten Gütern wurde aufge­hoben. Neben Konsumgütern wie Pkws, Elektrogeräten und elektronischen Geräten konnten sodann Halbfertigwaren und Rohstoffe eingeführt werden, die zur Modernisie­rung der weiterverarbeitenden Industrie notwendig waren (WEHRHAHN 2002, S. 5). Nachdem eine erneute Rezession (1990-1992) überwunden war, führte der erhebliche Importanstieg seit 1995 zu einer negativen Handelsbilanz. Inklusive Zinszahlungen und Dividenden belief sich Brasiliens Leistungsbilanzdefizit auf -33,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 1997, was 64,7% aller Devisenreserven des Landes ausmachte. Daraus lässt sich ableiten, welch enormer Auslandsfinanzierungsbedarf daraufhin für Brasilien er­forderlich war. Eine deutliche Passivierung, sowohl der Handels- als auch der Leis­tungsbilanz, ist insbesondere auf das von Fernando Henrique Cardoso (Finanzminis­ter, 1993-1994) eingeführte, dreistufige wirtschaftliche Stabilisierungsprogramm Plano Real zurückzuführen. Der Nebeneffekt, des zur Inflationsbekämpfung initiierten Pro­gramms, war eine Überbewertung der Landeswährung Real, die an den Dollar gekop­pelt war. Dadurch waren nicht nur Importwaren verbilligt. Die flexible Wechselkursan­bindung konnte zudem die Inflationsrate des Landes auf unter 2% monatlich senken, was zu einem stärkeren Zustrom ausländischer Direktinvestitionen führte (CALCAG- NOTTO 1996, S. 527; KOHLHEPP 2003, S. 130). Entgegen der Theorie rückläufiger Exportquoten bei Währungsaufwertung blieb Brasiliens Exportaktivität weitestgehend unverändert. Ab 1995 verzeichnete Brasilien sogar moderate Exportzuwächse durch einen intensivierten Austausch mit dem Mercosur5. Gegenüber den übrigen Ländern, zu denen Brasilien eine Handelsbeziehung pflegte, veränderte sich die Exportaktivität jedoch nicht (KOHLHEPP 2003, S. 130). Diese theorieabweichende Tendenz lässt sich durch die brasilianische Exportstruktur erklären, denn das Land konzentrierte sich auf nicht dynamische Produktgruppen. So waren für die brasilianische Exportwirtschaft nicht etwa in erster Linie industrielle Fertigwaren, sondern nach wie vor Rohstoffe und rohstoffnahe Produkte bedeutsam (KOHLHEPP 2003, S. 130, 132). Um zusätzliches Auslandskapital zum Ausgleich des entstandenen Leistungsbilanzdefizits zu erlangen, wurde der Binnenmarktzins über das durchschnittliche Weltmarktniveau angehoben. Infolgedessen stellten Unternehmer, die sich keine überteuerten Kredite leisten konn­ten, ihre Investitionen weitestgehend ein. Niedrige Investitionsquoten von ca. 15% des BIP gingen seitdem mit einer niedrigen wirtschaftlichen Wachstumsrate von 2,8% (1997) einher. Auf diese Weise konnte vermieden werden, dass sich das Handelsbi­lanzdefizit weiterhin ausweitete (CALCAGNOTTO 1998, S. 505-506). Brasilien war als unmittelbare Konsequenz der Asienkrise (1998/ 1999) erneut einer Finanz- und Wäh­rungskrise ausgesetzt, bis sich die Dollarkoppelung wieder auflöste. Infolgedessen stiegen die Staatsschulden bis auf 53% des BIP an und die wirtschaftliche Wachstums- rate stagnierte auf unter 1%. Diese Entwicklung war von einer Deindustrialisierung be­gleitet, welche aus zahlreichen Privatisierungen und Übernahmen durch ausländische Unternehmen resultierte (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 4). Das unter Collor herausge­bildete importorientierte Wachstumsmodell wurde mit der Auflösung der Währungs­koppelung an den US-Dollar (1999) in ein exportgetriebenes Wachstumsmodell umge­kehrt (SCHMALZ, FUCHS S. 120). Im Hinblick auf die Außenpolitik zeigte sich Brasili­en gegenüber den Industrienationen kooperativ, um ausländische Investoren anzulo­cken. Cardoso wandte sich aber wegen wiederholter Konflikte mit den USA von der Orientierung auf Entwicklungsländer in den frühen 80er Jahren ab und etablierte eine eigenständige Integrations- und Außenpolitik in Lateinamerika (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 9-10).

2.2.1.3 Das 21. Jahrhundert - Die Regierung unter Präsident Lula

Die neue Regierung unter dem früheren Gewerkschaftsführer Lula verfolgt prinzipiell die gleiche neoliberale Strategie, wie sie Collor zuvor umsetzte (Europäische Kommis­sion, 2008). Dies geschieht mit dem einzigen Unterschied, dass im Vergleich zu den 90er Jahren eine veränderte außenpolitische Ausrichtung realisiert wird, durch die Bra­silien eine greifende makroökonomische Stabilität erzielen konnte. Steigende wirt­schaftliche Wachstumsraten, moderate Inflationsraten, eine intensivierte Einbindung in die Weltwirtschaft, Handelsüberschüsse sowie rapide ansteigende ausländische Direk­tinvestitionen sind ein Indiz dafür.

Insgesamt ist das 21. Jahrhundert geprägt von einer Modernisierung des Agrarsektors und einem regional heterogen verlaufenden Industrialisierungsprozess. Globalisie­rungsprozesse, wie sie sich heute in Brasilien abzeichnen, gehen über einen Export von Rohstoffen hinaus. Eine stärkere Verflechtung von Produktions-, Absatz-, Geld- und Humankapitalmärkten tritt neben eine Weltmarktintegration. Für die fortschreitende Globalisierung ist auch die Tatsache kennzeichnend, dass ökonomische Strukturen und nationale Entscheidungen zunehmend äußeren Einflüssen unterliegen (WEHR­HAHN 2002, S. 2-4). Soziale Bewegungen, die Arbeiterpartei Partido de los Trabajado­res (PT) und Teile der Industrie stellen sich allerdings gegen einen Ausverkauf der bra­silianischen Industrie und fordern ein hohes wirtschaftliches Wachstum zur Umvertei­lung. Um eine unabhängige Außenpolitik zu erzielen, fördert Präsident Lula das Ex­portwachstum und versucht somit gleichermaßen auf die Interessen des Agrarsektors und der Industrie einzugehen (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 9-10).

Nach 1994 war die brasilianische Außenhandelsbilanz erstmalig wieder positiv. Der Überschuss von 13,1 Milliarden US-Dollar (2002) sowie die Auslandsinvestitionen konnten kontinuierlich gesteigert werden (SCHIRM 2007, S. 4). Trotz abflauender Wirt-Schaftsentwicklung seit 2005 boomt die brasilianische Exportwirtschaft weiterhin. Wäh­rend die Exporte von 57,95 Milliarden US-Dollar (2002) auf 118,31 Milliarden US-Dollar (2005) anstiegen, erhöhte sich gleichzeitig der Importanteil, so dass ein Handelsbilan­züberschuss von 44,76 Milliarden US-Dollar (2005) entstand (SCHMALZ 2008, S. 13). Brasilien hat nicht nur den Außenhandel systematisch ausgeweitet, sondern auch die Exportstruktur stark diversifiziert. Die Exporte reichen von Agrargütern über verarbeite­te Konsumwaren bis hin zu Industrie- und Kapitalprodukten, wobei Exportunternehmen von einer Währungsabwertung profitieren. Nahrungsmittel wurden sukzessive von Transportmitteln und Maschinen als führende Export- und Importgüter zurückgedrängt. Im Jahr 2004 wurden 29,6% Primärgüter, 16,6% Halbfertigwaren und 56,9% verarbei­tete Industrieprodukte exportiert (SCHIRM 2007, S. 4).

Brasiliens weltwirtschaftliche Einbindung ist trotz eines Handelswachstums hinsichtlich der Auslandsinvestitionen, -verschuldung und seiner Wettbewerbsfähigkeit fragil (SCHIRM 2007, S. 5). Das neoliberale Wirtschaftsmodell führte letztendlich zu einer verstärkten Außenabhängigkeit, so dass sich die Auslandsschulden vertieften. Im Jahr 2008 beliefen sich Brasiliens Staatsschulden auf insgesamt 40,7% des kaufkraftberei­nigten BIP (BIP 2008, 2,3 Billionen US-Dollar).

Damit soziale Veränderungen im Land erzielt werden konnten, sollte die bisherige Au­ßenpolitik einer verstärkten Süd-Süd-Orientierung weichen. Umfangreiche Kooperatio­nen mit den großen Industrienationen des Nordens wurden daher vernachlässigt. Ent­sprechend dieser Strategie sind neue Bündnisse mit China, Indien, dem Nahen Osten, Südafrika, Subsahara Afrika und innerhalb Lateinamerikas erwachsen (CIA 2008; SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 9-10). Dabei hat die Beteiligung der EU am brasiliani­schen Gesamthandel um 10% zugenommen, während der Anteil der USA um etwa 29,1% und derjenige Chinas um 24,6% gestiegen ist (SCHMALZ 2008, S. 13). Präsi­dent Lula meidet trotz zahlreicher Konflikte mit den USA eine absolute Konfrontation und ist bemüht, geregelte Beziehungen weiterhin aufrecht zu halten (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 9-10).

2.2.2 Wirtschaftsbeziehungen und Frei-Handelsbündnisse

Präsident Lula befindet sich in einer schwierigen Position, denn seit Mitte der 90er Jah­re ist Brasilien in zahlreichen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen beteiligt. Als Mercosur-Mitglied verhandelt Brasilien gleichzeitig mit den übrigen Mercosur-Staaten zur Gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA)6 und der EU. Auf multilateraler Ebene verhandelt Brasilien über die World Trade Organization (WTO) in der Doha- Runde7. Dabei ist zu befürchten, dass das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Nor­den und Süden vertieft und nicht, wie es Lula zu erreichen versucht, in eine Süd-Süd­Orientierung umgekehrt wird (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 9-12).

Die EU und die USA verfolgen offensive Strategien, die insbesondere den Export- und Investitionsinteressen transnationaler Unternehmen der Industrienationen zu Gute kommen. Zollsenkungen öffnen neue Märkte für Exporte einerseits, Dienstleistungs­und Investitionsliberalisierungen intensivieren den Ausverkauf der Unternehmen in Brasilien andererseits. Zudem nehmen marktkonforme Regelungen zur Vergabe von staatlichen Aufträgen der öffentlichen Hand die Möglichkeit zur entwicklungsfördernden Industriepolitik. Eine Festschreibung hoher sozialer Spaltung sowie eine Vertiefung der Außenabhängigkeit Brasiliens sind die Folgen dieser handelspolitischen Agenda. Für die großen Handelsblöcke ergänzen sich dabei die Verhandlungen auf multilateraler und bilateraler Ebene. So ist ein Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens sogar expli­zit an die Verhandlungsresultate auf WTO-Ebene gekoppelt. Bilaterale und interregio­nale Projekte stehen im Zeichen einer ehrgeizigen Mehrebenenstrategie der Industrie­länder. Die verhandelten Abkommen der ALCA und des EU-Mercosur reichen über gegenwärtige WTO-Regelungen hinaus. Auf interregionaler Ebene finden sich Themen wie Zollsenkungen für Industrie- und Agrargüter, Liberalisierung des Dienstleistungs­handels, Rechte an geistigem Eigentum und die Singapurthemen8 wider (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 30).

Im Interesse des heimischen Agribusiness zielen die Agrarverhandlungen der WTO auf die Liberalisierung der Agrarmärkte ab, wobei die Schutzinteressen der Kleinbauern, nicht nur in Brasilien untergraben werden. Dabei ist nicht auszuschließen, dass Brasilien seine Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen zur Verbesserung des Marktzugangs innerhalb des Landwirtschaftssektors unverhältnismäßig weit öffnen könnte. Dies wäre für kleinere, global nicht wettbewerbsfähige Anbieter verhängnisvoll. Die brasilianische Regierung ist neben externen Zwängen einem widersprüchlichen Ringen interner sozialer Gruppen ausgesetzt. Offensive Exportinteressen des brasilianischen Agribusiness und Teilen der Industrie stehen dabei den defensiven Schutzinteressen sozialer Bewegungen, Gewerkschaften und einigen Industriesektoren gegenüber.

Als Schwellenland und weltpolitische Mittelmacht hat Brasilien durchaus einen gewissen Spielraum gegenüber den großen Wirtschaftsmächten EU und USA. Dieser Spielraum kann erweitert werden, wenn es gelingt, als Gegengewicht zu den Interessen des Nordens, die Süd-Süd-Kooperation zu stärken und zu stabilisieren. Ein Weg dorthin wurde bereits durch den Aus- und Umbau des Mercosur zu einem Machtblock, der in höherem Maß soziale Belange berücksichtigt und ganz Südamerika einschließen könnte, bereitet. Auch der Ausbau der bilateralen Handelspolitik mit Ländern des Südens sowie die Führungsrolle Brasiliens in der G-209 auf WTO-Ebene ist ein wesentlicher Schritt in diese Richtung (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 31).

Welche Position Brasilien bei den Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen auf WTO-Ebene, mit dem Mercosur, der ALCA und der EU tatsächlich einnimmt und wie das Land diesen internationalen Wirtschaftsbeziehungen letztendlich gegenüber steht, wird in den folgenden Kapiteln herausgestellt.

2.2.2.1 Die World Trade Organisation (WTO)

Die WTO agiert als neutraler Vermittler bei Verhandlungen zu Freihandelsabkommen und verhilft zur Einigung und zum Abschluss. Über die WTO, dessen übergreifendes Ziel die weitere Liberalisierung des Welthandels durch den Abbau von Zöllen, Dum­ping, Subventionen und anderen Handelshemmnissen ist, ist Brasilien an multilateralen Verhandlungen beteiligt (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 12; WTO 2008).

Im Rahmen des im Jahr 2001 verabschiedeten Arbeitsprogramms (Doha­Entwicklungsagenda) versucht die G-20, ein Bündnis von Entwicklungs- und Schwel­lenländern, in weiteren Ministerkonferenzen einen besseren Marktzugang zur EU und den USA zu erlangen. Dies soll durch eine Reduzierung von Exportsubventionen im Agrarsektor der Industriestaaten und einen Abbau von Importquoten und Zöllen reali­siert werden (WTO 2011b). Allerdings scheiterte die Doha-Verhandlungsrunde in Cancún (2003) ergebnislos am Widerstand der G-20 gegen die Agenda des Nordens. Brasilien hat seit der Gründung eine Koordinatorenrolle in der G-20 eingenommen, die die Machtkonfiguration der WTO veränderte und dadurch den Einfluss der OECD-Staaten10 schwächen konnte (SCHMALZ 2008, S. 12, S. 150-151). Die Haltung der EU und den USA unterschied sich erheblich von der der brasilianischen Regierung, denn diese warf den Nationen ein gravierend asymmetrisches Machtverhältnis in der Welt­handelsordnung vor. Im Sinne Brasiliens steht ein weniger autokratisches multilatera­les Handelssystem, das nicht lediglich als wohlfahrtssteigerndes Instrument dient, son­dern vielmehr eine gleichgewichtete Verteilung der Wohlfahrt vorsieht. Dieser Wunsch grundlegende Ordnungsmuster des internationalen Systems zur Symmetrie und Ge­rechtigkeit zu führen, ist aber dem protektionistischen Interesse der wettbewerbsfähi­gen brasilianischen Industrie und den Liberalisierungsanstrengungen des konkurrenz­fähigen Agrarsektors nach wie vor untergeordnet (SCHIRM 2007, S. 13). Mit der Ver­abschiedung eines Agrar-Rahmenabkommens zur Handelserleichterung und der zu­künftigen Agenda der Doha-Runde konnte auf der WTO-Konferenz in Genf (2004), das ergebnislose Scheitern der Verhandlungsrunde von Cancún überwunden werden (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 14). Dieses Rahmenabkommen, auch Juli-Paket11 ge­nannt, zeichnet sich durch einen Kompromiss zwischen dem Interesse eines umfas­senden Handlungsspielraums für interne Subventionen und Exportinteressen aus. Ver­nachlässigt werden allerdings die Bedürfnisse derjenigen Länder, die zur Ernährungs­sicherung auf einen Zollschutz für ihre Kleinbauern abzielen (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 12). Auch außerhalb des Agrarsektors sind die Vereinbarungen des Juli­Pakets entwicklungspolitisch bedenklich. In den so genannten Non Agricultural Market Access-Verhandlungen (NAMA)12 über den Marktzugang nicht agrarischer Produkte sind immense Zollsenkungen beabsichtigt, die in vielen Entwicklungsländern den ein­heimischen, global nicht wettbewerbsfähigen Betrieben die Existenz nehmen. Einige Beobachter sehen darin sogar eine Gefahr der Deindustrialisierung. Gleichwohl könn­ten diese genannten Risiken Schwellenländer wie Brasilien treffen, dessen Industrie dem Weltmarktwettbewerb nur teilweise gewachsen ist (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 14-15).

Auch die Ministerkonferenz in Hong Kong (2005), welche die Doha-Runde zum erfolg­reichen Abschluss bringen sollte, endete lediglich mit einem Kompromissvorschlag. Dies lag zum einen darin begründet, dass Vertreter der USA zu keinen weiteren Zuge­ständnissen der zentralen Forderung der G-20, nämlich Agrarsubventionen abzubau­en, bereit waren. Zum anderen weigerten sich die Schwellenländer China und Indien, ihre Agrarmärkte zu öffnen und ihre kleinen Landwirtschaftsbetriebe mit massiv sub­ventionierten landwirtschaftlichen Gütern vor der Konkurrenz zu bewahren. Der Kom­promissvorschlag sieht den vollständigen Abbau von Agrarexportsubventionen vor al­lem in der EU, den USA und Kanada bis zum Jahr 2013 vor. Industriell wenig entwi­ckelten Ländern soll bis zum Jahr 2008 ein weitestgehend zoll- und quotenfreier Welt­marktzugang eröffnet werden. Alle weiteren Ministerkonferenzen, zuletzt im Juli 2008, wurden ergebnislos abgebrochen (TAGESSPIEGEL 2008).

2.2.2.2 Der gemeinsame Markt Südamerikas (Mercosur)

Der Mercosur wurde 1991 unter dem Zusammenschluss der Kernländer Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet. Nachdem Peru als assoziiertes Mitglied (2003) aufgenommen wurde, schloss der Mercosur zusätzliche Freihandelsverträge mit Mexiko und den Staaten der Andengemeinschaft (CAN)13 ab. Als gemeinsamer Bin­nenmarkt setzen diese sich für eine nicht sektoral gebundene Liberalisierung der Wa­renmärkte sowie für eine gemeinsame Zollunion ein, die jedoch niedrige Außenzölle vorsieht. Auf diese Weise soll ausländisches Kapital angezogen und der südamerikani­sche Markt attraktiver für den Weltmarkt sein. Diese Integrationspolitik sah es vor, den Mercosur als Plattform zu nutzen, um interne Widerstände gegenüber einer Marktöff­nungen einzudämmen (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 22-23). Mit einem BIP von über einer Billion US-Dollar, was etwa 70% des lateinamerikanischen Außenhandels und den Direktinvestitionen entspricht, etablierte sich der Mercosur-Verbund in den 90er Jahren, nach der EU und der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA)14, zum drittgrößten Handelsverbund weltweit (SANGMEISTER 2001, S. 42). Insgesamt über­stieg der Intrahandel des Mercosur jedoch nie 25% der Gesamtexporte aller Mitglieds­länder (1998), weswegen der Intrahandel im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbündnis­sen weit hinten angesiedelt ist (SCHMALZ 2008, S. 43-44).

Als Freihandelszone ist der Mercosur von einigen Ausnahmen und konjunkturell be­dingter Wiedereinführung des Protektionismus geprägt. In dieser Hinsicht konnte sich die brasilianische Regierung nicht fortwährend gegen den von Lobbygruppen ausgeüb-ten internen Druck durchsetzen. So gelang es Gewerkschaften und Unternehmen, die ihre Gewinne durch staatliche Protektion zu erzielen versuchten, sich über die handels­liberalen Interessen anderer Sektoren hinwegzusetzen. Entsprechend stehen konkur­renzfähige Branchen der Landwirtschaft sowie einige Industriegütersektoren, deren Interesse der Liberalisierung gilt, gleichermaßen dem Protektionismus wenig wettbe­werbsfähiger Sektoren, wie insbesondere den Importsubstitutionsindustrien, gegen­über. Auch konnte der brasilianische Führungsanspruch von einer erfolgreichen regio­nalen Gruppierung geschwächt werden. Das Ziel, Souveränitätsrechte und Kompeten­zen von Nationalstaaten auf gemeinsame Institutionen zu übertragen, war weitestge­hend verfehlt. Die rudimentäre Institutionalisierung des Mercosur lag in der brasiliani­schen Position begründet. Brasilien wollte die nationale Souveränität nicht durch inter­nationale Verträge einschränken lassen, sondern als stärkstes Mitgliedsland seine Überlegenheit ohne Einschränkung verbindlicher multilateraler Institutionen durchset­zen. Insgesamt ist Brasilien vor allem aus machtpolitischen Gründen am Mercosur inte­ressiert und nicht bereit, eine ökonomische Führungsrolle in diesem Bündnis zu über­nehmen. Eine Vorbildstellung hinsichtlich einer interregionalen Handelsliberalisierung ist weit gefehlt und eine Unterstützung schwächer gestellter Partnerländer über Struk­turfonds oder Beitragszahlungen nicht gewährleistet. Brasilien strebt eine multilaterale Verbindlichkeit lediglich dort an, wo ein Machtgewinn gegenüber stärkeren Institutionen als der WTO zu erwarten ist. Brasilien ist das Mitgliedsland, welches bisher die wenigs­ten Mercosur-Beschlüsse geltend machte (SCHIRM 2007, S. 5-6). Dieses ambivalente Verhalten erschwert die erfolgreiche Entwicklung des Mercosur zu einer einheitlichen Position.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Mercosur eine widersprüchliche Funktion einnimmt, in der einerseits der institutionelle Zusammenschluss einen politi­schen Autonomiegewinn der südamerikanischen Länder gegenüber den In­dustrienationen bedeutet. Andererseits stellt dieser ein Instrument dar, um Privatisie­rungen und Liberalisierungen im Süden durchzusetzen (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 12).

2.2.2.3 Die Gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA)

Bemühungen, westliche Ökonomien durch Freihandelsabkommen in den Weltmarkt zu integrieren, begannen auf dem amerikanischen Gipfeltreffen in Miami (1994). Dort ga­ben 34 Staaten Nord-, Süd- und Mittelamerikas sowie der Karibik - Kuba ausgenom­men - ihr Einverständnis zur Erschließung einer gesamtamerikanischen Freihandels­zone. Verhandlungsprozesse zu diesem Abkommen, welches einen stufenweisen Ab­bau von Handels- und Investitionshemmnissen vorsieht, hätten bis 2005 abgeschlos­sen werden sollen (VIVAS-EUGUI 2003, S. 10).

[...]


1 Das Kyoto Protokoll trat 2005 als internationales Abkommen, angekoppelt an das Rahmen­abkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderung, in Kraft. In diesem sind verbindli­che Vorgaben für 37 Industriestaaten und die EU zur Reduktion von Treibhausgasemissio­nen verabschiedet. Emissionen sollen zwischen 2008 und 20012 um durchschnittlich 5% gegenüber 1990 reduziert werden (UNFCCC 2011).

2 Nach Ravallion und Chen kann pro-poor growth als mittlere Wachstumsrate des Einkom­mens der Armen gedeutet werden und gibt das Ausmaß an, inwieweit die Armen von dem Wirtschaftswachstum eines Landes profitieren (RAVALLION, CHEN 2003, S. 93-95).

3 Nach Ricardo ist der Handel zwischen zwei Ländern dann vorteilhaft, wenn für ein Land ein komparativer Kostenvorteil in der Produktion besteht und es somit zu geringeren Opportuni­tätskosten gegenüber der Konkurrenz produziert. Demnach sollte sich ein Land auf jenes Gut spezialisieren, welches es vergleichsweise relativ günstiger herstellen kann (DORN­BUSCH 1977, S. 823-839).

4 Unter tarifären Handelshemmnissen lassen sich Zölle zusammenfassen, die im Zuge frei­handelspolitischer Anstrengungen von nicht-tarifären Handelshemmnissen abgelöst wur­den. Zu diesen zählen beispielsweise Importkontingente, Exportbeschränkungen oder Ex­portsubventionen (APOLTE et al. 2007, S. 475).

5 Der Gemeinsame Markt des Südens (Mercosur) ist ein Freihandelsabkommen zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela. Assoziierte Mitglieder sind Bolivi­en, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru. Ökonomische und politische Regelungen sind durch den Vertrag von Asunción (1991) erstmalig festgelegt (IDATD 1991).

6 Die ALCA konstituierte sich mit dem Amerikagipfel in Miami (1994), bei dem Staats- und Regierungschefs von 34 Mitgliedsstaaten Nord- und Südamerikas sich bereit erklärten, Hin­dernisse für Handel und Investitionen zukünftig schrittweise zu beseitigen (ALCA 2011).

7 Auf der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha (Katar, 2001) einigten sich Wirtschafts- und Handelsminister darauf, eine neue multilaterale Handelsrunde anzustoßen. In dem dafür vorgesehenen Arbeitspapier, der Doha-Entwicklungsagenda, sind Maßnahmen zur Stärkung der Welthandelsordnung, zur weiteren Öffnung von Märkten und gleichzeitig eine verbesser­te Integration von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft vorgesehen (WTO 2011a).

8 Der Ministererklärung von Singapur (1996) folgend bildeten sich Arbeitsgruppen, die sich mit den sogenannten Singapurthemen wie Investitionen, Wettbewerbspolitik und Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen auseinander setzen. Zur Beurteilung von Strategien zur Handelserleichterung wurde darüber hinaus der Rat für Handel verpflichtet (ICTSD, IISD 2003).

9 Mit der Gruppe der Zwanzig Finanzminister und Zentralbankpräsidenten (G-20) wurden sys­temisch wichtige Industrie- und Entwicklungsländer zusammen gebracht, um über zentrale Fragen der Weltwirtschaft zu diskutieren (G-20 2011).

10 Die OECD vereint weltweit 34 Staaten, welche sich für demokratische und marktwirtschaftli­che Belange einsetzen. Dabei unterstützen sie die Entwicklung anderer Länder und verfol­gen das Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums, einen verstärkten Welthandels, hö­here Beschäftigung, Steigerung des Lebensstandards sowie finanzielle Stabilität (OECD 2011).

11 Mit dem verabschiedeten Juli-Paket (2008) sollte der Weg zum Abschluss der Doha Runde geebnet werden. Dieses umfasst Modalitäten für künftige Handelspolitiken in Bezug auf landwirtschaftliche und nicht-landwirtschaftliche Güter (NAMAs). Vereinbarungen würden das Ausmaß von Zollsenkungen sowie die Höhe der Agrarsubventionen innerhalb der WTO- Mitgliedsländer bestimmen. Auch weitere Themen wie Dienstleistungsregelungen stehen auf der Agenda (WTO 2011b).

12 Verhandlungen zum nicht-landwirtschaftlichen Marktzugang zielen auf eine Verminderung oder Beseitigung von Tarifen ab. Insbesondere sollen Zollspitzen, hohe Zölle, Zolleskalation und nicht-tarifäre Handelshemmnisse für Exportprodukte unterbunden werden, welche für Entwicklungsländer und am wenigsten entwickelte Staaten besonders bedeutsam sind (WTO 2011c).

13 Zu den Ländern der Andengemeinschaft zählen Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela (SCHMALZ, FUCHS 2005, S. 23).

14 Das im Januar 1994 gegründete Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) ist ein ausgedehnter Wirtschaftsverbund zwischen Kanada, den USA und Mexiko (SANGMEISTER 2001, S. 42).

Details

Seiten
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783640952533
ISBN (Paperback)
9783640952687
DOI
10.3239/9783640952533
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Erscheinungsdatum
2011 (Juli)
Schlagworte
globalisierung entwicklung brasilien armutsreduktion bioethanol
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Titel: Globalisierung und wirtschaftliche Entwicklung in Brasilien
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