Die multinationale Unternehmung als intra-organisationales Netzwerk: Gestaltung von HQ-Sub.-Beziehungen für die effiziente Strategieumsetzung und -kontrolle
Zusammenfassung
Obwohl MNU aufgrund ihrer Multinationalität wertvolle Arbitrage- und Hebel-potentiale realisieren können, befinden sie sich häufig in einem Dilemma. Multinati-onalität erfordert in der Regel deutlich aufwändigere und somit kostenintensivere Koordinations- und Kommunikationsmechanismen zwischen regional verstreuten Einheiten in einem globalen Unternehmensumfeld (vgl. Welge/Al-Laham 2008, S. 653). Aufgrund der großen räumlichen Distanz ist die Komplexität der Führung eines MNU vielfach höher als bei national tätigen Unternehmen. Das länderübergreifende Umfeld, in dem MNU operieren, ist zudem oft dynamischer und heterogener als im Stammland. MNUs befinden sich in einem Spannungsfeld, das durch die scheinbar widersprüchlichen Pole Adaption an Gastlandbedingungen auf der einen Seite und ein weltweit standardisiertes Vorgehen auf der anderen Seite begrenzt wird (vgl. Morschett 2007, S. 1). Die zentrale Herausforderung multinationaler Unternehmen liegt somit in der optimalen Kombination von Standortvorteilen (durch Anpassung an lokale Gegebenheiten) mit unternehmensspezifischen Vorteilen (u.a. Skalen- und Lernkurveneffekte) aus der weltweiten Integration.
Als Lösungsansatz hat sich hierzu in der Literatur ein transnationales Führungs-konzept in Gestalt eines interdependenten Netzwerkmodells durchgesetzt (vgl. Welge/Holtbrügge 2006, S. 43). Implizit findet somit eine Abkehr von hierarchisch geprägten HQ-Sub.-Beziehungen hin zu einer multi-zentrischen Organisation statt. Die Differenzierung von Tochtergesellschaften erfolgt über Rollentypologien, die eine am Profil orientierte, effiziente Strategieumsetzung und -kontrolle gewährleisten sollen (vgl. Kutschker/Schmid 2003, S. 163).
Zielsetzung der vorliegenden Bachelor Thesis ist sodann die Bestimmung von Rahmenbedingungen, die eine optimale und effiziente Ausgestaltung dieser HQ-Sub.-Beziehung vor dem Hintergrund intra-organisationaler Netzwerkstrukturen in einem multinationalen, heterogenen Umfeld ermöglichen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Gang der Untersuchung
2 Begriffliche Abgrenzung und theoretischer Rahmen
2.1 Das multinationale Unternehmen
2.1.1 Terminologie des multinationalen Unternehmens
2.1.2 Orientierung multinationaler Unternehmen nach Perlmutter
2.1.3 Das Konzept von Bartlett/Ghoshal
2.2 Organisationale Netzwerke
2.2.1 Unternehmungsnetzwerke – Begriffsbestimmung
2.2.2 Merkmale intra-organisationaler Netzwerke
2.2.3 Wissensdiffusion in intra-organisationalen Netzwerken
3 Mutter-Tochter Beziehungen in MNU
3.1 Definitionsgrundlagen und Differenzierungskriterien von Tochtergesellschaften
3.2 Ausgewählte Rollentypologien von Tochtergesellschaften
4 Strategieprozesse multinationaler Unternehmen
4.1 Definition und Charakterisierung des Strategiebegriffs
4.2 Möglichkeiten der Sub.-Partizipation im Strategieprozess
4.3 Potentielle Spannungsfelder
5 Strategieumsetzung und -kontrolle
5.1 Anforderungen an eine effiziente Strategieumsetzung und -kontrolle
5.2 Handlungsempfehlungen für multinationale Unternehmen in Netzwerkstrukturen
6 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Charakteristika der Typologien von Perlmutter
Abbildung 2: Organisationsformen nach Bartlett/Ghoshal
Abbildung 3: Aufbau eines integrierten Netzwerkmodells
Abbildung 4: Ausgewählte Rollentypologien nach Kategorien
Abbildung 5: Modell einer effizienten Strategieumsetzung und -kontrolle
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Multinationale Unternehmungen (MNU) werden in unserer globalisierten Ökonomie immer bedeutender. Kutschker und Schmid (2011, S. 242) gehen davon aus, dass derzeit etwa 82.000 international tätige Unternehmungen mit rund 800.000 Tochtergesellschaften[1] existieren.
Obwohl MNU aufgrund ihrer Multinationalität wertvolle Arbitrage- und Hebelpotentiale realisieren können, befinden sie sich häufig in einem Dilemma. Multinationalität erfordert in der Regel deutlich aufwändigere und somit kostenintensivere Koordinations- und Kommunikationsmechanismen zwischen regional verstreuten Einheiten in einem globalen Unternehmensumfeld (vgl. Welge/Al-Laham 2008, S. 653). Aufgrund der großen räumlichen Distanz ist die Komplexität der Führung eines MNU vielfach höher als bei national tätigen Unternehmen. Das länderübergreifende Umfeld, in dem MNU operieren, ist zudem oft dynamischer und heterogener als im Stammland. MNUs befinden sich in einem Spannungsfeld, das durch die scheinbar widersprüchlichen Pole Adaption an Gastlandbedingungen auf der einen Seite und ein weltweit standardisiertes Vorgehen auf der anderen Seite begrenzt wird (vgl. Morschett 2007, S. 1). Die zentrale Herausforderung multinationaler Unternehmen liegt somit in der optimalen Kombination von Standortvorteilen (durch Anpassung an lokale Gegebenheiten) mit unternehmensspezifischen Vorteilen (u.a. Skalen- und Lernkurveneffekte) aus der weltweiten Integration.
Als Lösungsansatz hat sich hierzu in der Literatur ein transnationales Führungskonzept in Gestalt eines interdependenten Netzwerkmodells durchgesetzt (vgl. Welge/Holtbrügge 2006, S. 43). Implizit findet somit eine Abkehr von hierarchisch geprägten HQ-Sub.-Beziehungen hin zu einer multi-zentrischen Organisation statt. Die Differenzierung von Tochtergesellschaften erfolgt über Rollentypologien, die eine am Profil orientierte, effiziente Strategieumsetzung und -kontrolle gewährleisten sollen (vgl. Kutschker/Schmid 2003, S. 163).
Zielsetzung der vorliegenden Bachelor Thesis ist sodann die Bestimmung von Rahmenbedingungen, die eine optimale und effiziente Ausgestaltung dieser HQ-Sub.-Beziehung vor dem Hintergrund intra-organisationaler Netzwerkstrukturen in einem multinationalen, heterogenen Umfeld ermöglichen.
1.2 Gang der Untersuchung
Zur Erreichung des Untersuchungsziels sollen in einem ersten Schritt die definitorischen Grundlagen erarbeitet werden. Hierzu wird zunächst die Bedeutung und Terminologie des multinationalen Unternehmens im Kontext intra-organisationaler Netzwerkstrukturen herausgearbeitet. Unter Rückgriff auf in der Literatur diskutierte Rollentypologien liegt der analytische Schwerpunkt in der Folge auf der Beziehung zwischen HQ und Auslandsniederlassung. Zuletzt wird das theoretische Fundament für eine effektive und effiziente Strategieimplementierung und -kontrolle vernetzter MNU geschaffen und als Modell in konkrete Handlungsempfehlungen übersetzt.
2 Begriffliche Abgrenzung und theoretischer Rahmen
2.1 Das multinationale Unternehmen
2.1.1 Terminologie des multinationalen Unternehmens
Wie bereits eingangs erläutert, nimmt die Bedeutung multinationaler Unternehmen im Rahmen der fortschreitenden Globalisierung und Technologisierung stetig zu (vgl. Welge/Holtbrügge 2006, S. 29 ff.). Dennoch wird der Begriff „multinationales Unternehmen“ in der Literatur bislang heterogen definiert (vgl. Dülfer/Jöstingmeier 2008, S. 7).
Die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“ (2000) finden insbesondere Anwendung auf Unternehmen, die in mehreren Ländern niedergelassen und darüber hinaus derart verbunden sind, dass sie ihre Geschäftstätigkeit aufeinander abstimmen. Einzelne Unternehmensteile können hierbei einen bedeutsamen Einfluss auf die übrigen erlangen.
In der Empirie wird ein multinationales Unternehmen sowohl mittels struktureller Merkmale als auch anhand von Leistungskriterien, Verhaltensmerkmalen oder dynamischen Kriterien von einem rein national operierenden Unternehmen abgegrenzt (vgl. Welge/Holtbrügge 2006, S. 41).
Klingele (1991, S. 25) differenziert in struktureller Hinsicht zwischen MNU und Unternehmen, die mit ausländischen Partnern handeln, aber über keine eigenen Niederlassungen im Ausland verfügen. Ein guter (dynamischer) Indikator für den Grad der Multinationalität eines Unternehmens sei gemäß Klingele (1991, S. 25) die internationale Verteilung der Wertschöpfungsaktivitäten. Auch Welge (2006, S.41) stellt fest, dass bei einer Auslandstätigkeit, die im Wesentlichen auf dem Absatz im Stammland hergestellter Produkte (reine Exportbeziehungen) beruht, noch nicht von einem MNU zu sprechen sei. Als weitere Voraussetzung sollte die Geschäftstätigkeit eines MNU in mindestens fünf Ländern und auf drei Kontinenten erfolgen. In dieser Arbeit wird ein Unternehmen als multinational bezeichnet, das über wesentliche Wertschöpfungsaktivitäten im außereuropäischen Ausland verfügt und dessen Geschäftstätigkeit in mehreren Ländern erfolgt (für eine ähnliche Interpretation vgl. Morschett 2007, S.3).
Neben den soeben aufgeführten Strukturmerkmalen und dynamischen Kriterien werden in der Literatur ebenso Leistungsmerkmale, wie etwa das Investitionsvolumen im Ausland, oder aber auch Verhaltensmerkmale, bspw. eine auslandsorientierte Unternehmenskultur, zur Differenzierung herangezogen. Insbesondere Perlmutter hat einen entscheidenden Beitrag zur Klassifikation von MNU anhand qualitativer Kriterien geleistet und bezeichnet lediglich das poly- und das geozentrische Unternehmen als klassisches MNU (vgl. Hansch 2007, S. 7 f.). Die Terminologien und Schlussfolgerungen Perlmutters werden im Folgenden erläutert.
2.1.2 Orientierung multinationaler Unternehmen nach Perlmutter
Howard V. Perlmutter untersuchte in den sechziger Jahren die Differenzierbarkeit multinationaler Unternehmen hinsichtlich der Orientierung der Unternehmensleitung. Seiner Meinung nach ist eine Klassifizierung von MNU mittels quantitativer Kriterien nützlich, jedoch nicht ausreichend (vgl. Perlmutter 1969, S. 11). Vielmehr betont Perlmutter die Bedeutung von Werten, Erfahrungen und Gewohnheiten, die die Internationalisierung einer Unternehmung beeinflussen (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 287). Das Führungskonzept eines Unternehmens wird nachhaltig von den Einstellungen des Managements bestimmt (vgl. Perlitz 2004, S. 119). So könne trotz gleicher quantitativer Merkmale die internationale Ausrichtung zweier Unternehmen aufgrund divergierender Einstellungen völlig verschieden sein (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 288). Ursprünglich unterscheidet Perlmutter das ethnozentrische, das polyzentrische und das geozentrische Unternehmen (vgl. Perlmutter 1969, S. 11 ff.). Später ergänzt er seine Klassifikation um das regiozentrische Unternehmen, das jedoch im Wesentlichen eine Weiterentwicklung des polyzentrischen Führungskonzepts darstellt (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 289). Eine Übersicht über die Charakteristika der einzelnen Typologien findet sich als Abb. 1 im Anhang dieser Untersuchung.
In einem ethnozentrischen Unternehmen wird die Superiorität des Stammlandes betont. Leistungskriterien und organisatorische Strukturen werden aus dem Heimatland auf die lokalen Auslandseinheiten ohne größere Anpassungen übertragen. Der Informationsfluss zwischen HQ und Niederlassungen kann intensiv sein, besteht im Wesentlichen jedoch aus Anweisungen, Befehlen und Ratschlägen. Auch Schlüsselpositionen in den Auslandseinheiten werden bevorzugt mit Managern des Heimatlandes besetzt, um zu gewährleisten, dass die heimischen Standards durchgesetzt und bewahrt werden. Ausländer fühlen sich oft als „second-class citizens“ (vgl. Perlmutter 1969, S. 12). Oft liegt eine nur unzureichende Kenntnis der allgemeinen Situation des Gastlandes vor, die zu der Annahme grundsätzlicher Überlegenheit des Stammlandes führt (vgl. Perlitz 2004, S. 119).
Das polyzentrische Führungskonzept hingegen betont die kulturellen Unterschiede in den Gastländern. Eine unmittelbare Übertragbarkeit von heimischen Managementtechniken auf ausländische Einheiten scheint ohne Effizienzeinbußen nicht möglich, eine Anpassung an lokale Bedingungen hat Vorrang (vgl. Welge/Holtbrügge, 2006, S. 44). Der organisationsinterne Informationsfluss und die Verbundenheit zwischen den Organisationseinheiten sind deutlich geringer, die Unternehmenskultur ist geprägt durch Vertrauen auf die Kenntnisse der zumeist in den Gastländern beheimateten Manager (vgl. Perlmutter 1969, S. 12). Beim regiozentrischen Ansatz, der aus dem polyzentrischen Führungskonzept hervorgeht, werden regionenspezifische Führungsmuster entwickelt (vgl. Welge/Holtbrügge 2006, S. 45). So erfolgt statt einer Anpassung an einzelne Länder eher eine Angleichung an Regionen, beispielsweise an den europäischen Markt (vgl. Perlitz 2004, S. 120).
Zuletzt wird beim geozentrischen Konzept der Versuch eines globalen Führungsansatzes unternommen. Synergieeffekte entstehen durch die optimale Allokation weltweiter Ressourcen, nicht etwa durch Berücksichtigung von Nationalitätszugehörigkeiten (vgl. Perlitz 2004, S. 120). HQ und ausländische Tochtergesellschaften werden nicht als separate Einheiten betrachtet, sondern sind in einem integrativen Netzwerk eng miteinander verknüpft. Eine intensive Kommunikation und Zusammenarbeit ist äußerst wichtig, da neben global geltenden Standards auch Variationen implementiert werden, um einen optimalen Fit mit den lokalen Gegebenheiten im Gastland sicherzustellen (vgl. Perlmutter 1969, S. 13).
Perlmutter geht davon aus, dass sich jedes Unternehmen auf dem Weg zu einem geozentrischen Führungsansatz befindet. Dennoch setzt er sich auch mit den Nachteilen des Geozentrismus kritisch auseinander, die er u.a. in dem hohen Kommunikationsaufwand und den oftmals umfangreichen Entscheidungsfindungsprozessen sieht. Obwohl der große Einfluss Perlmutters auf die internationale Managementforschung unbestritten ist, bleibt sein Konzept idealtypisch. In der Unternehmensrealität existieren häufig Mischformen, die je nach Funktionalbereich unterschiedliche Orientierungen und Einstellungen aufweisen (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 291).
2.1.3 Das Konzept von Bartlett/Ghoshal
Eine Weiterentwicklung des soeben diskutierten Ansatz Perlmutters ist das Konzept von Bartlett/Ghoshal (1986, 1989). In ihrer Vorstellungswelt unterscheiden sich Unternehmungen nicht nur hinsichtlich ihrer generellen Orientierung, sondern insbesondere in strategischer und organisatorischer Hinsicht (vgl. Kutschker/Schmid 2003, S. 162) . Das Konzept Bartlett/Ghoshals spannt eine Matrix mit den Dimensionen „Kräfte in Richtung lokale Differenzierung“ und „Kräfte in Richtung globale Integration“ auf (vgl. Wrona 2008, S. 202). Die hieraus entstehenden vier Felder sollen das Strategiemodell eines MNU typologisieren (vgl. Abbildung 2).
Je nach Umfeldbedingungen und strategischer Ausrichtung stehen dem Unternehmen die Optionen Internationalisierung (internationale Unternehmung), Lokalisierung (multinationales Unternehmen), Globalisierung (globales Unternehmen) bzw. eine Kombination aus Lokalisierung und Globalisierung in Form des transnationalen Unternehmens zur Verfügung (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 299).
In MNU mit einer internationalen Ausrichtung werden Tochtergesellschaften lediglich als „verlängerter Arm“ (vgl. Wrona 2008, S. 199) der Muttergesellschaft betrachtet. Die Diffusion des auf Ebene des Mutterunternehmens akkumulierten Wissens steht hierbei im Vordergrund (vgl. Bartlett/Ghoshal 1989, S. 15). Ziel ist die Realisierung kurzfristiger Gewinne unter Vernachlässigung lokaler Gegebenheiten. (vgl. Wrona 2008, S. 199). Zurückgreifend auf die Terminologie Perlmutters kann dieser Ansatz als ethnozentrisch bezeichnet werden. Auslandsaktivitäten dienen lediglich der Sicherung des status quo im Stammland, so dass starke Abhängigkeiten der Auslandseinheit zu ihrer Muttergesellschaft bestehen (vgl. Morschett et al. 2010, S. 33).
Demgegenüber strebt die globale Unternehmung nach weltweiter Effizienz. Eine starke Zentralisierung von Aktivitäten und Entscheidungskompetenzen sind typische Charakteristika dieser Unternehmung (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 298). Bartlett und Ghoshal (1989, S. 14) betonen, dass die hieraus entstehenden Kostenvorteile (Skaleneffekte) nur ohne die Anpassung an lokale Gegebenheiten realisiert werden können. Für den als einheitlich und integriert betrachteten Weltmarkt können Produkte und Strategien zentralisiert im Stammland entwickelt werden (vgl. Bartlett/Ghoshal 1989, S. 14).
Darüber hinaus klassifizieren Bartlett/Ghoshal die Strategie eines Unternehmens als multinational, sobald ausländische Märkte als heterogen betrachtet werden und die Manager der Tochtergesellschaften weitgehend autonom und gastlandorientiert handeln können (vgl. Wrona 2008, S. 199). Das Unternehmen wird als Portfolio relativ unabhängiger nationaler Einheiten gesehen (vgl. Bartlett/Ghoshal 1989, S. 14), deren Produkte in der Folge differenziert auf lokale Bedürfnisse abgestimmt werden können (vgl. Wrona 2008, S. 200).
Schließlich versucht das transnationale Unternehmen eine Kombination aus weltweiter Effizienz und lokaler Anpassungsfähigkeit zu ermöglichen (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 298). Eine transnationale Organisation verfügt über Charakteristika beider Dimensionen, aber auch über einzigartige Eigenschaften. Durch netzwerkartige Strukturen werden Interdependenzen zwischen Organisationseinheiten geschaffen (vgl. Wrona 2008, S. 200). Tochtergesellschaften erhalten weitergehende Verantwortung als spezialisierte, aber gleichzeitig flexible Partialzentren mit verteilten Ressourcen und Kompetenzen (vgl. Perlitz 2004, S. 615). Die zunehmend differenzierten Rollen von Auslandseinheiten (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 299) werden im Abschnitt 3.2 dieser Arbeit genauer untersucht. Für Bartlett/Ghoshal stellt das transnationale Unternehmen das Idealbild eines MNU dar (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 305). Auch viele wissenschaftliche Veröffentlichungen und Beratungen unterstützen diese Anschauung. Dennoch ist die Implementierung eines transnationalen Strategieansatzes sowohl komplex als auch kostenintensiv (vgl. Morschett et al. 2010, S. 34). Zudem stellen Bartlett/Ghoshal fest, dass eine Abhängigkeit zwischen strategischer Ausrichtung und der jeweiligen Unternehmensbranche besteht und eine effiziente Übertragung transnationaler Organisationsstrukturen somit nicht für alle Branchen möglich ist (vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 301).
Sowohl hinter Bartlett/Ghoshals transnationaler Unternehmung als auch hinter Perlmutters geozentrischem Konzept steht gemäß Holtbrügge (2003, S.163) eine organisationale Netzwerkstruktur. Da der Schwerpunkt dieser Bachelor Thesis auf MNU liegt, die sich als intra-organisationale Netzwerke organisieren, beziehen sich die nun folgenden Abschnitte im Besonderen auf diese Konzepte.
2.2 Organisationale Netzwerke
2.2.1 Unternehmungsnetzwerke – Begriffsbestimmung
Macharzina und Wolf (2008, S. 500) definieren Netzwerke als „Beziehungsgefüge aus relativ selbständigen Einheiten“, deren Zusammenhalt auf gemeinsamen Werten beruht. Sydow (1992, S.79) unterstreicht die weniger wettbewerbsorientierte, sondern vielmehr kooperative, auf stabilen Beziehungen aufbauende Komponente von Netzwerken. Vernetzte Organisationsstrukturen bestehen aus Knoten (Akteuren, u.a. Auslandseinheiten) und Kanten (z.B. Kommunikationsströmen), die die verschiedenen Knoten miteinander verbinden und in Beziehung setzen (vgl. Morschett et al. 2010, S. 11).
[...]
[1] Tochtergesellschaften werden in dieser Arbeit als 100%-ige Tochtergesellschaften betrachtet (keine Joint Ventures). Der Begriff wird als Synonym zur „Auslandseinheit“ verwendet.