Ursachen und Wirkungen der Produktivitätslücke der DDR Unternehmen
Aspekt der Wirtschafts- und Währungsunion
Zusammenfassung
Vor diesem Hintergrund scheint es ein Leichtes, ex post die politischen Fehler im Rahmen des Transformationsprozess der DDR-Wirtschaft in das marktwirtschaftliche System der BRD aufzuzeigen. Die vorliegende Arbeit hat jedoch nicht den Anspruch, eine pauschale Beurteilung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vorzunehmen, sondern beschränkt sich auf einen Teilaspekt der sich gerade im Nachgang der Vereinigung als problematisch erwiesen hat und teilweise bis heute als Determinante der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der neuen Bundesländer genannt wird – den Produktivitätsrückstand der DDR-Unternehmen im Vergleich zu westdeutschen Standards.
In den folgenden drei Kapiteln wird der Schwerpunkt zunächst auf eine Definition des Produktivitätsbegriffs gelegt. Ebenso ist eine kurze Zusammenfassung der Rahmenbedingungen von BRD und DDR Wirtschaft unerlässlich, um das Fundament für die in Abschnitt drei erfolgende Analyse von Ursa¬chen und Wirkungen der Produktivitätslücke zu legen. Den Abschluss der Arbeit bildet ein kurzer Fazitteil, der auch die Brücke zwischen den inhaltlichen Ergebnissen und heutigen Herausforderungen exemplarisch aufzeigt
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Rahmenbedingungen
2.1 Begriffsdefinition Produktivität
2.2 Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
2.3 Volkswirtschaftliche Rahmendaten
3 Ursachen und Wirkungen der Produktivitätslücke
3.1 Ursachen des Produktivitätsnachteils der DDR-Wirtschaft
3.2 Auswirkungen der Produktivitätslücke im Zusammenhang mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
4 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich wesentlicher Wirtschaftsdaten DDR – BRD, Stand 1989
1 Einleitung
„Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht gehn’ wir zu ihr!“ Mit diesem Slogan formulierten die Demonstranten 1989/90 unmissverständlich eine klare Erwartungshaltung an die Politik. Und mit diesem Slogan wird von vielen Autoren exemplarisch die Zuspitzung der Ereignisse vor dem Angebot der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion verdeutlicht. Die im Januar 1990 wieder zunehmende Zahl an Auswanderern setzte die westdeutschen Politiker unter Handlungsdruck, denn in der BRD drohte die Stimmung gegen die Übersiedler zu drehen.[1]
Vor diesem Hintergrund scheint es ein Leichtes, ex post die politischen Fehler im Rahmen des Transformationsprozess der DDR-Wirtschaft in das marktwirtschaftliche System der BRD aufzuzeigen. Die vorliegende Arbeit hat jedoch nicht den Anspruch, eine pauschale Beurteilung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vorzunehmen, sondern beschränkt sich auf einen Teilaspekt der sich gerade im Nachgang der Vereinigung als problematisch erwiesen hat und teilweise bis heute als Determinante der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der neuen Bundesländer genannt wird – den Produktivitätsrückstand der DDR-Unternehmen im Vergleich zu westdeutschen Standards.
In den folgenden drei Kapiteln wird der Schwerpunkt zunächst auf eine Definition des Produktivitätsbegriffs gelegt. Ebenso ist eine kurze Zusammenfassung der Rahmenbedingungen von BRD und DDR Wirtschaft unerlässlich, um das Fundament für die in Abschnitt 3 erfolgende Analyse von Ursachen und Wirkungen der Produktivitätslücke zu legen. Den Abschluss der Arbeit bildet ein kurzer Fazitteil, der auch die Brücke zwischen den inhaltlichen Ergebnissen und heutigen Herausforderungen exemplarisch aufzeigt.
2 Rahmenbedingungen
2.1 Begriffsdefinition Produktivität
Während im Folgenden grundsätzliche Termini der Ökonomie als bekannt vorausgesetzt werden, sind zumindest der inhaltliche Umfang von Produktivität und die Abgrenzung zu Wirtschaftlichkeit nicht eindeutig definiert.[2] Differenzieren lassen sich verschiedene Dimensionen des Produktivitätsbegriffs, die kontextabhängig auch unterschiedliche Bedeutungen haben. Bei einem absoluten Verständnis von Produktivität sind mengenmäßige Veränderungen der Outputgröße eines betrieblichen Leistungsprozesses gemeint, die sich aufgrund von Variationen des Inputvolumens ergeben.[3] Eine solche Definition ist jedoch starr und berücksichtigt nicht variable Einflussfaktoren wie technischen Fortschritt oder Abnutzung der Maschinen. Relative Produktivitätsmaße sind Verhältnisgrößen zwischen Input und Output und somit ein Ausdruck der Effizienz des Produktionsprozesses. Als grundlegende Determinanten unterscheidet die Betriebswirtschaftslehre die Potentialfaktoren menschliche Arbeit und Betriebsmittel. Bei letztgenannten seien zum besseren Verständnis die beiden Kategorien technischer Leistungsstand und technische Eignung genannt. Ganz allgemein kann davon ausgegangen werden, dass eine zunehmende Abnutzung von Betriebsmitteln mit quantitativen oder qualitativen Einbußen der Leistung einhergeht und dadurch die Betriebskosten ansteigen.[4]
Wirtschaftlichkeit ist das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag eines Unternehmens, also primär ein finanzielles Kriterium, welches grob als wertmäßige Darstellung der (technischen) Produktivität identifiziert werden kann.[5] Diese Festlegung erfolgt in der Literatur jedoch nicht einheitlich und teilweise in abgewandelter Form.
Veranschaulicht kann zusammengefasst werden, dass ein Unternehmen absolut produktiv, zugleich jedoch unwirtschaftlich agieren kann.[6] Im Folgenden sei deshalb mit Produktivität stets das relative Verständnis gemeint und zudem auf die Auswirkungen der Produktivität auf die Wirtschaftlichkeit abgezielt. Unter Produktivitätslücke ist die Differenz zwischen der Produktivität der DDR-Unternehmen und dem höheren westdeutschen Produktivitätsniveau zu verstehen.
2.2 Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
Für die DDR-Unternehmen stellen die Bestimmungen des Vertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion die institutionelle Grundlage dar, auf der die Produktivitätslücke unmittelbare Folgewirkungen entfaltet. Daher ist an dieser Stelle eine Darstellung der Entwicklung vor dem Vertragsabschluss unerlässlich. Der konkrete Vertragsinhalt wird hier nicht rezitiert, kann jedoch frei zugänglich im Internet abgerufen werden.[7]
Der zunehmende Zerfall des SED-Regimes und die signifikant ansteigende Zahl von Ausreisern 1989/90 setzte die Bundesregierung unter Zugzwang. Wollte man ein Ausbluten der DDR und zugleich einen zu befürchtenden Stimmungsumschwung im Westen (zunehmend wurden die Übersiedler als „Sozialtouristen“[8] beurteilt) verhindern, galt es die nach der Maueröffnung weiter voranschreitende Ausreisewelle zu stoppen. Folglich musste einer der Hauptforderungen der Demonstranten in der DDR entsprochen und die D-Mark unverzüglich eingeführt werden.[9] Mit der Entscheidung für das sofortige Angebot einer Währungsunion handelte die Bundesregierung gegen den Rat der wirtschaftlichen Elite, die einen kontrollierten Konvergenzprozess mit nur schrittweiser Annähung der DDR-Ökonomie an das marktwirtschaftliche System favorisierte.[10] Gleichzeitig war zwangsläufig mit der Währungsunion eine Wirtschaftseinheit verbunden und im weiteren Verlauf der Entwicklungen wurde auch die Notwendigkeit von entsprechenden Regelungen im sozialen Bereich offenbar. Vor diesem Hintergrund wurde in kurzer Zeit der Vertragstext für die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ausgearbeitet. Wie bereits bei der Ablehnung der Empfehlungen der Wirtschaftsexperten ersichtlich spielte bei der Formulierung des Vertragswerks die ökonomische Ratio nicht die alleinige, vielleicht sogar nur eine untergeordnete Rolle. Von großer Bedeutung war neben der Auswandererproblematik auch Helmut Kohls Zielsetzung, auf dem Weg zur Einheit möglichst unumkehrbare Fakten zu schaffen.[11] Dennoch waren schon zum damaligen Zeitpunkt die enormen Herausforderung und das ökonomische Risiko einer raschen Währungsunion für die DDR Wirtschaft absehbar und Kohl bekannt.[12] Eine Tatsache, die im Vertragstext nur indirekt in Artikel 10 reflektiert wird, laut welchem die Umstellungsmodalitäten die Wettbewerbssituation der DDR-Unternehmen stärken sollen.[13]
2.3 Volkswirtschaftliche Rahmendaten
Neben den politischen Rahmenbedingungen und dem Vertragsinhalt sind zur Einordnung der Situation der DDR-Unternehmen einige volkswirtschaftliche Kennzahlen hilfreich. Methodisch ist hierbei zu bedenken, dass Datenmaterial von Volkswirtschaften aus diametral unterschiedlichen Wirtschaftssystemen nur eingeschränkt vergleichbar ist und insbesondere die nachträgliche Verifizierung der Angaben nicht immer möglich ist. Dies wird besonders deutlich am konkreten Beispiel der Produktivität. Während zunächst die Produktivität der DDR-Wirtschaft auf etwa 50-60% des West-Niveaus geschätzt wurde[14], nennen neuere Untersuchungen nur noch Werte von etwa 30%[15] oder noch geringere Zahlen[16]. Unabhängig von der exakten Differenz ist aber eine Feststellung allen Analysen gemein: die Wirtschaftskraft der DDR und insbesondere die Produktivität der Industrie lag deutlich unterhalb des westdeutschen Vergleichsmaßstabs. Zur Veranschaulichung finden sich in Tabelle 1 ausgewählte Kennzahlen gegenüber gestellt. Die berechneten Verhältnisgrößen beruhen dabei auf Angaben von Gerhard Heske, der eine methodisch einheitliche Neubewertung von volkswirtschaftlichen Daten der BRD und der DDR vorgenommen hat.[17]
[...]
[1] Eckhard Wandel, Transformationsprobleme bei der deutschen Wiedervereinigung, in: Hans-Jürgen Gerhard (Hrsg.), Struktur und Dimension. Festschrift für Karl Heinrich Kaufhold. Stuttgart 1997, S. 310-336.
[2] Für eine ausführliche Darstellung der Thematik sei auf gängige Werke der Betriebswirtschaftslehre verwiesen. Hier können lediglich komprimierte Definitionen erläutert werden.
[3] Vgl. u.a. Gregory Mankiw, Makroökonomik. 6. Auflage. Stuttgart 2000, S. 144-146 für eine formelmäßige Darstellung.
[4] Henner Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre. 16. Auflage. München 2003. S. 213f.
[5] Günter Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 20., neubearb. Auflage. München 2000. S. 47.
[6] Rita-Maria Züger, Betriebswirtschaft – Management-Basiskompetenz. 3., überarbeitete Auflage, Zürich 2008, S. 21.
[7] Zugriff u.a. unter: <http://www.hdg.de/lemo/html/dokumente/DieDeutscheEinheit_vertragWaehrungs WirtschaftsSozialunion/index.html> (18.02.2011).
[8] Wandel, Transformationsprobleme, S. 316.
[9] Markus Kaufhold, Tagungsbericht Auf dem Weg zur Deutschen Einheit – Mythen und Legenden. 10.03.2010-12.03.2010, Berlin. S. 1. Online unter: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsber ichte/id=3150> (17.02.2011).
[10] Otto Singer, Constructing the Economic Spectacle: The Role of Currency Union in the German Unification Process, in: Journal of Economic Issues 4, Jahrgang 26, 1992, S. 1095-1115.
[11] Thomas Apolte/Dirk Kirschbaum, Erfahrungen mit der Politikberatung zu Beginn der deutschen Einheit, in: Martin Leschke/Ingo Pies, Wissenschaftliche Politikberatung. Theorien Konzepte Institutionen. Stuttgart 2005, S. 47-72.
[12] Hierzu kann exemplarisch das direkt an Helmut Kohl gerichtete Schreiben des Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Schneider, vom 9. Februar 1990 angeführt werden. Abgedruckt in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, München 1998, S. 778-783.
[13] Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Staatsvertrag) vom 18.05.1990, Online unter: <http://www.hdg.de/lemo/html/dokumente/DieDeutsche Einheit_vertragWaehrungsWirtschafts Sozialunion/index.html> (18.02.2011).
[14] Wandel, Transformationsprobleme, S. 312.
[15] Manfred Görtemaker, Gestaltung der Wiedervereinigung, in: Informationen zur politischen Bildung 250, Bonn 2009, S. 61-73.
[16] Bundesregierung (Hrsg.), Magazin für Wirtschaft und Finanzen 72, 2009, S. 3, Online unter: < http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/MagazinWirtschaftFinanzen/072/072.html> (18.02.2011).
[17] Die Ergebnisse dieser Berechnungen finden sich in: Gerhard Heske, Bruttoinlandsprodukt, Verbrauch und Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland 1970-2000. Neue Ergebnisse einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, in: Historische Sozialforschung, Supplement/Beiheft 17, Köln 2005.