Die kriminelle Organisation "Cosa Nostra"
Merkmale und Eigenschaften der sizilianischen Mafia und ihre Verbundenheit mit der katholischen Kirche
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Was sind Organisationen?
3. Die sizilianische Mafia als Organisation
3.1 Mitgliedschaft
3.2 Zweck
3.3 Hierarchie
3.4 Weitere Gemeinsamkeiten
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Organisationen sind ein fester Bestandteil unserer modernen Gesellschaft und finden sich in fast allen Bereichen des täglichen Lebens. Von der Geburt im Krankenhaus über die Jugend in der Schule bis zur Erwerbsarbeit in einem Betrieb verbringen wir eine beträchtliche Zeit unseres Lebens in Organisationen. Auch unsere Freizeit ist, sei es durch die Mitgliedschaft in einer Hilfsorganisation, in Sportvereinen oder in der Kirche, von ihnen durchdrungen.
In dieser Arbeit soll es jedoch um eine Organisation gehen, deren Existenz im Gegensatz zu den Aufgezählten nicht legal ist: die sizilianische Mafia, die heute auch als „Cosa Nostra“ (dt. „unsere Sache“) bezeichnet wird.
Eine Besonderheit der Mitglieder der Mafia ist ihre Nähe zur katholischen Kirche, wie Isaia Sales, Dozent für die Geschichte der organisierten Kriminalität in Neapel, in einem Interview mit einem Nachrichtenmagazin schilderte. Darin stellt er fest, dass die Mafiosi keinen Widerspruch in ihren verbrecherischen Taten und ihrem strengen Glauben sähen. Selbst Mörder würden angesichts ihres Bruchs fundamentaler christlicher Werte keine Schuldgefühle verspüren und fühlten sich stattdessen im völligen Einklang mit ihrer Religion (vgl. Dingler 2010).
Ergo scheint der strenge katholische Glaube keinesfalls nur eine eigentümliche Eigenschaft vereinzelter Mafiosi zu sein, sondern praktisch Allgemeingültigkeit für die sizilianische Mafia zu besitzen. Daraus ergibt sich die These, dass die „Cosa Nostra“ als kriminelle Vereinigung an sich bestimmte Merkmale aufweist, die der katholischen Kirche ähneln oder die dem katholischen Glauben zuträglich sind.
Ziel des Essays ist es, ausgehend von einer kurzen Erklärung des Begriffs der Organisation anhand der drei zentralen Merkmale Mitgliedschaft, Zweck und Hierarchie die paradoxe Situation der gottesfürchtigen Mafiosi zu analysieren und Gründe für dieselbe zu finden.
2. Was sind Organisationen?
Organisationen lassen sich anhand von drei Merkmalen charakterisieren und von anderen sozialen Systemen abgrenzen.
Erstens kann eine Organisation darüber entscheiden, wer zu ihren Mitgliedern gehört und wer nicht. Mit bestimmten Ein- und Austrittsregeln werden genaue Regeln für die Mitgliedschaft aufgestellt. Als Mitglied ist man darüber hinaus an bestimmte formalisierte Verhaltenserwartungen gebunden und wenn diese nicht erfüllt werden, kommt es früher oder später zum Austritt oder Ausschluss aus der Organisation. Dabei ist zu beachten, dass die Mitglieder teilweise sehr unterschiedliche Rollen einnehmen, die mit differenten Erwartungen einhergehen. So gelten beispielsweise für den Vorsitzenden einer politischen Partei andere Verhaltenserwartungen als für ein einfaches Mitglied. In den meisten Fällen ist die Mitgliedschaft in einer Organisation freiwillig und der Ein- oder Austritt jederzeit möglich. Zweitens verfolgen alle Organisationen einen bestimmten Zweck: die öffentliche Verwaltung zum Beispiel erbringt den Bürgern gewisse Dienstleistungen und Sportvereine dienen der gemeinsamen körperlichen Ertüchtigung. Ohne Zweckgebundenheit würden Organisationen ihre Mitglieder und Umwelt irritieren und den Verhaltenserwartungen wäre ihre Grundlage entzogen. Drittens sind Hierarchien das zentrale Merkmal der internen Strukturierung von Organisationen. Kirchen, Unternehmen oder das Militär sind streng hierarchisch organisiert und für jede Ebene gelten bestimmte, sozial und sachlich eindeutige Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten. Hierarchien gewährleisten eine rasche Findung und Durchsetzung von Entscheidungen, auch wenn sie unpopulär sein sollten. Für ein Mitglied bedeutet eine höhere Stellung in der interorganisationalen Hierarchie eine größere formale Macht, zum Beispiel in Form von Befehlsgewalt (vgl. Luhmann 1964: 43 ff.; auch Luhmann 1973: 85 ff.).
3. Die sizilianische Mafia als Organisation
Die „Cosa Nostra“ ist eine kriminelle Geheimorganisation, die im Sizilien des frühen 19. Jahrhunderts entstanden ist. Ursprünglich war sie ein Zusammenschluss korrupter Verwaltungsbeamter, die Großgrundbesitzern Schutz vor rebellischen Bauern boten. Sie konnte ihre Macht und ihren Einfluss durch die Erweiterung ihrer Geschäftsfelder rasch ausdehnen und operiert heute international. Traditionell stellt die Schutzgelderpressung den Schwerpunkt der Aktivitäten der sizilianischen Mafia und eine ihrer Haupteinnahmequellen dar. Im Laufe des 20. Jahrhunderts gewannen zunächst Bestechung und Schmuggel, später der Waffen- und Drogenhandel für die „Cosa Nostra“ finanz- und machtpolitisch an Bedeutung. Vielfach wird das Kapital der Organisation auch in legale Geschäfte investiert, so besitzt die Organisation zum Beispiel ein gewaltiges Immobilienimperium (vgl. Dittelbach 2010: 109 ff.).
Die „Cosa Nostra“ versteht sich selbst als eine Familie, deren Mitglieder aufeinander Acht geben und füreinander sorgen. Auch die Blutsverwandten der Mafiosi werden von der Organisation beschützt und erhalten im Falle der Inhaftierung oder des Ablebens eines Mitglieds finanzielle Unterstützung (vgl. John Dickie 2004: 80).
3.1 Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft in der „Cosa Nostra“ ist an feste Eintrittsregeln gebunden und es herrschen besondere Aufnahmekriterien. Eine Bewerbung dafür ist nicht möglich, stattdessen sucht der Clan gezielt geeignete Kandidaten aus, denen der Beitritt angeboten wird. Die Verwandtschaft mit einem Zuhälter, Polizisten oder Staatsanwalt ist dabei ein Ausschlusskriterium, die sizilianische Herkunft Bedingung. Darüber hinaus können nur Männer der „Cosa Nostra“ beitreten. Hier zeigen sich erste Parallelen zur katholischen Kirche, die Frauen keinen Zugang zu geweihten Ämtern erlaubt. Beide Organisationen sind also stark patriarchalisch geprägt und haben eine ähnliche, konservative Sicht auf die Rolle der Frau, deren Hauptfunktion sie in der Erziehung der Kinder sehen. Eine solche Ähnlichkeit der Aufnahmekriterien und des damit verbundenen Weltbildes lässt vermuten, dass die Mafiosi sich auch mit der katholischen Kirche und ihren Lehren identifizieren können.
[...]