Entstehung und Niedergang des Kapitalismus bei Karl Marx
Zusammenfassung
Was liegt nun näher als sich in diesem Zusammenhang mit Karl Marx zu beschäftigen? Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, wie Marx die Entstehung des Kapitalismus beschreibt und welche Gründe er für dessen Untergang gegeben sah. Gleichwohl Marxens kommunistisches Gespenst sicherlich nicht mehr in Europa umhergeht, ist das Thema der Krise des Kapitalismus von enormer Aktualität und obwohl zugestanden werden muss, dass die Marx’schen Ausführungen nicht mehr eins zu eins auf die heutige Situation übertragen werden können, lohnt sich dennoch ein Blick auf seine Beschreibungen und Prognosen.
Um dies angehen zu können, wird zunächst ein allgemeiner Blick auf die materialistische Geschichtsauffassung Marxens geworfen, mit der er die Gesellschaft und ihren Entwicklungsgang entlang ökonomischer Kriterien zu erklären versucht. Im Anschluss daran, wird aufgezeigt, wie der Kapitalismus überhaupt entstehen konnte, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein mussten. Die nächsten Kapitel beschäftigen sich sodann mit der Frage nach den Eigenschaften des Kapitalismus. Hier soll aufgezeigt werden, wie sich die beiden Klassen der Bourgeoisie und des Proletariats unterscheiden und welche Merkmale die Situation dieser Klassen prägen. Im Anschluss daran werden die Marx’schen Prognosen zum Untergang des Kapitalismus näher erläutert. Hier muss allerdings auch angemerkt werden, dass es die Zusammenbruchstheorie bei Marx nicht gibt . Vielmehr finden sich an vielen Stellen Beschreibungen über die Krisen des Kapitalismus sowie über die Notwendigkeit und die Voraussetzungen einer kommunistischen Revolution.
Die Analyse wird sich dabei allerdings in erster Linie auf die frühen Werke Marxens konzentrieren. Von zentraler Bedeutung sind hier die ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844, die deutsche Ideologie (1845)......
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Materialistische Geschichtsauffassung
3. Der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus
4. Bourgeoisie und Proletariat
5. Die Situation des Proletariats
6. Kapitalismus und Kommunismus
7. Krisen und Revolution
8. Fazit
1. Einleitung
Die aktuelle Finanzkrise sorgt dafür, dass eine bisher als unumstößlich geltende Institution heiß diskutiert wird: der Kapitalismus. Vom Versagen der freien Marktwirtschaft, vom Ende einer Epoche ist hier die Rede[1]. Selbst die US-amerikanische Washington Post sieht den „american-style capitalism“[2] als ein Opfer der größten Finanzkrise seit den 1920er Jahren an. Der britische Guardian dahingegen wundert sich: „How tables turn. Socialism is now cock of the walk, capitalism mugged by reality. It’s rubbish, total rubbish“[3]. Eins machen diese Zitate aber deutlich: Die Finanzkrise hat weltweit eine Hysterie ausgelöst, teilweise herrscht gar Untergangsstimmung.
Was liegt nun näher als sich in diesem Zusammenhang mit Karl Marx zu beschäftigen? Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, wie Marx die Entstehung des Kapitalismus beschreibt und welche Gründe er für dessen Untergang gegeben sah. Gleichwohl Marxens kommunistisches Gespenst sicherlich nicht mehr in Europa umhergeht, ist das Thema der Krise des Kapitalismus von enormer Aktualität und obwohl zugestanden werden muss, dass die Marx’schen Ausführungen nicht mehr eins zu eins auf die heutige Situation übertragen werden können, lohnt sich dennoch ein Blick auf seine Beschreibungen und Prognosen.
Um dies angehen zu können, wird zunächst ein allgemeiner Blick auf die materialistische Geschichtsauffassung Marxens geworfen, mit der er die Gesellschaft und ihren Entwicklungsgang entlang ökonomischer Kriterien zu erklären versucht. Im Anschluss daran, wird aufgezeigt, wie der Kapitalismus überhaupt entstehen konnte, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein mussten. Die nächsten Kapitel beschäftigen sich sodann mit der Frage nach den Eigenschaften des Kapitalismus. Hier soll aufgezeigt werden, wie sich die beiden Klassen der Bourgeoisie und des Proletariats unterscheiden und welche Merkmale die Situation dieser Klassen prägen. Im Anschluss daran werden die Marx’schen Prognosen zum Untergang des Kapitalismus näher erläutert. Hier muss allerdings auch angemerkt werden, dass es die Zusammenbruchstheorie bei Marx nicht gibt[4]. Vielmehr finden sich an vielen Stellen Beschreibungen über die Krisen des Kapitalismus sowie über die Notwendigkeit und die Voraussetzungen einer kommunistischen Revolution.
Die Analyse wird sich dabei allerdings in erster Linie auf die frühen Werke Marxens[5] konzentrieren. Von zentraler Bedeutung sind hier die ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844, die deutsche Ideologie (1845) sowie das erstmals 1847 veröffentlichte Manifest der Kommunistischen Partei.
2. Die Materialistische Geschichtsauffassung
Für Marx ist die Geschichte der Menschheit kein zufälliger Prozess. Er ist zielgerichtet. Die Basis aller Geschichte bildet dabei die Art und Weise der Produktion, die Verteilung der Produkte, der Handel. Arbeit und Produzieren unabhängig von physischen Bedürfnissen ist somit auch der große Unterschied zwischen Mensch und Tier:
„Der erste geschichtliche Akt dieser Individuen, wodurch sie sich von den Tieren unterscheiden, ist nicht, daß sie denken, sondern daß sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren.“[6]
„Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren, ein Schritt, der durch ihre körperliche Organisation bestimmt ist. Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst. […] Was sie sind, fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit, was sie produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion.“[7]
„Zwar produziert auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise etc. Allein es produziert nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell produziert; es produziert nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfnis produziert und erst wahrhaft produziert in der Freiheit von demselben.“[8]
Indem die Menschen also anfangen zu produzieren, beginnt für Marx erst die eigentliche Geschichte. Die Art und Weise der Produktion und der Distribution der Waren hat aber darüberhinaus noch eine gewichtigere Rolle: Sie bestimmt die gesellschaftliche Ordnung, die Existenz von Klassen und Ständen, die Verteilung der Eigentums und auch die Herrschaftsverhältnisse in einer Gesellschaft. Folglich muss nicht nur die menschliche Geschichte immer im Hinblick auf die Geschichte der Produktion betrachtet werden, sondern auch der jeweilige, historische Aufbau einer Gesellschaft. Wie, was und von wem etwas produziert wird schlägt sich in den sogenannten Produktivkräften nieder: Dazu gehören neben den Produktionsmitteln (Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen etc.) auch das technische Fachwissen sowie die Menschen, die zu einer gegebenen Zeit etwas produzieren. Die Produktivkräfte und ihre Verteilung in der Gesellschaft determinieren wiederum die sogenannten Produktionsverhältnisse: die Eigentumsstruktur, die Herrschaftsverhältnisse, die Produktions- und Distributionsstruktur einer Gesellschaft. In einem späteren Werk fasste Marx diese Zusammenhänge wie folgt zusammen:
„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen.“[9]
Das Zusammenspiel von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen vermag aber nicht nur den historisch-aktuellen Zustand einer Gesellschaft zu erklären, sondern gerade auch den gesellschaftlichen Wandel. Der gesellschaftliche Fortschritt ergibt sich aus den Widersprüchen zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen. Die Produktivkräfte – als das dynamische Element der Gleichung – entwickeln sich stetig weiter; es kommt zu Verbesserungen in der Produktion, beispielsweise durch Erfindungen aber auch durch ein Mehr an Erfahrung bei den Arbeitern. Ab einem gewissen Grad der Entwicklung geraten die Produktionsverhältnisse in einen Widerspruch zu den Produktivkräften, sie behindern sie. Die logische Folge davon ist die revolutionäre Umwerfung der alten Verhältnisse und die Etablierung von neuen, dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte entsprechenden Produktionsverhältnissen.
„In der Entwicklung der Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktionskräfte.“[10]
„Alle Kollisionen in der Geschichte haben also nach unsrer Auffassung ihren Ursprung in dem Widerspruch zwischen den Produktivkräften und der Verkehrsform.“[11]
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“[12]
Bilden die aktuellen Produktionsverhältnisse also nur noch Fesseln für die Produktion und Distribution in der Gesellschaft, entsprechen sie nicht mehr dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte und behindern sie gar die weitere Entwicklung dieser, kommt es zur Revolution. Die Klasse, der die neuen Produktivkräfte entsprechen, begehrt auf und zerstört die Macht der bisherigen Herrschaftsstruktur. Dabei befindet sie sich zunächst auch im Einklang mit allen anderen, nicht-herrschenden Klassen[13]. Sobald allerdings einmal an die Herrschaft gelangt, unterwirft sie sich die anderen Klassen und zwingt ihnen leidglich neue unterdrückende Produktionsverhältnisse auf.
Wie bereits erwähnt wurde, sieht Marx die Geschichte als einen zielgerichteten, sinnbehafteten Prozess[14]. Hauptmerkmal der Entwicklung ist dabei die immer wieder aufkommenden Gegensätze zwischen den Klassen. Marx beschreibt mehrere Entwicklungsstadien, die sich dabei zum Teil bereits in der Geschichte abgespielt haben: Stammesgesellschaft/Urkommunismus, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus und schließlich Kommunismus. Die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen Gesellschaftsformen sind der Grad der Arbeitsteilung und die Eigentumsstruktur[15]. Die Teilung der Arbeit nahm dabei sukzessive zu, während die Eigentumsverteilung sich immer weiter ausdifferenzierte und sich vom anfänglichen Stammeseigentum über ständisches Eigentum bis hin zum Privateigentum entwickelte.
Im Folgenden soll nun speziell der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus und dessen prognostizierter Niedergang beschrieben werden. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt der Analyse: Welche Verhältnisse genau führten zum Untergang des Feudalismus? Welche speziellen Konstellationen ergeben sich im Kapitalismus? Warum ist der Kapitalismus so wichtig für die Entwicklung der Kommunismus? Und letztlich: Wie kommt es zum Ende des Kapitalismus?
3. Der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus
Einfach gesprochen stellt der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus den Sieg des mobilen Kapitals über das feudale, immobile Grundeigentum dar. Wie wir sehen werden, stellt sich der Übergang – die ‚Revolution’ – durchaus komplizierter dar. Die Entdeckung Amerikas und die Kolonialisierung der Welt schufen neue Absatzmärkte und einen damit verbundenen Boom des weltweiten Handels. Verstärkt wurden diese Entwicklungen zudem durch die Entdeckung neuer Seewege und Weiterentwicklungen in der Schifffahrt[16]. Die zünftische Produktionsweise des Handwerks reichte für die Stillung der weltweiten Nachfrage nicht mehr aus, so dass neue Wege eingeschlagen wurden. Dies war zunächst die Manufaktur, die immer mehr an die Stelle des kleinen Handwerksbetriebs trat. Waren die verschiedenen Handwerke vorher stark getrennt – es gab also eine geringe Arbeitsteilung -, folgte nun die Zusammenführung mehrerer Handwerke in der einzelnen Werkstatt. Die Märkte allerdings und damit auch der Bedarf wuchsen weiter, so dass bald auch die manufakturelle Produktionsweise nicht mehr ausreichte. Die Erfindung des Dampfantriebes und der Einsatz von Maschinen führten schlussendlich zur Aufgabe der alten Produktionsweise: Die industrielle Produktion mit ihren Fabriken und der Massenproduktion war geboren[17].
Im Sinne des historischen Materialismus kam es durch die revolutionären Änderungen und Neuerungen bei der Produktionsweise, also den Produktivkräften, zu einem Umsturz der Produktionsverhältnisse. Im Feudalismus waren es vor allem die – meist aristokratischen – Großgrundbesitzer, welche die herrschende Klasse bildeten. In den Städten kamen zudem die hierarchisch-patriarchalisch aufgebauten Zünfte mit ihren Meistern dazu. Das Aufkommen der ersten Manufakturen brach diese Strukturen nach und nach auf, bis das Zunftwesen schließlich quasi bedeutungslos wurde.
„Der erste Fortschritt über das naturwüchsig-ständische Kapital hinaus war durch das Aufkommen der Kaufleute gegeben, deren Kapital von vornherein mobil, Kapital im modernen Sinne war, soweit davon unter damaligen Verhältnissen die Rede sein kann. Der zweite Fortschritt kam mit der Manufaktur, die wieder eine Masse des naturwüchsigen Kapitals mobilisierte und überhaupt die Masse des mobilen Kapitals gegenüber der des naturwüchsigen vermehrte.“[18]
4. Bourgeoisie und Proletariat
Der Aufstieg der bürgerlichen Gesellschaft und des Kapitalismus hatte zudem auch das Aufkommen einer neuen herrschenden Klasse mit sich gebracht: die Bourgeoisie. Parallel zum Siegeszug der industriell-maschinellen Produktion erkämpfte sich auch die Bourgeois allmählich an die Macht und erlangten immer mehr gesellschaftlichen und politischen Einfluss[19]. Zur Bourgeoisie gehörten in erster Linie die Kapital-, Boden- und Fabrikbesitzer sowie – zumindest anfänglich – die kleinen selbständigen Betriebe. Neben dem Aufkommen der Bourgeoisie bildete sich eine weitere zentrale Klasse heraus: das Proletariat.
„Das Proletariat beginnt erst durch die hereinbrechende industrielle Bewegung für Deutschland zu werden, denn nicht die naturwüchsig entstandene, sondern die künstlich produzierte Armut, nicht die mechanisch durch die Schwere der Gesellschaft niedergedrückte, sondern die aus ihrer akuten Auflösung, vorzugsweise aus der Auflösung des Mittelstandes hervorgehende Menschenmasse bildet das Proletariat.“[20]
„Handel und Manufaktur schufen die große Bourgeoisie.“[21]
Wie wir sehen, hatten Bourgeoisie und Proletariat ihren Ursprung in der industriellen Revolution und der Entstehung des Kapitalismus. Die Beziehung dieser beiden Klassen zueinander lässt sich indes nicht mit derjenigen zwischen Feudalherr und Leibeigenen beziehungsweise Meister und Gesellen vergleichen. Das Verhältnis zwischen dem Kapitalisten und seinen Arbeitern ist ein unpersönliches. Es ist auf die reine Produktionsebene beschränkt.
„Mit der Manufaktur war zugleich ein verändertes Verhältnis vom Arbeiter zum Arbeitgeber gegeben. In den Zünften existierte das patriarchalische Verhältnis zwischen Gesellen und Meister fort; in der Manufaktur trat an seine Stelle das Geldverhältnis zwischen Arbeiter und Kapitalist.“[22]
„Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen Feudalbände, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ‚bare Zahlung’. […] Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt.“[23]
Bourgeoisie und Proletariat unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des unterschiedlichen Besitzes an den Produktionsmitteln und dem Produktionsvorgang selbst. Während sich das Kapital zunehmend bei den Bourgeois konzentriert, wird der Proletarier vom Besitz dessen ausgeschlossen. Dies wiederfuhr auch mehr und mehr den kleineren Betrieben, deren Besitzer allmählich ins Proletariat abstiegen[24]. Während sich das Kapital immer mehr in den wenigen Händen der Bourgeoisie konzentriert, wird die restliche Bevölkerung immer weiter in die Abgründe des Proletariats herabgezogen. Dies führt letztendlich dazu, dass es nur noch diese beiden Klassen gibt, die sich feindlich gegenüber stehen: der Antagonismus der Klassen. Die Arbeiterschaft aber ist im Gegensatz zum Kapitalisten aktiv am Produktionsprozess beteiligt und so ergibt sich ein bizarres Abhängigkeitsverhältnis im doppelten Sinne: Während nämlich der Kapitalist die Arbeiter benötigt, um produzieren zu können und um so sein Kapital zu vermehren, ist der Verkauf der Arbeitskraft das letzte Mittel des Proletariers, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Durch den Verkauf seiner Arbeitskraft an den Kapitalisten reproduziert sich das Proletariat aber nicht nur selbst, sondern auch die aktuellen Produktionsverhältnisse.
„Der Arbeiter hat aber das Unglück, ein lebendiges und daher bedürftiges Kapital zu sein, das jeden Augenblick, wo es nicht arbeitet, seine Zinsen und damit seine Existenz verliert. […] Sobald es also dem Kapital einfällt […] nicht mehr für den Arbeiter zu sein, ist er selbst nicht mehr für sich, er hat keine Arbeit, darum keinen Lohn und da er nicht als Mensch, sondern als Arbeiter Dasein hat, so kann er sich begraben lassen, verhungern etc.“[25]
Zwar ist das Verhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat interdependent, aber die zitierten Zeilen zeigen, dass der Kapitalist letztendlich in der mächtigeren Posiion ist. In dem Maße wie der Bourgeois für die Instandhaltung seiner Maschinen sorgen muss, muss er auch für die Unterhaltung seiner Arbeiter sorgen; dies tut er durch den Lohn. Es versteht sich von selbst, dass der Kapitalist an einem möglichst niedrigen Lohnsatz interessiert ist, dessen Höhe zwar gerade noch die Reproduktion des Arbeiters erlaubt, der darüber hinaus aber in einem möglichst geringen Umfang seinen Profit beeinträchtigen soll[26].
[...]
[1] Vgl. Eigendorf/Fuhr (2008).
[2] Faiola (2008).
[3] Jenkins (2008).
[4] Dazu gibt es allerdings auch gegenläufige Meinungen; vgl. hier die Erläuterungen von Heinrich (2005), S. 176ff.
[5] Die Mitautorschafts Friedrich Engels bei manchen Schriften (Kommunistisches Manifest, teilweise bei der Deutschen Ideologie) soll an dieser Stelle natürlich nicht verschwiegen werden.
[6] Engels/Marx (2004b), S. 410.
[7] Engels/Marx (2004b), S. 411; vgl. darüber hinaus auch Engels/Marx (2004b), S. 411f, 422, 439.
[8] Marx (1968), S. 517.
[9] Vgl. dazu auch Engels/Marx (2004b), S. 415.
[10] Engels/Marx (2004b), S. 436.
[11] Engels/Marx (2004b), S. 464f.
[12] Engels/Marx (2004a), S. 594f; vgl. außerdem Engels/Marx (2004b), S. 439, 464.
[13] Vgl. Engels/Marx (2004b), S. 448.
[14] Vgl. dazu Münch (2002), S. 110f, 116; Bevc (2007), S. 172.
[15] Vgl. Engels/Marx (2004b), S. 412-415.
[16] Vgl. Engels/Marx (2004a), S. 595f.
[17] Vgl. Engels/Marx (2004a), S. 596f.
[18] Engels/Marx (2004b), S. 457; vgl. Engels/Marx (2004a), S. 600.
[19] Vgl. Engels/Marx (2004a), S. 596f.
[20] Marx (2004b), S. 290.
[21] Engels/Marx (2004b), S. 459.
[22] Engels/Marx (2004b), S. 458.
[23] Engels/Marx (2004a), S. 597; vgl auch Engels/Marx (2004b), S. 463.
[24] Vgl. Engels/Marx (2004a), S. 603, 605.
[25] Marx (2004a), S. 294; vgl. Oiserman (1976), S. 65.
[26] Vgl. Marx (2004a), S. 295, 301, Engels/Marx (2004a), S. 602.