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Spitzensport, Doping und Religion

Theoretische Überlegungen zum Einfluss von Religiosität auf das Dopingverhalten

©2010 Hausarbeit (Hauptseminar) 23 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung
Es ist keine Entwicklung der heutigen Leistungsgesellschaft, dass Menschen unentwegt versuchen sich weiterzuentfalten, um aus einer Masse von Individuen hervorzuragen. Jene evolutionsgeschichtliche Notwendigkeit, welche Charles Darwin mit dem Selektionsprozess begründete, ist in der modernen Zivilisation lediglich nicht mehr ein überlebenswichtiges Kriterium. Trotzdessen kann das „Streben nach dem Bessersein […]“ (Figura, 2008, S. 43) als ein zentrales Leitmotiv menschlichen Handelns verstanden werden. Jener Sachverhalt ist, in stark überdimensionierter Form, im Gesellschaftsbereich des Spitzensports beobachtbar. Die sporteigene Binärcodierung in Sieg und Niederlage sorgt in diesem Zusammenhang für die Legitimation jeglichen regelkonformen Interagierens. Laut Bette (2010, S. 90) führt dieser Siegescode zur Exklusion vieler zugunsten weniger, da prinzipiell nur ein Sieg zu vergeben ist. Die immer wieder notwendige Aktualisierung des Gewinnerstatus und der damit verbundenen Erträge, wie Selbstbestätigung, Ansehen und auch Existenzsicherung bringen die Aktiven in nicht wenigen Fällen dazu den gegebenen physischen und psychischen Begrenzungen mit devianten Maßnahmen zu begegnen.
Das Problem des Dopings im Leistungssport ist allen Involvierten wohl bekannt und ließ zahlreiche Möglichkeiten seiner Bekämpfung emporkommen. Die nur sehr partiell erfolgreichen Ansätze reichten dabei von pädagogischen Maßnahmen bis zu Kontrollintensivierungen durch die entsprechenden Institutionen (vgl. Bette & Schimank, 2006, S. 317ff.). Es hat folglich den Anschein, als sei das Dopingdilemma eines mit geringen Chancen hinsichtlich einer adäquaten Lösung.
Religiosität als eine „potent social force“ (McCullough & Willoughby, 2009), die sowohl Verhalten steuert als auch Wege zur Zielerreichung gebietet bzw. verbietet, soll in diesem Hinblick auf ihren Einfluss überprüft werden. Es lassen sich hierzu in der aktuellen Literatur (z.B. Cavar et al., 2010; Francis & Mullen, 1993) Hinweise finden, dass religiöse Anbindung ein Prädiktor für Drogen- und auch Dopingverhalten sein kann. Die Frage der vorliegenden Arbeit soll demnach lauten: Weist das Religionssystem strukturelle Merkmale auf, die bei gläubigen Topathleten eine geringere Tendenz hinsichtlich einer Dopingdevianz zur Folge haben können?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der moderne Sport
2.1 Die Vergänglichkeit des Sieges und die Konsequenzen
2.2 Die wechselseitige Dependenz von Sport
und Umwelt

2.3 Die unendliche Anspruchsinflation

3 Doping als Struktureffekt
3.1 Dopingverbot! Warum?
3.2 Lösungsstrategien

4 Das Religionssystem
4.1 Auswirkungen auf das Verhalten
4.1.1 Selbstkontrolle und Selbstmonitoring 12
4.1.2 Religiöse Selbstkontrolle 12
4.2 Religiöse Sozialisation

5 Die Synthese
5.1 Religionscode versus Sportcode und Dopinglogik
5.2 Gesundheit und Fairness
5.3 Religiöse Selbstkontrolle versus sportliche Anspruchsinflation
5.4 Religiöse Sozialisation versus Sozialisation im Spitzensport

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Literatur

1 Einleitung

Es ist keine Entwicklung der heutigen Leistungsgesellschaft, dass Menschen unentwegt versuchen sich weiterzuentfalten, um aus einer Masse von Individuen hervorzuragen. Jene evolutionsgeschichtliche Notwendigkeit, welche Charles Darwin mit dem Selektionsprozess begründete, ist in der modernen Zivilisation lediglich nicht mehr ein überlebenswichtiges Kriterium. Trotzdessen kann das „Streben nach dem Bessersein […]“ (Figura, 2008, S. 43) als ein zentrales Leitmotiv menschlichen Handelns verstanden werden. Jener Sachverhalt ist, in stark überdimensionierter Form, im Gesellschaftsbereich des Spitzensports beobachtbar. Die sporteigene Binärcodierung in Sieg und Niederlage sorgt in diesem Zusammenhang für die Legitimation jeglichen regelkonformen Interagierens. Laut Bette (2010, S. 90) führt dieser Siegescode zur Exklusion vieler zugunsten weniger, da prinzipiell nur ein Sieg zu vergeben ist. Die Erreichung des knappen Siegesgutes, als eine Art Selektionskriterium spielt dementsprechend die bestimmende Rolle spitzensportlicher Handlungsweisen, da sich an ihr weiterer Nutzen anschließt (vgl. Bette & Schimank, 119ff.). Die immer wieder notwendige Aktualisierung des Gewinnerstatus und der damit verbundenen Erträge, wie Selbstbestätigung, Ansehen und auch Existenzsicherung bringen die Aktiven in nicht wenigen Fällen dazu den gegebenen physischen und psychischen Begrenzungen mit devianten Maßnahmen zu begegnen.

Das Problem des Dopings im Leistungssport ist allen Involvierten wohl bekannt und ließ zahlreiche Möglichkeiten seiner Bekämpfung emporkommen. Die nur sehr partiell erfolgreichen Ansätze reichten dabei von pädagogischen Maßnahmen bis zu Kontrollintensivierungen durch die entsprechenden Institutionen (vgl. Bette & Schimank, 2006, S. 317ff.). Es hat folglich den Anschein, als sei das Dopingdilemma eines mit geringen Chancen hinsichtlich einer adäquaten Lösung.

In der vorliegenden Literturarbeit soll versucht werden zu eruieren, ob es dennoch ein System gibt, welches den schrankenlosen Siegescode und der häufig damit verbunden Dopingdevianz begegnen kann. Religiosität als eine „potent social force“ (McCullough & Willoughby, 2009), die sowohl Verhalten steuert als auch Wege zur Zielerreichung gebietet bzw. verbietet, soll in diesem Hinblick auf ihren Einfluss überprüft werden. Es lassen sich hierzu in der aktuellen Literatur (z.B. Cavar et al., 2010; Francis & Mullen, 1993) Hinweise finden, dass religiöse Anbindung ein Prädiktor für Drogen- und auch Dopingverhalten sein kann. Die Frage der vorliegenden Arbeit soll demnach lauten: Weist das Religionssystem strukturelle Merkmale auf, die bei gläubigen Topathleten eine geringere Tendenz hinsichtlich einer Dopingdevianz zur Folge haben können? Das avancierte Ziel ist es zu klären, ob es einem gesellschaftliches Teilsystem, speziell dem religiösen System, gelingen kann die scheinbare Unausweichlichkeit der spitzensportlichen Dopingdevianz zu unterlaufen. Im Zuge der Betrachtungen wird eine konfessionelle Unterscheidung nicht unternommen, sondern es soll eher versucht werden generelle Strukturmerkmale in Hinblick auf die Dopingproblematik zu ergründen.

Die Beantwortung der Fragestellung wird sich der Arbeit in drei Abschnitte vollziehen. Teil eins beschäftigt sich ausschließlich mit den Strukturen des Leistungssportes als Auslöser von Dopingverhalten. In diesem Zusammenhang ist das Werk von Bette und Schimank „Doping im Hochleistungssport“ aus dem Jahr 2006 von besonderer Relevanz. Im Anschluss daran soll geklärt werden, welche Strukturcharakteristiken das Religionssystem aufweist und wie diese einen Einfluss auf das Verhalten von Menschen haben. Letztlich wird im zusammenführenden Part drei eruiert, inwieweit Gefügemerkmale der Religion die Dopingdevianz beeinflussen können.

Aufgrund der gebotenen Kürze der Arbeit wird es nicht möglich sein detailgetreu auf alle Facetten der Verknüpfung von Sportsystem und Dopingverhalten einzugehen. Zudem werden auch nur thematisch relevante Gesichtspunkte von Religiosität betrachtet und in Beziehung zum Dopingverhalten gebracht.

2 Der moderne Sport

Sieg oder Niederlage? Das ist die alles entscheidende und zunehmend essentieller werdende Frage, die sich im modernen Leistungssport immer wieder stellt. Das gesellschaftliche System des Sports hat in seiner Evolution eine Handlungslogik ausgeprägt, welche es klar von anderen Bereichen abgrenzt. Jene Logik fixiert sich in der binären Codierung von Sieg und Niederlage als zwei Ereignisse, die bei sportiven Ereignissen per Definition auftreten (vgl. Bette, 2010, S. 90).

Damit ist jede weitere Diskussion über die Sinnhaftigkeit sportlichen Handelns im Leistungssektor nahezu obsolet. Der Gewinn ist anzustreben und die Niederlage zu vermeiden. Folglich werden, durch die geschaffene Selbstreferentialität, andere Nutzendimensionen ausgeklammert, was den Leistungssport auch vom Freizeit- oder Gesundheitssport abschließt (vgl. Bette & Schimank, 2006, S. 39).

2.1 Die Vergänglichkeit des Sieges und die Konsequenzen

Der Sieg, als die sprichwörtlich heilige Kuh des Athleten, kann jedoch nie endgültig dauerhaft sowie endgültig erreichbar sein. Dies meint erstens, dass der Erfolg immer nur eine vergängliche Momentaufnahme ist, die beharrlich wieder hergestellt werden muss und zweitens, dass diese Wiederherstellung unendlich ist, da es im Sport, wie auch in anderen Bereichen keine Grenze in Hinblick auf die zu erreichenden bzw. erwünschten Handlungsziele gibt. Nach Bette und Schimank (2006, S. 49) gelten insbesondere die Prinzipien der Überbietung und Rekordjagt als latente Impulse einer entfalteten Schrankenlosigkeit. Jener Sachverhalt mündet konsequenterweise in uferlosen Aufwandserhöhungen des Sportlers, wobei er zeitweise auf unökonomische Weise nur noch „Marginalzuwächse“ (Lenk, 2007, S. 43) erreicht, die letztlich aber das Zünglein an der Waage sein können. Körper und Psyche der Athleten werden demnach systematisch, durch entsprechende Trainingsmaßnahmen bis an die Grenze des Möglichen instrumentalisiert.

2.2 Die wechselseitige Dependenz von Sport und Umwelt

Die interne Geschlossenheit des Spitzensports erlaubt es ihm paradoxerweise sich nach außen hin zu öffnen, um auch Binnenkontakte zu Wirtschaft, Politik, Medien usw., die jedoch zu keiner Zeit die Siegescodierung beeinflussen dürfen, zu unterhalten. Im Klartext heißt das, dass der Sport, wenn er sich öffnet nicht in einer Art gelenkt werden darf, die ihm seine zentralen Ideen „Ergebnisoffenheit“ und „formale Gleichheit“ (Bette, 2010, S. 94f.) vor dem Wettkampf, nimmt.

Umweltakteure und Sportsystem stehen hinsichtlich ihrer Relation in einer wechselseitigen Dependenz. Die Schnittstelle zwischen beiden bildet das wachsende Sportpublikum, welches für Medien, Wirtschaft und auch Politik als lukrative Klientel angesehen werden kann. Die partizipative Beziehung lässt sich wie folgt darstellen: Der Sport knüpft mit seinem Ereignisreichtum an mannigfaltige menschliche Bedürfnisse an. Durch Spannung, Affektfreiheit und Folgenlosigkeit nimmt ein großes Publikum über verschiedene Wege am Sportgeschehen teil. Hierbei profitieren die neuigkeitsabhängigen Medien, welche sich an hohen Zuschauerzahlen erfreuen. In der Folge tragen auch Wirtschaftsunternehmen ihren Gewinn davon, wenn sie im Rahmen von Athletikevents auf sich aufmerksam machen und damit eine große Masse an potentiellen Konsumenten ansprechen. Auch politische Systeme können sich auf der gleichen Ebene über den Sport repräsentieren. Im Gegenzug dazu erhält das Sportsystem immense Zuwendungen, um weiter im Blickfeld der Menschen zu bleiben. Logischerweise sind die Umweltakteure dabei vermehrt an erfolgreichen Athleten und Teams interessiert, da diese verhältnismäßig häufig Präsenz aufweisen (vgl. Bette & Schimank, 2006, S. 62ff.).

Die intendierte win-win Situation ist demnach ein zweiter, eher externer Prädiktor der Verschärfung des Sieg-Niederlage Codes im Spitzensport. Der Sport(ler) muss seine Leistung erbringen um Leistung zu erhalten und auch die Umwelt muss ihren Teil, in Form von Ressourcen beisteuern, um die Attraktivität des Sports zu wahren. Die Leistung finanziert die Leistung, um es in den editierten Worten Wallensteins zu sagen.

[...]

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783640988433
ISBN (Paperback)
9783640988341
DOI
10.3239/9783640988433
Dateigröße
693 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Sportwissenschaft
Erscheinungsdatum
2011 (August)
Note
1,0
Schlagworte
Siegescode Doping Religion
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Titel: Spitzensport, Doping und Religion