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Der deutsche Sonderweg - Argumente für und gegen ein Geschichtsbild

©2010 Seminararbeit 12 Seiten

Zusammenfassung

Das Geschichtsbild des „deutschen Sonderwegs“ gehört zu den diskutabelsten und interessantesten Geschichtsbildern der deutschen Geschichte. Viele Historiker beschäftigten sich mit diesem Bild, welches im Laufe der Jahrzehnte eine andere Interpretationssicht bekam. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es noch aus positiver Sicht betrachtet, bis sich diese Sicht nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Ende der Nationalsozialistischen Diktatur in eine negative wandelte. Dennoch ist die vorherrschende Frage, ob es einen „deutschen Sonderweg“ überhaupt gab? Was aber bezeichnet der „deutsche Sonderweg“? Die These des Sonderwegs des deutschen Staats bezieht sich auf die historische Entwicklung desselbigen. Der deutsche Staat durchlief seit dem Aufkommen der ersten nationalen und demokratischen Entwicklungen in den Nachbarländern eine Vielzahl von Stadien, bis er sich zur Weimarer Republik und schließlich zum dritten Reich wandelte. Als „Sonderweg“ wird dabei die Entwicklung von Deutschland gedeutet, das einen anderen Verlauf genommen haben soll als andere Staaten, wie beispielweise England oder Frankreich. Auch hier wird die Frage im Mittelpunkt stehen, ob es einen „deutschen Sonderweg“ gab. Es wird sich mit dem positiv gesehen Begriff des „Sonderwegs“ befasst, der zwischen 1871 – 1918 aufkam. Der negative Sonderweg wird nicht besprochen um eine bessere Analyse des Positiven zu gewährleisten. Es sei somit die Frage zu beantworten, ob Deutschland bis zur Gründung der Weimarer Republik 1918 ein Sonderfall der europäischen Geschichte war. Diese Frage wird anhand von Argumenten diskutiert. Es werden jeweils zwei Argumente dargestellt, die für die Existenz des „deutschen Sonderwegs“ sprechen und zwei, die gegen dieses Geschichtsbild sprechen. Dabei ist es nicht das Ziel einen Gesamtabriss der deutschen oder der gesamten Geschichte darzulegen. Auch werden verschiedene Prozesse nicht definiert sondern als historische Fakten genutzt. Diese Fakten werden zur Unterfütterung der Argumente gebraucht. Nachdem die Argumente aufgezeigt wurden, folgt ein abschließendes Fazit indem die Argumente gegeneinander abgewogen werden und eine Schlussbewertung folgt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Argumente für den „deutschen Sonderweg“
2.1. Deutschland als „verspätete Nation“
2.2. Vergleich der bürgerlichen Revolutionen

3. Gegenargumente
3.1. Erweiterte Vergleichsbasis
3.2. Der Normalweg

4. Fazit

5. Literaturliste

1. Einführung

Das Geschichtsbild des „deutschen Sonderwegs“ gehört zu den diskutabelsten und interessantesten Geschichtsbildern der deutschen Geschichte. Viele Historiker beschäftigten sich mit diesem Bild, welches im Laufe der Jahrzehnte eine andere Interpretationssicht bekam. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es noch aus positiver Sicht betrachtet, bis sich diese Sicht nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Ende der Nationalsozialistischen Diktatur in eine negative wandelte. Dennoch ist die vorherrschende Frage, ob es einen „deutschen Sonderweg“ überhaupt gab?

Was aber bezeichnet der „deutsche Sonderweg“? Die These des Sonderwegs des deutschen Staats bezieht sich auf die historische Entwicklung desselbigen. Der deutsche Staat durchlief seit dem Aufkommen der ersten nationalen und demokratischen Entwicklungen in den Nachbarländern eine Vielzahl von Stadien, bis er sich zur Weimarer Republik und schließlich zum dritten Reich wandelte. Als „Sonderweg“ wird dabei die Entwicklung von Deutschland gedeutet, das einen anderen Verlauf genommen haben soll als andere Staaten, wie beispielweise England oder Frankreich.

Auch hier wird die Frage im Mittelpunkt stehen, ob es einen „deutschen Sonderweg“ gab. Es wird sich mit dem positiv gesehen Begriff des „Sonderwegs“ befasst, der zwischen 1871 — 1918 aufkam. Der negative Sonderweg wird nicht besprochen um eine bessere Analyse des Positiven zu gewährleisten. Es sei somit die Frage zu beantworten, ob Deutschland bis zur Gründung der Weimarer Republik 1918 ein Sonderfall der europäischen Geschichte war.

Diese Frage wird anhand von Argumenten diskutiert. Es werden jeweils zwei Argumente dargestellt, die für die Existenz des „deutschen Sonderwegs“ sprechen und zwei, die gegen dieses Geschichtsbild sprechen. Dabei ist es nicht das Ziel einen Gesamtabriss der deutschen oder der gesamten Geschichte darzulegen. Auch werden verschiedene Prozesse nicht definiert sondern als historische Fakten genutzt. Diese Fakten werden zur Unterfütterung der Argumente gebraucht. Nachdem die Argumente aufgezeigt wurden, folgt ein abschließendes Fazit indem die Argumente gegeneinander abgewogen werden und eine Schlussbewertung folgt.

2. Argumente für den „deutschen Sonderweg“

Im Folgenden werden zwei Argumente für die Existenz des „deutschen Sonderwegs“ dargelegt. Zunächst wird das Argument, Deutschland als verspätete Nation anzusehen, diskutiert. Das zweite Argument bezieht sich auf die deutsche Revolution von 1948. Mit diesem soll gezeigt werden, dass Deutschland einen Sonderfall in der Nationsgeschichte im Vergleich zu Frankreich und den USA darstellt.

2.1. Deutschland als verspätete Nation

Deutschland als „verspätete Nation“ beziehungsweise als „verspäteter Staat“ zu bezeichnen ist einer der Wege das Geschichtsbild vom „deutschen Sonderweg“ zu begründen. Wäre es nämlich erwiesen, dass sich in Deutschland die Prozesse des 19. Jahrhundert später entwickelt haben als in anderen Staaten, so könnte man von einem „deutschen Sonderweg in die Moderne“ sprechen.

Der Begriff der „verspäteten Nation“ wurde von Helmuth Plessner in dessen gleichnamigen Buch geprägt. Dieser Begriff sage aus, dass sich in Deutschland grundlegende Phänomene des 19. Jahrhunderts später herausgebildet hätten, als in anderen Staaten.[1] Deutschland als „verspätet“ anzusehen würde jedoch bedeuten, dass die Prozesse notwendig waren um ein moderner Staat zu werden und er somit eine Wertung darstellen würde. Deshalb wird hier der Begriff „spätere Entwicklung“ verwendet um eine Wertung herauszunehmen. Drei Beispiele sind besonders prägend um diese These von Deutschland als „späteren Staat“ zu untermauern. Zum einen ist die Nationalisierung zu nennen. Der Nationalismus war eines der grundlegendsten Phänomene des 19. Jahrhundert, weshalb sich das sogenannte „lange 19. Jahrhundert“ von 1789 - 1914 auch als Jahrhundert der Nationalstaaten charakterisieren lässt.[2] In Deutschland lässt sich die Entwicklung zu einem Nationalstaat gegenüber Frankreich und den USA als später betrachten.

In Frankreich wurde der Nationalismus mit der französischen Revolution 1789 begründet. Aus dieser Revolution folgte der französische Nationalstaat. Man könne somit ab 1789 von einem französischen Nationalstaat sprechen.[3] In den USA ist ein anderes Datum grundlegend für die Gründung des Nationalstaates. Mit der Unabhängigkeitserklärung 1776 könne man erstmals von einem eigenständigen US-amerikanischen Nationalstaat sprechen.[4] Beide Nationalstaaten bildeten sich somit im 18 Jahrhundert heraus. Beide Staaten stellen somit erste nationalistische Entwicklungen dar.[5]

Ein deutscher Nationalstaat entstand 1870/71 mit der Gründung des deutschen Kaiserreichs. Zuvor könne man von einem nationalen Bewusstsein oder einer nationalen Ideen sprechen.[6] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Nationalismus ein Minderheitsphänomen in Deutschland. Erst in den 1840er Jahren entwickelte sich der Nationalismus zur einer Massenbewegung, die mit der Revolution 1848 aber scheiterte. Die Gründung des deutschen Kaiserreichs war dann die Gründung des ersten deutschen Nationalstaats. Die nationale Entwicklung war damit nicht abgeschlossen, jedoch könne man mit der Gründung des deutschen Kaiserreichs von einem deutschen Nationalstaat sprechen..[7] Ein deutscher Nationalstaat entstand somit im Vergleich zu Frankreich und den USA 82 beziehungsweise 94 Jahre später. Deutschland kann somit als ein späterer Nationalstaat im Vergleich zu den beiden Nationen angesehen werden.

Ein weiterer Prozess im 19. Jahrhundert war mit der Nationalisierung verknüpft, nämlich der Prozess der Demokratisierung. Auch hier war die deutsche Entwicklung später als die Entwicklung von Frankreich, England oder den USA. Die erste Demokratie Deutschlands war die Weimarer Republik, die 1918 nach dem ersten Weltkrieg gegründet wurde..[8] Das deutsche Kaiserreich verfügte zwar über demokratische Strukturen in Form von Wahlen und Parteien, aber die monarchischen Aspekte seien zu groß gewesen, um das Reich als demokratisch zu bezeichnen..[9] Die anderen Staaten lassen sich hingegen früher als Demokratie bezeichnen als Deutschland. In den USA könne man mit der Verfassung der Unabhängigkeitserklärung 1776, in England mit der Entstehung der Habeas-Corpus-Akte 1679 und in Frankreich mit der Erklärung der Menschenrechte 1789 von einer demokratischen Basis für den Staat sprechen.[10] Die demokratische Entwicklung verlief in Deutschland somit später ab als in den anderen westlichen Nationen.

Ein weiterer Prozess im 19. Jahrhundert war der Imperialismus, also die Gründung von wirtschaftlichen Kolonien außerhalb des Mutterlands zum Aufbau eines Imperiums. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es zunehmend wichtiger für Staaten wie Frankreich, England oder auch Russland, Imperien zu bilden. Diese Staaten gründeten ab 1800 bin in das 20. Jahhundert verschiedene Kolonien in Afrika und Asien..[11] Die ersten Gründungen von Kolonien erfolgten in Deutschland erst ab Ende des 19. Jahrhunderts, beziehungsweise am Anfang des 20.

[...]


[1] Vgl. Helmuth Plessner, Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes (1935/1959), in: Helmuth Plessner, Gesammelte Schriften VI Die verspätete Nation. Frankfurt am Main 1982.

[2] Vgl. Jürgen Kocka, Das lange 19 Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft, Stuttgart 200110. S. 82f

[3] Ebd. S. 24.

[4] Ebd. S. 34.

[5] Vgl. Eric Hobsbawm, Nation und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Frankfurt am Main 20 053. S. 29f.

[6] Vgl. Jürgen Kocka, 19 Jahrhundert. S. 84f.

[7] Vgl. Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen. Band I Deutsche Geschichte vom Ende des alten Reichs bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000. S. 215.

[8] Ebd. S. 378ff.

[9] Vgl. Hans - Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band II Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs, München 1995. S. 1038ff.

[10] Vgl. Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen. Band II Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, München 2000. S. 648.

[11] Vgl. Imanuel Greiss, Kontinuität des Imperialismus, in: Wolfgang Reinhard (Hg.), Imperialistische Kontinuität und nationale Ungeduld im 19 Jahrhundert. Frankfurt am Main 1991. S. 27ff.

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783656002949
ISBN (Buch)
9783656003106
DOI
10.3239/9783656002949
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2011 (September)
Note
1,3
Schlagworte
Deutscher Sonderweg Geschichtsbild Deutsche Revolution Revolutionen Neuzeit Neuzeitliche Geschichte Nationen Nationalismus 19. Jahrhundert Deutsche Geschichte Französische Revolution Amerikanische Revolution
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Titel: Der deutsche Sonderweg - Argumente für und gegen ein Geschichtsbild