Schrumpfende Städte in Deutschland
Stadtumbau in Bremen und Bitterfeld-Wolfen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Stadtschrumpfung – Gründe, Auswirkungen, Erscheinungen
3 Raumplanerische Reaktionen auf Schrumpfungsprozesse
4 Die Förderprogramme „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“
5 Stadtumbau am Beispiel von Bitterfeld-Wolfen
6 Stadtumbau am Beispiel von Bremen
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Begriff „Urbanisierung“ ist in aller Munde. Deutsche Städte definieren sich durch Stadtentwicklungen in Richtung der Vergrößerung, Investitionen in Neubauten und Stadtwachstum. Die Verstädterung soll Platz schaffen für den prognostizierten demographischen und wirtschaftlichen Wachstum, soll dem Zuwachs an Arbeitskräften eine attraktive Atmosphäre bieten, das Stadtbild verschönern und modernisieren. Doch was passiert, wenn das Bevölkerungswachstum nicht eintritt und die Infrastruktur einer Bevölkerungszahl angepasst ist, welche nicht vorhanden ist? Aufgrund von verschiedenen Faktoren kommt es in Deutschland immer wieder zum Fall der Stadtschrumpfung: Menschen verlassen ihre Heimatstadt, suchen nach neuer Arbeit in fremden Städten, hinterlassen leere Wohnungen und verlebte Bezirke. Schrumpfende Städte, im Englischen „shrinking cities“, sind gekennzeichnet durch Migrationsprozesse, Bevölkerungsrückgang und Strukturkrisen. Die vorliegende Hausarbeit soll sich mit diesem Thema befassen, was die Auseinandersetzung mit den grundlegenden Faktoren für Schrumpfungsprozesse, ihren Auswirkungen auf die Stadt und die Bevölkerung sowie den raumplanerischen Reaktionsmöglichkeiten impliziert.
Im ersten Abschnitt geht es um die primären Ursachen, die zu Schrumpfungsprozessen führen. Wie auf die Auswirkungen der Stadtschrumpfung reagiert werden kann und welche städtebaulichen und politischen Maßnahmen bisher ergriffen worden sind, wird im zweiten Abschnitt erläutert. Anschließend sollen die Programme „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ als Beispiele für raumplanerische Maßnahmen aufgezeigt werden. Ziel ist es, anhand von Beispielen (diese seien Bremen und Bitterfeld-Wolfen) einen Bogen zu spannen zwischen der bloßen Theorie der Stadtschrumpfung und konkreten Schrumpfungsprozessen sowie Fallbeispielen des darauf folgenden Stadtumbaus. Zu guter Letzt soll im Fazit das Phänomen „Stadtschrumpfung“ knapp zusammengefasst und auf die wichtigsten Punkte reduziert wiedergegeben, sowie ein kurzer Ausblick auf die Stadtentwicklungstendenzen gegeben werden.
2 Stadtschrumpfung – Gründe, Auswirkungen, Erscheinungen
Seit den 70er Jahren sind in Deutschland vermehrt schrumpfende Städte zu beobachten. Vor allem in Ostdeutschland sind Schrumpfungsprozesse keine Seltenheit, wobei das Phänomen an sich weder ein rein ostdeutsches noch ein neues ist (Killisch und Siedhoff 2005, S.60). Die Gründe für schrumpfende Städte, im Englischen „shrinking cities“, sind vielfältig. Im Folgenden soll auf die grundlegenden Ursachen für die Entstehung schrumpfender Städte eingegangen werden, ihre Erscheinungsformen sowie ihre Auswirkungen dargestellt werden.
Wenn eine Stadt schrumpft, heißt das zunächst einmal, dass die Bevölkerungsdichte abnimmt. Abwanderungsprozesse finden statt und die Bevölkerungszahl sinkt. Aus unterschiedlichen Gründen werden die Menschen motiviert, ihre Stadt zu verlassen und sich in neuen Städten oder Dörfern anzusiedeln. Eine primäre Ursache für die Abwanderung stellt der Arbeitsplatzverlust dar. Wenn es in einer Stadt zu massiven Arbeitsplatzverlusten kommt, ist die Bevölkerung dazu gezwungen, sich nach Arbeit in fremden Städten umzusehen. Vor allem in den 70er Jahren kam es im Zuge der Deindustrialisierung aufgrund des Übergangs von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, auch Tertiarisierung genannt, zu enormen Arbeitsplatzverlusten (Gatzweiler et al. 2003, S.557). Produktionsstätten wurden ins Ausland verlegt, neue Technologien ließen die Altindustrie verkommen und um Kosten zu sparen, wurden Arbeitskräfte gestrichen. Daraus resultierten anhaltende Wanderungsprozesse und somit massive Bevölkerungsverluste in den jeweiligen Gebieten. Insbesondere der Osten Deutschlands war bisher von hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Abbau betroffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der ostdeutschen Städte im Rahmen der Industrieansiedlungspolitik der DDR zu Industriestandorten entwickelt wurde (ebd. S.562). Von daher war Ostdeutschland „in erster Linie Opfer der mit dem wirtschaftsstrukturellen Wandel […] einhergehenden Deindustrialisierung“ (ebd.). Folglich geht der Arbeitsplatzverlust als Ursache für Stadtschrumpfungsprozesse einher mit wirtschaftsstrukturellen Veränderungen.
Die Bevölkerungsabnahme wird jedoch nicht nur durch Arbeitsplatzverluste hervorgerufen, sondern ebenfalls durch bewusste Randabwanderungen. Vor allem bei jungen und einkommensstarken Personen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie aus stadtnahen in periphere Gebiete ziehen (Killisch und Siedhoff 2005, S.62). Konkret spielt hier der Platzmangel eine Rolle, da Haushaltsgründungen oder –Erweiterungen Platz in Anspruch nehmen, welcher oftmals in dicht bebauten Stadtzentren nicht vorhanden ist. Dieser Prozess der Abwanderung aus der Kernstadt in das städtische Umland - Suburbanisierung genannt - kann somit ebenfalls zu den Gründen für Schrumpfungsprozesse gezählt werden.
Generell sinkt die Gesamtbevölkerung zunehmend. Prognostiziert wird eine rapide Abnahme der Gesamtbevölkerung innerhalb der nächsten 10-15 Jahre in Deutschland und Europa (Bullinger 2002, S.264). Dies ist zunächst einmal darauf zurückzuführen, dass seit dem „Pillenknick“ die Geburtenraten sinken. Gleichzeitig werden die Menschen immer älter, unter anderem aufgrund des Fortschritts in der Medizin. Diese Verschiebung der Alterstruktur der Bevölkerung bei gleichzeitiger Abnahme der Geburtenrate führt zu erheblichen Schrumpfungsprozessen. Daraus kann gefolgert werden, dass unterschiedliche Faktoren bei der Stadtschrumpfung zusammenspielen und der Schrumpfungsprozess nicht gleichzusetzen ist mit Begriffen wie beispielsweise „Suburbanisierung“ (Killisch und Siedhoff 2005, S.60).
Aufgrund von Abwanderungen und somit sinkender Bevölkerungszahl kommt es zu einer abnehmenden Nachfrage nach Wohnraum. Leerstand von Wohnungen und ganzen Stadtquartieren sind somit typische Schrumpfungserscheinungen (ebd. S.61). Wenn konzentrierte Leerstände auftreten führt dies zu einer spürbaren Verschlechterung der Wohnqualität, was wiederum zu Imageproblemen und nochmals sinkender Nachfrage nach Wohnraum in ganzen Stadtquartieren führt. Dieses Phänomen wird auch „Verslumung“ oder „Bronx-Effekt“ genannt (Bullinger 2002, S.267).
Die großen Leerstände führen nicht nur zu Imageproblemen, sondern vor allem zu Finanzierungsproblemen der Wohngesellschaften. Nicht nur fehlende Mieteinnahmen, sondern auch Kosten für die Instandhaltung nicht bewohnter Wohnungen führen zu enormen Verlusten (ebd. S.268). Darüber hinaus führen sinkende Bevölkerungszahlen zudem zu Strukturkrisen. Bei gleich bleibendem Angebot sinkt die Nachfrage, was zu Einnahmerückgängen führt, da Ausgabeminderungen nicht sofort umgesetzt werden können. Zudem führen Bevölkerungsverluste aufgrund von Wanderungen zu Verlusten von Lohn-, Umsatz- und Gewerbesteuer (Killisch und Siedhoff 2005, S.60). Die dargestellten Probleme sind jedoch nur einige unter vielen. Wie auf sie reagiert werden kann und wie man möglicherweise einen Nutzen aus den Schrumpfungsauswirkungen ziehen kann, soll im folgenden Abschnitt geklärt werden.
3 Raumplanerische Reaktionen auf Schrumpfungsprozesse
Wie zuvor erläutert, führen Stadtschrumpfungen unter anderem zu Image- und Finanzierungsproblemen. Es gibt diverse Möglichkeiten, diesen Auswirkungen entgegen zu treten. Im Wesentlichen geht es darum, die Stadt den neuen Anforderungen gerecht zu sanieren und zu erneuern, was die Steigerung der innerstädtischen Attraktivität als auch den Abriss von einzelnen Gebäuden bis zu ganzen Stadtvierteln beinhaltet (Gatzweiler et al. 2003, S.557). Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Analyse der momentanen Leerstandslage sowie die Benennung der schrumpfungsgefährdeten Gebiete. Darüber hinaus muss das Phänomen „Stadtschrumpfung“, im Hinblick auf den demographischen Wandel, ganz neu bewertet werden.
Stadtentwicklungsmaßnahmen folgen Konzepten oder so genannten Leitbildern. Für die Stadterweiterung gibt es davon bereits Einige, welche primär der Vorstellung von Wachstum nachgehen (Killisch und Siedhoff 2005, S.63). Für das Phänomen der Stadtschrumpfung muss jedoch umgedacht und neu angesetzt werden. Alternative Entwicklungsmöglichkeiten müssen verbindliche Vorgaben ersetzen (siehe Abbildung 1), effiziente Lösungen müssen die Politik erreichen, damit strategische Rahmenkonzepte erstellt werden können.
Leitbilder wie die perforierte Stadt oder die transformierte Stadt stellen bereits Ansätze dar, welche die Schrumpfung akzeptieren und nicht auf Expansion und Wachstum ausgerichtet sind. Vielmehr soll eine Entwicklungsstrategie entwickelt werden, welche „ein bewusstes Management, Begleiten und Abfedern des Schrumpfungsprozesses, Bestandsentwicklung, Stabilisierung, Regeneration und qualitative Entwicklung“(ebd. 2005, S.64) verfolgt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Klassische Wachstumsplanung versus Nachhaltige Bestandsentwicklung. Quelle: Wiechmann 2003, S.123. In: Geographische Rundschau 57 (10), S.64.
Das Modell der perforierten Stadt, basierend auf dem Stadtentwicklungsplan der Stadt Leipzig, ist gekennzeichnet durch eine nicht stetige Bebauungsstruktur mit punktuellem Abriss leerstehender Gebäude. Dieses Modell bewertet den Leerstand zunächst als positiv und inspirierend und hat zum Ziel, dass es nach Abriss vor allem zu einer effizienten Nachnutzung kommt (Killisch und Siedhoff 2005, S.65). Das Modell der transformierten Stadt hingegen richtet sich an diejenigen Städte, welche besonders stark von der Stadtschrumpfung betroffen sind und wohlmöglich an ihren Auswirkungen zu Grunde gehen. Das Konzept der „transformierten Stadt“ soll nun primär eine Auflösung der Stadt verhindern und sich lediglich um die erhaltungsfähigen Stadtteile bemühen (ebd.).
Städtebauliche Maßnahmen müssen folglich angepasst werden an die neuen Gegebenheiten und Bedürfnisse. Vor allem der Wandel der Bevölkerungsstruktur sowie die zunehmende Überalterung der Gesellschaft führen dazu, dass der Schrumpfungsprozess von Städten auch in Zukunft nicht mehr ausschließlich als Problem angesehen werden kann, sondern vielmehr als Chance angesehen werden muss (Jurczek 2002, S.257f.). Raumplanerische Vorteile ergeben sich unter anderem durch das größere Gewerbeflächenpotenzial und sinkende Mietpreise. Somit ist es möglich, die Lebens- und Wohnqualität durch neu entstehende Freiflächen zu erhöhen. Abgesehen davon führt die Stadtschrumpfung in Hinblick auf die Deindustrialisierung, gesetzt dem Fall, dass diese in der jeweiligen Stadt Hauptgrund für den Prozess ist, zu einer Verbesserung der Umweltqualität (Killisch und Siedhoff 2005, S.66).
Im Folgenden sollen zwei Projekte vorgestellt werden, der Stadtumbau Ost sowie der Stadtumbau West, welche bereits positive Ergebnisse bezüglich des Stadtumbaus erzielen konnten.
4 Die Förderprogramme „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“
Bei dem „Stadtumbau Ost“ handelt es sich um ein im Jahre 2001 beschlossenes Programm der Bundesregierung. Ziel ist es, auf die durch Schrumpfung entstandenen städtebaulichen Funktionsverluste zu reagieren, indem der Stadtumbau finanziell unterstützt und gefördert wird. 269 ostdeutsche Städte hatten sich im Jahre 2002 an dem vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen ausgeschriebenen Bundeswettbewerb beworben. Voraussetzung für die Bundesförderung war das Erarbeiten eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) (Heineberg 2006, S.245).
Hintergrund des „Stadtumbau Ost“ sind die durch zunehmende Abwanderung entstehenden Stadtschrumpfungen. Vor allem „Arbeitsmarktbedingte Ost-West-Migration […] sowie stark rückläufige Geburtenraten mit daraus resultierenden erheblichen Bevölkerungsrückgängen“ (ebd. S.246) sind Grund für die Schrumpfungsprozesse in den neuen Bundesländern. Laut des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sollen die Maßnahmen des Stadtumbau Ost „[…] die Revitalisierung der Innenstädte unterstützen, der Zersiedlung im Umland entgegenwirken und die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt stärken“ (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2011, o.S.). Dies erfolgt einerseits durch Rückbau-, andererseits durch Aufwertungsmaßnahmen in den ausgewählten Städten.
Wie zuvor erwähnt, finden Schrumpfungsprozesse weder ausschließlich in Ostdeutschland statt noch sind sie zeitlich betrachtet erst nach der Wende zu verzeichnen. Auch Westdeutschland ist von Stadtschrumpfung betroffen, insbesondere diejenigen Städte, die von dem Strukturwandel betroffen sind. Daher wurde im Rahmen des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt) im Jahre 2004 das Pilotprojekt „Stadtumbau West“ ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist die Prüfung auf Handlungsbedarf und Förderung hinsichtlich des Stadtumbaus in westdeutschen Städten sowie die Entwicklung von städtebaulichen Konzepten, die an den wirtschaftlichen und demographischen Strukturwandel angepasst sind (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2009, o.S.). In elf Projektstädten wurde bereits enorm an der Stadtplanung gefeilt. Voraussetzung für die Förderung sind erhebliche negative Auswirkungen des wirtschaftlichen Strukturwandels auf die Stadt, „hierzu zählen insbesondere die altindustriellen, vielfach monostrukturierten Orte im Bereich des Bergbaus, der Stahl-, Textil- sowie der Schuh- und Schiffbauindustrie“ (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2011, o.S.). Zu den Maßnahmen, die in den ausgewählten Städten ergriffen worden sind, gehören, ähnlich wie bei den neuen Bundesländern, die Anpassung der Stadtstruktur an die neue wirtschaftliche und demographische Entwicklung.
Wie diese theoretischen Konzepte des Stadtumbaus in Ost- und Westdeutschland in der Praxis realisiert worden sind, wird im Folgenden am Beispiel von Bremen und Bitterfeld-Wolfen verdeutlicht.
5 Stadtumbau am Beispiel von Bitterfeld-Wolfen
Die Doppelstadt Bitterfeld-Wolfen, seit Juli 2007 durch die Fusion der Städte Bitterfeld und Wolfen entstanden, befindet sich im Bundesland Sachsen-Anhalt. Bei der Region handelt es sich um einen traditionellen Industriestandort mit einer „über einhundertjährigen Industriegeschichte“ (Unglaube 1996, S.18). Vor allem die Chemieindustrie und der Braunkohlebergbau, aber auch andere Industriezweige zeichnen die Region aus. Insbesondere die damaligen Kriegswirtschaften förderten die Industrie des Gebietes. Bis 1989 beschäftigten die Industrieunternehmen mehr als 40.000 Arbeitnehmer in der Region, bei einer Einwohnerzahl von 76.147 (Sonnabend 2010, o.S.). Nach der Wende kam es jedoch zu zahlreichen Stilllegungen von Fabriken, zu Aus- und Umlagerungen von Produktionsstätten: „Auf die Privatisierung der Volkseigenen Betriebe folgte in vielen Fällen deren Schließung“ (Oswalt 2011, o.S.). Die Deindustrialisierung zu dieser Zeit ging einher mit starker Ost-West-Migration, was zur Folge hatte, dass die Region Bitterfeld-Wolfen enorme Schrumpfungsprozesse verzeichnete. Die Bevölkerungszahl nahm seit 1990 rapide ab (siehe Abbildung 1).
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