„Le Parkour“ im Schulsport - Perspektiven und Möglichkeiten
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Themenfindung
2.1 „Le Parkour“
2.2 David Belle
2.3 Philosophie
2.4 Das Wesen von „Le Parkour“
2.5 Bewegungsmuster im Parkour
3. Verbreitung von „Le Parkour“
3.1 Verbreitung in Frankreich
3.2 Aktuelle Verbreitung
4. Lehrplan
4.1 Vergleiche mit dem Lehrplan Schleswig Holstein für die Sekundarstufe 1
4.1.1 Das Konzept der Grundbildung
4.1.2 Auseinandersetzung mit den Kernproblemen
4.2 Didaktische Begründungen:
4.2.1 Themenbereiche
4.2.2. Sich fit halten
4.2.3. An Geräten turnen
4.2.4 Laufen, Springen, Werfen
5. Le Parkour im Schulsport
5.1 Interne Bedingungen
5.2 Externe Bedingungen
5.3. Hinweise
5.4. Groblernziel der Stunde:
5.5. Feinlernziele der Stunde:
5.5.1 kognitiv
5.5.2 sozial affektiv
5.6 Methodische Begründungen
5.7 Verlaufsskizze:
5.8 Stationsaufbauten
5.8.1 Stationsaufbau der ersten Unterrichtseinheit
5.8.2 Stationsaufbau der zweiten Unterrichtseinheit
5.9 Reflexion
6. Möglichkeiten
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
„Mein Traum war es, einmal wie Spiderman von Dach zu Dach zu schwingen“, sagte David Belle in einem Interview zu der Sportart „Le Parkour“. Ihn selbst kann man in dem Video dabei beobachten, wie er Wände hinaufläuft, von Hausdach zu Hausdach springt und sich scheinbar mühelos von Fenstersims zu Fenstersims hangelt. Auf den Laien mag dies kindisch, waghalsig oder auch verrückt wirken, aber hinter diesen Aktionen steckt eine Intention, vielmehr noch eine Botschaft. Der charismatische Franzose wurde nicht dabei gefilmt, wie er sich Zuhause ausgeschlossen hat und nun versucht, sich durch das Fenster einen Weg zurück in die Wohnung zu bahnen. Mitnichten, denn David Belle wird als Gründer der Sportart „Le Parkour“ gesehen und möchte in diesem Video die Menschen auf diese eigentümliche, aber auch anspruchsvolle Sportart aufmerksam machen. Und er hat Erfolg. Parkour erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit und findet sogar über die Grenzen Frankreichs hinweg Anhänger. Auch in Filmen wie „Casino Royal“ wird Le Parkour aufgegriffen und in „Ghettogangz Die Hölle von Paris“ gibt sich der Erfinder selbst die Ehre, seinen Sport in den Film einzubeziehen. Doch was sind die zentralen Ideen von „Le Parkour“ und wo hat dieser Sport seinen Ursprung? Wer übt diese Sportart aus und welche Umgebung ist dafür gefordert? Unter welchen Bedingungen kann es möglich sein, „Le Parkour“ in den Schulsport aufzunehmen und wie kann eine Umsetzung konkret aussehen? Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Dazu wird zunächst David Belle und der Ursprung seines Sports näher beleuchtet und anschließend ein Einblick in das Bewegungsspektrum der Traceure, wie die Protagonisten von Parkour genannt werden, gegeben. Um den Einzug von „Le Parkour“ in die Schulpädagogik zu diskutieren, wird der Lehrplan für Schleswig Holstein der Sekundarstufe 1 herangezogen und auf eine sinnvolle Einbettung in den Unterricht geprüft. Abschließend wird durch die Vorstellung einer Unterrichtseinheit ein Beispiel gegeben, wie eine erfolgreiche Umsetzung von „Le Parkour“ im Schulsport gelingen kann.
2. Themenfindung
Ich bin selbst begeisterter Sportler und habe mich auf meinem Lebensweg verschiedensten Sportarten hingegeben. Als ich zum ersten Mal auf „Le Parkour“ durch Videos im Internet aufmerksam wurde, begann ich zu recherchieren. Ich eignete mir nach und nach Wissen an und setzte erste Bewegungen in meinem Garten um. Vieles erinnerte mich an meine eigene Kindheit, als ich noch unbewusst viele Elemente aus Parkour spielerisch umsetzte, während ich durch die Gärten der Nachbarn strich, um schneller zu einem Kameraden zu gelangen. Eine Verletzung setzte mich für mehrere Monate außer Gefecht. Nun war es mir nicht mehr möglich Parkour praktisch zu erproben und zu trainieren, dennoch fuhr ich fort, mir weiter Wissen über Parkour anzueignen. Allerdings erschwerte sich die Recherche, da über „Le Parkour“ bisher wenig Literatur vorzufinden ist. Vorwiegend verbreitet sich Parkour über Artikel in Zeitschriften oder im World Wide Web. Durch das vorherrschende Interesse gelangte ich schließlich zu der Frage, wie sich Parkour im Schulsport verwirklichen lässt.
2.1 „Le Parkour“
„Le Parkour“ beschreibt einen Sport, in dem es gilt, möglichst effizient von einem Punkt A zu einem Punkt B zu gelangen. Dabei werden Hindernisse auf beliebige Art und Weise überwunden. Kleine Hindernisse werden übersprungen, über hohe Hindernisse wird geklettert. Dabei verlassen die Traceure, wie die Protagonisten von Parkour genannt werden, den vorgegebenen Weg und bewältigen unwegsames Terrain (vgl. LUKSCH, S.5). Hierbei wird jedes Hindernis, welches den Weg durchkreuzt, als Herausforderung für Körper und Geist gesehen. Ein unbekanntes Terrain gestaltet sich demnach zu einem willkürlichen Parcours. Eine Straße entlang zu laufen wäre ein Leichtes. Deshalb sucht sich der Traceur möglichst abwechslungsreiche Strecke zum Queren. Er sucht die Herausforderung, die Konfrontation mit den Hindernissen und das Spiel mit den Bewegungen und der Natur.
2.2 David Belle
„Le Parkour“ basiert auf der Idee von David Belle, einem Franzosen, der seit nunmehr 20 Jahren Parkour aktiv betreibt. Der Lebensweg von David ist dem Parkour sehr ähnlich. Ein Weg mit Hindernissen, die es zu überwinden galt. Sein Vater Raymond Belle war als Kindersoldat der französischen Armee im ehemaligen Indochina ausgebildet worden und kam dort in Kontakt mit der Bewegungslehre, der „Méthode Naturelle“. Diese entwickelte er seinen Ansprüchen nach weiter, um sich effizient einen Weg durch das dort vorherrschende, unwegsame Gelände zu bahnen (vgl. KRAFT 2007, S. 176ff.). Sein Sohn David, geboren 1973 in Frankreich, wuchs in Fécamp auf, während Raymond viel Zeit im heutigen Vietnam unter anderem damit verbrachte, seine Bewegungsmuster zu trainieren. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vor allem schnell und kraftsparend waren. Schnell und effizient zu sein war in dem Dschungel teilweise überlebenswichtig, um rasch zu einem gewünschten Ziel zu gelangen oder gegebenenfalls schnell flüchten zu können. Die „Méthode Naturelle“ geht ursprünglich auf den französischen Marine Offizier Georges Hébert (*1875 1975) zurück. Dieser, inspiriert durch seine Forschungen in Afrika, hatte ein Training von Körper und Geist in der Natur entwickelte. Den Gedanken, mit der Natur zu agieren, gewann Hébert in seinen Beobachtungen verschiedener afrikanischer Stämme. Sie zeichneten sich vor allem durch ihre Naturverbundenheit aus, indem sie in besonderem Einklang mit der Natur lebten. diese respektierten und nicht gegen sie arbeiteten, sondern mit ihr den Weg gestalteten. Zudem verfügten sie noch über eine erstaunliche körperliche Konstitution (vgl. PARKOUR ASSOCIATION, 2007). Zurück in Frankreich lehrte Raymond dem jungen David die Kunst des Fortbewegens. Durch die Erzählungen seines Vaters über Parkour war David motiviert, das Selbe zu erleben (vgl. BRAUNER 2006, 1:54 2:17). Mit 15 Jahren zog David nach Lisses, einem Vorort von Paris, adaptierte die gelernten Techniken auf das urbane Gelände und entwickelte so „Le Parkour“ (vgl. KLINGBACHER 2010, S. 29).
2.3 Philosophie
Parkour ist nicht nur durch die anspruchsvollen Bewegungen geprägt, denn ebenso zentral ist die Intention des Sports. David Belle beschreibt, dass Parkour eine Körperertüchtigung sei, die einem selbst und anderen Menschen helfen könne (vgl. BAUER 2008, S.15). Der schweizer Parkour Pionier ROGER WIDMER (zit. in KLINGBACHER 2010, S.31) bestärkt die Meinung, dass der Traceur sich durch die Tugenden Respekt, Bescheidenheit und Voraussicht auszeichnet, was den Sport zu einer Lebenseinstellung werden lässt. Der bewusste und respektvolle Umgang mit der Natur ist obligat, das Eigentum anderer wird geschätzt und geachtet. Man muss lernen sich zurückzunehmen, denn nicht das Wissen über Bewegungen, sondern die Erfahrungen erlauben es einem, das Risiko eines Sprungs zu kalkulieren. Über die Trainingszeit erwirbt der Lernende eine Art taktiles Wissen, welches er auf seine Umgebung anwenden kann und seine Wahrnehmung beeinflussen lässt. „Ein Traceur sieht Wege, wo andere nur Wände sehen. Man folgt nicht den Vorgaben der Architektur und Städteplaner“ (WIDMER, 2010, zit. in KLINGBACHER 2010, S.28). Jeder muss seinen eigenen Weg finden, deshalb lässt die Philosophie im Parkour keinen Wettbewerb oder Konkurrenzgedanken zu. Entscheidend ist, dass man sich an sich selbst und an seiner Umgebung misst. Der Konkurrenzgedanke in der heute vorherrschenden „Ellenbogengesellschaft“ wirkt sich stark auf viele der Jugendlichen aus. Den Konkurrenzgedanken in diesem Sport abzulegen ist zwingend notwendig, um „unüberlegtes und destruktives Verhalten zu vermeiden“ (vgl. LUKSCH 2009, S.14). Anhand der Philosophie gelingt es auch, das wahre Parkour von artverwandten Sportarten abzugrenzen wie beispielsweise das Freerunning, welches Salti und spektakuläre Aktionen in den Run integriert oder Parcouring, das auf Wettkampf ausgelegt ist. David Belle beschreibt in einem Interview wie folgt: „Die Art und Weise wie ich Parkour gelernt habe, da geht es nicht um ein Spiel, sondern ist eine sehr ernsthafte Sache. Wenn zum Beispiel ein Feuerwehrmann rausgeht um jemanden zu retten und er würde dabei einen Salto machen, dann wäre das eher lächerlich. Es geht darum effiziente Bewegungen auszuführen und das schnell und ohne sich zu verletzen“ (NETSCH 2008, 1:00 1:18). Parkour dient nicht dazu, sich in Szene zu setzen. Im Gegenteil, denn Bescheidenheit ist der Kern. David Belle gegenüber SONJA MÜLLER, Reporterin der Zeitschrift „Fit for Fun“, zum echten Parkour: „Man muss nur rausgehen und die Leute suchen, die dort trainieren, ohne sich selbst mit der Kamera aufzunehmen. Das ist das echte Parkour“ (MÜLLER 2007).
2.4 Das Wesen von „Le Parkour“
Die Hindernisse, die sich dem Traceur bieten, sind im freien Gelände regulär nicht homogen. Somit verlangt jeder Durchlauf (Run) eines neuen Parcours bzw. eines unbekannten Geländes dem Traceur eine kreative Auseinandersetzung mit der Umwelt ab. Er muss sich vor jedem Hindernis die Frage stellen, mit welcher Methode er am effizientesten voran kommt und was er imstande ist zu leisten. Denn die korrekte Selbsteinschätzung ist basal in diesem Sport. Der Sportler wagt keinen Sprung, wenn er nicht weiß, dass er ihn beherrscht. Riskante Unternehmungen finden keinen Platz im „Le Parkour“. „Fast allen Situationen gemein ist jedoch, dass die Sicherheit im Vordergrund steht. Verletzungen machen handlungsunfähig(er) und weniger belastbar, was bedeutet, dass die eigenen Ressourcen stark eingeschränkt werden“ (LUKSCH 2009, S.16). Dies ist nicht im Sinne des Parkour, wie auch der Traceur Schweiger (zit. in BAUER 2008, S.7) in einem Interview meint: „Beim Parkour geht es darum, sich effizient fortzubewegen, effizient zu sein, wenig reinzustecken und viel rauszubekommen. Und im Krankenhaus zu landen ist nicht sehr effizient.“ Betrachtet man einen geübten Traceur bei einem Run, fällt dem Beobachter in erster Linie die Dynamik auf, die erzeugt wird, indem sämtliche Bewegungen läuferisch miteinander verbunden werden. Ziel ist es, eins mit seinen Bewegungen zu werden, einen Parcours fließend zu bewältigen und das eigene Können richtig einzuschätzen. Dieses Phänomen ist die Summe aus Erfahrung und langem Training, auf welches der Traceur hinarbeitet. Nach HEINLIN entsteht aus diesem Bewegungsfluss im Idealfall ein Flow Gefühl, also das völlige Aufgehen in einer Bewegung, welches den Reiz an diesem Sport für viele ausmacht (ROCHHAUSEN 2009, S.10). In einem Parcours stellen sich vielseitige Anforderungen an den Traceur. Diese sind je nach Gestaltung verschieden stark ausgeprägt. In der Regel wird der Sportler auf Hindernisse treffen, die läuferisch und balancierend erschlossen werden können. Andere wiederum erfordern Sprung oder Klettereinlagen. Eine Anlehnung an die Leichtathletik und das Turnen wird bei zahlreichen Bewegungen deutlich, die Bewegungen werden jedoch mit anderen Sinnorientierungen belegt. Niedrige Hindernisse können wie beim Hürdenlauf mit einfachen Sprüngen überwunden werden. Manche Hindernisse wie beispielsweise eine Tischtennisplatte können mit einer „Saut de Chat“ (dt. Katzensprung, siehe dazu auch Kapitel 2.6) bewältigt werden, welche der Sprunghocke im Turnen ähnelt. Elementar dabei ist der Bewegungsfluss. KLINGBACHER (2010, S.28) beschreibt es mit folgenden Worten: „Wäre Parkour eine Naturgewalt, sie wäre Wasser, ein Fluss, der seinem Ziel entgegenströmt, über Felsbrocken fliesst [sic], meterhoch hinunterstürzt, sich seinen Weg bahnt, unbeirrt und mühelos.“
2.5 Bewegungsmuster im Parkour
Das Laufen gehört zu den elementaren Bewegungsmustern des „Le Parkour“, sowohl auf gerader Strecke als auch eine Mauer hinauf, um an Höhe zu gewinnen. Auch das Balancieren über Objekte und das Springen über Hindernisse ist so fundamental wie das korrekte Landen, Hangeln und Klettern. Diese abwechslungsreichen Bewegungen schaffen vielseitige Anforderungen an den Athleten. Um diesen Anforderungen gewachsen zu sein, muss der Traceur Kraft, Ausdauer, Technik, gute Selbsteinschätzung, Präzision, Entschlossenheit, Antizipationsfähigkeit und Kreativität mit sich bringen, um einen schnellen, effizienten und eleganten Run zu erzielen (vgl. ROCHHAUSEN 2009, S.11). Es gibt eine Reihe von Bewegungsmustern, die sich mit der Zeit bewährt und als effizient etabliert haben. Diese gelten als die Grundlagen des „Le Parkour“, die David Belle Ende der 80 er Jahre prägte. Dazu zählt die „Roulade“ (Rolle), „Passement“ (Überwindung), „Demi tour“ (halbe Drehung), „Saut de chat“ (Katzensprung), „Saut de précision“ (Präzisionssprung), „Passe muraille“ (Überwindung einer Mauer), „Saut de bras“ (Armsprung), „Tic Tac“, „Lâché“ (Loslassen) und „Franchissement“ (Durchbruch) (vgl. MEYER & KALTEIS 2006). Die folgende Tabelle soll sowohl Aufschluss über diese Bewegungsmuster und deren Merkmale als auch einen Einblick in das Basis Bewegungsrepertoire eines Traceurs geben. Der Verfasser begrenzt die Auswahl auf die für ihn im Schulsport relevanten Bewegungsmuster.
2.6 Für den Schulsport relevante Bewegungsmuster
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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