Die Rolle der Eugenik in der NS-Gesundheitspolitik
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Annäherung an den Begriff Eugenik
2.1 Was ist Eugenik?
2.2 Historisch-biologische Grundlagen
3. Eugenik im Deutschen Reich vor
3.1 Die Etablierung rassenhygienischer Gedanken vor
3.2 Eugenik in der Weimarer Republik
4. Eugenik im Nationalsozialismus
4.1 Ideologische Prämissen und NS-Gesundheitspolitik
4.2 Die Realisierung eugenischer Maßnahmen im NS-Staat
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis.
1. Einleitung
„Über der Geschichte der Medizin und der Gesundheitspolitik
in der NS-Zeit liegt der Schatten eines singulären Grauens.“[1]
Die Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 gilt als einer der am besten erforschten Zeitabschnitte in der deutschen Geschichte. Nicht nur die Geschichtswissenschaft selbst als primäre Forschungsdisziplin, sondern auch alle anderen (angrenzenden) Wissenschaftsgebiete befassen sich zum einen nach Maßgaben ihrer jeweiligen Forschungsrichtung mit ausgewählten Aspekten aus dieser Zeit und zum anderen kritisch reflektierend mit ihrer jeweiligen Rolle im Dritten Reich.
An Norbert Freis einleitenden Worten zum Sammelband Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit lässt sich bereits erkennen, dass diesen beiden Bereichen als wissenschaftliche Disziplin einerseits und politisches Ressort andererseits Schlüsselrollen in der nationalsozialistischen Ideologie zukommen. Die Errichtung einer rassisch homogenen wie gesunden und resistenten Volksgemeinschaft war eines ihrer Hauptziele.[2] Um diese Ziele realisieren zu können, wurden unter anderem bevölkerungs- und gesundheitspolitische Maßnahmen wie Eugenik respektive Rassenpflege und -hygiene betrieben.[3]
Aufgrund der angedeuteten zentralen Rolle, welche die Bereiche Medizin und Gesundheitspolitik in der nationalsozialistischen Ideologie bzw. für deren praktische Umsetzung spielen, ist der Forschungsstand zu diesen Aspekten nationalsozialistischer Herrschaft zahlreich. Einzelne Gesichtspunkte wie Eugenik bzw. Rassenpflege und -hygiene erfahren allerdings „erst seit den 1980er Jahren verstärkte Aufmerksamkeit.“[4] Wichtige Ergebnisse auf diesem Forschungsgebiet haben Hans-Peter Kröner[5], Benno Müller-Hill[6], Hans-Walter Schmuhl[7], Paul Weindling[8] sowie Peter Weingart[9] vorgelegt. Darüber hinaus ist die Rolle des ‚Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik’ (KWI-A), das zum Zentrum der eugenischen Forschung im Dritten Reich wurde, besonders in jüngster Zeit Gegenstand der Forschung geworden.[10]
Die vorliegende Hausarbeit will versuchen die Bedeutung der Eugenik in der NS-Gesundheitspolitik nachzuzeichnen. Dabei wird untersucht, welche rassenhygienischen Maßnahmen ergriffen wurden, um die bevölkerungspolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten durchzusetzen, anhand derer die heterogene Gesellschaft in eine homogene Volksgemeinschaft transformiert werden sollte.
In einem ersten Schritt wird zu klären sein, was unter Eugenik zu verstehen ist und welche ideologischen Vorstellungen dieser neuen Wissenschaftsdisziplin den Weg bereitet haben. Um die Entwicklung und hier insbesondere die Institutionalisierung eugenischer Gesetze und gesundheitspolitischer Vorgaben nachzuzeichnen, ist es notwendig, einen Blick auf eugenische Vorstellungen im Deutschen Reich vor 1933 zu werfen. Sodann sollen eugenische Maßnahmen aufgezeigt werden, die während des Nationalsozialismus aufgegriffen, weitergeführt und ausgestaltet wurden. Abschließend soll dann die Frage beantwortet werden, wie hoch der Einfluss der Eugenik(er) auf die Verbrechen der Nationalsozialisten tatsächlich war.
2. Annäherung an den Begriff Eugenik
2.1 Was ist Eugenik?
Der Begriff Eugenik stammt von dem griechischen Wort eugenes, das sich aus eu für gut oder wohl und genes für hervorbringend oder verursachend zusammensetzt und bedeutet als Kompositum soviel wie wohlgeboren oder von edler Abkunft.[11] Als internationaler Begründer und Begriffsvater der Eugenik gilt der britische Wissenschaftler Francis Galton, der diese neue Disziplin und deren Selbstverständnis bereits von ihren gedanklichen Anfängen aus dem Jahr 1883 als „angewandte Wissenschaft von der Verbesserung der menschlichen Erbanlagen und zugleich als (sozial)politische Bewegung“[12] im Sinne von Rassen- und Erbhygiene sowie Erbgesundheitslehre verstand. Dabei entfaltete die „Galtonsche Eugenik [...] eine wenig konkrete Programmatik, die als negative Elemente etwa die Absonderung von Gewohnheitsverbrechern oder die Einschränkung der Fortpflanzung von Geistesschwachen und -kranken enthielt.“[13]
Übergeordnetes Ziel der Eugenik war es „durch Eingriffe in das biologische und gesellschaftliche Leben die Verteilung erblicher Merkmale im kollektiven Reproduktionsprozess von Bevölkerungen zu steuern.“[14] Konkret beschäftigt sich die Eugenik also mit der Erhaltung und günstigsten Entfaltung der als gesund eingestuften Erbanlagen des Menschen, um damit schließlich eine erbbiologische Verbesserung der Bevölkerung zu erreichen. Neben dieser so genannten positiven Eugenik, die das Ziel hatte durch sozialpolitische Maßnahmen erwünschte und als positiv klassifizierte Erbanlagen fortzuschreiben (z.B. durch Förderung kinderreicher Familien), diente die so genannte negative Eugenik der Einschränkung oder gar Entfernung der als negativ eingestuften Erbanlagen (z.B. durch Sterilisation, Geburtenkontrolle, Eheverhinderung, Tötung).[15]
2.2 Historisch-biologische Grundlagen
Um die Entstehung eines eugenischen Forschungszweiges verstehen zu können, ist es notwendig, einen kurzen historischen Überblick über jene ideologischen Strömungen zu skizzieren, die der Eugenik den Weg bereitet haben.
Basierend auf Charles Darwins Evolutionstheorie, die er 1859 in seiner Schrift On the Origin of Species by Means of Natural Selection veröffentlichte, gewann der bereits in vielen Ländern Europas stattfindende Rassendiskurs in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zusätzliche Beachtung. Darwins biologische Erkenntnisse, die eine Erklärung für die natürliche Auslese verschiedener Arten von Lebewesen liefern sollten, wurden rasch auch auf die Entwicklung menschlicher Gesellschaften übertragen.[16] So lässt sich festhalten, „daß die Eugeniker unter Berufung auf die Darwinsche Evolutionstheorie [...] die biologische Evolution der menschlichen Spezies in eine Wechselbeziehung zu gesellschaftlichen Bedingungen setzten.“[17]
Der so entstandene Sozialdarwinismus mit dem markigen Leitspruch ‚survival of the fittest’ – geprägt vom führenden englischen Vertreter des Sozialdarwinismus Herbert Spencer – war danach der Ansicht, dass sich nur die besten und stärksten Völker oder Rassen gegen die schlechteren und schwächeren Rassen oder Völker durchsetzen und langfristig überleben würden. Grundprinzip war damit das Recht des Stärkeren, wodurch Humanität gering geschätzt und Gewalt verherrlicht und gerechtfertigt wurde.
Im Deutschen Reich war es der Anatom und Zoologe Ernst Haeckel, der die Darwinsche Theorie salonfähig machte und sie in seiner Natürlichen Schöpfungsgeschichte (1868) auf die Menschheitsgeschichte übertrug.[18] Haeckel „ging davon aus, dass die Gesundheit, Macht und Leistungsfähigkeit der Völker in erster Linie von der Gesundheit, Kraft und Tüchtigkeit der Einzelnen und ihrer vererblichen Anlagen abhänge, der Medizin seiner Zeit warf er kontraselektorische Wirkung vor.“[19]
Doch schon vor Darwins weitreichender Veröffentlichung war in Europa, besonders in Frankreich und England, ein weitreichender Rassendiskurs entstanden. Als Begründer des Rassismus gilt der Franzose Gobineau, der mit seinem vierbändigen Werk Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen (1852-54) „beim Blick auf Zivilisationen und Kulturen im Grunde zu den gleichen Schlussfolgerungen gekommen [ist] wie nur etwas später Darwin beim Blick auf die Naturformen: daß nämlich das Leben am Ende immer nur ein Überleben im Kampf um die Reproduktion der eigenen Art [ist].“[20]
Richard Wagners Schwiegersohn Richard Chamberlain machte als Wahldeutscher mit seinem zweibändigen Hauptwerk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts (1899) das rassistische Gedankengut in deutschen bildungsbürgerlichen Kreisen salonfähig.
Der rassischen Ideologie zufolge lässt sich die menschliche Bevölkerung – mithilfe jedoch pseudowissenschaftlicher Begründungen – in verschiedene Rassen einteilen, die angeblich bestimmte, naturgegebene Eigenschaften aufweisen. Diese Zuschreibung führt zur Klassifizierung in minder- und höherwertige Rassen und dient den Angehörigen der selbst als höherwertig eingestuften Rasse (nordisch-arische Herrenmenschen, weiße Rasse) als Rechtfertigung, Angehörige der als minderwertig klassifizierten Rassen zu unterdrücken oder gar zu töten. Eine zentrale Rolle hierbei spielt der Aspekt der Rassenmischung[21], deren Vermeidung oberstes Ziel rassentheoretischer Überlegungen war, damit die eigene als höherwertig eingestufte Rasse nicht durch Vermischung mit einer als minderwertig klassifizierten Rasse an Stärke verliert, sprich degeneriert wird. Was dann später in rassenhygienischen Vorstellungen entsteht, ist nichts weniger als die Verbindung des biologischen Rassengriffs der Eugeniker mit dem wertenden anthropologischen Rassenbegriff und den damit verbundenen Vorstellungen.[22]
Einen weiteren wichtigen Einfluss auf die Entwicklung und Beschleunigung eugenischer Vorstellungen hat die Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln um 1900, deren genetische Erkenntnisse die Eugeniker als argumentative Grundlage für ihre Theorien nutzten.[23]
Die angedeuteten ideologisch-biologistischen Strömungen lieferten die Grundlagen für die Entwicklung eugenischer und damals noch utopischer[24] Denkmuster. Die Eugenik, wie sie Galton schließlich ab 1883 etabliert, steht somit in einer langen internationalen europäischen Tradition von rassischen, (sozial)darwinistischen, degenerationshypothetischen Denkweisen und erscheint zugleich auch als deren logische Konsequenz und Fortentwicklung im Sinne gesellschaftlicher Züchtungsvorstellungen. Dieser Vorstellung von Bevölkerungspolitik sahen sich insbesondere auch die Sozialwissenschaften verpflichtet:
Die utopische Vision von der Verbesserung des Menschen nicht allein durch Religion und Ethik oder durch bestimmte Formen des Zusammenlebens, sondern durch planmäßige Menschenzüchtung übte eine zunehmende Faszination gerade auf die Sozialwissenschaftler aus, die sich mit der Lösung von bevölkerungspolitischen Fragen in Verbindung mit ihren sozialen Hintergründen auf der Basis der Erblehre beschäftigten. Der politische Standort spielte nur insofern eine Rolle, als die Zukunftsvision deutschnationaler Rassenhygieniker anders aussahen als die ihrer liberalen oder sozialdemokratischen Kollegen. Das rassenhygienische Paradigma zog alle in seinen Bann, Protestanten, Katholiken wie Juden.[25]
Neben dem sozialwissenschaftlichen Interesse am bevölkerungspolitischen Diskurs der Eugeniker, fallen besonders zwei von vom Brocke erwähnte Aspekte ins Auge. Zum einen ist es die bemerkenswerte Feststellung, dass eugenische Vorstellungen und Denkweisen in nahezu allen politischen Parteien, Konfessionen und sozialen Strömungen der Zeit hohen Anklang fanden.[26] Zum anderen stellt das, was hier mit dem Begriff Bevölkerungspolitik angedeutet wird, die enge Verzahnung verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen dar, die sich in einem umfassenden Sinne als Gesellschafts wissenschaft verstehen. Die internationale eugenische Bewegung war sich inhaltlich darüber einig, daß das wichtigste bevölkerungspolitische Problem die ‚differentielle Geburtenrate’ sei. Darunter verstand man das vor allem in Industriestaaten zu beobachtende Phänomen, daß Familien, die sozial aufgestiegen waren und in einem gewissen Wohlstand lebten, dazu neigten, die Zahl ihrer Kinder einzuschränken. [...] Die Angst der Eugeniker bestand also darin, von den ‚minderwertigen Massen’ überschwemmt zu werden [...].[27]
In diesem Zusammenhang spielen neben den erwähnten ideologischen Aspekten auch finanzielle Überlegungen im eugenischen Denken eine wichtige Rolle. Um den Staatshaushalt zu schonen und dessen Leistungen nicht an ‚minderwertige Massen’ verschwenden zu müssen, bot sich die Eugenik mit ihren Vorstellungen, wie z.B. der (Zwangs-)Sterilisierung, als medizinisch-technologische Alternative für sozialpolitische Ausgaben an.[28]
Die Eugenik lässt sich in diesem Zusammenhang als ein „wissenschaftliches Forschungsprogramm“[29] mit einem „rassenhygienischen Paradigma“[30] im Zentrum bezeichnen, das einzelne Disziplinen miteinander verbindet und damit keine „in sich kohärente und institutionell von anderen Disziplinen abgegrenzte neue Disziplin [...], sondern [ein] interdisziplinäres Vorhaben zur wissenschaftlichen Beschreibung, Erklärung und Lösung einer zeitgenössisch empfundenen, aber auch durch die eugenische, wissenschaftliche Betrachtungsweise geschaffenen gesellschaftlichen Problemlage“[31] bildet.
[...]
[1] Frei, Norbert: Einleitung. In: Ders. (Hrsg.): Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit, München 1991, S. 7-32, hier S. 7 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Sondernummer).
[2] Der Verfasser dieser Hausarbeit distanziert sich hier und im Folgenden selbstredend von den Inhalten solcher „belasteter Wörter“ wie rassisch oder Volksgemeinschaft. Deren Verwendung geschieht reflektiert und soll deskriptiv die damaligen ideologischen Anschauungen nachzeichnen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit soll auf Distanzmarker wie Anführungszeichen oder eine durchgängige Kursivschreibung verzichtet werden. Vgl. zur überlegten Verwendung dieser Begriffe Dieckmann, Walther: „Belastete Wörter“ als Gegenstand und Resultat sprachkritischer Reflexion. In: Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur 3 (2007), H. 1, S. 62-80.
[3] In dieser Arbeit werden die Begriffe Eugenik und Rassenhygiene weitgehend synonym verwendet; vgl. Anm. 33.
[4] Rickmann, Anahid S.: „Rassenpflege im völkischen Staat“: Vom Verhältnis der Rassenhygiene zur nationalsozialistischen Politik, Bonn 2002, S. 17.
[5] Kröner, Hans-Peter: Von der Eugenik zur NS-Rassenhygiene: Zur politischen Schuld der Medizin im „Dritten Reich“. In: Knigge-Tesche, Renate (Hrsg.): Berater der braunen Macht. Wissenschaft und Wissenschaftler im NS-Staat, Frankfurt/M. 1999, S. 111-132.
[6] Müller-Hill, Benno: Tödliche Wissenschaft. Die Aussonderung von Juden, Zigeunern und Geisteskranken 1933-1945, Hamburg 1984; Müller-Hill, Benno: Selektion. Die Wissenschaft von der biologischen Auslese des Menschen durch den Menschen. In: Frei, Norbert (Hrsg.): Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit, München 1991, S. 137-155 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Sondernummer).
[7] Schmuhl, Hans-Walter: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernichtung ‚lebensunwerten Lebens’, 1890-1945, Göttingen 1987 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 75); Schmuhl, Hans-Walter: Sterilisation, „Euthanasie“, „Endlösung“. Erbgesundheitspolitik unter den Bedingungen charismatischer Herrschaft. In: Frei, Norbert (Hrsg.): Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit, München 1991, S. 295-308 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Sondernummer).
[8] Weindling, Paul: Health, Race and German Politics between National Unification and Nazism 1870-1945, Cambridge 1989.
[9] Weingart, Peter / Kroll, Jürgen / Bayertz, Kurt: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt/M. 1988; Weingart, Peter: Eugenik – Eine angewandte Wissenschaft. Utopien der Menschenzüchtung zwischen Wissenschaftsentwicklung und Politik. In: Lundgreen, Peter (Hrsg.): Wissenschaft im Dritten Reich, Frankfurt/M. 1985, S. 314-349.
[10] Vgl. hierzu: Massin, Benoît: Rasse und Vererbung als Beruf. Die Hauptforschungsrichtungen am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik im Nationalsozialismus. In: Schmuhl, Hans-Walter (Hrsg.): Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933, Göttingen 2003, S. 190-244 (= Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus Bd. 4); Schmuhl, Hans-Walter: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927-1945, Göttingen 2005 (= Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus Bd. 9) sowie eine historisch über den Krieg hinausgehende Perspektive Kröner, Hans-Peter: Von der Rassenhygiene zur Humangenetik. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik nach dem Kriege, Stuttgart 1998 (= Medizin in Geschichte und Kultur Bd. 20).
[11] Vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch, 4. Auflage Mannheim 2001, S. 499.
[12] Tomkowiak, Ingrid: „Asozialer Nachwuchs ist für die Volksgemeinschaft vollkommen unerwünscht“. Eugenik und Rassenhygiene als Wegbereiter der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. In: Sedlaczek, Dietmar / Lutz, Thomas / Puvogel, Ulrike / Dies. (Hrsg.): „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter, Zürich 2005, S. 33-50, hier S. 35.
[13] Schmuhl 1987, S. 30.
[14] Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus, Bonn 2007, S. 92 (= Schriftenreihe der Bundes-zentrale für politische Bildung Bd. 677). Galton selbst definierte Eugenik folgendermaßen: „Eugenik ist die Wissenschaft, die sich mit allen Einflüssen befaßt, welche die angeborenen Eigenschaften einer Rasse verbessern; auch mit denen, die sie zum großmöglichsten Vorteil entwickeln.“ (zit. nach Kröner 1999, S. 111).
[15] Konkrete eugenische Maßnahmen auf Grundlage der nationalsozialistischen Gesetzgebung werden in Kap. 4.2 näher beleuchtet. Zu familienpolitischen Maßnahmen der NS-Politik, die auf eugenischen Klassifikationen basieren vgl. ausführlich Czarnowski, Gabriele: Das kontrollierte Paar. Ehe- und Sexualpolitik im Nationalsozialismus, Weinheim 1991 (= Ergebnisse der Frauenforschung Bd. 24).
[16] Ein wichtiger Hintergrund für biologistische Gesellschaftsdeutungen sind zudem die von der Industrialisierung vorangetriebenen ökonomischen und sozialen Veränderungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts wie Urbanisierung, Pauperisierung und Lebensmittelknappheit. Vgl. hierzu Tomkowiak 2005, S. 34: „Mit dieser Entwicklung einher ging in bürgerlichen Kreisen die Angst vor Degeneration, und die skizzierten Entwicklungen galten als Indiz für deren Fortschreiben, wobei die historischen, wirtschaftlichen und sozialen Ursachen zugunsten biologistischer Erklärungsmuster in den Hintergrund gedrängt wurden.“ Vgl. zudem Kühl, Stefan: Die Internationale der Rassisten. Aufstieg und Niedergang der internationalen Bewegung für Eugenik und Rassenhygiene im 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1997, S. 21: „Aufbauend auf diese in die pessimistische Grundstimmung des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts passende biologische Erklärung für die Probleme der Industriegesellschaft, boten die Eugeniker ein scheinbar wissenschaftlich begründetes Lösungskonzept an.“
[17] Weingart 1985, S. 318; vgl. zudem Schmuhl 1987, S. 29 f.
[18] Vgl. Tomkowiak 2005, S. 35.
[19] Ebd.
[20] Geulen 2007, S. 72.
[21] Vgl. ebd., S. 70.
[22] Vgl. Weingart 1985, S. 325.
[23] Vgl. Tomkowiak 2005, S. 39 sowie Müller-Hill 1991, S. 138.
[24] Weingart (1985) geht in seinem Aufsatz von dem Begriff eugenischer Utopien bzw. utopischer eugenischer Vorstellungen aus und legt überzeugend dar, wie diese Utopien sukzessive in die Realität umgesetzt werden.
[25] Brocke, Bernhard vom: Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis? Möglichkeiten und Probleme einer Geschichte der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland. Mit einer systematischen Bibliographie, Opladen 1998, S. 57.
[26] Vgl. auch Czarnowski 1991, S. 24: „Eugenisches und rassenhygienisches Denken fand Anhänger und Anhängerinnen in vielen gesellschaftlichen Gruppen, quer durch das Spektrum der politischen Parteien, in den Kirchen, bei den Linken, in der Frauenbewegung, war also kein Reservat der Konservativen oder der nationalen Rechten.“
[27] Kröner 1999, S. 113.
[28] Vgl. ebd., S. 114.
[29] Kaufmann, Doris: Eugenik – Rassenhygiene – Humangenetik. Zur lebenswissenschaftlichen Neuordnung der Wirklichkeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Dülmen, Richard von (Hrsg.): Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500-2000, Wien 1998, S. 347-365, hier S. 348.
[30] Schmuhl 1987, S. 356.
[31] Kaufmann 1998, S. 348.