Das 4C/ID-Modell - am Beispiel eines Bildungswissenschaftlers im Bereich der Lehre (Universität)
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Anwendung des 4C/ID-Modells in der Praxis
2.1 Analyse der Kompetenz: Entwurf einer Fertigkeitshierarchie
2.2 Bildung von Aufgabenklassen durch vereinfachende Annahmen
2.3 Entwicklung und Beschreibung von Lernaufgaben
2.4 Unterstützende Informationen
2.5 Just-in-time-Informationen
3 Lerntheoretische Überlegungen zum 4C/ID-Modell und Aspekte des situierten Lernens
3.1 Didaktische Szenarien zur Integration des 4C/ID Modells
3.2 Medien zur Unterstützung des Blueprints
4 Zusammenfassung und Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In den späten fünfziger Jahren hatte Robert M. Gagné die Idee des Instruktionsdesigns. Der Ursprung seiner Idee war, dass es in der Lehre nicht die richtige Lehrmethode gibt. Er entwickelte ein Konzept, welches versuchte, für unterschiedliche Kategorien von Lernaufgaben und unterschiedliche Rahmenbedingungen und Lernvoraussetzungen jeweils die geeignetste Lernumgebung zu finden. Seit den späten fünfziger Jahren hat sich das Instruktionsdesign, insbesondere in Nordamerika und den übrigen englischsprachigen Ländern, später aber auch in den Niederlanden und Finnland als wissenschaftliche Teildisziplin der pädagogischen Psychologie und der empirischen Erziehungswissenschaften entwickelt (Niegemann & Hessel, 2003, S. 19).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem Modell der zweiten Generation von Instruktionsdesign, dem Vier-Komponenten-Instruktionsdesign-Modell (four-component instructional design model), kurz 4C/ID genannt. Entwickelt wurde es von Jeroen J. G. van Merriënboer und gilt zurzeit international als das wichtigste Modell für das Training komplexer kognitiver Fähigkeiten (Niegemann & Hessel, 2003, S. 44; de Witt & Czerwionka, 2006, S. 58).
Verdeutlicht werden soll dieses Modell am Beispiel eines Bildungswissenschaftlers[1] in der universitären Lehre. In diesem Fall handelt es sich um einen Bildungswissenschaftler der für eine FernUniversität ein Präsenzseminar organisieren und halten soll.
Im Folgenden wird das 4C/ID in seinen Grundzügen dargestellt. Im praktischen Teil dieser Arbeit wird für das oben aufgeführte Beispiel ein Lehrplanentwurf (blueprint) nach dem 4C/ID Modell erstellt, dem wird sich die Entwicklung von Aufgabenklassen und Lernaufgaben anschließen. Der dann folgende theoretische Teil dieser Arbeit wird das 4C/ID Modell unter Berücksichtigung lerntheoretischer Überlegungen und Aspekte des situierten Lernens beleuchten. Daran anschließen werden sich einige didaktische Szenarien, die sich zur Integration des 4C/ID Modells eignen, sowie entsprechende Medien, zur Unterstützung des blueprints. Kapitel 4 bildet den Abschluß dieser Arbeit mit einem Beispiel einer multimedialen Lernumgebung mit sich anschließender Reflexion und einem Fazit.
2 Anwendung des 4C/ID-Modells in der Praxis
Das Ziel moderner Instruktionsdesign-Theorien ist es, den Lernenden mit Lernaufgaben, die ein hohes Maß an realistischen Bezügen haben, zu konfrontieren (Bastiaens, Deimann, Schrader, Orth, 2009, S. 87). Das hier vorgestellte 4C/ID Modell beinhaltet vier Entwurfskomponenten, die in Wechselbeziehung zueinander stehen. Hierbei werden innerhalb der Aufgaben wiederkehrende und nicht-wiederkehrende Fertigkeiten unterschieden.
Die nicht-wiederkehrenden Fertigkeiten müssen durch ein hohes Maß an Problemlösungsprozessen bewältigt werden und sind Aufgaben, die nicht routinemäßig anfallen. Wiederkehrende Fertigkeiten entwickeln sich durch ständige Wiederholungen und haben ein hohes Maß an Automatisierung zur Folge (van Merriënboer & Kirschner, 2007, S. 11).
Die Komponenten dieses Modells lassen sich in 4 Lernprozess-Kategorien beschreiben, die von zentraler Bedeutung für ganzheitliches Lernen sind (Clark, van Merriënboer, de Crook, 2002, S. 43):
- Lernaufgaben (learning tasks) dienen dem Lernenden zum Aufbau kognitiver Schemata. Lernaufgaben sollen authentische, konkrete und möglichst ganzheitliche Aufgaben sein und bilden das Herzstück des Modells.
- Unterstützende Informationen (supportive information) sind notwendig, wenn nicht-rekurrierende Aufgaben erfolgreich bewältigt werden sollen. Sie sind der „Brückenbauer“ zwischen bereits vorhandenen Kenntnissen, die der Lernende bereits erworben hat und den Inhalten, die der Lernende neu erlernen soll.
- Just-in-time Informationen (JIT) sollten möglichst in kleinen Einheiten organisiert und dem Lernenden zeitnah dann vorgelegt werden, wenn dieser bei einer wiederkehrenden Aufgabe Unterstützung benötigt.
- Part-task practice sind sich wiederholende Teilfertigkeiten, die auf hohem Niveau stattfinden.
Die oben aufgeführten 4 Kategorien können in insgesamt 10 Schritte zerlegt werden:
Tab. 1: Zehn Schritte für einen Lehrplanentwurf nach dem 4C/ID Modells
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Schwerpunkt der nun folgenden Kapitel ist die Kategorie der Lernaufgaben, und den dazugehörigen Schritten 1 bis 3, mit deren Hilfe ein blueprint entworfern wird. Für die Komponenten Unterstützende Informationen und JIT-Informationen werden lediglich Beispiele genannt. Die Erstellung von part-task-practice Aufgaben wird nicht Bestandteil der vorliegenden Arbeit sein.
2.1 Analyse der Kompetenz: Entwurf einer Fertigkeitshierarchie
Dem Entwurf von Lerninhalten, die die Grundlage für eine kompetenzbasierte Ausbildung oder Schulung sein sollen, muss eine Analyse der gewünschten Leistungen, bzw. Kompetenzen, die am Ende der Maßnahme erworben sein sollen, vorausgehen (Bastiaens et al., 2009, S. 92).
Ein erster Schritt dieser Analyse ist die Erstellung einer Fertigkeitshierarchie (Abb. 2), in der die Kernkompetenzen eines Bildungswissenschaftlers, der ein Präsenzseminar für eine FernUniversität durchführen soll, dargestellt werden und in der die ganzheitliche komplexe Fertigkeit in konstituierende Teile zerlegt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Entwurf einer Fertigkeitshierarchie
Die Hierarchie besteht aus horizontalen und vertikalen Relationen.
In der ersten Ebene werden die horizontalen, bzw. temporären Relationen dargestellt. Sie werden von links nach rechts gelesen.
Sie stellen einen Handlungsablauf dar, der zum Erreichen des Lernziels notwendig ist. Die Abfolge der Handlungen kann hierbei sequenziell als auch gleichzeitig erfolgen. Bezogen auf das hier angeführte Beispiel, sollte der zu schulende Bildungswissenschaftler zuerst ein geeignetes Thema auswählen, um sich dann um einen passenden Standort zu kümmern, dass Seminar zu halten, um es schließlich zu evaluieren.
Vertikale, bzw. konditionale Relationen werden von unten nach oben gelesen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die unten in der Hierarchie angeordneten Fähigkeiten die Voraussetzung für die jeweils darüber liegenden Fähigkeiten sind. Somit bedingt die untere Ebene immer die darüberliegende und enthält keine Kreisläufe.
In dem vorliegenden Beispiel muss der Bildungswissenschaftler, bevor er ein Thema festlegt, die Studienbriefe sichten. Anschließend sollte er die Lernplattform der Universität einsehen, um einen Eindruck davon zu bekommen, bei welchen Themen die Studenten den größten Informationsbedarf haben. Schließlich sollte er, um für sich das Thema einzugrenzen, eine Internetrecherche betreiben, um schließlich die Literatur zu dem sich langsam eingrenzenden Thema zu sichten.
Der zweite Schritt ist die Auswahl eines geeigneten Standortes. Da es sich um ein Seminar für eine FernUniversität handelt, sollte der geografische Standort so gewählt sein, dass er von möglichst allen anreisenden Studenten problemlos erreicht werden kann. Gleichwertig zu betrachten sind die gegebenen Übernachtungsmöglichkeiten aller Seminarteilnehmer. An dem ausgewählten geografischen Ort muss ein Seminarraum gefunden werden, der eine entsprechende Größe zu bieten hat, um alle Teilnehmer fassen zu können. Entsprechend der ausgewählten Arbeitsmethoden, sollte der Raum über geeignete Medien verfügen, um eigene, aber auch Gruppenarbeiten adäquat darstellen zu können. Diese Medien sollten vor der eigentlichen Veranstaltung auf ihre Funktion überprüft werden (durch den Bildungswissenschaftler selbst oder eine von ihm delegierte kompetente Person).
Der nun folgende Schritt ist das Seminar selbst. Die erste Tätigkeit, die zur Veranstaltung führt, ist die Bekanntgabe dieser. Bei der eigentlichen Durchführung werden mit Hilfe geeigneter Medien Informationen vermittelt. Weiter sollte der Dozent seinen Studenten aktiv zuhören, um schließlich auf deren Fragen eingehen zu können.
Der letzte Schritt ist die Evaluation der Veranstaltung. Auf ein vorab gegebenes mündliches Feedback der Studenten erfolgt die Verteilung von Statistikbögen mit anschließender Auswertung.
2.2 Bildung von Aufgabenklassen durch vereinfachende Annahmen
Nach dem Erstellen der Fertigkeitshierarchie erfolgt die Sequenzialisierung der Aufgabenklassen (Bastiaens et al., 2009, S. 96). Das wesentliche Merkmal des 4C/ID-Modells sind authentische Lernaufgaben, die einen möglichst hohen realistischen Bezug haben sollen (van Merriënboer & Kirschner, 2007, S. 4). Die Organisation der ganzheitlichen authentischen Lernaufgaben erfolgt in immer komplexer werdenden Aufgabenklassen. Diese lassen sich somit wiederum als Serie von Aufgabenklassen definieren, die von Anfang an ganzheitlich, aber in immer komplexer werdenden Dimensionen zu lösen sind (Clark et al., 2002., S. 44).
Auf diese Weise erhält der Lernende von Anfang an einen Überblick über alle konstituierenden Fertigkeiten, die er in einzelnen Aufgabenklassen lernen wird.
[...]
[1] Aufgrund der besseren Lesbarkeit, wird bei Personen ausschließlich die männliche Form benutzt. Gemeint sind aber beide Geschlechter.