Lade Inhalt...

Jeanne d’Arc – als Hexe oder aus politischen Gründen verurteilt?

Analyse des Verurteilungs- und Revisionsprozesses

©2009 Hausarbeit 32 Seiten

Zusammenfassung

In this work I analyze if Joan of Arc was sentenced as a witch or because of political reasons. Therefore I would like to begin my examination with the history of France in the 14th and 15th century. Then I am describing the circumstances of the ascents and descents of her life. This is important to gain necessary background information about the time she lived in and the thinking of the people she was surrounded with. In the introduction of her judges I am showing their argumentations in this court case which are mainly political and / or personal. In the main part constituents of the process are presented which deliver the arguments that Joan of Arc was condemned as a witch and heretic. These constituents include for example pagan beliefs in the town of her childhood or that Joan wore man dresses. In the end I am telling about the death of Joan and the rehabilitation proceeding 20 years after to underline the connection with political and religious motifs.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsangabe

Abstract

0. Einleitung

1. Kontext
1.1. Der Konflikt der Engländer und Franzosen
1.2. Der Aufstieg Jeanne d´Arcs
1.3. Der Fall Jeanne d´Arcs

2. Der Verurteilungsprozess
2.1. Die Gegner Jeanne d´Arcs und ihre Motive
2.1.1. Die Engländer und ihre Anhänger
2.2. Die Grundlagen zur Anklage als Hexe
2.3. Die Verurteilung

3. Kritik am Prozess und Revisionsprozess

4. Fazit

5. Quellenverzeichnis

Literatur:

Internet:

Abstract

In this work I analyze if Joan of Arc was sentenced as a witch or because of political reasons. Therefore I would like to begin my examination with the history of France in the 14th and 15th century. Then I am describing the circumstances of the ascents and descents of her life. This is important to gain necessary background information about the time she lived in and the thinking of the people she was surrounded with. In the introduction of her judges I am showing their argumentations in this court case which are mainly political and / or personal. In the main part constituents of the process are presented which deliver the arguments that Joan of Arc was condemned as a witch and heretic. These constituents include for example pagan beliefs in the town of her childhood or that Joan wore man dresses. In the end I am telling about the death of Joan and the rehabilitation proceeding 20 years after to underline the connection with political and religious motifs.

0. Einleitung

Jeanne d’ Arc, Johanna von Orleans oder Jeanne, la Pucelle (die Jungfrau) – diesen Namen trug ein junges Mädchen im 15. Jahrhundert, das ihreWelt nachhaltig veränderte. In einem Zeitalter, als kirchliche Dogmen und Kriege um die Hegemonie das Denken der Menschen bestimmte, wagte sie es, als erste Frau ein kriegerisches Heer anzuführen, den Franzosen ein neues, aktiveres Nationalgefühl zu vermitteln und, mit der Selbstgerechtigkeit einer angeblich von Gott Legitimierten, das Volk und politische Machthaber auf ihre Seite zu ziehen. Bis sie schließlich selbst am Charakter des von ihr unterstützten Königs, ihrer eigenen persönlichen Religionsauffassung und der Machtpolitik ihrer Ära scheiterte.

Viele Aspekte sind notwendig, im den Lebensweg dieser jungen Frau zu verstehen, der in der Krönung Karls VII. seinen Höhepunkt findet und in einem geschichtlich einmalig unsachlichen und von verschiedensten Motiven gelenkten Prozess zugrundegeht. Deswegen ist es notwendig, erst einmal den Kontext und die Weltsicht der damaligen Menschen genauer zu betrachten, bevor der schließlich der Prozess verstanden werden kann.

Innerhalb von diesem wird dann untersucht, inwieweit der Prozess Jeannes als Hexenprozess bezeichnet werden kann und in wie weit ganz andere, politische Motive eine Rolle bei der Verurteilung gespielt haben. Denn in vielen historischen Werken wird der Prozess nicht als Hexenprozess bezeichnet, Emil B. König zum Beispiel nennt ihn einen „politischen Justizmord“1, der nur einzelne Momente bietet, die sich auf das Zauberwesen beziehen. Diese Arbeit untersucht, ob und wie sehr dieses Urteil zutrifft und ob Jeanne d´Arcs Schicksal in den Kanon der Hexenprozesse mit dazugerechnet werden kann.

Mithilfe der Vorgeschichte und der Ankläger des Prozesses lässt sich gut die politische Seite des Verurteilungsprozesses klären, für den religiösen Teil wurden einzelne Anklagepunkte, die besonders sind prägnant für die These, dass der Prozess ein Glaubensprozess ist, herausgegriffen. Um zu einem vollständigen Urteil zu gelangen, muss schließlich noch der Rehabilitationsprozess analysiert werden.

1. Kontext

1.1. Der Konflikt der Engländer und Franzosen

Jeanne d´Arc wurde wahrscheinlich 14122 inmitten des seit 1339 schwelenden „Hundertjährigen Krieges“ geboren. Anlass zu diesem gab die französische Krone, auf die der ehrgeizige englische König Eduard III. mit Waffengewalt Ansprüche erhob, nachdem der letzte Carpetinger Karl IV. gestorben war, denn er war der Sohn von Karls Schwester. Der französische Klerus und Adel unterstützte allerdings Philipp VI. von Valois, „der nach dem salischem Gesetz gefolgt war“3, und wehrte sich.4

Die Lage sah jedoch nach einiger Zeit äußerst ungünstig für die Franzosen aus: Nach zahlreichen Verlusten aufgrund der militärischen Überlegenheit der Engländer – sie hatten durch ihre Langbogenschützen auf dem Schlachtfeld erhebliche Vorteile, außerdem war Frankreich innenpolitisch schwerst zerrüttet – kam es 1356 bei der Schlacht von Poitiers zum Eklat und die französische Krone ging erstmalig in englische Hand; doch nicht für lange, dennnach weiteren Kämpfen verzichtete Eduard III. sogar „im Frieden von Bretigny 1360 (…) auf die französischen Besitzungen außer Guyenne und Gascogne“5. Im Jahre 1380 kam nach dem Tod Philipps VI. der nächste französische Thronkandidat, Karl V. ins Amt, unter dessen Herrschaft weitere Siege errungen wurden. Doch 1380 starb „Karl der Weise“, während sein Sohn noch Karl VI.noch minderjährig war. Um dessen Vormundschaft stritten sich vier Onkel.6 Doch sobald Karl alt genug war, zentralisierte der beliebte König sein Land und führte zeitweise souverän. Währenddessen dauerten die Schlachten an, da die Nachfolger Eduards sich gegen den Frieden von Bretigny stellten. Nach der Niederlage der Franzosen in der großen Schlacht von Azincourt 1415 besetzen die Engländer die Normandie und zwangen Karl VI. 1420 im Vertrag von Troyes, seine Tochter Katharina an den damaligen König Heinrich V. zu geben, damit das Kind dieses Paares nunmehr als Engländer beide Staaten regiere.Der legitime Thronfolger und Sohn Karls VI. wurde mit dieser Regelung übergangen, ergab sich aber relativ widerstandslos seinem Schicksal.7 Dieses Ereignis „begründete eine Doppelmonarchie“8, die zwar nominell von Heinrich V. geführt wurde, rechtlich, wirtschaftlich und administrativ jedoch getrennt ablief. Karl VI. war zu diesem Zeitpunkt schon geistig labil und verfiel später vollkommen dem Wahnsinn.

Kurz vor diesen Ereignissen war es außerdem zu einer Fehdezwischen dem mächtigen Herzogtum Burgund und dem Königshaus gekommen, die 1407durch die Ermordung Ludwigs von Orleans, Karls Bruder, in einen offenen Bürgerkrieg der beiden Parteien eskalierte.Im Prinzip ging es hierbei jedoch um die Streitfrage, ob die Monarchie oder die Territorialfürsten die Macht in Frankreich besäße. Dabei fungierte Burgund als „Katalysator“9. Die innenpolitischen Streitereien wurden gleichsam zu außenpolitischen, als Begleiter von Karl VI. dessen Herzog Johann ohne Furcht ermordeten, denn Burgund trat im Zuge dessen auf Englands Seite über.

1422 später starben sowohl der englische als auch der französische Thronanwärter und der einjährige Heinrich VI. von England wurde zum König von Frankreich ausgerufen. Ein Teil der französischen Adligen und des Klerus erkanntejedoch den sich im Exil befindlichen Dauphin Karl VII. an, der sich daraufhin in Poitiers krönen ließ, da Reims von den Engländern besetzt war und in Chinon Hof hielt. 10

Im Verbund mit den Burgundern unterwarfen die Engländer nun ganz Frankreich bis zur Loire-Linie und begannen am 7. September 1428 mit der Belagerung der strategisch wichtigen Stadt Orléans. Hier setzen die Geschehnisse um Jeanne d´Arc an.

1.2. Der Aufstieg Jeanne d´Arcs

In diesen chaotischen Verhältnisse wuchs das Bauernmädchen Jeanne d´Arc auf. Frankreich war durch die anhaltenden Schlachten auf heimatlichem Boden arg mitgenommen, die Bevölkerung verarmt,schlecht gebildet und zum größten Teil Analphabeten. Es gab zusätzlich zu dem Krieg mit den Engländern zahlreiche Bürgerkriege durch die wechselnde Parteinahme mancher Landesherren und Erhebungen von Zünften in den Städten. Die Mentalität der französischen Bürger war im späten Mittelalter stehen geblieben, es herrschte schlichte Frömmigkeit und mündliche Erzählungen und Legenden waren üblich und beliebt. Daraus erwuchs auch ein extremer Aberglaube, aus dem eine weit verbreitete Satansangst und Hexenverbrennungen, aber auch Wundertäter und Propheten resultierten. Dies alles ist auf jeden Fall zu bedenken, wenn Jeanne d´Arcs Leben verstanden werden will, denn die Verhältnisse beeinflussten sowohl sie selbst als auch ihre Umwelt. 11

Jeanne lebte in Domrémy, einem kleinem Dorf am linken Ufer der Maas, das im Einflussbereich des französischem Königs stand, obwohl das Hinterland von Burgundern beherrscht war. Gerade hier lernte Jeanne die direkten Auswirkungen des Krieges am eigenem Leib kennen; sie beschrieb später ihre 1427 oder 1428nach der Schlacht von Verneuil erforderliche Flucht in das befestigte benachbarte Neufchateau aufgrund des Eindringens von burgundischen und englischen Truppen als traumatisches Ereignis.12

Jeannes Familie, zwei wohlhabende Eltern, drei Brüder und eine Schwester, waren angesehene Dorfbürger. Jeanne wuchs ungebildet, aber gut erzogen auf. Sie verlebte nach eigener Aussage eine schöne und normale Kindheit.13

Laut Jeanne sprachen ihre Stimmen erstmalig mit ihr, als sie zwölf war und zwar „um die Mittagsstunde zur Sommerzeit, im Garten“14 ihres Vaters, von Seiten der Kirche, nebst großer „Helligkeit“.15 Es waren im einzelnen der Engel bzw. Erzengel Michael, die Heilige Katharinaund die Marghareta: Das glaubte Jeanne anhand deren Äußeren, ihrer Sprechweise und den Dingen, die die Visionen ihr zeigten und erzählten zu erkennen.16 Sie sprachen in französischer Sprache und es bestand nur eine mündliche Konversation.17 Diese Halluszinationen erschienen im Laufe der Zeit immer häufiger. Sie offenbahrten ihr, nach Frankreich zu gehen und ihrem König zu Hilfe zu kommen.18 Jeanne sagte, dass ihr vier Aufgaben aufgetragen wurden: Als Erstes sollte sie Orléans von den Engländern befreien, danach die Krönung von Karl VII. in Rom veranlassen, weiterhin Paris aus feindlicher Hand zurückgewinnen und zuletzt den gefangenen Karl von Orléans befreien. Jeanne vertraute nach anfänglicher Verwirrtheit ihren Stimmen und sah sie als Richtschnur für Denken und Handeln an. Zusätzlich zu der oben bereits genannten Sendung forderten diese von ihr den Erhalt ihrer Jungfräulichkeit (die heilige Katharina ist im übrigendie Patronin der Jungfrauen). Außerdem offenbahrten die Stimmen Jeanne, dass die alte Legende, dass Frankreich durch eine Frau zu Grundegerichtet und durch eine Jungfrau aus Lothringen gerettet werden würde, wahr ist und sie diese Rolle einnehmen solle. 19

Kurz darauf schickten die Stimmen Jeanne nach Vancouleurs zum Hauptmann Robert di Baudricourt. Jeannes Eltern wussten nichts davon, dies wurde Jeanne später noch im Prozess als Respektlosigkeit vorgeworfen. Als Begleitung fungierte ihr entfernter Verwandten20 Durant Laxart, den sie einweihte.Nach anfänglichem Zweifel überzeugte Jeanne schließlich Baudricourt, sie Mitte Februar 1529 zum Hoflager des Königs in Chinon zu empfehlen. Bevor sie dort eintraf, zog sich Jeanne auf Rat der Stimmen21 Männerkleidung an und nahm ein Schwert an sich.

Laut Legende22 versuchte der schon früh durch die Machtränke des Hofes mißtrauisch und schwermütig gewordene junge Karl VII., der durch Mundpropaganda bereits über ihr Kommen informiert war, sie durch ein Täuschungsmanöver zu testen: Er vertauschte seine Kleidung mit einem seiner Berater. Jeanne erkannte ihn trotzdem. Nach einem langen Gespräch, dessen Inhalt unklar und später auch ein wichtiger Bestandteil des Prozesses gegen Jeanne werden sollte, zeigte sich der Dauphin überzeugt von dem jungen Bauernmädchen. Leider bleibt Karls Verhältnis zu Jeanne für immer unklar, da der Nachwelt keine direkten Quellen erhalten geblieben sind und seine Reaktionen im weiteren Verlauf der Geschichte wankelmütig und durch verschiedene Berater gelenkt erscheinen. Es ist jedoch davon auszugehen,dass nicht nur persönliche Sympathie und religiöse Überzeugung diese ungleiche Beziehung bestimmte, sondern auch politisches Hintergedanken. Schließlich stellte die Pucelle eine mögliche letzte Hoffnung der Legitimation Karls VII. dar, da viele aus dem Volk an ihre schnell bekannt gewordene Mission glaubten. Trotzdem musste Jeanne sich mündlichen Prüfungen der Theologen der Universität Poitiers unterziehen, ihre Vergangenheit wurde erkundet und sie wurde physisch auf ihre Jungfräulichkeit untersucht, da laut damaligen Glauben der Teufel keinen Einfluss auf Jungfrauen habe und nur diesen besondere Gnade zufallen kann. Derweil wurde ihr Bekanntheitsgrad im Land immer größer, ein regelrechter Kult entstand um „Die Retterin Frankreichs“.23

Am 24. oder 25. April 1429 zog Jeanne mit Lilienbanner und sonstiger militärischer Ausrüstung ausgestattet und von Gefolge, Familie und Freunden begleitet, zum besetzten Orléans. Den Oberbefehl hatte sie dabei allerdings nicht inne, jedenfalls nicht nominell.24 Ihr Einfluss auf das Heer war immens, zum einen durch die Übertragung ihres Sendeglaubens auf die Kämpfenden, zum anderen auch aufgrund ihrer erstaunlichen militärischen strategischen und kämpferischen Fähigkeiten. Relativierend muss erwähnt werden, das Orléans auch von vorhinein schon gut wehrfähig war.25 Am 7. Mai siegte Orléans über die Engländer.

Nach diesem Erfolg brach Jeanne eigenständig auf einen Feldzug von Auxerre nach Trois auf, obwohl der König mit seiner Entscheidung zögerte. Trois und weitere Städte des Loire-Tals kapitulierten. Die Wiedereroberung unter Jeanne d'Arcs Führung dehnte sich bis nach Châlons und Reims aus.

Am 17. Juni 1429 erhielt Karl VII. die Weihe zum König von Frankreich durch den Erzbischof von Reims. Somit war Jeannes Sendeauftag fast erfüllt.Dies stellte wahrscheinlich denHöhepunkt in Jeannes Leben dar.26

1.3. Der Fall Jeanne d´Arcs

Karl VII. war soweit zufrieden mit seinen Erfolgen und schloss noch im gleichen Jahr einen einstweiligen Waffenstillstand mit den Burgundern. Jeanneversuchte den König zu bewegen, in das burgundisch besetzte Paris zu ziehen, bevor die Engländer wieder aufrüsten konnten. Allerdings war die junge Frau am Hof dem Neid und der Missgunst der königlichen Räte, vor allem des Kanzlers Tremouille, ausgeliefert, der die Ausgleichpolitik Karls entscheidend beeinflusste.Nachdem es ihr nicht gelang, Karl VII. für einen weiteren Feldzug zu begeistern, zog sie im September auf eigene Faust gegen Paris. Jedoch fehlten ihr hierbei die Truppenkontigente und die Ausrüstung des Königs und der Angriff auf die Stadt schlug fehl.27

Nach einer Überwinterung am königlichen Hof und gescheiterten Verhandlungen wandte Jeanne sich in die Compiègne, wo sie das gleiche Debakel erwartete. Als sie am 23. Mai 1430 in einen Hinterhalt der Burgunder geriet, nahmen diese sie fest. Nach einer anfänglich erträglichen Haft wurde Jeannes Wunsch nach Freiheit immer stärker. Sie versuchte, zweimal zu fliehen. Einmal sprang sie sogar aus dem Fenster eines Turms und verletzte sich dabei lebensgefährlich28, was ihr später im Prozess noch als Selbstmordversuch ausgelegt werden wird.29

Angeblich gab es außerdem zahlreiche Rettungsversuche von außen, die alle scheiterten. Ein Beweis dafür ist der Brief der Pariser Universität an Philipp von Burgund, in dem sie „von der List und Bosheit der schlechten Menschen, Feinde und Gegner, die, wie man hört, all ihr Bemühen daran setzen, das Weib zu befreien“30 schreibt.Es ist jedoch unklar und ein „Rätsel der Geschichte“31, ob diese auch vom König forciert waren.Dieser unternimmt wahrscheinlich nichts zur direkten Rettung der Puccelle, obwohl er sie beispielsweise gegen den berühmten Grafen von Shrewsbury, Sir John Talbot, austauschen hätte können, der sich zum damaligen Zeitpunkt in französischer Gefangenheit befand.32 Karls Verhalten erscheint noch undurchschaubarer, wenn man beachtet, dass er Jeanne und ihre Familie kurz vorher in den Adelsstand aufgenommen hatte und sie vor dem Hof als „teure und geliebte Puccelle“33 betitelte. Deswegen wird Karl VII. von den Historikern heutzutage Karl VII. entweder als untreu und undankbar bezeichnet oder es wird versucht, seine Unschuld zu beweisen und dass es ihm nicht möglich war, die Pucelle zu befreien. Es scheint aber möglich, dass der König nicht intervenierte, da sich Jeannes Reputation in den vorherigen Monaten gewandelt hatte.

Der Erzbischof Renauld von Reims summierte die am Hofe und im Klerus herrschende Meinung in einem Brief an die Bevölkerung von Reims so: Die Gefangennahme Jeannes sei wenig bedeutsam, sie wolle keinen guten Rat annehmen und bestehe lediglich auf ihre Meinung, man habe Ersatz gefunden in Gestalt eines jungen Schäfers, der ebenfalls von Gott gesandt sei, vor dem königlichen Heer zu ziehen. Gott habe Jeanne bestraft wegen ihrer Überheblichkeit, weil sie nicht tat, was Gott ihr befahl. Der der Nachwelt nur mittelbar überlieferte und von keiner anderen Quelle bestätigte Brief ist natürlich geprägt durch eine persönliche Abneigung gegen Jeanne, allerdings ist auch die Reserviertheit des Hofes Jeanne gegenüber zu bedenken, wenn Verwirrung über die doch so wenigen und erfolglosen Rettungsversuche besteht.34

Jeanne sollte nicht lange in burgundischer Gewalt bleiben. Die Pariser Universität forderte in den bereits oben erwähntem Schreiben die Auslieferung Jeannes an Ihre Institution zum Inquisitionsverfahren„wegen ihres Aberglaubens, ihrer Irrlehren und anderer Verbrechen gegen die göttliche Majestät“35. Letzlich köderten jedoch die Engländer, namentlich der Regent John of Lancaster, die Burgunder mit der für damalige Verhältnisse abnormen Summe von 10.000 Franken, die die große Bedeutung Jeannes widerspiegelte; „wofür nach französischem Brauch dem König jeder Gefangene, er sei König, Dauphin oder anderer Prinz, überlassen werden muss“36 und drohten mit gesetzlicher Strafe, sollte man sich rechtlichen Ansprüchen widersetzen. Der Handel kam nach langem Feilschen, wahrscheinlich wegen des Geldmangels und des nachlassenden Kriegsglücks der Burgunder, zustande. Am 24. Oktober wurde das Geld eingewechselt,Jeanne im November 1430 ausgeliefert.

„Am 21. November bat die Universität Paris den König von England, Jeanne d´Arc der kirchlichen Justiz zu überlassen, was am 3. Januar 1431 auch geschah“37, schreibt bekannte Professor der Geschichte Gerd Krumeich. Allerdings wurde der Gesuch der Universität von Paris, das Verfahren ebendort zu eröffnen, „um den Prozeß angemessen und sicher durchzuführen“38, abgelehnt.Der englische König entschied sich für Rouen, da dort der englische Einfluss dort größer war und Paris eher burgundisch geprägt war.Außerdem war die Möglichkeit einer französischen Belagerung und die Gefahr einer Befreiung Jeannesin Paris seiner Meinung nach größer.39 Nicht zu vergessen ist des Weiteren der letzte Satz des englischen Antwortbriefes; er besagt, dass „die Gefangene, sollte sie nicht wegen Ketzerei verurteilt werden, dem englischen König wieder rücküberstellt werden müsse“40. Somit war Jeannes Urteil schon vor dem Prozess gefallen.

Am 28. Dezembertraf die Puccelle in Rouen ein, wurde in einen Turm gesperrt und in strenger Haft gehalten. Sie soll an Händen und Füßen angekettet, von fünf englischenSoldaten bewacht und von „Besuchern begafft“41 worden sein. Die Legende, dass sie in einem eisernernKäfiggesperrt worden war, ist unbestätigt, sicher ist, dass solch ein Exemplar für sie angefertigt wurde.

2. Der Verurteilungsprozess

2.1. Die Gegner Jeanne d´Arcs und ihre Motive

2.1.1. Die Engländer und ihre Anhänger

Für England war es ein Affront, von einem Mädchen vom Lande so in die Schranken gewiesen zu werden.Kurz nach der Krönung Karls VII. in Reims schrieb der Herzog von Bedford folgenden Brief an Karl:

„Wir, […], tun euch, […] kund, dass Ihr gegen die Krone meines Herren, […] frevelt, indem Ihr dem gemeinen Volk sagt, dass IhrFrieden und Sicherheit bringt. Damit verführt und betrügt Ihr das unwissende Volk, und das erreicht Ihr nur, indem Ihr euch abergläubischer und verdammungswürdiger Personen bedient, wie eines liederlichen, verrufenen und abtrünnigen Weibes, das in Männerkleidung umhergeht“42.

Dieser Aussage entspricht vielleicht der Meinheit der englischen Politiker, die Jeanne als bedeutungslose weibliche (!) Marionette und Mätresse ansahen, die sich dazu noch erdreistete, gegen die göttlichen Gesetze zu verstoßen, indem sie Männerkleidung trug; im englischen Volk und in der burgundischen Fraktion war die Reaktion nach Jeannes Gefangennahme eine andere: Es herrschte eine große Genugtuung, die so laut der Historikerin Sabine Tanz nur bei der Gefangennahme gefürchteter Krieger entstand.43 Dies ist sowohl auf die übertriebenen sich im Umlauf befindlichen Gerüchten als auch auf dem allgemeinen damaligen Wunderglauben zurückzuführen. Dies hieß, dass Jeanne entweder der Teufel oder Gott im Bunde sei. Es konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn ein Mädchen in Männerkleidern so viel Macht besaß. Nach ihren Niederlagen schien ein „Bann(…) gebrochen“44 und Gottes Gnaden wieder auf Englands Seite zurückgekehrt zu sein. Sie sahen Jeanne als Prüfung Gottes an und sich selbst nach ihrer Gefangennahme als Werkzeug Gottes zur Aburteilung ihrer Person.45

Beide geläufigen Einschätzungen über die Puccelle stimmten jedoch in ihrem Ziel überein: Diese Frau musste definitiv in einem Inquisitionsverfahren als Hexe und Ketzerin abgeurteilt werden, bewiesenermaßen oder nicht, um unbedingt die Krönung Karl VII. und die französischen militärischen Erfolge zu deskreditieren und die Rechtmäßigkeit der englischen Thronansprüche zu unterstreichen.46 Dies wirkte sich auch auf die Höhe des „Kopfgeldes“ an die Burgunder aus.

Dieser Zwang eines Legitimationsverfahrens des englischen Thronanspruches stellte eine entscheidende Richtung im Prozess gegen Jeanne d´Arc; die englische Politikerfraktion wollte beweisen, dass die „Erfolge der Jungfrau durch Teufelei zustande gekommen seien und keineswegs auf Gottes Unterstützung der Politik des Königs“47 Karls VII. Auch wenn das Urteil vordergründig durch die Kirche gefällt wurde, hätte ein Freispruch die undenkbare Konstellation bedeutet,dass sich England als Staat und der König als Person im Unrecht befinden und die englische Kirche, die den Krieg auf ihrer Seite selbstverständlich unterstützte, nicht dem Willen Gottes folgt.

2.1.2. Die Pariser Universität

Die Pariser Universität, die „Hochburg katholischer Theologie“48, scheint in Jeanne D´Arc wirklich eine Hexe und Bedrohung der Christenheit gesehen zu haben und wollte „ihre Autorität und Glaubensdoktrin hermetisch gegen tatsächliche und vermeintliche Angriffe schützen“49. Das Pariser Unigremium hatte zu der damaligen Zeit ihre internationale Reputation zu behaupten, denn als maßgebendes Organ der theologischen Wissenschaften kam ihre Position dem päpstlichen Lehramt gleich. Ihre Berühmtheit hatte sie in der Zeit des großen Schismas von 1378 bis 141750 erlangt, als sie die Wiederherstellung der Einheit unterstützten. Die sich als Tochter Gottes bezeichnende Jeanne mit ihrer Mission musste sich gegen die traditionelle Auffassung der Pariser Universität messen, die sie nicht nur von ihr, sondern auch durch Feinde außerhalb Frankreichs gefährdet fühlte. Deswegen gab es einen gewissen Druck, Jeanne d´Arc als „Sendbotin der Hölle“, die „Ansehen, das Paris als das wahre Licht der Kirche genoß, gefährdert[e]“51, zu verurteilen. Dies zeigt, dass die Universität nicht nur als ein Werkzeug der Engländer handelte, sondern auch eigene Interessen vertrat.52

[...]


1 König, S. 435

2 Schwann´sche Sammlung, S. 4: Prozessfrage 1431 „Wie alt seid Ihr?“ Antwort „Wie ich meine, ungefähr neunzehn Jahre.“

3 Ebd., S. X. Das Salische Gesetz:„diente (…) als Argument gegen die Thronfolge von Frauen oder Nachkommen von Königstöchtern. Dieses frühe fränkische Recht wurde deshalb auf die Thronfolge ausgedehnt, weil man zu verhindern suchte, dass die Krone durch die Heirat einer Erbin außer Landes gelangte.“ (siehe MSN-Encarta)

4 Vgl. Steinbach, S. 7f

5 Schwann´sche Sammlung, S. X

6 Vgl. Steinbach, S. 7f

7 Inwieweit der streitbare Charakter von Karls VI. Gemahlin, Isabellas von Bayern, Einfluss auf ihn hatte, seinen Sohn außerdem zu illegitimisieren, ist geschichtlich unklar. (vgl. Krumeich, S. 14)

8 Krumeich, S. 14

9 Ebd., S. 10

10 Vgl. Schwann´sche Sammlang, S. XII

11 Vgl. Scheffel, S. 104

12 Vgl. Schwann´sche Sammlung, S. 6 und 15

13 Vgl. ebd., S. 15f

14 Ebd.,S. 7

15 Ebd.

16 Vgl. Steinbach, S. 16

17 Ebd.

18 Vgl. Schwann´sche Sammlung, S. 8

19 Vgl. Steinbach, S. 15ff und S. 33

20 Ein Onkel, vgl. Schwann´sche Sammlung, S. 8ff

21 Ebd., S. 18f

22 Es sind keine Quellen von Anwesenden erhalten geblieben, nur die königlichen Beamte Simon Charles und Jean Moreau berichten im Nachhinein von diesem Ereignis, wahrscheinlich übertrieben und ins legendenhafte gesteigert. (Vgl. auch im weiteren Steinbach, S.27f und Krumeich, S.33f)

23 Iben, http://www.123recht.net/article.asp?a=9164&ccheck=1 (Stand: 15.08.2009)

24 Dies ist ein umstrittener Fakt unter Historikern. Von späteren Quellen wird behauptet, Jeanne habe den Oberbefehl geführt, sie selbst geht auf diese Frage nicht näher im Prozess ein (vgl. Schwann´sche Sammlung, S. 22). Wahrscheinlicher ist, dass sie als einfaches Bauernmädchen offiziell als „Maskottchen“ für „den französischen Soldaten neue Siegeszuversicht“ gab. (Scheffel, S. 105)

25 Vgl. Steinbach, S. 38f

26 Iben, http://www.123recht.net/article.asp?a=9164&ccheck=1 (Stand: 15.08.2009)

27 Vgl. Steinbach, S.52ff

28 Vgl. ebd., S. 56f. Laut anderen Quellen trug sie wunderbarerweise nur eine Kopfverletzung davon (vgl. Scheffel, S. 106)

29 Vgl. Scheffel, S. 106f

30 Steinbach, S. 57. Dieser Brief traf bereits einen Tag nach der Gefangennahme Jeannes an, was die Bedeutung dieses Ereignisses unterstreicht.

31 Ebd.

32 Vgl. Scheffel, S. 106

33 Ebd.

34 Vgl. Steinbach, S.58

35 Scheffel, S. 106

36 Steinbach, S. 60

37 Krumeich, S. 83

38 Steinbach, S. 61

39 Vgl. Steinbach, 61

40 Krumeich, S. 83

41 Steinbach, S. 61

42 Scheffel, S. 105

43 Tanz, S. 209

44 Ebd.

45 Vgl. Tanz, S. 209

46 Vgl. Krumeich, S. 84

47 Ebd., S. 85

48 Scheffel, S. 106

49 Tanz, S. 205

50 Daten: http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761554644_2____9/Papsttum.html#s9

51 Tanz, S. 212. Der Ausdruck „Wahres Licht“ stammt von den bekannten französischen Theologen Jean de Gerson (http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761572806/Jean_de_Gerson.html)

52 Vgl. Tanz, S. 202ff

Details

Seiten
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783656059103
ISBN (Paperback)
9783656058960
DOI
10.3239/9783656059103
Dateigröße
625 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Kulturgeschichte
Erscheinungsdatum
2011 (November)
Note
1,7
Schlagworte
Johanna von Orleans Jeanne d´Arc Hexen Mittelalter
Zurück

Titel: Jeanne d’Arc – als Hexe oder aus politischen Gründen verurteilt?
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
32 Seiten