Flash Crash: Elektronischer Börsenhandel
Zusammenfassung
Dies war ein völlig überraschender Schock für die Aktienmärkte und die Finanzaufsichten. Wie konnte es zu solchen Kurssprüngen kommen? Zunächst wurde von einem „Fat-Finger“-Trade ausgegangen, bei dem sich ein Börsenhändler beim Verkauf einer Aktienposition um mehrere Nullstellen vertippt haben soll. Schnell wurde den meisten bewusst, dass die Ursache der Geschehnisse nicht so einfach sein kann. Am 30. September 2010 veröffentlichen die US-Aufsichtsbehörden einen offiziellen Abschlussbericht, der den Kurseinbruch untersuchte. Vielmehr war der Crash eine Folge der strukturellen Veränderungen der Börse.
Vor diesem Hintergrund widmet sich die vorliegende Bachelorarbeit einer umfassenden Analyse des Flash Crashs. Zu diesem Zweck wird zunächst der generelle Hintergrund der Aktienmärkte beleuchtet, um einen Einblick in die Prozesse und Mechanismen der Börse zu bekommen. Weiter wird gezeigt welchen Einfluss die Entwicklung der Informations- und Kommunikationssysteme auf die Börse hat.
Anschließend wird der Flash Crash genauer beschrieben und analysiert. Zunächst erfolgt anhand des offiziellen Abschlussberichts der CFTC/SEC eine exakte Betrachtung des Ablaufs. Nachfolgend werden die Konsequenzen und die durchgeführten Veränderungen der SEC auf die Geschehnisse genannt.
Abschließend wird im Rahmen einer kritischen Evaluierung des Flash Crash vom 6. Mai 2010 die Notwendigkeit bzw. werden die verschiedenen Möglichkeiten zur Vermeidung erneuter Flash Crash diskutiert. Hieraus werden Implikationen zur Verbesserung des Aktienhandels und der gängigen Systeme abgeleitet. Des Weiteren wird zur Analyse des Flash Crash das Augenmerk auf algorithmische Handelssysteme gelegt, um deren möglichen signifikanten Einfluss auf den extremen Kurssprung zu untersuchen.
Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
2 BÖRSENHANDEL
2.1 Transaktionsprozessder Börse
2.1.1. Marktteilnehmer und Produkte
2.1.2. Orders
2.1.3 Preisbildungund Matching
2.2 Der Wandel zur elektronischen Plattform
2.2.1 COMPUTERISIERUNG DES WERTPAPIERHANDELS
2.2.2 ATS
2.3 LIQUIDITÄT
3. FLASH CRASH
3.1 BERICHT DER SEC/CFTC - ABLAUF DES FLASH CRASH
3.2 LÖSUNG DER CFTC/SEC
3.2.1 LIQUIDITÄTSKRISE BEIM E-MlNI
3.2.2 LIQUIDITÄTSKRISE ETF UND AKTIEN
3.3 Schlussfolgerungen des Berichtes
3.4 Konsequenzen
3.4.1 Stornierung von Trades
3.4.2 VeränderungenderRegeln
3.4.3 Geplante Schutzmaenahmen
3.5 Weitere Faktoren
3.5.1 High Frequency Trader als Auslöser
3.5.2 Toxizitätim Markt
3.5.3 Quote Stuffing
3.5.4 Intermarket Sweep Order
3.5.5 Wechselkursschwankungen
3.5.6 FAT-FINGER-THEORIE
4. ALGORITHMIC TRADING
4.1 Eigenschaften des Algorithmic Trading
4.2 HFT
5. ZUSAMMENFASSUNG UND KRITISCHE WÜRDIGUNG
LITERATURVERZEICHNIS
RICHTLINIEN UND GESETZE
VERZEICHNIS SONSTIGER QUELLEN
ONLINEPUBLIKATIONEN
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Klassischer Wertpapierhandel
Abbildung 2: Marktstruktur elektronischer Märkte
Abbildung 3: Prozentuale Veränderungen der US-Märkte am 6. Mai 2010
Abbildung 4: Preis- und Volumenchart des E-Mini Derivates am 6. Mai 2010
Abbildung 5: Tiefststände am 6. Mai zwischen 14.00 und 15.00 Uhr
Abbildung 6: VPIN Metrik zwischen 1. Jan. 2008 und 30. Okt. 2010
Abbildung 7: Kursverlauf des S&P 500 und des Yen am 6. Mai 2010
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 EINLEITUNG
Am 06. Mai 2010 um 14:30 Uhr, New Yorker Zeit, sorgte ein sog. Flash Crash für den größten Kurssprung der jemals an einer Börse in sehr kurzer Zeit beobachtet wurde. Der Dow-Jones-Industrial-Average-Index (DJIA) verlor in wenigen Minuten knapp 1000 Punkte. Der S&P 500 sank in sechs Minuten um nahezu sechs Prozent. Innerhalb von zehn Minuten wurden am Dow-Jones ca. 1,3 Milliarden Aktien gehandelt, ein Vielfaches des durchschnittlichen Volumens. Einige Aktien verloren bis zu 99 Prozent ihres Wertes. Fast ebenso schnell, wie die Aktien an Wert verloren, so erholten sie sich blitzartig in den folgenden Minuten wieder. Am Handelsschluss betrug der Verlust des DJIA im Vergleich zum Vortag „nur“ noch drei Prozent.
Dies war ein völlig überraschender Schock für die Aktienmärkte und die Finanzaufsichten. Wie konnte es zu solchen Kurssprüngen kommen? Zunächst wurde von einem „Fat-Finger“-Trade ausgegangen, bei dem sich ein Börsenhändler beim Verkauf einer Aktienposition um mehrere Nullstellen vertippt haben soll. Schnell wurde den meisten bewusst, dass die Ursache der Geschehnisse nicht so einfach sein kann. Am 30. September 2010 veröffentlichen die US- Aufsichtsbehörden einen offiziellen Abschlussbericht, der den Kurseinbruch untersuchte. Vielmehr war der Crash eine Folge der strukturellen Veränderungen der Börse.
Vor diesem Hintergrund widmet sich die vorliegende Bachelorarbeit einer umfassenden Analyse des Flash Crashs. Zu diesem Zweck wird zunächst der generelle Hintergrund der Aktienmärkte beleuchtet, um einen Einblick in die Prozesse und Mechanismen der Börse zu bekommen. Weiter wird gezeigt welchen Einfluss die Entwicklung der Informations- und Kommunikationssysteme auf die Börse hat.
Anschließend wird der Flash Crash genauer beschrieben und analysiert. Zunächst erfolgt anhand des offiziellen Abschlussberichts der CFTC/SEC eine exakte Betrachtung des Ablaufs. Nachfolgend werden die Konsequenzen und die durchgeführten Veränderungen der SEC auf die Geschehnisse genannt. Darauf folgend werden mögliche Ursachen ermittelt.
Abschließend wird im Rahmen einer kritischen Evaluierung des Flash Crash vom 6. Mai 2010 die Notwendigkeit bzw. werden die verschiedenen Möglichkeiten zur Vermeidung erneuter Flash Crash diskutiert. Hieraus werden Implikationen zur
Verbesserung des Aktienhandels und der gängigen Systeme abgeleitet. Des Weiteren wird zur Analyse des Flash Crash das Augenmerk auf algorithmische Handelssysteme gelegt, um deren möglichen signifikanten Einfluss auf den extremen Kurssprung zu untersuchen.
2 Börsenhandel
2.1 Transaktionsprozess der Börse
Der Transaktionsprozess der Börsen ist zur Erfüllung seiner Ziele und Funktionen in mehrere sich ständig wiederholende synchrone und asynchrone Subprozesse gegliedert.1 Beginnend mit der Entgegennahme der Transaktionswünsche der am Markt beteiligten Parteien und der Auswahl der Instrumente werden die Orders auf Validität überprüft und gemäß Preisbildungsalgorithmen und Ausführungsregeln („Matching“) zusammengeführt.2 Aus dem Orderbuch werden endogene Marktinformationen (aktuelle Kurse, Marktvolumen) für die aktuelle Orderlage abgeleitet. Nachgelagert erfolgt der Subprozess des Clearing und Settlements.3
2.1.1. Marktteilnehmer und Produkte
Sowohl Marktteilnehmer als auch Produkte lassen sich nach verschiedenen Abstraktionsebenen differenzieren.4
Im Hinblick auf den Flash Crash lassen sich die Marktteilnehmer in folgende Gruppen systematisieren:5
- High-Frequency-Trader (HFT)6 sind definiert als Market Maker mit einem sehr großen täglichen Handelsvolumen. Trotz des großen Handelsvolumens haben HFT keine großen Aktienpositionen langfristig in ihrem Besitz, da die Anlagestrategie tendenziell kurzfristigen Trades vorsieht.7
- Fundamental Traders: Je nachdem ob die „net-position“ am Ende des Handelstages positiv oder negativ ist kann eine weitere Differenzierung in Fundamental Buyers (Käufer) und Sellers (Verkäufer) getätigt werden. Fundamental Traders haben i.d.R. einen langen Anlagehorizont.8
- Intermediäre sind Market Maker die eine große Anzahl von Kontrakten kaufen und verkaufen, jedoch ähnlich den HFT nur vergleichsweise geringe Mengen längerfristig halten.
- Opportunistic Traders können dem Handelsverhalten nach keiner der anderen vier Gruppen eindeutig zugeordnet werden. Die Händler können auf dem Markt, abhängig von vielen strategischen Faktoren, sowohl wie Intermediäre als auch wie Fundamental Trader agieren.
- Noise-Trader sind Händler die täglich weniger als zehn Kontrakte handeln. Ebenso wie Marktteilnehmer in verschiedene Kategorien differenziert werden können geschieht dies auch bei den Finanzinstrumenten. Hinsichtlich des Flash Crashs sind folgende relevant:
- Aktien
- Das S&P 500 E-Mini Future Derivat wurde 1997 von der Chicago Mercantile Exchange (CME) vorgestellt und wird exklusiv auf deren elektronischer Plattform gehandelt.9 Der Nominalwert eines E-Mini Kontraktes beträgt $50 mal den S&P 500 Aktienindex. Der Wert des S&P 500 reflek- tiert die Kursentwicklungen der 500 größten amerikanischen börsennotierten Unternehmen.10
- Exchange Traded Fonds (ETF) sind passiv gemanagte Indexfonds. Anders als Investmentfonds können diese wie normale Aktien kontinuierlich an der Börse gehandelt werden.11 Der Wert wird fortlaufend an der Börse ermittelt.12 Generell kann davon ausgegangen werden, dass die Wertentwicklung des ETFs analog zu der Entwicklungen des Indices verläuft. Im Hinblick auf den Abschlussbericht der CFTC/SEC zum Flash Crash wird besonders auf den SPY - SPDR S&P 500 ETF, der neben dem E-Mini zu den aktivsten Index-Derivaten gehört, eingegangen. Der Preis des SPY ETFs liegt annähernd bei einem Zehntel des S&P 500 Indexwertes.13
2.1.2. Orders
Der Transaktionsprozess beginnt mit der Übermittlung der Ordereingabe an den Marktplatz. Diese signalisieren dem Markt Angebot und Nachfrage der am Markt beteiligten Akteure. Durch den Einsatz interaktiver Kommunikationssysteme im Wertpapierhandel werden die Wünsche der Marktteilnehmer schnell ins System zum Orderbuch hinzugefügt.14 Im Oderbuch werden Kauf- und Verkaufsaufträge gesammelt. Überwiegend handelt es sich an den heutigen Börsen um elektronische Orderbücher die offen für alle Handelsteilnehmer einsehbar sind.
An den Börsen besteht eine Vielzahl von Ordertypen. Im Allgemeinen kann zwischen Orders und Quotes unterschieden werden.15 Orders stellen Kauf- und Verkaufsangebote von Anlegern, Investoren und Intermediären dar. Quotes hingegen sind Kauf- und Verkaufsangebote von speziellen Marktakteuren, wie z.B. Market Makern.16
Ferner können Orders mit einer Reihe von Attributen differenziert werden. Diese können sich auf das Ausführungsdatum, Volumen, Laufzeit, Preis oder andere Determinanten beziehen.17
Im Hinblick auf den Preis kann zwischen Market Orders und Limit Orders unterschieden werden. Market Orders haben beim Kauf oder Verkauf keine spezifische Preisvorgabe. Die Transaktion erfolgt zum besten verfügbaren Preis, der allerdings nicht vorhersehbar ist.18 Im Gegensatz dazu besitzen Limit-Orders bestimmte Kursgrenzen (Mindest- bzw. Höchstpreis) zu denen der Kauf- oder Verkauf erfolgen soll.19
2.1.3 Preisbildung und Matching
Bei der Preisbildung an den Wertpapierbörsen kann zwischen „Quoten Driven Markets“ und „Order Driven Markets“ unterschieden werden.20
Auf einem „Quote-Driven Market“21 existieren Market Maker, welche verbindliche Geld- und Briefkurse stellen.22 Market Maker sind somit bereit Wertpapiere zu vorher festgelegten Kursen zu kaufen (Geldkurs) oder zu verkaufen (Briefkurs). Die Differenz zwischen den beiden Kursen wird als Spread bezeichnet. Zur Preisermittlung kann der Market Maker öffentliche Informationen oder die Auftragslage in den Orderbüchern heranziehen um darauf folgend durch die gestellten An- und Verkaufskurse den größtmöglichen Umsatz zu erzielen.23
Ein „Order Driven Market“24 funktioniert ohne zusätzliche Intermediäre wie Market Maker sondern folgen dem Auktionsprinzip. Die Kauf- und Verkaufsangebote werden hier von allen Handelsteilnehmern gestellt, wonach unter zueinander kor- respondierende Orders das Matching erfolgt, d.h. für jede offene Position eine Gegenpartei gesucht wird.25
„Quote Driven Markets“ weisen demnach eine höhere Liquidität als Konsequenz auf das bestehen von Market Makern auf, da immer eine Partei besteht welche die Gegenposition eingeht. Im Gegensatz dazu haben „Order Driven Markets“ wegen dem direkten „Matching“ geringere Transaktionskosten und bieten eine größere Transparenz.26
Darüber hinaus kommt es an Märkten wie z.B. der NYSE zu hybriden Formen der voran erwähnten Strukturen. Primär ist die NYSE ein O-D-Market auf der eingehenden Orders zunächst untereinander27 versucht werden zu „matchen“.28 Falls es aufgrund von speziellen Attributen oder Spezifikationen zu keiner Orderausführung kommt, können Market Maker die Gegenposition eingehen.
2.2 Der Wandel zur elektronischen Plattform
Der traditionelle Aktienhandel ist seit geraumer Zeit großen strukturellen Veränderungen unterworfen. Der Präsenz- oder Parketthandel an dem sich zugelassene Marktteilnehmer zu fixierten Zeiten im Handelssaal treffen, um Börsengeschäfte zu tätigen, ist in der Gegenwart immer weniger anzutreffen.29 Heute steht die Frage der Computerisierung des Handels im Vordergrund. Im Hinblick darauf trifft man an allen bedeutenden Finanzplätzen der Welt auf vernetzte, computerbasierte Handelsplattformen.30 Folglich lässt sich eine stetige Abkehr vom Parketthandel zu vollelektronische Börsen beobachten. Diese bieten häufig eine große Anzahl an Nebenleistungen (siehe Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Marktstruktur elektronische Märkte (In Anlehnung an Das (2006): S.1364)
2.2.1 Computerisierung des Wertpapierhandels
Die Computerisierung des Wertpapierhandels kann in unterschiedliche Stufen gegliedert werden. Beginnend mit der reinen EDV-Unterstützung von Präsenzbörsen, bis hin zu vollelektronischen Computerbörsen an denen der Handel vollständig durch Computersysteme abgewickelt wird und die manuelle Tätigkeit sich nur noch auf die Eingabe der offenen Position bezieht.31 Computerbörsen stellen homogene Systeme aus Rechnern und Netzwerken dar, die mittels Software:
- Die Regeln das Marktes abbilden und für deren Einhaltung sorgen;
- alle Subprozesse der Börsen implementieren (Orderverwaltung, Preisbildung, Matching-Verfahren, Informationsverteilungsmechanismen, Handels- und Marktüberwachung) und Clearing- und Settlementprozesse integrieren;
- eine geeignete technische Architektur verwendet um die Prozesse, Subprozesse und Funktionalitäten darzustellen32
Die Vorteile der Computerisierung gegenüber dem Parketthandel sind vielfältig. Grundlegend müssen Marktteilnehmer nicht mehr persönlich anwesend sein. Orders können weltweit durch Computer erteilt werden. Dies führt u.a. zu einer Flexibilität und Kostenersparnis für die Handelsteilnehemer. Die Ortsungebundenheit der Börsen erweitert nicht nur den Kreis der Markteilnehmer und folglich das Handelsvolumen, sondern erhöht auch Serviceleistungen für den Kunden.33 Elektronische Handelssysteme steigern den Wettbewerb, durch den Wegfall von Mitgliederbeschränkungen und ermöglichen eine rasche und effiziente Preisbildung bei Kurs- und Volumentransparenz.34
Die Computerisierung der Wertpapiermärkte kann auch zu neune Gefahren führen. Durch den möglichen Programmhandel an den Computerbörsen kann es zu einer Destabilisierung der Märkte und Anstieg von Volatilität kommen, was insbesondere im Verlauf des „Flash Crash“ festzustellen war. Eine steigende Technologieabhängigkeit kann den Markt anfälliger für Funktionsstörrungen machen. Ferner konnte schon damals beobachtet werden, dass eine gleichzeitige Verfügbarkeit von Informationen zu einseitigem Verhalten der Marktteilnehmer und extreme Schwankungen auf den Finanzmärkten führen kann.35
2.2.2 ATS
Alternative Handelssysteme stellen Unternehmen dar, die nicht als Börse zugelassen sind, aber ein System betreiben, dass Kauf- und Verkaufsinteresse zusammenbringt.36 37 Träger der ATS können Groß- und Investmentbanken oder Maklergesellschaften sein.
Seit der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID können Aktien auch in Europa über alternative Plattformen und nicht wie davor nur über staatlich beaufsichtige Börsen gehandelt werden.38 Der Gegenpart zur MiFID in Europa ist RegNMS in den USA.39 Im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten haben diese sich als ernsthafte Konkurrenz zu etablierten Börsen herausgebildet.40 Bedingt durch den technischen Fortschritt haben sie eine schnellere Handelstechnik, größere Marktreichweite und sind i.d.R. kostengünstiger.41 Das führt u.a. dazu, dass sich etablierte Börsensysteme wegen der zu beobachtenden Entwicklung in turbulenten Zeiten bewegen. Neue Wettbewerber aus den aufstrebenden Schwellenländern, besonders aus Asien, stellen diese vor neue Herausforderungen.42
2.3 Liquidität
Ein Primärkriterium zur Einschätzung der Qualität von Märkten ist die Liquidität. Prinzipiell lässt sich ein Markt im börslichen Sinne als liquide bezeichnen, wenn Teilnehmer ihre Wertpapiere in großen und kleinen Mengen, schnell zu niedrigen oder gar keinen Transaktionskosten kaufen oder verkaufen können, ohne dabei den Kurs beachtlich zu beeinflussen.43 Abgeleitet von dieser Definition ist Liquidität an drei Faktoren gebunden: Irrelevanz der Ordergröße, Ausführung ohne zeitliche Verzögerung und Preisstabilität.44
Grundlegend kann Liquidität in vier Dimensionen gegliedert werden:45
- Markttiefe („depth“)
- Marktbreite („breadth“)
- Unmittelbarkeit („immediacy“)
- Erholungsfähigkeit („resiliency“)
Die Markttiefe gibt die Anzahl der nicht ausgeführte Kauf- und Verkaufsaufträge im Orderbuch an, die nahe46 dem aktuellen Kurs gehandelt werden können.47 Ein tiefer Markt verringert die Marktvolatilität, da mögliche auftretende Ungleichgewichte von Kauf- und Verkaufsaufträgen vom den im Markt vorhandenen Aufträgen geglättet werden können.48
[...]
1 Vgl. Stoll (1991): S. 7
2 Vgl. Schenk (1997): S.17
3 Das Clearing und Settlement umfasst hier die drei Aufgabenbereiche der Wertpapieraufbewah
rung, der Eigentumsübertragung (Settlement) und der Verrechnung von Wertpapieren (Clearing). Vgl. Lattemann/ Neumann (2002): S.3
4 In der Literatur gibt es viele unterschiedliche Ansätze die Parteien am Markt zu differenzieren. Vgl. dazu Schierenbeck/Hölscher (1998): S.9-20, die sehr detailliert die Struktur bzw. den Aufbau des gesamten Finanzsektors und dessen Marktteilnehmer analysieren.
5 Die Systematisierung erfolgt nicht nach Registrierungspflichten sondern ist vielmehr eine Klassi fikation nach Handelsvolumen und Zeithorizont. Vgl. CFTC/SEC (2010): S.13, S.29; Kirilenko (2011): S.11ff.
6 siehe Kapitel 4.2
7 für Weitere Erläuterungen zu Market Maker siehe Kapitel 2.1.3
8 Vgl. Powers (2000): S.56
9 Bei der CME handelt es sich generell um eine der größten Börsen weltweit. Gehandelt werden vor allem Futures und Optionen. Vgl. Spence (1997) S.25f.
10 Für vertiefende Informationen zum E-Mini Derivat siehe CME Rulebook: Kapitel 358.
11 Vgl. Bohl (2006): S.337
12 Vgl. Picard (2010): S.6
13 CFTC/SEC (2010): S.10
14 Vgl. Gerke/Aignesberger (1986): S. 9; Gerke/Aignesberger (1987): S.209
15 Vgl. Barucci (2003): S. 309f.
16 siehe zur Definition von Market Makern Kapitel 2.1.3
17 Vgl. Eller (2002): S.66ff.
18 Vgl. Michalky (2008) :S.78
19 Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Limit-Orders. Vgl. Eck (2006) S.109f.; Schwager (1995): S. 40ff.
20 aus Oxford Dictianories: die Angleichung.
21 Quote-Driven Märkte sind z.B. die NASDAQ und das SEAQ der LSE. Vgl. Madhavan (2000): S. 205
22 Vgl. Löhndorf/Naumann: S.258
23 Vgl. Roth (2005): S.98
24 Order Driven Märkte sind z.B. die TOREX Toronto, CORES Tokyo und SWX Schweiz. Vgl. Handa/Schwartz/Tiwari (1998): S. 48
25 Vgl. Schmude/Leiner (2002): S. 214
26 Vgl. World Bank Policy Research Report (1997): S. 380
27 Die Aufträge werden elektronisch an einen NYSE „Specialist“ (In den USA werden häufig Market Maker auch als Specialist bezeichnet) geleitet. Der Spezialist kann die Aufträge aus seinem Auftragsbuch, aus der Crowd oder aus seinem Eigenbestand matchen. Vgl. Dalton (1988): S.70
28 Vgl. Fabozzi (2009): Chap. 2
29 Vgl. Gerke (1993): S. 726
30 Vgl. Gondring (1988): S.216
31 Vgl. Schäfer (1994) S.134f.
32 vgl. Stoll (1997): S.89f.; Gomber (2000): S.26f.
33 Vgl. Theissen (1998): S.173
34 Vgl. Studer (1991): S.3
35 Vgl. Caytas (1992): S.74, der insbesondere auf den Börsencrash vom Oktober 1987 eingeht und diesen dem Computer Trading zuschreibt.
36 ATS für Alternative-Trading Systems wird als Terminus für eine Bandbreite verschiedener Systeme verwendet. Für eine umfassende Auflistung und Erläuterung siehe Hagemann (2005): S.89ff.;
37 Vgl. FESCO/CESR (2000): S.6
38 Die MiFID-Richtliene ist zum 1. November 2007 in Kraft getreten. Zweck ist der Anlegerschutz und verbesserte Transparenz der Finanzmärkte. Vgl. Richtlinie 2004/39/EG (2004)
39 Das RegNMS ist eine Richtlinie der SEC aus dem Jahre 2005. Vgl. SEC Release Nr. 34-51808
40 Vgl. Hagemann (2005): S.93
41 Vgl. Merkt (2003): S. 217
42 Vgl. CFT (2009): S.77
43 Vgl. Wyss (2004): S.6; Oesterhelweg/Schiereck (1993): S.390f.
44 Vgl. Averdink-Bolwin (1998): S.81
45 Nach einer verbreiteten Abgrenzung kann Liquidität in dieser Weise dargestellt werden (Multi
Dimensionales Konzept). Jedoch kann es sowohl von der Anzahl (3-4) als auch von der begrifflichen Terminologie in der Literatur zu Differenzen kommen. U.a. dadurch bedingt das prinzipiell keine einheitliche und offizielle Definition von Liquidität existiert. Vgl. Black (1971): S.28f.; Harris (1990): S.3; Hasbrouck/Schwartz (1988): S.10; Gomber (2000): S.13; Roll (1988): S.1127
46 „Nahe“ im Sinne der Marktiefe bedeutet, dass genügend Kauf- und Verkaufsinteresse über und
unter dem aktuellen Kurs besteht. Vgl. Sarr (2002): S. 5
47 Vgl. Bernstein (1987): S. 55
48 Eine geringere Marktvolatilität führt zu stabileren Wertpapierkursen.Vgl. Sarr (2002): S.5