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Arbeitsrecht der Volksrepublik China

©2010 Bachelorarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Vor dem 01. Oktober 1949 galt China als Kaiserreich, in dem das Rechtswesen ein Teil
der Exekutive (Verwaltung) darstellte. Die Verwaltung sorgte dafür, dass das Staatswesen
reibungslos funktionierte und hatte Fehlverhalten zu sanktionieren. Dabei waren Rechte
des Einzelnen gegenüber dem Staat nicht vorgesehen.
Im Laufe des letzen Jahrhunderts hat das Rechtswesen in China eine sehr bewegte
Entwicklung durchlebt.
Zwischen den Jahren 1929 und 1935 wurden die ‚6 Kodices’, nämlich Zivilgesetzbuch,
Strafgesetzbuch, Straf- und Zivilprozessgesetzte und handels- und verwaltungsrechtliche
Einzelgesetze geschaffen, aber aufgrund von (Bürger-) Krieg konnten die Kodices nicht in
die Rechtspraxis umgesetzt werden.
Im Jahre 1949 wurde die Volksrepublik China gegründet und die Kommunisten ergriffen
die Macht. Alle bis dahin existierenden Gesetze wurden außer Kraft gesetzt.
Mit dem Beginn der Reformära ab 1978 wurde mit Nachdruck am Aufbau eines
Rechtswesens gearbeitet, da an einen wirtschaftlichen Aufbau nicht zu denken war,
solange die Funktionäre und Behörden aufgrund fehlender Gesetze nach eigener Willkür
entscheiden konnten.
Da es zu Beginn der Reformära kaum Juristen gab, legten die Chinesen beim Aufbau des
Gesetzwesens großen Wert auf die Unterstützung europäischer und amerikanischer
Institutionen. Von deutscher Seite aus waren zum Beispiel die Max-Planck-Gesellschaft,
die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die Konrad-Adenauer-Stiftung und die
Friedrich-Ebert-Stiftung Partner der Chinesen. Als Ergebnis ähneln wesentliche Teile des
Rechts Chinas dem deutschen Recht.
Nachdem man seit dem Jahr 1949 mehr als zweitausend Verordnungen bzgl.
arbeitsrechtlicher Fragen erlassen hatte, trat im Jahre 1995 auch endlich ein
Arbeitsgesetz der VRC in Kraft. In ihm wurde eine Vielzahl von unterschiedlichen
Rechtslagen vereinheitlicht.
Beim Arbeitsgesetz handelt es sich um ein Rahmengesetz, das die bereits oben
erwähnten Verordnungen nicht ersetzt. Lediglich die Bestimmungen, die dem
Arbeitsgesetz widersprechen, werden hier außer Kraft gesetzt.
Da das Arbeitsrecht des bevölkerungsreichsten Landes der Erde bislang kaum
Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist, möchte ich mit dieser Arbeit
versuchen, einen Überblick über das bisher oft novellierte Rechtsgebiet zu geben.[...]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einführung und Historie

2. Die Rollenverteilung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der chinesischen Arbeitswelt

3. Wichtige Rechtsquellen

4. Einteilung des Arbeitsrechts
4.1 Individualarbeitsrecht
4.1.1 Vertragsarten
4.1.2 Erfordernisse für die Anwendung von Individualarbeitsrecht
4.2 Kollektivarbeitsrecht
4.2.1 Kollektivarbeitsverträge

5. Änderungen im Arbeitsrecht
5.1 Alte Gesetzeslage
5.2 Novellierung Das aktuelle Arbeitsrecht der Volksrepublik China

6. Arbeitsgesetz

7. Arbeitsvertragsgesetz
7.1 Entstehung, Struktur und Intention des Arbeitsvertragsgesetzes
7.2 Arbeitsverträge
7.2.1 Mehrere Arbeitsverhältnisse
7.2.2 Verbot von Kettenarbeitsverträgen
7.2.3 Mündliche Arbeitsverträge
7.2.4 Mindestinhalt nach § 19 des Arbeitsgesetzes und nach Artikel 17 des Arbeitsvertragsgesetzes
7.3 Arbeitszeit
7.3.1 Probezeit
7.3.2 Überstunden
7.3.3 Teilzeitarbeit
7.4 Arbeitsentgelt
7.4.1 Mindestlohn
7.4.2 Lohnnebenkosten
7.4.3 Lohnentwicklung
7.5 Kündigung von Arbeitsverhältnissen
7.5.1 Kündigung durch den Arbeitnehmer
7.5.2 Kündigung durch den Arbeitgeber
7.5.3 Massenentlassungen
7.5.4 Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
7.5.5 Zahlung von Abfindungen
7.6 Urlaub und Feiertage
7.7 Regelungen im Krankheitsfall und bei Schwangerschaft (Ein Vergleich zwischen Taiwan und Hongkong)
7.8 Konkurrenzklauseln
7.9 Ausbildungsvereinbarungen

8. Arbeitskonfliktgesetz
8.1 Konfliktursachen und Streitpunkte
8.2 Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten
8.3 Schiedsverfahren bei Arbeitsstreitigkeiten
8.4 Klage vor einem Volksgericht

9. Sozialversicherungsrecht
9.1 Arbeitslosenversicherung
9.2 Berufsunfallversicherung
9.3 Krankenversicherung
9.4 Mutterschaftsversicherung
9.5 Rentenversicherung

10. Das novellierte Gewerkschaftsgesetz vom 27. Oktober 2001

11. Chinesisches Arbeitsrecht und ausländische Unternehmen
11.1 Unternehmen mit ausländischem Kapital
11.2 Unternehmen mit ausschließlich ausländischem Kapital (WFOE)
11.3 Chinesisch-Ausländische Joint Venture (FIE)

12. Besteht die Möglichkeit einer freien Rechtswahl für deutsche Arbeitnehmer in China?

13. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1 Konfliktursachen (Fälle von Schiedskommissionen und Inspektionsorganen), 2005 Quelle: Schucher, 2008, S. 81 (B)

Abbildung 2 Volksrepublik China - Gewerkschaftliche Organisationsstruktur Quelle: Heuer, 2008, S. 12

Tabelle 1 Zahl der versicherten Personen aus dem Jahr 2001 Quelle: Darimont, 2003, S. 1102 (C)

1. Einleitung und Historie

Vor dem 01. Oktober 1949 galt China als Kaiserreich, in dem das Rechtswesen ein Teil der Exekutive (Verwaltung) darstellte. Die Verwaltung sorgte dafür, dass das Staatswesen reibungslos funktionierte und hatte Fehlverhalten zu sanktionieren. Dabei waren Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat nicht vorgesehen.

Im Laufe des letzen Jahrhunderts hat das Rechtswesen in China eine sehr bewegte Entwicklung durchlebt.

Zwischen den Jahren 1929 und 1935 wurden die ‚6 Kodices’, nämlich Zivilgesetzbuch, Strafgesetzbuch, Straf- und Zivilprozessgesetzte und handels- und verwaltungsrechtliche Einzelgesetze geschaffen, aber aufgrund von (Bürger-) Krieg konnten die Kodices nicht in die Rechtspraxis umgesetzt werden.

Im Jahre 1949 wurde die Volksrepublik China gegründet und die Kommunisten ergriffen die Macht. Alle bis dahin existierenden Gesetze wurden außer Kraft gesetzt. Mit dem Beginn der Reformära ab 1978 wurde mit Nachdruck am Aufbau eines Rechtswesens gearbeitet, da an einen wirtschaftlichen Aufbau nicht zu denken war, solange die Funktionäre und Behörden aufgrund fehlender Gesetze nach eigener Willkür entscheiden konnten.

Da es zu Beginn der Reformära kaum Juristen gab, legten die Chinesen beim Aufbau des Gesetzwesens großen Wert auf die Unterstützung europäischer und amerikanischer Institutionen. Von deutscher Seite aus waren zum Beispiel die Max-Planck-Gesellschaft, die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung1 Partner der Chinesen. Als Ergebnis ähneln wesentliche Teile des Rechts Chinas dem deutschen Recht.

Nachdem man seit dem Jahr 1949 mehr als zweitausend Verordnungen bzgl. arbeitsrechtlicher Fragen erlassen hatte, trat im Jahre 1995 auch endlich ein Arbeitsgesetz der VRC in Kraft. In ihm wurde eine Vielzahl von unterschiedlichen Rechtslagen vereinheitlicht.

Beim Arbeitsgesetz handelt es sich um ein Rahmengesetz, das die bereits oben erwähnten Verordnungen nicht ersetzt. Lediglich die Bestimmungen, die dem Arbeitsgesetz widersprechen, werden hier außer Kraft gesetzt.

Da das Arbeitsrecht des bevölkerungsreichsten Landes der Erde bislang kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist, möchte ich mit dieser Arbeit versuchen, einen Überblick über das bisher oft novellierte Rechtsgebiet zu geben.

2. Die Rollenverteilung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der chinesischen Arbeitswelt

In der Volksrepublik China werden Arbeitnehmer ganz anders ausgebildet und erzogen, als wir es aus Deutschland kennen. Es werden konfuzianische Werte, wie Kindesgehorsam, die Anerkennung der elterlichen Autorität, Verpflichtung und Verantwortung gegenüber der Gruppe gelehrt und verinnerlicht.2 Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer oft schon als Kinder in sozialen Organisations- und Wohneinheiten getrennt voneinander behütet, unterwiesen und überwacht wurden.

Diese Ansichten und Werte werden auch in der späteren Arbeitswelt weiter gelebt. Da chinesische Gesellschaften sehr hierarchisch aufgebaut sind, „wird oben und unten, Macht und Machtlosigkeit“3 jeden Tag verdeutlicht. Somit ist es nicht verwunderlich, dass chinesische AN recht unselbständig sind, ihre Meinungen und Vorschläge eher weniger in eine Unternehmung einbringen möchten.

Der chinesische Arbeitnehmer erwartet „klare hierarchische Strukturen, klare Zuständigkeiten und Aufgabengebiete, Anweisungen und Überwachungen“4 und ein Widerwort gegenüber dem Chef ist nicht erwünscht.

Im Gegensatz dazu wünscht sich der AN von seinem Vorgesetzten eine gewisse Fürsorge. Fragen zum Familienleben und geldliche Zuwendungen sind durchaus gewünscht. Zudem hat die Führungskraft immer ein offenes Ohr für die Probleme seines Angestellten und dessen Familie. Gemeinsame Unternehmungen und Abendessen werden als notwendig angesehen, um die Firmenfamilie zu pflegen und den Zusammenhalt zu stärken.

Die Chinesen möchten, dass Interesse an ihnen gezeigt wird, was deutsche Arbeitnehmer oft eher als Eingriff in die Privatsphäre deuten würden.5 Durch das verinnerlichte Wertesystem der chinesischen Arbeitnehmer wird das Unternehmen, in dem sie tätig sind, eher als große Familie angesehen. Diese Einstellung gegenüber dem Arbeitgeber könnte eventuell eine Erklärung dafür bieten, warum sich das Arbeitsgesetz erst recht spät in der VR China entwickelt hat.

3. Wichtige Rechtsquellen

Das Arbeitsrecht der Volksrepublik China setzt sich aus verschiedenen Rechtsquellen zusammen:

- Arbeitsvertragsgesetz (am 01.01.2008 in Kraft getreten)
- Arbeitsgesetz (am 01.01.1995 in Kraft getreten)
- Gewerkschaftsgesetz (am 03.04.1992 in Kraft getreten, 2001 novelliert)
- Arbeitskonfliktgesetz (am 01.05.2008 in Kraft getreten)
- Beschäftigungsförderungsgesetz (am 01.05.2008 in Kraft getreten)

Hinzu kommen Regeln vom obersten Gerichtshof, Ansichten des Arbeitsministeriums und Bestimmungen zum Kollektivvertrag, sowie sonstige ministeriale und lokale Verordnungen bzgl. einzelner Fragen im Arbeitsrecht.

Ergänzend lässt sich sagen, dass die Rechtsquellen für das Arbeitsrecht oft noch mit Sonderregelungen zu unterschiedlichen Themen wie Strafen, Kollektivverträge und Gehaltszahlungen, durchzogen sind.6

4. Einteilung des Arbeitsrechts

Auch im chinesischen Arbeitsrecht erfolgt wie im deutschen Arbeitsrecht eine Einteilung in Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Diese Einteilung entstand in den Jahren 1949 - 1957. In diesem Zeitraum galten „alle Personen als Angestellte und Arbeiter, die im staatlichen, im staatlich-privaten und privaten Sektor als Lohnarbeiter beschäftigt waren.“7 Unter dieses Recht der Angestellten und Arbeiter fielen allerdings nicht die kollektiv organisierten Bauern, Selbständigen oder Eigentümer von privaten Betrieben. Somit hatte eine neue Einteilung des Arbeitsrechts zu erfolgen.

4.1 Individualarbeitsrecht

Im Individualarbeitsrecht (IAR) ist auf verschiedene Besonderheiten zu achten, z. B. haben beim Vertragsabschluss alle beteiligten Vertragsparteien Aufklärungspflichten. Des Weiteren besteht das Verbot der Sicherheitsleistung durch den Arbeitnehmer und die Gewährleistung des Datenschutzes. Eine Diskriminierung auf Grund einer ethnischen Volksgruppe, der Rasse, des Geschlechts, der Religion und des Glaubens ist im chinesischen AR untersagt. Letztendlich kann eine Vertragsänderung nur durch Vereinbarungen (in Schriftform) erfolgen.

4.1.1 Vertragsarten

Es ergeben sich aus dem Individualarbeitsrecht folgende Vertragsarten:

- Unbefristeter Arbeitsvertrag
- Zweckbefristeter Arbeitsvertrag
- Teilzeitbeschäftigung
- Arbeitnehmerüberlassung
- Befristeter Arbeitsvertrag

4.1.2 Erfordernisse für die Anwendung von Individualarbeitsrecht

Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit das IAR zur Anwendung kommt. Haupterfordernis ist dabei die Arbeitsfähigkeit, die durch Vollendung des 16. Lebensjahrs erlangt wird. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag muss innerhalb von einem Monat nach der Arbeitsaufnahme vorliegen, aus dem sich der Inhalt nach § 19 ArbVG ergibt.8 Mit dem Beginn der Beschäftigung hat der Arbeitgeber 30 Tage Zeit, bei der zuständigen Behörde eine Beschäftigungsregistrierung zu veranlassen und eine Mitarbeiterliste zu erstellen.

4.2 Kollektivarbeitsrecht

Das Kollektivarbeitsrecht ermöglicht den chinesischen Arbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht. Sie erlangen eine Mitsprache in betrieblichen Regelungen und wichtigen Angelegenheiten. Durch kollektive Diskussionen ist es den AN möglich, auch ihre Vorschläge und Ansichten den Arbeitgebern zu unterbreiten.

Deshalb werden in einigen chinesischen Unternehmen alternativ oder ergänzend zu den Individualarbeitsverträgen auch Kollektivarbeitsverträge (KAV) geschlossen.

4.2.1 Kollektivarbeitsverträge

In der Praxis nehmen die Kollektivarbeitsverträge oft nur Bestimmungen der individuellen Arbeitsverträge auf. Dadurch wird zwar den neu verpflichteten chinesischen AN die Sicherheit verschafft, dass auch sie unter gleichen Bedingungen (z. B. bzgl. der Lohnhöhe oder der Urlaubstage) beschäftigt werden, aber in der Praxis kommt den Kollektivverträgen kaum Beachtung zu. Die Mehrheit spricht sogar davon, dass „sie lediglich ein betriebliches Bekenntnis zur Anerkennung gesetzlicher Vorschriften“9 seien. Im Gegensatz dazu wurde gefordert, dass auch Kollektivarbeitsverträge im Arbeitsvertragsgesetz geregelt werden sollten. Dieser Forderung wurde bei der Novellierung im Jahre 2007 nachgegangen. Dem KAV wurde ein eigener Bereich im Kapitel 5 ‚Besondere Vorschriften’, Artikel 51ff AVG, gewidmet. Dort sind u. a. folgende Regelungen für Kollektivverträge enthalten:

- Arbeitnehmervertretung ist für Verhandlungen über KAV zuständig
- Der Entwurf muss von Arbeitnehmervollversammlung gebilligt werden
- Vertrag wird von Gewerkschaftsvertretung und Arbeitgeber (AG) unterzeichnet10
- Vertrag ist den zuständigen Behörden für Arbeit zuzusenden und tritt in Kraft, wenn diese nicht innerhalb von 15 Tagen Einwände erheben11
- Die im KV festgelegten Gehaltshöhen dürfen den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten12

Zusammenfassend lässt sich also bemerken, dass besonders im Bezug auf die Verbreitung der Anwendung von Kollektivarbeitsverträgen noch einiges in China getan werden muss. Auch im Individualarbeitsrecht sollten noch wichtige Fragen abgeklärt werden, z B. die Definition des Arbeitnehmers und des Arbeitsverhältnisses, Lücken durch Teilzeitbeschäftigung, Konsequenzen der Diskriminierung, Streikrecht.13

5. Änderungen im Arbeitsrecht

Im Jahre 1994 wurde das chinesische Arbeitsgesetz (labour law) verabschiedet. Dieses bildet zusammen mit dem neuen Arbeitsvertragsgesetz (am 01. Januar 2008 in Kraft getreten) den Kern des Arbeitsrechts der Volksrepublik China.

5.1 Alte Gesetzeslage

- Keine Vorschriften zu schriftlichen Arbeitsverträgen
- Befristete Arbeitsverträge können ständig wiederholt werden
- Keine Regelungen zu zeitlichen Begrenzungen von Probezeiten und deren Entlohnungen
- Kündigungen und Abfindungen sind unzureichend ausdiskutiert
- Unternehmen können ihre Mitarbeiter durch Wettbewerbsklauseln binden
- Unklarheiten bei der Entlohnung der Arbeitszeit
- Wenige Vereinbarungen zu Sozialleistungen

5.2 Novellierung

- Individuelle Arbeitsverträge sind spätestens vier Wochen nach Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses zwingend vorgeschrieben,14 ansonsten gelten die Kollektivverträge

- „Arbeitsverträge müssen Angaben enthalten, die eine eindeutige Identifikation des AG und des AN erlauben“15
- Ein befristeter Arbeitsvertrag darf max. zweimal zeitlich begrenzt werden
- Probezeit ist max. auf sechs Monate beschränkt und die Entlohnung darf nicht unter den Mindestlöhnen liegen
- Ein Wettbewerbsverbot darf max. für zwei Jahre erfolgen
- Einschränkung von Leiharbeit
- Stärkung der Rolle der Gewerkschaften
- Kündigungen bedürfen der Schriftform und können unter besonderen Bedingungen auch ausgeschlossen werden
- Bei ordentlichen und auch bei außerordentlichen Kündigungen sind Abfindungen zu zahlen

In meinen weiteren Ausführungen möchte ich nun detaillierter auf die einzelnen Gesetzesänderungen eingehen.

Das aktuelle Arbeitsrecht der Volksrepublik China

6. Arbeitsgesetz

Das Arbeitsgesetz schafft in der VRC eine einheitliche, gesetzliche Basis. Anzuwenden ist es auf alle Arbeitnehmer (AN), die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Eine Ausnahme bilden hierbei die Beamten, für sie gilt das Beamtengesetz (vom 27.04.2005). Das ArbG ermöglicht die freie Wahl des Arbeitsplatzes, somit sind die AN nicht mehr auf Arbeitsplatzzuweisung angewiesen. Auch die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern ist durch das Gesetz entfallen, es ist nur noch von Arbeitern die Rede. Die Arbeitsaufnahme der Arbeiter wird durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag festgehalten.16 Dieser Vertrag bedarf keiner behördlichen Zustimmung. Befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis ist möglich.17 AG und auch AN können 30 Tage im Voraus schriftlich kündigen.18 Es darf keine Kündigung bei Personen erfolgen, „die in Folge eines Arbeitsunfalls oder einer arbeitsbedingten Erkrankung arbeitsunfähig sind.“19

Bezüglich der Kündigung sind auch noch die §§ 29, 62 und 24 ArbG zu beachten, welche einen besonderen Schutz der AN darstellen. Im Punkt 7.5 werde ich noch ausführlicher auf die Kündigung eingehen.

Im Laufe der Zeit ergaben sich aus dem Arbeitsgesetz allerdings Probleme, z. B. wurden Probezeiten ganz nach dem Willen der AG festgesetzt, Arbeitsverträge wurden für immer kürzere Zeiträume geschlossen und den AN wurde keine soziale Absicherung geboten. Auf Grund dieser Verstöße gegen das Arbeitsgesetz entwickelte sich das Arbeitsvertragsgesetz.

7. Arbeitsvertragsgesetz

Am 29. Juni 2007 wurde das chinesische Arbeitsvertragsgesetz von dem ‚Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress’ verabschiedet. Das ArbVG dient der inhaltlichen Konkretisierung des Arbeitsgesetzes und trat am 01. Januar 2008 in Kraft. Es „umfasst 98 Paragraphen und ist damit umfangreicher als die ersten Gesetzesentwürfe.“20

7.1 Entstehung, Struktur und Intention des Arbeitsvertrags- gesetztes

Gesetzliche Vorschriften bzgl. der Arbeitsverträge gab es bislang nur im Arbeitsgesetz. Hier wurden im Kapitel 3 Abschluss, Inhalt und Aufhebung von Arbeitsverträgen geregelt. Das Besondere am Arbeitsgesetz war hierbei, „dass nach in Kraft treten des Gesetzes die Regelungen erstmals gleichermaßen einheitlich für alle Arbeitsverhältnisse in Unternehmen aller Eigentumsformen gelten sollten.“21 Doch leider wurden diese Regelungen nicht bei Bauernarbeitern und Arbeitsmigranten (aus ländlichen Gebieten) in Anwendung gebracht. Des Weiteren gibt es auch keine Erkenntnisse darüber, inwieweit sich ausländische Unternehmen an die Regeln des Arbeitsgesetzes halten.22

In Folge dessen wurden die Rufe nach einem ausführlichen Arbeitsvertragsgesetz immer lauter.

Im Jahr 2005 wurde ein Entwurf verabschiedet, den man im Anschluss 30 Tage zur öffentlichen Diskussion freigab. Eine „Einbindung der Bevölkerung in den Gesetzgebungsprozess war notwendig, weil man aufgrund der Erfahrung mit dem Arbeitsgesetz erkannt hatte, dass eine Umsetzung von Gesetzen in diesem Bereich ohne Mitwirkung“23 der Bevölkerung bzw. der AN undenkbar war. Mehr als 191.000 Vorschläge von Arbeitnehmern, ausländischen Unternehmen und Rechtsberatern gingen beim Gesetzgeber ein.

Nach gründlicher Prüfung (bei der auch Vorschläge der Bevölkerung berücksichtigt wurden) und der zweiten Lesung beschloss die Sitzung des ‚Ständigen Ausschusses des 10. Nationalen Volkskongresses’ am 29. Juni 2007 das Arbeitsvertragsgesetz. Es besteht aus acht Kapiteln, welche in insgesamt 98 Artikel unterteilt sind:

- Kapitel 1: Allgemeine Vorschriften
- Kapital 2: Abschluss von Arbeitsverträgen
- Kapitel 3: Erfüllung und Abänderung von Arbeitsverträgen
- Kapitel 4: Kündigung und Beendigung von Arbeitsverträgen
- Kapital 5: Besondere Vorschriften (Kollektivverträge, Personalvermittlung & Teilzeitarbeit)
- Kapitel 6: Kontrollüberwachung
- Kapitel 7: Rechtliche Verantwortlichkeit
- Kapitel 8: Ergänzende Vorschriften

Das neue ArbVG umfasst „alle Arbeitnehmer in allen Unternehmen und individualwirtschaftlichen Organisationen,“24 sowie die ländlichen Migranten und Bauernarbeiter.

Der Gesetzgeber hatte die Absicht, Grundlagen zur sozialen Absicherung und Regelungen für Arbeitsstreitigkeiten zu schaffen. Ergänzend wurde auch ein Eintritt in das Strafrecht ermöglicht, wenn z. B. eine Rechtswidrigkeit durch das Umgehen von Zahlungen seitens der Arbeitgeber durch deren Flucht oder die Verschleppung von Lohnzahlungen25 vorliegt.

Seit Einführung des Arbeitsvertragsgesetzes werden weit aus mehr schriftliche Arbeitsverträge in der Volksrepublik China geschlossen. Auch Verstöße gegen das Arbeitsgesetz werden durch die genaueren Ausführungen im ArbVG gemindert.

7.2 Arbeitsverträge

Artikel 16 des Arbeitsgesetzes der Volksrepublik China definiert einen Arbeitsvertrag (AV) als eine Einigung zwischen einem Unternehmer und einem Arbeitgeber, die das Arbeitsverhältnis begründet und die Rechte und Pflichten der Vertragspartner definiert.26 Seit 2008 sind auch Flächentarifverträge bzw. Branchentarifverträge möglich.

Im Gegensatz zu den deutschen Formvorschriften, nach denen ein Arbeitsvertrag keiner Form bedarf, müssen im chinesischen Recht folgende Formvorschriften beachtet werden:

- „der Arbeitsvertrag muss in Schriftform geschlossen werden
- der Arbeitnehmer muss sein vorheriges Beschäftigungsverhältnis ordnungsgemäß beendet haben
- der Arbeitsvertrag muss innerhalb eines Monats nach Unterzeichnung beim zuständigen Arbeitsamt registriert werden“27

7.2.1 Mehrere Arbeitsverhältnisse

Das Eingehen von mehreren Arbeitsverhältnissen wird vom Gesetzgeber eher kritisch gesehen. Sollte ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse eingegangen sein, so entsteht für den Arbeitgeber ein Vorteil aus Artikel 39 Nr. 4 Alternative 2 ArbVG: Der Arbeitgeber kann einen Arbeitsvertrag fristlos kündigen und muss keine wirtschaftliche Entschädigung zahlen, wenn der AN gleichzeitig ein anderes Arbeitsverhältnis hat und sich weigert dieses aufzugeben, nachdem der Arbeitgeber das Problem aufgeworfen hat.28 Demzufolge kann der AG dem AN ein weiteres Arbeitsverhältnis verbieten.

Nachteilig gestaltet sich aber für AG in diesem Fall Artikel 91 ArbVG. Diesbezüglich haftet der AG neben dem AN als Gesamtschuldner auf Schadensersatz, der aufgrund eines Doppelarbeitsverhältnisses dem zweiten AG entstehen könnte.29

7.2.2 Verbot von Kettenarbeitsverträgen

Vor der Einführung des Arbeitsvertragsgesetzes bestand die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund und ohne sonstige Einschränkungen zu verlängern. Eine der Folgen war, dass der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Entschädigung, die bei bestimmten Fällen der Kündigung zu zahlen war, bei Beendigung des Arbeitsvertrages durch Fristablauf nicht erstattet bekam.30

Durch den Artikel 20 Absatz 2 Arbeitsgesetz gab bzw. gibt es eine Beschränkung für befristete Arbeitsverträge. Dieser Artikel besagt, ein unbefristeter AV ist dann abzuschließen, wenn der AN bei ein und demselben AG ohne Unterbrechung 10 Jahre gearbeitet hat und sich beide Parteien über die Fortführung des Arbeitsverhältnisses einig sind.31

Allerdings gab es auch in diesem Fall vermehrt Missbrauchsfälle, da oft die Kontrolle ausblieb. Dementsprechend wurde oft für das eigentlich langfristig angelegte Arbeitsverhältnis eine Kette von kurzfristigen Arbeitsverträgen geschlossen. Um den Missbräuchen entgegenzuwirken gibt es auch im ArbVG durch Artikel 14 Absatz 2 eine Beschränkung für befristetet AV. Hier werden zusätzlich die Arbeitnehmer erfasst, die bereits zwei befristete Arbeitsverhältnisse hintereinander unterzeichnet haben und AN, die weniger als zehn Jahre vom regulären Rentenalter entfernt sind.32 Auch sie sind berechtigt, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu verlangen.

Eine Regelung bzgl. der wirtschaftlichen Entschädigung bei Fristablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses ist im Artikel 46 Nr. 5 ArbVG verankert.33

7.2.3 Mündliche Arbeitsverträge

Mündliche Arbeitsverträge sind seit 2008 nur noch für Teilzeitbeschäftigungen zulässig.

Im Arbeitsgesetz ist festgelegt, dass ein Arbeitsvertrag der Schriftform bedarf, aber in der chinesischen Arbeitswelt hatten bisher nur wenige AN einen schriftlichen AV. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum in Unternehmen kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wird.

Zum einen wollen die Arbeitgeber keine Sozialversicherungsabgaben leisten und zum anderen wollen sie sich auch „nicht durch schriftliche Arbeitsverträge festlegen, die in einem möglichen Gerichtsverfahren als Beweis dienen können.“34

Seit dem novellierten ArbVG ist im Artikel 10 festgelegt, dass zwischen AN und AG mit dem Tag der Arbeitsaufnahme eine Arbeitsbeziehung angenommen wird, die schriftlich festzuhalten ist. Wenn kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, ist dies innerhalb eines Monats nachzuholen.35 Erfolgt trotz dieser Regelungen kein schriftlicher Arbeitsvertrag, gelten entweder die Bedingungen des Kollektivvertrages, oder sollte das UN keinen Kollektivvertrag aufweisen, gelten die Bedingungen, die im Betrieb üblich sind.36

Gemäß Artikel 82 ArbVG hat der AN das doppelte Gehalt zu zahlen, wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag innerhalb eines Jahres geschlossen wird.37

Schriftliche AV sind somit gesetzlich vorgeschrieben, sie dienen vor Gericht als Beweismittel und stärken die Arbeitnehmerrechte. Leider hatten laut „einer Untersuchung von Wissenschaftlern der CASS (Chinese Academy of Social Siences) vom Mai 2005 in fünf chinesischen Großstädten (Shanghai, Wuhan, Shenyang, Fuzhou, Xi’an) 32% der städtischen Arbeiter und 73% der Migranten“38 noch immer keinen schriftlichen Arbeitsvertrag.

[...]


1 vgl. Schulte-Kulkmann, 2002, S.12

2 vgl. Seelmann-Holzmann, 2006, S. 148

3 Seelmann-Holzmann, 2006, S. 148

4 Seelmann-Holzmann, 2006, S. 149

5 vgl. Seelmann-Holzmann, 2006, S. 149

6 vgl. Grabrecht, 1996, S. 21

7 Lauffs, 1990, S. 77

8 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 19

9 Reden, 2002, S. 88

10 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 51

11 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 54

12 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 55

13 vgl. Lazare und Dr. Guang, 2008, Folie 15

14 vgl. Huckenbeck, 2007, S. 1

15 Huckenbeck, 2007, S. 2

16 vgl. Arbeitsgesetz, 1994, § 16 ArbG

17 vgl. Arbeitsgesetz, 1994, § 20 ArbG

18 vgl. Arbeitsgesetz, 1994, § 26 ArbG

19 Darimont, 2007, S. 99 (A)

20 Darimont, 2007, S. 99 (A)

21 Schucher, 2006, S. 49 (A)

22 vgl. Schucher, 2006, S. 49 (A)

23 Yanyuan und Darimont 2008, S. 172 (B)

24 Schucher, 2006, S. 51 (A)

25 vgl. Schucher, 2006, S. 51 (A)

26 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 16

27 Schaub und Vinck, 1999, S. 48

28 vgl. Wang, 2008, S. 167

29 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 91

30 vgl. Wang, 2008, S. 173

31 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 20 Abs. 2

32 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 14 Abs. 2

33 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 46 Nr. 5

34 Darimont, 2007, S. 102 (A)

35 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 10

36 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 11

37 vgl. Arbeitsvertragsgesetz, 2007, Artikel 82

38 Schucher, 2008, S. 80 (B)

Details

Seiten
57
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783656069744
ISBN (Paperback)
9783656099871
DOI
10.3239/9783656069744
Dateigröße
644 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Mainz
Erscheinungsdatum
2011 (November)
Note
1,3
Schlagworte
arbeitsrecht volksrepublik china
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Titel: Arbeitsrecht der Volksrepublik China