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Die Grundschrift - Damit Kinder besser schreiben lernen?

©2011 Hausarbeit 34 Seiten

Zusammenfassung

Die Diskussion um die Ausgangsschriften ist groß und offensichtlich jederzeit aktuell.
Dies bestätigt auch die aktuelle Veröffentlichung des Grundschulverbandes „Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben lernen“, herausgegeben von Horst Bartnitzky, Ulrich Hecker und Christina Mahrhofer-Bernt (vgl. Bartnitzky/ Hecker/ Mahrhofer-Bernt 2011). Dieser Band stellt die neu entwickelte „Grundschrift“ vor, die kurz gesagt eine handgeschriebene Druckschrift ist und den Verzicht auf eine normierte Ausgangsschrift ermöglichen soll.

Wie genau diese Schrift aussieht und wie sie sich von den anderen Schriften unterscheidet, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht. Hierfür werden zunächst allgemeine Grundlagen zum aktuellen Stand der Ausgangsschriften gegeben, um den Unterschied zur Grundschrift zu verdeutlichen. Anschließend werden Beweggründe aufgeführt, die zur Entstehung dieses neuen Modells geführt haben, bevor das Modell an sich vorgestellt wird. Ergänzend dazu wird ebenso beleuchtet, wie sich die Herausgeber der Grundschrift deren Einbindung in den Schulalltag vorstellen.
Da die Grundschrift bereits jetzt – erst kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung – zu ausführlichen Diskussionen führt, gewährt ein anschließendes Kapitel Einblick in das aktuelle Medienecho. Hierdurch wird untersucht, welche Aspekte Befürworter und Gegner der Grundschrift zu ihren jeweiligen Meinungen bringen, um letzten Endes gegebenenfalls eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Schrift in der Welt der Kinder
2.1. Die Diskussion um die Ausgangsschriften
2.2. Was sagen Rahmenplan und Bildungsstandards?

3. Die Grundschrift
3.1. Hintergründe zur Entstehung
3.2. Das allgemeine Konzept der Grundschrift
3.3. Aufbau des Modells
3.4. Die Grundschrift im Schulalltag

4. Das Medienecho

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

8. Anlagen
a. PISA-Studie 2009
b. Die Ausgangsschriften im Vergleich.
c. Die Bewegungsgruppen der Grundschrift
d. Selbsteinschätzungs- und Rückmeldebogen
e. Pressemitteilung des Grunschulverbandes

1. Einleitung

„ Mit Hilfe der Schrift finden sie [die Kinder] einen ersten Zugang potenziell zu dem gesamten Kulturschaffen der Menschheit und zur Gesamtmenge der weltweit zur Verf ü gung stehenden Informationen. “ (Ministerium 2005, S. 6).

Lesen und Schreiben gehören zu den Schlüsselqualifikationen innerhalb unserer Gesellschaft. Keine Kenntnisse in diesen Bereichen zu haben, bedeutet gleichzeitig, mit erheblichen Schwierigkeiten im alltäglichen Leben zurechtkommen zu müssen. Im Anfangsunterricht bilden sie den Grundstein für das gesamte Lernen (vgl. Topsch 2005, S. 10).

Die PISA-Studien zeigen, dass Schriftspracherwerb weiterhin ein zu überdenkendes Feld innerhalb der schulischen Bildung bleibt. Auch 2009 hebt sich Deutschland in Bezug auf die Lesekompetenz nicht vom OECD-Durchschnitt ab und bewegt sich eher im unteren Mittelfeld (vgl. OECD 2009 und Anlage 8.a.). Bildungsinstitutionen müssen folglich erkennen, dass der Schriftspracherwerb nicht nur auf den Anfangsunterricht begrenzt werden kann, sondern gesteigerte Aufmerksamkeit im Laufe der weiteren Schulzeit erfordert.

Nicht zuletzt spielt im Schriftspracherwerbsprozess auch die Schrift an sich eine entscheidende Rolle. Bisher hat sich im Allgemeinen die Druckschrift als Anfangsschrift für das Lesen- und Schreibenlernen durchgesetzt, gefolgt von einer der drei Ausgangsschriften. Dieses Thema wurde bereits häufig diskutiert. Welche Schriftart ist die geeignetste, um die Schüler1 mit der Welt der Schriftsprache vertraut zu machen? Geht es bei dieser Entscheidung um empirische Untersuchungen, um plausibel erscheinende Begründungen oder um Ästhetik?

Abbildung 1: Die Ausgangsschriften

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3 Welche Schrift ist die beste?

Abbildung 1 zeigt die verschiedenen Ausgangsschriften: Die Vereinfachte Ausgangsschrift

(1), die Lateinische Ausgangsschrift (2) und die Schulausgangsschrift (3), welche zu den

verbundenen Schriften gehören, von denen im heutigen Grundschulunterricht nach dem

Erlernen der Druckschrift eine gelehrt wird. Diese drei Schriftarten stehen sich in Deutschland gegenüber, und dies, obwohl es keine pädagogische Rechtfertigung dafür gibt. Nicht zuletzt aus diesem Grund gibt es einige Skeptiker, die der Auffassung sind, dass die Ausgangsschriften im Allgemeinen überschätzt werden (vgl. Topsch 2005, S. 114). Die Diskussion um diese Schriften ist demzufolge groß und offensichtlich jederzeit aktuell.

Dies bestätigt auch die aktuelle Veröffentlichung des Grundschulverbandes „Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben lernen“, herausgegeben von Horst Bartnitzky, Ulrich Hecker und Christina Mahrhofer-Bernt (vgl. Bartnitzky/ Hecker/ Mahrhofer-Bernt 2011). Dieser Band stellt die neu entwickelte „Grundschrift“ (vgl. Abbildung 2) vor, die kurz gesagt eine handgeschriebene Druckschrift ist und den Verzicht auf eine normierte Ausgangsschrift ermöglichen soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Grundschrift

Was macht die Grundschrift aus?

Wie genau diese Schrift aussieht und wie sie sich von den anderen Schriften unterscheidet, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht. Hierfür werden zunächst allgemeine Grundlagen zum aktuellen Stand der Ausgangsschriften gegeben, um den Unterschied zur Grundschrift zu verdeutlichen. Anschließend werden Beweggründe aufgeführt, die zur Entstehung dieses neuen Modells geführt haben, bevor das Modell an sich vorgestellt wird. Ergänzend dazu wird ebenso beleuchtet, wie sich die Herausgeber der Grundschrift deren Einbindung in den Schulalltag vorstellen.

Da die Grundschrift bereits jetzt - erst kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung - zu ausführlichen Diskussionen führt, gewährt ein anschließendes Kapitel Einblick in das aktuelle Medienecho. Hierdurch wird untersucht, welche Aspekte Befürworter und Gegner der Grundschrift zu ihren jeweiligen Meinungen bringen, um letzten Endes gegebenenfalls eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen.

2. Schrift in der Welt der Kinder

Bereits in den 1980er Jahren hat sich Hans Brügelmann damit auseinandergesetzt, was genau Kinder, die noch nicht schreiben können, unter Schrift beziehungsweise dem Vorgang des Schreibens verstehen (vgl. Brügelmann 1984). Hierbei stellte sich heraus, dass sie unterschiedliche Auffassungen haben und der Schrift verschiedene Merkmale zuschreiben, sei es eine Handbewegung mit dem Stift, eine symbolische Zeichenform oder Bilder als Mitteilungen (vgl. Brügelmann 1984, S. 26 f. und Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Wie Kinder sich Schrift vorstellen

Generell erkennen Kinder recht früh die wesentlichen Merkmale der Schrift. Ihnen wird die Linearität bewusst und ihre Schreibversuche zeigen häufig, dass sie Schrift mit sich wiederholenden Einheiten wie Schleifen, Kreisen und Strichen verbinden. Gerade für diese Erfahrungen sind sogenannte „Kritzelbriefe“ im Vorschulalter von Bedeutung (vgl. ebd.).

In der Schule werden diese grundlegenden Eigenschaften präzisiert, indem das Bewusstsein für die Raumlage der Buchstaben und die Schreibrichtung geschult wird (vgl. Brügelmann 1984, S. 33). Die unterschiedlichen Voraussetzungen, welche die Kinder mit in die Schule bringen, sind groß und insbesondere der Übergang vom Malen der Buchstaben zum bewussten Schreiben der Wörter wird selten berücksichtigt (vgl. Dehn 2010, S. 13). Dabei wäre gerade dieser Aspekt wichtig, um den Kindern die eigentliche Funktion von Schrift zunächst bewusst zu machen. Gleichzeitig wird auf der anderen Seite das Vorwissen der Schüler nicht immer berücksichtigt, und der „erste“ eingeführte Buchstabe ist für viele von ihnen gar nicht der erste (vgl. ebd.).

Warum findet diese Einführung der Buchstaben in Druckschrift statt? Wenn Kinder ihre Namen schreiben, ist es meistens der Fall, dass sie große Druckbuchstaben verwenden. Diese Buchstaben sind wesentlich einfacher abzuschreiben als eine verbundene Schrift, da jeder Buchstabe für sich steht, wodurch im nächsten Schritt auch die Laut-Buchstaben-Zuordnung deutlicher wird. Mit verbundenen Schriften haben Kinder häufig noch Schwierigkeiten, da die Konzentration auf der Verbindung der Buchstaben liegt und dadurch die klare Form schnell verloren geht (vgl. ebd., S. 84). Generell liegt das formale Ziel des Anfangsunterrichts im Schreiben in einer gut lesbaren Handschrift, die zudem geläufig ist (vgl. Topsch 2005, S. 93). Es gilt, drei Hauptaspekte der Schrift zu berücksichtigen: Lesbarkeit, Geläufigkeit, Genauigkeit. Durch Lesbarkeit wird der kommunikative Aspekt von Schrift in den Vordergrund gerückt. Um Informationen weitergeben zu können, müssen diese lesbar sein, wofür Konventionen beachtet werden müssen. Geläufigkeit zielt auf den ökonomischen Aspekt von Schrift ab, der sich im Bewegungsprozess des Schreibens niederschlägt. Diese Bewegungen sollen flüssig und zügig sein. Genauigkeit heißt, in Anlehnung an die orthografischen Regeln korrekt zu schreiben, was sich in der Schule zunächst auf die Lehrgangswörter beschränkt (vgl. ebd., S. 94 f.).

Trotz des technischen Fortschrittes ist das Handschreiben also nicht überflüssig geworden, da Unterricht größtenteils auf Handschrift angewiesen ist. Daher ist Schreiben stets mit bestimmten Zielen und Funktionen verbunden. Hierbei bewegt insbesondere die Frage nach einer geeigneten Anfangsschrift die Grundschulpädagogen seit geraumer Zeit und wurde bereits sehr unterschiedlich beantwortet. Durchgesetzt hat sich die Meinung, dass die Druckschrift als Anfangsschrift geeignet ist. Doch welche verbundene Schrift anschließend erlernt wird, ist innerhalb Deutschlands nicht verbindlich festgelegt (vgl. ebd., S. 113 f.). Welche Möglichkeiten es zurzeit gibt, wird im folgenden Kapitel aufgeführt.

2.1. Die Diskussion um die Ausgangsschriften

Im Laufe der Geschichte war die Schriftform immer wieder von Veränderungen geprägt. So gab es von 1935-41 die Sütterlin-Schrift, die von ästhetischen Gesichtspunkten geprägt w]ar und die Deutsche Normalschrift, die 1953 vom Iserlohner Schreibkreis durch die Lateinische Ausgangsschrift ersetzt wurde (vgl. Abbildung 1). Ausgangsschrift bedeutet, dass die Schrift keine Endversion darstellt, sondern als Vorlage für eine persönliche Handschrift dient, die sich nach und nach entwickelt (vgl. Schenk 2009, S.139 f.). Hauptgrund des Entstehens der Lateinischen Ausgangsschrift (LA) war das Bestreben, den Formverfall der Handschriften zu verringern. Der kursive Charakter der Schrift soll flüssiges Schreiben ermöglichen. Kritiker betonen, dass der Schreibfluss an der falschen Stelle unterbrochen wird und dass sich der häufige Drehrichtungswechsel von Rechts- und Linksdrehung ebenfalls auf den Schreibfluss auswirkt. Der Erwerb der LA sei daher ein Umweg, da der Schreiber, der eine eigene Handschrift entwickelt, beim Schreiben ohnehin häufiger absetze und Buchstaben umgestalte. Die schwierigen und vielen Buchstabenverbindungen führen außerdem zu einer Verringerung des Schreibtempos und eventuell sogar zu Muskelverspannungen (vgl. ebd., S. 142 f.). Im Vergleich dazu entstand in der ehemaligen DDR die Schulausgangsschrift (SAS), die sich insbesondere bei den großen Buchstaben eher an der Druckschrift orientierte. Sie wird auch heute noch verwendet, vor allem in den neuen Bundesländern (vgl. Topsch 2005, S. 118).

Aufgrund der Kritik an der LA wurde 1970 in der damaligen Bundesrepublik die Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) entwickelt. Im Vergleich zur LA verzichtet sie auf die Anstriche bei den Kleinbuchstaben und verlängert dafür den Abstrich. So beginnen und enden diese Buchstaben an der Oberlinie des Mittelbandes, wodurch die Kleinbuchstaben nach und nach aneinander gefügt werden können (vgl. ebd., S. 118 f.). Wie die SAS orientiert sich auch die VA hinsichtlich der Großbuchstaben an der Druckschrift. Definitiv gibt es beim Schreiben in der VA eine geringere Zahl an Drehrichtungswechseln als bei der LA. Die Erwartungen an die VA waren groß, doch viele erwartete Vorteile gelten im Nachhinein als nicht empirisch bestätigt. Es konnten keine besseren Rechtschreibleistungen festgestellt werden und auch die Veränderung des kleinen e wurde unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie kritisiert (vgl. ebd.). Die empirischen Untersuchungen wurden nur an Kleingruppen durchgeführt und der Mädchen-/Jungenanteil war in den LA- und VA-Gruppen nicht ausgeglichen; der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Rechtschreibleistung ist hingegen bewiesen. Außerdem wurde festgestellt, dass Daten aus den 1980er Jahren falsch erhoben wurden. Diese Fakten zeigen deutlich, dass nicht genau gesagt werden kann, welche Ausgangsschrift für Schülerinnen und Schüler die bessere ist (vgl. ebd., S. 120 ff.). Abbildung 4 zeigt noch einmal die drei aktuellen Ausgangsschriften im Überblick.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Ausgangsschriften im Überblick

LA SAS VA

Doch wie verhält es sich mit der Frage, ob Ausgangsschriften generell notwendig sind? Können sie eventuell sogar komplett weggelassen werden? Damit beschäftigt sich Gabriele Krichbaum und legt zunächst die These zugrunde, dass Handschrift auch im Zeitalter des technischen Fortschrittes unerlässlich ist, um eine erfolgreiche Lebenslaufbahn zu garantieren und um Persönlichkeit und Individualität zu sichern (vgl. Krichbaum 1998, S. 258 f.). Verständlich ist auch, dass Kinder eine differenzierte Lesefähigkeit erlangen müssen, um auch andere Schriften als die Druckschrift lesen zu können, da Handschriften in den wenigsten Fällen wie die Druckschrift aussehen. Gleichzeitig wird auch festgelegt, dass die drei Ausgangsschriften in der Regel nicht in der Alltagswelt als sogenannte Umweltschriften vorkommen. Bedarf es also überhaupt einer Ausgangsschrift zur Entwicklung der persönlichen Handschrift? Es steht fest, dass die Ausgangsschrift keine Zielschrift ist, aber für Krichbaum dennoch ein sinnvoller Weg, um zur persönlichen Handschrift zu gelangen. Sie spricht sich dabei für die VA aus, die aufgrund ihrer einfacheren Form leichter zu erlernen sei. Letztlich betont sie noch einmal, dass die Debatte um eine geeignete Ausgangsschrift kein Nebenthema sein darf, da sie die Kinder sowohl zur Zielschrift führt, als auch unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik in den Blick genommen wird. Zur Zeit dieses Aufsatzes gab es noch keinen Versuch, die Ausgangsschrift im Laufe des Schriftspracherwerbs komplett wegzulassen (vgl. ebd., S. 264 f.).

Diesen Versuch wagt die Gemeinschafts-Grundschule Veen seit 2004, nachdem nach der Einführung der Vereinfachten Ausgangsschrift immer mehr weiterführende Schulen über die Schrift der Schüler klagten (vgl. Bode/Winzen 2011, S. 151). Das Lehrerkollegium war ebenfalls unzufrieden mit der VA, wodurch niemand gegen den Vorschlag stimmte, von nun an nur noch die Druckschrift zu lehren. Auch bei den Eltern herrscht bisher in den meisten Fällen Akzeptanz und es bedarf lediglich ab und zu der Aufklärung, dass die Kinder keinen Nachteil an weiterführenden Schulen haben werden, wenn sie nur die Druckschrift beherrschen. Schwierigkeiten im Zuge dieses Projekts gibt es beispielsweise beim Schreiben von ähnlich aussehenden Klein- und Großbuchstaben, da diese häufig nicht differenziert genug aufgeschrieben werden. Dies geschieht meistens bei den Buchstaben c/C, s/S, v/V und w/ W. Zusätzlich müssen sich die Lehrer das ein oder andere Mal der Frage der Kinder stellen, warum sie nicht „richtig“ schreiben lernen, insbesondere wenn diese Kontakt zu Kindern von anderen Schulen haben (vgl. ebd., S. 153). Schriftbeispiele von älteren Schülern, die an dieser Schule nur Druckschrift gelernt haben, zeigen, dass sie - trotz Unverbundenheit der Buchstaben - handschriftlichen Charakter aufweisen und gut lesbar sowie formklar sind. Im Allgemeinen haben laut Bode und Winzen die sieben Jahre Erfahrung nur mit Druckschrift des Weiteren gezeigt, dass der Deutschunterricht im 2. Schuljahr deutlich entlastet wird und somit mehr Zeit für das freie Schreiben und das Lesen bleibt. Gerade schwächere Kinder haben dadurch einen Vorteil, wohingegen Nachteile nur dann entstehen, wenn Lehrkräfte an weiterführenden Schulen oder Elternteile eine andere Vorstellung von Schrift haben. Aus diesem Grund betonen die Autoren zum Schluss noch einmal, wie wichtig die Aufklärungsarbeit bei einem Vorhaben wie diesem ist (vgl. ebd., S. 157).

Angesichts der Tatsache, dass solch ein Projekt bereits durchgeführt wird, scheint es von nicht geringer Bedeutung zu sein, sich bewusst zu machen, wie genau die Rahmenpläne Druckschrift und Ausgangsschriften thematisieren. Dies wird im folgenden Kapitel anhand des Teilrahmenplans für Deutsch in Rheinland-Pfalz untersucht.

2.2. Was sagen Rahmenplan und Bildungsstandards?

Die Wörter Druckschrift und Ausgangsschrift sucht man im Rahmenplan Rheinland-Pfalz und in den Bildungsstandards vergeblich. Es wird nicht genau festgelegt, welche Schrift die Kinder wann erlernen sollen.

„Sie haben eine lesbare persönliche Handschrift entwickelt […]“ (Ministerium 2005, S. 10) beziehungsweise „Sie schreiben eine lesbare und flüssige Handschrift“ (KMK 2004, S. 8) ist die Vorgabe, die im Leistungsprofil, im Orientierungsrahmen und in den Bildungsstandards formuliert wird. Des Weiteren wird gefordert, dass die Schüler die Schrift als normiertes Zeichensystem erfasst haben und verschiedene Schrifttypen lesen können (vgl. Ministerium 2005, S. 9/ S. 24). Hier wird nur das Lesen thematisiert und nicht das Schreiben verschiedener Schriftarten. Auch wenn die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz bundesweit gelten, muss dennoch hinzugefügt werden, dass sich die Vorgaben in Bezug auf die Ausgangsschriften in den Rahmenplänen der einzelnen Bundesländer unterscheiden. Hierfür hat Erika Brinkmann eine Übersicht erstellt, die aufzeigt, was in den einzelnen Bundesländern jeweils gefordert wird (vgl. Brinkmann 2010). Sie betont zusätzlich, dass in den Bildungsstandards nicht erwähnt wird, ob die Buchstaben miteinander verbunden werden müssen und dass „der Weg zum Ziel“ (ebd. S. 23) nicht definiert wird. Auch aus ihrer Sicht ist die von vielen Bundesländern formulierte Forderung nach einer verbundenen Ausgangsschrift mehr historisch geprägt als empirisch belegt. Brinkmann führt wie Bode und Winzen zusätzlich auf, dass die Ausgangsschriften vielen Schülern Probleme bereiten, viele Kollegen der weiterführenden Schulen über die Schrift der Kinder klagen und sich die Ausgangsschriften letztendlich in den Erwachsenenschriften kaum widerspiegeln (vgl. ebd.). Mit dem ausführlichen Überblick über die Bestimmungen der einzelnen Bundesländer möchte Brinkmann verdeutlichen, dass viele von ihnen bereits jetzt durch ihre zwanglosen Vorgaben die Möglichkeit bieten, die Ausgangsschriften wegzulassen. Sie gehört zu den Herausgebern der Grundschrift und möchte mithilfe dieser Schrift den Umweg über eine verbundene Schrift aussparen und die individuelle Handschrift direkt aus der Druckschrift heraus entwickeln (vgl. ebd., S. 24). Was sich genauer hinter dem Konzept der Grundschrift verbirgt, wird nun ausführlicher vorgestellt.

3. Die Grundschrift

Die Grundschrift wurde von mehreren Mitgliedern des Grundschulverbandes entwickelt und in einem Mitgliederband 2011 herausgegeben. Zusätzlich zu dem Band, der sich zunächst auf theoretischer Basis mit der Konzeption und den Hintergründen beschäftigt, erhält der Leser Karteikarten mit den einzelnen Buchstaben der Grundschrift und mit Schwungübungen. Doch was führte zu dem „Projekt Grundschrift“? Was bewegte die Gründer und Gründerinnen die Ausgangsschriften zu verwerfen und durch eine neue Schrift zu ersetzen?

3.1. Hintergründe zur Entstehung

Einige Hintergründe wurden bereits in Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit thematisiert. So zeigt auch der Versuch der Gesamtgrundschule Veen, den Kindern lediglich Druckschrift zu lehren, einige Kritikpunkte an den Ausgangsschriften auf. Gleiche Motive hatte auch der Grundschulverband und nennt es zunächst die „Überwindung des didaktischen Anachronismus“ (Bartnitzky/ Hecker/ Mahrhofer-Bernt 2011, S. 7). Damit betonen die

Herausgeber, dass die drei Ausgangsschriften aus einer Zeit stammen, in der Lesen und Schreiben getrennt voneinander gelehrt wurden, was heutzutage nicht mehr der Fall ist. Wie Krichbaum greifen sie die Tatsache auf, dass die Druckschrift für Kinder die im Alltag vorzufindende Schrift ist. Es wird betont, dass auch die Druckschrift die drei Kriterien erfüllt, welche von den Schreibschriften ebenso erfüllt werden: Beide Schriftarten haben eine Form, wodurch sie lesbar sind, sie werden durch Handbewegung erzeugt und sie vermitteln etwas, wodurch ihnen eine Funktion zugeschrieben wird. Die Buchstabenverbundenheit der Ausgangsschriften wird von Horst Bartnitzky ebenso kritisiert, da die Schreibanfänger trotzdem häufig zwischen den Buchstaben absetzen, wodurch diese Verbundenheit in schreibmotorischer Hinsicht eher überfordert als fördert (vgl. Bartnitzky 2011a, S. 16 f.). Auch Wolfgang Menzel setzt sich bereits seit den 1960ern mit den Verbindungen der Ausgangsschriften auseinander, seit er bei einer Doktorarbeit über die Vereinfachte

[...]


1 Scüler, Lehrer sowie Kollegen steht in der gesamten vorliegenden Arbeit stellvertretend für die maskuline und feminine Form. Lediglich aufgrund der besseren Lesbarkeit wird hier das generische Maskulinum verwendet.

2 eine ausführlichere Tabelle mit den Ausgangsschriften im Vergleich zeigt Anlage 8.b. 5

Details

Seiten
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783656109082
ISBN (Paperback)
9783656109181
DOI
10.3239/9783656109082
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Koblenz-Landau – Institut für Grundschulpädagogik
Erscheinungsdatum
2012 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
Ausgangsschriften Grundschrift Schreibschrift Druckschrift
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Titel: Die Grundschrift - Damit Kinder besser schreiben lernen?