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Web 2.0 und politische Partizipation

©2011 Seminararbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Das Internet als Kommunikationsmedium der Zukunft bietet umfangreiche Möglichkeiten, Menschen in direkter Art und Weise zu erreichen, zu mobilisieren und zu beeinflussen aber auch neue Chancen wie die kollektive Intelligenz des World-Wide-Web zu nutzen. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, anhand von Blogs, Wikis, Social-Communities und Crowdsourcing festzustellen, ob das "Mitmach-Web" ein Leitbild für die moderne Informationsgesellschaft darstellt und inwiefern Prinzipien des Web 2.0 zu einem Mehr an politischer Partizipation führen konnen. Dabei wird im Folgenden auch auf die Ziele des E-Government Bezug genommen und es werden mögliche Ansätze zur Nutzung von Anwendungen des neuen Webs zur effektiven Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in den politischen Alltag erläutert. Erwartet wird, dass sich das durchdachte Übertragen von Erfahrungen und Erkenntnissen im Umgang mit dem Web 2.0 positiv auf die politische Teilhabe der Bevölkerung auswirken wird und somit der gesamten Demokratie zu Gute kommt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Partizipation
2.1 Definition
2.2 Transparenz
2.3 Kollaboration

3 Web 2.0
3.1 Vorbetrachtung
3.2 Definition
3.3 Kollektive Intelligenz
3.4 Blogs
3.5 Wikis
3.6 Social-Communities
3.7 Crowdsourcing

4 E-Government
4.1 Vorbetrachtung
4.2 Definition
4.3 E-Partizipation

5 Exkurs: Open-Government

6 Web 2.0 & politische Partizipation
6.1 Exkurs: Netzbasierte Partizipation
6.2 E-Government 2.0
6.2.1 Bürgerhaushalte
6.2.2 Stadt-Wikis
6.3 Politik 2.0
6.3.1 Aktivismus 2.0
6.3.2 Deliberation 2.0

7 Fazit

8 Ausblick

Literaturverzeichnis

Web-Quellenverzeichnis

Glossar

1 Einleitung

Das Internet ist das Kommunikationsmedium der Zukunft. Die umfangreichen Möglichkeiten, Menschen in direkter Art und Weise zu erreichen, zu mobilisieren und zu beeinflussen wurden in den letzten Jahrzehnten immer weiter verfeinert und kristallisierten sich in den vergan- genen Jahren in einer Vielzahl unterschiedlichster Plattformen, auf den Bürgerinnen und Bürger à la couleur diskutieren, bewerten, empfehlen, dokumentieren und vieles mehr.

Diese vernetzte Umtriebigkeit, bei welcher ein direkter Austausch nicht nur mit Freunden und Bekannten, sondern auch mit völlig unbekannten Personen oft komplett transparent und kollaborativ stattfindet, versuchen seit einiger Zeit auch Parteien egal welchen Lagers, NGOs und andere politischen Gruppen für sich, aber auch für einen generellen politischen Aufschwung zu nutzen. Denn die oft beschworene Politikverdrossenheit, die sich nicht nur in der geringen Wahlbeteiligung, sondern auch in der zunehmenden Kluft zwischen Regierenden und Regierten, die Entfremdung zwischen politischer Klasse und Wahlvolk äußert, ist zur gesamtgesellschaftlichen Bedrohung geworden, da sie das politische Miteinander einschränkt und die Bildung stabiler Regierungen erschwert (vgl. Frankenberger 2010).

Aus diesem Grund soll nachfolgend geklärt werden, wie Partizipation entsteht, wie sie gefördert werden kann und inwiefern das sogenannte Web 2.0 als moderne Technologie in- klusive der Social-Community-Mechanismen zu einem Mehr an Partizipation beitragen kann. Des Weiteren soll geklärt werden, ob dieÜbertragung der Mit-mach-Web -Charakteristiken auf das politische Leben ein zielführendes Leitbild für die moderne Informations- und Kom- munikationsgesellschaft darstellt, also den alltäglichen Umgang der Bürgerinnen und Bürger mit Politik fördert oder ihn zumindest vereinfacht. Zuvor bilden grundlegende Erläuterungen zur Partizipation im Allgemeinen und zu den Technologien und Mechanismen des Web 2.0 , sowie grundlegende E-Government- Überlegungen die Basis für die weitere Betrachtung. Ein begründeter Ausblick auf die mögliche Entwicklung der durch Umgangsweisen des Web 2.0 geprägten politischen Teilhabe in naher Zukunft runden die Ausführung ab.

2 Partizipation

2.1 Definition

Partizipation, sowohl gesellschaftliche als auch politische, gilt als eine fundamentale Grund- feste demokratischer Herrschaft. Der Begriff, der zusammengefasst die aktive Teilhabe und Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Geschehen und Entscheidungs- prozess sowie an der Willensbildung bezeichnet, hat eine lange Tradition in den Politik- und Verwaltungswissenschaften vorzuweisen (Schubert u. Klein 2006, Partizipation). Dennoch oder gerade deshalb unterliegen sowohl Definition als auch Ausprägung von Partizipation einem ständigen Wandel, weshalb die Bedeutung als politische Inklusionsformel keinesfalls unumstritten ist, da sie auf theoretischen Vorannahmen beruht, die unter Anderem die Cha- rakterisierung der Partizipierenden betreffen (vgl. Gusy u. Haupt 2005, S. 20ff.).

Aus diesem Grund lassen sich verschiedene Sichtweisen richtiger Partizipation und daraus folgend verschiedene Wege diese umzusetzen benennen, die sich grob in der Positionierung des Einzelnen zu einem Ganzen unterscheiden. Während bei traditionellen Sichtweisen das Individuum Teil eines vorausgesetzten Ganzen wird, indem es vorgegebene Rollen und Nor- men erfüllt, verschiebt sich der Blickwinkel in liberalen Sichtweisen hin zu einer autonomen Stellung der Einzelnen, die zusammen ein großes Ganzes bilden. Dialektische Sichtweisen verweisen hingegen auf die Untrennbarkeit von Ganzem und Einzelnem, die in direktem Austausch miteinander stehen. Aufgrund dieser Unterschiede kann Partizipation in den ver- schiedenen Sichtweisen auf verschiedene Art und Weise, durch Unterordung, durch Mit- bestimmung oder durch Mitgestaltung, erreicht werden (vgl. Buchecker 2003, S.2f). Diese unterscheiden sich grundlegend in der Frage, inwiefern das Ganze als absolut angesehen wird.

Um Definitionsstreitigkeiten zu umgehen, eine allgemein hin verständliche Bedeutung von Partizipation zu wählen und auf diese Weise eine geeignete Charakterisierung für nach- folgende Betrachtungen zu definieren, kann der hinter Partizipation stehende Gedanke im Folgenden auf die konventionellen Formen der politischen Teilhabe in modernen Demokrati- en wie denen Europas und Nord-Amerikas, wie Wahlen, Parteizugehörigkeit, dieÜbernahme politischer Ämter, Bürgeranhörungen und -entscheide, sowie auf die unkonventionellen For- men, wie Mitwirkung in Vereinen, Demonstrationen, Streiks etc. reduziert werden (vgl. von Lucke 2011, S.280).

Auf dieser Grundlage ist die Möglichkeit, die Stärke der Ausprägung politischer Teilha- be zur Bewertung der Güte einer Demokratie heranzuziehen, klar nachvollziehbar - sind freie Wahlen, Demonstrationen oder die Möglichkeit politischeÄmter zu übernehmen für Bürgerinnen und Bürger in einem System nicht möglich, kann es sich, wenn überhaupt, nur um eine, im Vergleich zu anderen Demokratien, sehr schlechte Demokratie handeln. Anders- herum sollten sich starke Demokratien durch ein hohes Maß an Partizipation auszeichnen, da durch das Integrieren der demokratischen Basis, also dem Volk, gesellschaftliche und po- litische Probleme besser erkannt, zielführendere Maßnahmen zur Beseitigung dieser ergriffen und somit im Endeffekt bessere Lösungen erarbeitet werden können. Ein stärkeres Vertrau- en in staatliche Institutionen und somit eine direkte Förderung der Demokratie wären die Folge. Zudem kann so der sich selbst verstärkende Prozess der aktiven Mitgestaltung initiiert werden - das Gefühl, aktiv mitgestalten zu können motiviert, sich weiter zu engagieren (vgl. von Lucke 2011, S.280ff).

Aus dieser Betrachtung leiten sich Voraussetzungen, die für eine ausgeprägte Partizipation zwingend notwendig sind, direkt ab. So ist auf der einen Seite nicht nur ein politischer und gesellschaftlicher Rahmen, der Partizipation im Allgemeinen zulässt, dringend erforderlich, sondern dieser muss auf der anderen Seite auch Mittel, Wege und Mechanismen direkt und indirekt bereitstellen, die eine Teilhabe und ein Mitwiken an der Meinungsbildung, an Entscheidungsprozessen und -abläufen einfach und zugänglich ermöglichen. Zwei Prinzipien, die damit in direktem Zusammenhang stehen sind Transparenz und Kollaboration, da beispielsweise eine aktive Mitwirkung an Prozessen nur möglich wird, wenn diese offen gelegt sind und gemeinschaftlich bearbeitet werden können.

2.2 Transparenz

Eine Eigenschaft, die eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Partizipation darstellt, ist Transparenz. Im Gegensatz zu (diktatorischen) Systemen, in denen Partizipation un- erwünscht ist, gilt Transparenz in den Demokratien Europas beispielsweise als elementa- rer Bestandteil des politischen Systems und des öffentlichen Verwaltungsapparates, da erst sie es ermöglicht, Entscheidungen und Vorgänge innerhalb eines Prozesses, zum Beispiel in der Politik, für Außenstehende einsehbar und somit nachvollziehbar zu gestalten, somit Machtmissbrauch und Korruption vorzubeugen und freie Willensbildung zu ermöglichen. Freie Presse, öffentliche parlamentarische Debatten sowie das Prinzip derÖffentlichkeit sind neben Rechts- und Informationsfreiheit nur einige Beispiele für Transparenz in modernen Demokratien (vgl. von Lucke 2011, S.279f). Sie fördert neben Legislative, Exekutive und Judikative die Bildung einer vierten, überprüfenden Gewalt, die als eine Art außerparlamen- tarische Opposition indirekt auf das politische Tagesgeschäft Einfluss nehmen kann.

Partizipation und Transparenz unterliegen dabei einer ständigen Wechselwirkung. Auf der einen Seite ist Transparenz Wegweiser für ein höheres Maß an Partizipation, auf der anderen Seite können Bürgerinnen und Bürger durch eine gesteigerte Aktivität und Einflussnahme auch eine gesteigerte Transparenz erzeugen. Bauliche Großprojekte wie Stuttgart 21 ,] der Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg-International oder die Alternativnutzung des Flughafens Tempelhof in Berlin können an dieser Stelle beispielhaft für diese sich selbst verstärkende Transparenz-Partizipation-Verknüpfung genannt werden.

2.3 Kollaboration

Die oft auch als ”kollektiveIntelligenz“1 oder ”Schwarmintelligenz“bezeichnetekollaborati- ve Zusammenarbeit verschiedener Partner meint im Zusammenhang mit Partizipation eine ”abgestimmte,gemeinschaftliche,bestmöglicheBearbeitungoderErledigungvonAufgaben“ (von Lucke 2011, S.281 ), die es Einzelnen ermöglicht, ihr individuelles Wissen in Prozes- se mit einzubringen und somit an einem Gesamtvorhaben zusammenzuarbeiten. Zwingende Voraussetzungen sind auch hier transparente Vorgänge, aber auch ein ausgeprägtes Maß an Teamfähigkeit und ein demokratisches, egalitäres Grundverständnis.

Durch intensive Zusammenarbeit verschiedener Akteure können, trotz des höheren Ma- ßes an Komplexität der durch die notwendige, zusätzliche Organisation und den gewollten, umfangreichen Diskussionsprozess entsteht, in der Praxis besonders umfangreiche Aufgaben besser abgeschlossen werden (von Lucke 2011 , S. 282 ). Durch den psychologischen Effekt der Motivation durch Mitgestaltung kann Kollaboration auf diese Weise nicht nur die Akzep- tanz einer gemeinsam ausgearbeiteten Lösung, sondern auch Partizipation im Allgemeinen fördern. Bekannte Kollaborationen wie Umfragen oder Zählungen sind nur die Spitze des Eisberges von dem, was mit zielgerichtetem Zusammenarbeiten von Menschen möglich ist.

Durch intensive Zusammenarbeit verschiedener Akteure können, trotz des höheren Ma- ßes an Komplexität der durch die notwendige, zusätzliche Organisation und den gewollten, umfangreichen Diskussionsprozess entsteht, in der Praxis besonders umfangreiche Aufgaben besser abgeschlossen werden (von Lucke 2011 , S. 282 ). Durch den psychologischen Effekt der Motivation durch Mitgestaltung kann Kollaboration auf diese Weise nicht nur die Akzep- tanz einer gemeinsam ausgearbeiteten Lösung, sondern auch Partizipation im Allgemeinen fördern. Bekannte Kollaborationen wie Umfragen oder Zählungen sind nur die Spitze des Eisberges von dem, was mit zielgerichtetem Zusammenarbeiten von Menschen möglich ist.

3 Web 2.0

3.1 Vorbetrachtung

Der Erfolg des Begriffes Web 2.0 liegt in erster Linie darin, dass seine Bedeutung genau- so vielschichtig ist wie die Zusammenhänge, in denen er gebraucht wird. Als Bezeichnung für das Internet der nächsten Generation auf einer Konferenz vom O’Reilly Verlag1 und der MediaLive International im Jahre 2004 geprägt, wurde er als Marketing-Begriff und Trendwort weltweit übernommen. Seitdem wird keine Entwicklung im Bereich des World Wide Web nicht mit dem neuen 2.0-Charakter in Verbindung gebracht und kaum ein Autor von Themen rund um Technologien der modernen Informations- und Kommunikationsge- sellschaft kommt ohne die Nennung des neuen Schlagwortes aus. So listet die Buchsuche auf der deutschen Webseite des weltweit agierenden Online-Warenhauses Amazon.com, Inc. im Juni 2011 über 850 Publikationen, die den Begriff Web 2.0 im Namen tragen oder direkt mit ihm assoziiert sind. Auf der US-amerikanischen Seite sind es über 2.700! Doch bevor die Mechanismen, Prinzipien und Ideen, die sich hinter dem Buzzwort verbergen, benannt und analysiert werden können, ist es notwendig zunächst seine Herkunft und Bedeutung näher zu untersuchen.

3.2 Definition

ÄhnlichderFülle an Literatur rund um den Begriff gibt es viele verschiedene Versuche Web 2.0 zu definieren oder zu charakterisieren. Als Erfinder des Web 2.0 -Begriffes gilt Tim O’Reilly, der in seinem Artikel ”WhatIsWeb 2.0 “(sieheO’Reilly2005 )versuchte,neue Konzepte im World Wide Web zusammenzufassen und gegen das alte Web abzugrenzen, da er der Meinung war, eine Art evolutionären Schritt beobachtet zu haben. Infolgedessen stellte O’Reilly zum Beispiel die im sogenannten Web 1.0 vorherrschenden persönlichen, oft stati- schen Webseiten dem neuen Blogging-Konzept (siehe Abschnitt 3.4) gegenüber, oder isoliert im Vergleich zum althergebrachten reinen Konsumieren von Inhalten partizipative Verhal- tensweisen. Auffällig ist, dass O’Reilly technologische Neuerungen, die die neue Nutzung des Webs erst ermöglichten, zwar benennt, den eigentlichen Schwerpunkt des Web 2.0 aller- dings bei den sich daraus entwickelten neuen Ideen und Nutzungsweisen fest macht. So sieht er die strategische Neuausrichtung des Webs nach der Dot-Com-Krise2 in der Nutzung als eine Plattform für, durch den Benutzer kontrollierte Dienstleistungen beziehungsweise Web- Services und beschreibt, dass neben einer kosteneffektiven Skalierbarkeit ( ”Cost-effective scalability“) und weiteren Eigenschaften auch eine Architektur der Partizipation ( ture of Partizipation“) sowie ein Zunutze machen der kollektiven Intelligenz ( ”Architec- ”Harnessing collective Intelligence“) zu den Kern-Kompetenzen des neuen Webs zählen (vgl. Abbildung 3.1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1: Web 2.0 Mind-Map (nach O’Reilly 2005)

Auch wenn Oreilly diesen Prinzipien einen besonders wichtigen Stellenwert für die Charakterisierung des Web 2.0 -Begriffes zuweist, bleibt er jedoch bewusst ungenau in seinen Ausführungen und bietet somit eine Basis für Kritiken, Ergänzungen und vielfältige Interpretationen. So beschreibt beispielsweise der BITKOM3 Web 2.0 vordergründig nicht als neues Nutzungsprinzip des Internets, sondern als Organisationskonzept, das

”dieVernet-

zung von Personen, Sachen und Dingen besser, einfacher und kostengünstiger“(Kaczorowski

u. a.2008, S.4 ) vorantreiben kann und erweitert somit den Grundgedanken der kollektiven Intelligenz um die konkrete Idee des hierarchiefreien, weltumspannenden und verknüpften Wissens. Auch Friedman sieht die, auf neuen Werkzeugen und Technologien basierende, per- manente Vernetzung der Informationen als wichtige Charakteristik des neuen Webs, da diese nicht nur Grundlage für die Entstehung einer kollektiven Intelligenz ist, sondern vor allem für neue Geschäftsmodelle mit neuem finanziellem Potential (vgl. Friedman2008, S.27 f). Im Gegensatz dazu versucht Roggenkamp die Begrifflichkeit Web 2.0 nicht weiter aufzublasen, sondern sie genauer zu definieren, indem er die Fragen nach dem wie und wodurch außen

Ausführungen und bietet somit eine Basis für Kritiken, Ergänzungen und vielf¨altige Inter- pretationen. So beschreibt beispielsweise der BITKOM3 Web 2.0 vordergründig nicht als neues Nutzungsprinzip des Internets, sondern als Organisationskonzept, das ”die Vernet- zung von Personen, Sachen und Dingen besser, einfacher und kostengünstiger“(Kaczorowski u. a. 2008, S.4) vorantreiben kann und erweitert somit den Grundgedanken der kollektiven Intelligenz um die konkrete Idee des hierarchiefreien, weltumspannenden und verknüpften Wissens. Auch Friedman sieht die, auf neuen Werkzeugen und Technologien basierende, per- manente Vernetzung der Informationen als wichtige Charakteristik des neuen Webs, da diese nicht nur Grundlage für die Entstehung einer kollektiven Intelligenz ist, sondern vor allem für neue Geschäftsmodelle mit neuem finanziellem Potential (vgl. Friedman 2008, S.27f). Im Gegensatz dazu versucht Roggenkamp die Begrifflichkeit Web 2.0 nicht weiter aufzublasen, sondern sie genauer zu definieren, indem er die Fragen nach dem wie und wodurch außen vor lässt, den Oreilly’schen Ansatz auf ein Minimum herunterbricht und damit schließt, dass das Web 2.0 der Prozess der aktiven Integration des Nutzers in das World Wide Web sei (vgl. Roggenkamp 2010, S.39). Ein Vergleich der Aussagen macht deutlich, dass verschie- dene Autoren zwar je nach ihrem Interessengebiet mitunter unterschiedliche Konsequenzen aus ihren Betrachtungen ziehen, ihr Ausgangspunkt, also die durch Oreilly geprägten Prin- zipien, allerdings eine einheitliche Basis bilden. Das öffentliche Internet wurde somit zum Mitmach-Web erklärt, das durch Grundsätze wie Aktiv statt Passiv, Das Web sind wir, Je mehr mitmachen, desto besser das Angebot und Nichts ist endgültig geprägt wird (vgl. Kac- zorowski u. a. 2008, S.9f). Web 2.0 setzt sich also aus einer Reihe von Konzepten zusammen, die das Miteinander fördern und neue Nutzungsmöglichkeiten des Internets erlauben. vor lässt, den Oreilly’schen Ansatz auf ein Minimum herunterbricht und damit schließt, dass das Web 2.0 der Prozess der aktiven Integration des Nutzers in das World Wide Web sei (vgl. Roggenkamp 2010, S.39). Ein Vergleich der Aussagen macht deutlich, dass verschie- dene Autoren zwar je nach ihrem Interessengebiet mitunter unterschiedliche Konsequenzen aus ihren Betrachtungen ziehen, ihr Ausgangspunkt, also die durch Oreilly geprägten Prin- zipien, allerdings eine einheitliche Basis bilden. Das öffentliche Internet wurde somit zum Mitmach-Web erklärt, das durch Grundsätze wie Aktiv statt Passiv , Das Web sind wir , Je mehr mitmachen, desto besser das Angebot und Nichts ist endgültig geprägt wird (vgl. Kac- zorowski u. a. 2008, S.9f). Web 2.0 setzt sich also aus einer Reihe von Konzepten zusammen, die das Miteinander fördern und neue Nutzungsmöglichkeiten des Internets erlauben.

3.3 Kollektive Intelligenz

Zentrales Prinzip des neues Webs ist die Förderung und Nutzung kollektiver Intelligenz. Diese äußert sich insbesondere in der Akkumulation und Verwertung von sogenanntem User- Generated-Content4 in den unterschiedlichsten Facetten. Als populäre Beispiele können an dieser Stelle beispielhaft der PageRank-Algorithmus von Google, die Online-Enzyklopädie Wikipedia oder das Online-Versandhaus Amazon genannt werden, wobei die simple Idee hin- ter allen diesen Diensten in wenigen Worten zusammengefasst werden kann - sie nutzen das Wissen, die Interessen und die Kreativität ihrer Nutzer, um das eigene Angebot zu verbessert. Während Googles PageRank nicht ausschließlich die zu indexierenden Web-Dokumente be- wertet, sondern auch die Häufigkeit der Verlinkung auf anderen Seiten, also die Empfehlung anderer Nutzer, indirekt in die Klassifizierung einfließen lässt und somit die Suchergebnis- se der eigenen Suchmaschine optimiert, nutzt die Wikipedia das Wissen der Nutzer direkt, indem diese kollaborativ Inhalte einfügen, korrigieren und ergänzen können (vgl. Friedman 2008, S.37ff). Der Erfolg von Amazon wiederum basiert auf dem extensiven Angebot von Bewertungs- und Empfehlungsmechanismen, die es Nutzern zum Beispiel ermöglichen, Pro- duktbeschreibungen um eigene Rezensionen zu erweitern, die die Kaufentscheidungen ande- rer Nutzer unmittelbar beeinflussen können. Gemein ist diesen Online-Diensten, wie auch den meisten anderen Services, die auf User-Generated-Content setzen, dass auf der einen Seite ihr mittelbarer Erfolg von der Zuarbeit der Nutzer abhängig ist und die Dienste auf der anderen Seite umso attraktiver für die Nutzer werden desto mehr Personen mitmachen. Web 2.0 -User entscheiden auf diese Weise selbst über Erfolg oder Misserfolg eines neuen Web-Services beziehungsweise eines Geschäftsmodells.

Nebenerscheinungen dieser, oft durch die kommunikative Interaktion von Individuen ent- stehende Weisheit der Massen (Wisdom of Crowds (siehe O’Reilly 2005)) sind die Ethik der Kooperation und die sogenannte Folksonomy5. Während erstere die neue Rolle der Diens- teanbieter als Vermittler zwischen den Nutzern beschreibt, deren Aufgabe es ist Ressourcen zu bündeln und für Verfügbarkeit zu sorgen (vgl. Friedman 2008, S.39f), charakterisiert Folksonomy das Konzept der kollaborativen Verschlagwortung, bei der Nutzer Inhalte frei mit Begriffen assoziieren können und somit zur besseren Einordnung von Fotos, Videos, Texten oder anderen Inhalten beitragen (vgl. Roggenkamp 2010, S.24f).

Durch das Web 2.0 kommt es folglich zu einer immer stärker werdenden Aufhebung des klassischen Sender-Empfänger-Prinzips, bei dem idealtypisch ein aktiver Sender, der eine Nachricht übermitteln wollte, einem oder mehreren passiven Empfängern gegenüberstand. Die zunehmende demokratischere Verteilung von Wissen und Meinungen, die auf den von Oreilly zusammengefassten Kernkonzepten fußt, dass aus Empfängern auch Sender wer- den, da ihnen nun die dazu notwendigen Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, birgt Chancen der Wiederbelebung demokratischer Kompetenzen (vgl. Kiellisch 2010). Mit Blogs, Wikis, Social Communities und Crowdsourcing werden im Folgenden einige ausgewählte Web

2.0 -Konzepte und Kommunikationsmittel, durch welche diese Entwicklung erst möglich gemacht wurde und die somit zu den heutigen Grundbausteinen des interaktiven, sozialen Webs gehören, stellvertretend für das gesamte neue WWW6, näher betrachtet.

3.4 Blogs

Die Begriffe Weblog7 und Blog8 bezeichnen synonym eine Klasse von Webseiten, die sich vor allem durch ihre chronologischen Inhaltserweiterung entlang einer nachvollziehbaren Zeitach- se auszeichnen und somit, zum Beispiel durch die verbreitete Kombination mit RSS-Feeds9, das Abonnieren von neuen Blog-Einträgen ermöglichen. Die Verlagerung klassischer Tage- bucheinträge und Journale ins Internet und die damit einhergehende Veröffentlichung eigener Inhalte, Meinungen und Gedanken durch eine breite Masse von Nutzern wurde durch das Aufkommen einfach zu bedienender Blogsoftware wie Wordpress im Jahre 2004 und ferti- ger online Blogapplikationen wie Google’s Blogger in 2003 initiiert (vgl. Roggenkamp 2010, S.37). Diese offenen Personal-Publishing-Systeme ermöglichen es Nutzern, ähnlich wie die in Abschnitt 3.5 beschriebenen Wikis, auch ”ohnefundierteProgrammierkenntnissebeliebige Inhalte schnell [zu] publizieren und [zu] verbreiten“ (Friedman2008, S.40 ). Blogs werden, indem sie somit Bürgerinnen und Bürgern eine aktive Rolle im Zusammenhang mit der Nachrichtenverbreitung ermöglichen, zum Inbegriff des Grassroutes Journalism 10 der sich die Schaffung unabhängiger Medien zum Ziel gesetzt hat, um so die Demokratie zu stärken.

[...]


1 Der Grundgedanke hinter kollektiver Intelligenz ist, dass es durch die Zusammenarbeit von Menschen und die Verknüpfung von Daten möglich wird Aufgaben zu lösen und/ oder neue Erkenntnisse zu erlangen, zu was ein Einzelner nicht in der Lage gewesen wäre. Zum Begriff (vgl. Segaran 2008, S.2ff).

1 O’Reilly ist ein weltweit bekannter Verlag, der Bücher über Computertechnologien für Entwickler, Admi- nistratoren und Anwender publiziert, vgl. http://www.oreilly.de/oreilly/about.html.

2 Dot-Com-Krise ist ein Kunstbegriff, der auch als Dot-Com-Blase in die öffentlich Wahrnehmung einge- gangen ist und das Scheitern von überbewerteten Geschäftsmodellen im Internet und den damit zusam- menhängenden Aktienkurseinsturz von Internet-Unternehmen rund um das Jahr 2000 beschreibt, vgl. http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/0,2828,186368,00.html

3 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.

4 User-Generated-Content grenzt sich als antonym vom sogenannten Provider-Generated-Content ab und bezeichnet somit eine durch Nutzer freiwillig erbrachte Erweiterung des Inhalts einer Webseite. Neben dem veröffentlichen von Videos, Fotos und eigenen Texten zählen dazu zum Beispiel auch (Meinungs-)

Kommentare, Bewertungen oder das Teilnehmen an Umfragen.

5 Der Begriff Folksonomy setzt sich aus den englischen Begriffen Folks (Leute) und Taxonomy (Klassifizierung) zusammen.

6 World Wide Web

7 Der Begriff Weblog geht auf den Amerikaner Jorn Barger zurück, der den Begriff 1997 zum ersten Mal verwendete und heutzutage als Weblogpionier gilt (vgl. Büffel 2006)

8 Blog geht auf Peter Merholz zurück, der den Begriff Weblog 1999 erstmals in Crystal 2006, S.239). ”weblog“aufspaltete(vgl.

9 Really Simple Syndication (RSS) gehört aufgrund der Einfachheit zu den am häufigsten genutzten Tech- nologien im Web 2.0 . RSS ermöglicht das dynamische zur Verfügung stellen von Web-Inhalten via XML- Codierung und ermöglicht so ein simples Abonnieren von Inhalten über einen RSS-Reader (vgl. Friedman 2008, S.42).

10 Auch Citizen Journalism oder partizipativer Journalismus.

Details

Seiten
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783656121138
ISBN (Paperback)
9783656121541
DOI
10.3239/9783656121138
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Potsdam – Institut für Informatik
Erscheinungsdatum
2012 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
Web 2.0 Politik Partizipation E-Government Open-Government Politik 2.0
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Titel: Web 2.0 und politische Partizipation
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