Der Mensch als handelndes Wesen in der Kritik der praktischen Vernunft bei Immanuel Kant
Zusammenfassung
Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit unter Rückgriff auf Immanuel Kants kategorischen Imperativ der praktischen Vernunft im wesentlichen eine Antwort finden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Der Mensch als Vernunftwesen
II. Über den Willen
III. Der Begriff der Freiheit
IV. Zum Grundsatz der reinen praktischen Vernunft
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Mensch existiert in der Welt als bedürftiges Wesen. Um leben zu können benötigt er Nahrung, Schlaf, Gesellschaft, Zuwendung, Liebe, etc. Doch darüber hinaus strebt er danach, sein eigenes Selbst zu finden und zu verwirklichen, um zu einem ganzheitlichen Wesen zu werden. Dieses Streben und seine zugrunde liegenden unterschiedlichen Motive fordern den einzelnen zu aktivem Handeln heraus. So versucht der Mensch, seinen Zielvorstellungen näherzukommen.
Doch wie frei ist das Individuum in seinem Handeln? Kann es sich überhaupt als frei handelndes Wesen erfahren? Oder ist es vielmehr abhängig von determinierten Bedingungen? Und welche Beweggründe liegen seinen Taten zugrunde? Wonach richtet sich der handelnde Mensch bzw. worauf basieren seine Aktionen?
Auf diese Fragen versucht die vorliegende Arbeit im wesentlichen eine Antwort zu geben. Inhaltlich beziehe ich mich ausschließlich auf Immanuel Kants Kritik der praktischen Vernunft. Biographische Hintergründe des Philosophen wurden hier nicht berücksichtigt. So soll im folgenden unter Rückgriff auf Kants zentrale Begriffe von Vernunft, Wille, Freiheit sowie der Bedeutung des kategorischen Imperativs der praktischen Vernunft der Mensch als handelndes Wesen in den Blick genommen werden.
I. Der Mensch als Vernunftswesen
Immanuel Kant begreift den Menschen als Vernunftswesen. D.h. er setzt Vernunft als eine jedem menschlichen Wesen innewohnende Größe voraus, welche aus sich heraus ursprünglich - d.h. a priori - und nicht mehr zerteilbar ist. Praktische Vernunft an sich ist autonom; sie bezieht sich in ihrer Erkenntnis auf eine intelligible - d.h. durch Vernunft einsehbare, jedoch nicht durch Empirie erfassbare - Welt.1 Die Vernunft versetzt den Menschen in die Lage, sich selbst Regeln, Vorschriften oder Gesetze zu geben, an welchen er sein Handeln ausrichten kann. Kant drückt das wie folgt aus:
„ Reine Vernunft ist f ü r sich allein praktisch und gibt (dem Menschen) ein allgemeines Gesetz, welches wir Sittengesetz nennen. “ 2
Kant differenziert hier noch genauer. Einerseits kann sich ein Individuum an subjektiven Grundsätzen oder Prinzipien orientieren. Kant spricht dann von so genannten Maximen. Als objektiv bezeichnet er jene praktischen Grundsätze, die auch für andere Individuen an Gültigkeit besitzen und von allgemeiner Bedeutung (für eine Gesellschaft) sein können. Vgl. nachfolgende Definition:
„ Praktische Grunds ä tze sind S ä tze, welche eine allgemeine Bestimmung des Willens enthalten, die mehrere praktische Regeln unter sich hat. Sie sind subjektiv oder Maximen, wenn die Bedingung nur als f ü r den Willen des Subjekts g ü ltig von ihm angesehen wird; objektiv aber oder praktische Gesetze, wenn jene als objektiv, d. i. f ü r den Willen jedes vern ü nftigen Wesens g ü ltig erkannt wird. “ 3
Zur Verdeutlichung wären folgende Beispiele vorstellbar:
a) Subjektiver Grundsatz:
Ein Aktionär investiert sein Geld in neue Wertpapiere, weil er sich davon einen höheren Gewinn verspricht.
b) Objektiver Grundsatz:
Raub und Diebstahl sind gesetzlich verboten; denn wenn sich jeder nach Belieben am Besitz des anderen bedienen würde, herrschte Chaos in einer Gesellschaft. Achtung und Wertschätzung des anderen gingen verloren, womit letztlich niemand wirkliche Glückseligkeit für sich erreichen würde.
II. Über den Willen
Neben der Vernunft spricht Kant von einem a priorischen Willen, über welchen jedes Individuum verfügt. Herbert Meyer zufolge wird er als Instanz transzendentaler Freiheit angesehen und kann daher nicht erkannt werden.4 Der Wille gilt als autonom und frei. D.h. er existiert unabhängig von empirischen und naturgesetzlichen Erscheinungen und gibt sich seine Gesetze selbst.5 Nur so kann sein unbedingter Anspruch garantiert werden.6 Der Bestimmungsgrund seiner selbst findet sich nicht in Objekten der Materie, sondern liegt ausschließlich in der bloßen gesetzgebenden (vernunftmäßig gedachten) Form einer Maxime.7 An anderer Stelle äußert sich Kant dazu wie folgt:
„ Die Vernunft bestimmt in einem praktischen Gesetze unmittelbar den Willen, nicht vermittelst eines dazwischenkommenden Gef ü hls der Lust und Unlust, (...). “ 8
Wie Herbert Meyer anführt, ist der Wille nicht in einer konkreten oder theoretischen Betrachtung einer Handlung faßbar, sondern kann erst im Nachhinein, d.h. durch Reflexion des Handelns unter sittlicher Perspektive erkannt werden.9
Der Wille beinhaltet nach Kant unterschiedliche Bestimmungsgründe bzw. Begehrungsvermögen. Sie lassen den Menschen nach bestimmten Gegenständen, Zielvorstellungen oder Zuständen streben. Durch den Gegenstand des jeweiligen Begehrungsvermögens wird der Mensch zum Handeln bewegt. Charakteristisch für jeden Menschen ist nach Kant das Streben nach (persönlichem) Glück, Glückseligkeit und Zufriedenheit. Diese sinnliche Komponente folgt dem (persönlichen) Lust- / Unlustprinzip und bestimmt daher das so genannte untere Begehrungsvermögen des Willens. Von Materie abhängige Bestimmungsgründe des Willens können Kant zufolge nicht gesetzgebend sein, da sie lediglich subjektiven Beweggründen entspringen.10
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1 vgl. Volpi 1999, S. 799
2 Kant 1990, S.37
3 Kant 1990, S. 21
4 vgl. Meyer 1996, S. 68
5 vgl. Kant 1990, S. 33 / Höffe 2002, S. 73
6 vgl. Meyer 1996, S. 75
7 vgl. Kant 1990, S. 33 f.
8 Kant 1990, S. 28
9 vgl. Meyer 1996, S. 70
10 vgl. Kant 1990, S. 28