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Inklusion nach der Behindertenrechtskonvention

©2010 Hausarbeit 12 Seiten

Zusammenfassung

Der Index für Inklusion gibt die Möglichkeit, eine inklusive Schulentwicklung zu fördern. Mit der dazugehörigen Materialsammlung (z.B. Fragebögen) kann er jeder einzelnen Schule bei den Schritten auf dem Weg hin zu einer „Schule für alle“ helfen, die eine Pädagogik der Vielfalt anstrebt. Er soll ein Hilfsmittel sein, um ein inklusives Leitbild der Schule zu entwickeln. Er benutzt den Begriff Inklusion, und meint damit die Erziehung und Bildung aller Kinder und Jugendlichen. Die drei Dimensionen des Index sind: inklusive Kulturen schaffen, inklusive Strukturen etablieren und inklusive Praktiken entwickeln.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Die Behindertenrechtskonvention (BRK)

2. Theorieteil: Inklusion

3. Praxisteil: Stellungnahme einiger Politiker des Bayerischen Landtages zur Inklusion

4. Individuelle persönliche Position zur inklusiven Schule

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Die Behindertenrechtskonvention (BRK)

Nach Schätzungen leben 650 Millionen Menschen weltweit mit einer Behinderung. Es gibt nur in etwa 45 Staaten Vorschriften, die die Rechte Behinderter besonders schützen. Deshalb beschloss die Generalversammlung 2001, dass Vorschläge und ein internationales Übereinkommen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von Behinderten entwickelt werden sollten. Nach fünf Jahren, am 13.12.2006 nahm die Generalversammlung das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ („UN-Behindertenrechtskonvention“) sowie das dazugehörige Zusatzprotokoll an.

Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete dieses Übereinkommen sowie das Fakultativprotokoll am 30.03.2007 in New York. Nach der Ratifizierung trat die UN-Behindertenrechtskonvention am 26.03.2009 in Deutschland in Kraft. Für die Politik, in der Verwaltung und vor Gerichten gilt es als verbindliches Recht. „Bund und Länder haben sich damit (nach Art. 4 BRK) verpflichtet, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen; Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu verhindern; geeignete Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstige Maßnahmen zu treffen, damit die Vorgaben der Konvention realisiert werden.“[1]

Schlüsselbegriffe sind bei der Konvention Würde, Teilhabe, Selbstbestimmung, Inklusion, Barrierefreiheit und Chancengleichheit. Behinderung wird nun als Menschenrechtsthema anerkannt. Mit der Behindertenrechtskonvention wurden keine neuen Rechte geschaffen, sondern nur die bestehenden auf die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen angepasst. Sie umschließt Lebensbereiche wie Teilhabe am politischen Leben, Gleichberechtigung, Nichtdiskriminierung, Bildung, Gesundheit, Beschäftigung, Barrierefreiheit, persönliche Mobilität und Rehabilitation. Grundlegend für die Konvention ist die Leitidee der Inklusion: Menschen mit Behinderungen gehören von Anfang an mitten in die Gesellschaft. Nach aktuellem Stand in Deutschland wird bis März 2011 ein Aktionsplan erstellt, der konkrete Maßnahmen für die Umsetzung der Konvention benennt und zuständige Stellen mit der Umsetzung beauftragt.

Interessant sind die Artikel 8 und Artikel 24 der BRK(Behindertenrechtskonvention).

In Art. 8 geht es um die Bewusstseinsbildung: Es sollen Maßnahmen ergriffen werden um „das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und Würde zu fördern; Klischees, Vorurteile und schändliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen (…) zu bekämpfen; das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu fördern.“[2]

In Artikel 24 wird der Aspekt der Bildung thematisiert: Ein integratives[3] Bildungssystem soll ermöglicht werden mit dem Ziel, „die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen (…); Menschen mit Behinderung ihre Persönlichkeit, ihre Begabung und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen; Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.“[4]

Im weiteren Teil meiner Arbeit möchte ich den Begriff Inklusion und seine Bedeutung für das Bildungssystem näher betrachten und die Stellungnahmen und Positionen von Politikern des Bayerischen Landtages vorstellen.

2. Inklusion

2.1 Begriff

„Inklusion bedeutet Einbeziehung, Einschluss, Einbeschlossenheit, Dazugehörigkeit. Die Idee der Inklusion besteht darin, dass kein Kind oder Schüler mehr als >andersartig< angesehen werden soll. Alle Kinder sind förderbedürftig.“[5]

Nach Hinz und Boban bedeutet Inklusion „Veränderung und einen nicht endenden Prozess von gesteigertem Lernen und zunehmender Teilhabe aller SchülerInnen“[6]

Weiterhin bedeutet Inklusion in Erziehung und Bildung „die gleiche Wertschätzung aller SchülerInnen und MitarbeiterInnen, die Steigerung der Teilhabe aller SchülerInnen an […] Kultur, Unterrichtsgegenständen und Gemeinschaft ihrer Schule, […] den Abbau von Barrieren für Lernen und Teilhabe aller SchülerInnen […], die Sichtweise, dass Unterschiede zwischen den SchülerInnen Chancen für das gemeinsame Lernen sind und nicht Probleme, die es zu überwinden gilt, […] das Recht auf wohnortnahe Bildung und Erziehung […]“[7] etc.

„Inklusion geht es darum, alle Barrieren in Bildung und Erziehung für alle SchülerInnen auf ein Minimum zu reduzieren.“[8]

Der Index für Inklusion gibt die Möglichkeit, eine inklusive Schulentwicklung zu fördern. Mit der dazugehörigen Materialsammlung (z.B. Fragebögen) kann er jeder einzelnen Schule bei den Schritten auf dem Weg hin zu einer „Schule für alle“ helfen, die eine Pädagogik der Vielfalt anstrebt. Er soll ein Hilfsmittel sein, um ein inklusives Leitbild der Schule zu entwickeln. Er benutzt den Begriff Inklusion, und meint damit die Erziehung und Bildung aller Kinder und Jugendlichen. Die drei Dimensionen des Index sind: inklusive Kulturen schaffen, inklusive Strukturen etablieren und inklusive Praktiken entwickeln.

2.2 Inklusion ist nicht Integration

Im bisherigen Bildungssystem in Deutschland findet häufig Selektion statt. Auch spricht man von Kindern „mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ und denen „ohne sonderpädagogischen Förderbedarf“. Somit wird zwischen normalen und andersartigen Kindern differenziert. Diese „andersartigen“ mit Behinderungen, Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten werden meist an die Sonder-/Förderschule überwiesen und somit von der normalen Schule ausgeschlossen. „[…] mit dem Begriff (Integration wird) vorwiegend die sozial- und bildungspolitische Absicht ausgedrückt, >Behinderte< in die Gesellschaft einzugliedern.“[9] Von Integration aus schulischer Sicht spricht man, wenn ein Kind/SchülerIn nach dem Sonder-/Förderschulbesuch an eine Regelschule wechselt. Dies ist für die Eltern mit erheblichen Belastungen verknüpft. Sie müssen große Hürden überwinden: sie müssen sich vor den anderen Eltern, LehrerInnen, Schulleitern, dem Schulamt etc. rechtfertigen, eine passende Schule finden, die das Kind integrieren will und wahrscheinlich auch wenn das Kind bereits in der Regelschulklasse ist, sich weiterhin durchkämpfen (Wie geht es in der nächsten Klasse weiter?, Wohin kommt das Kind nach Beendigung der Grundschulzeit?).

Mit dem Ansatz der Inklusion würden diese Hürden wegfallen. Alle Kinder besuchen eine Schule. Es wird nicht mehr nach „normalen“ und „behinderten“ Kindern differenziert. Jedes Kind hat einen Förderbedarf und wird danach individuell gefördert. Dies soll zu mehr Gleichberechtigung, Chancengleichheit und vor allem zu einem hohen Bildungsstandard führen. „Jeder Mensch hat […] ein unteilbares Anrecht darauf, als gleichwertig und gleichberechtigt respektiert zu werden, sowie selbstbestimmter Gestalter seines Lebens innerhalb der Gesellschaft zu sein, ungeachtet der ihm möglichen oder nicht möglichen Leistungen. […] Geht man von dieser Vorstellung von Mensch und Sein aus, erübrigt sich die Notwendigkeit von Integration, da eine humane und demokratische Gesellschaft keinen Menschen aus ihrer Mitte ausschließt.“[10]

2.3 Praktische Umsetzung

In der Literatur gibt es einige Vorschläge zur Umsetzung inklusiver Ideen in der Unterrichtpraxis.

Bintinger und Wilheim sprechen in ihrem Aufsatz „Inklusiven Unterricht gestalten“ über die inklusive Pädagogik, Aspekte der Didaktik und wie man inklusiven Unterricht gestalten kann (Arbeit am gemeinsamen Gegenstand). Es müssen Lehr- und Lernformen genutzt werden, „die den Unterschiedlichkeiten der Schüler Rechnung tragen und dabei gleichzeitig bedeutungsvolle individuelle sowie kooperative Lernprozesse begünstigen. […] Diese Art schulischen Lernens, die in etwa mit Lernen in Projekten vergleichbar ist, ermöglicht eine weitgehend individualisierte Unterrichtsgestaltung, bei der dennoch die Zielvorstellung des Miteinanders in Kooperation gewährt bleibt. […] Hinter diesem Konzept steht also die pädagogische Herausforderung, jedes gemeinsame Vorhaben in die >Gestalten< zu bringen, in denen sie alle SchülerInnen auf der Ebene ihrer jeweiligen Wollens-, Wahrnehmungs-, Handlungs- und Denkkompetenz als bedeutsam annehmen und sich aneignen können.“[11] Um die Schule zu verändern, muss natürlich auch die Lehrerbildung in der Universität in der Zukunft eine andere Richtung einschlagen: eine inklusive Lehrerbildung.

In Strählings Buch „Du gehörst zu uns – Inklusive Grundschule – Ein Praxisbuch für den Umbau der Schule“ spricht er vom Anliegen einer inklusiven Pädagogik und von konkreten strukturellen Schritten zur Inklusion in der Grundschule Berg Fidel. Wichtig ist ihm vor allem, dass erfolgreiche Inklusion nicht nur einfach „Schule für alle“ oder Heterogenität bedeutet, „sondern auch ein verlässliches Klima, in dem jeder willkommen geheißen wird“.[12] Diese Sätze implizieren soziale Botschaften und steigern in solchem Klima die Leistung.[13] Bei der Umsetzung sind Strähling die Gleichverteilung des sonderpädagogischen Personals in allen Klassen, feste multiprofessionelle und kontinuierliche Teams als Standard, die gemeinsame Verantwortung des Teams für alle Kinder der Klasse und jahrgangsübergreifende Klassen an seiner Schule besonders bedeutend.

[...]


[1] Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen (online)

[2] Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, Art.8

[3] Integrativ! – es wird nicht wie im Originaltext von einem „inklusiven“ Bildungssystem gesprochen

[4] Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, Art.24

[5] Gewerkschaft, Erziehung und Wissenschaft über Inklusion http://www.gew.de/Inklusion_3.html

[6] Boban/Hinz: Index für Inklusion S. 10

[7] Ebd. S. 10

[8] Ebd. S. 11

[9] Bintinger/Wilhelm: Inklusiven Unterricht gestalten

[10] Ebd.

[11] Bintinger/Wilhelm: Inklusiven Unterricht gestalten

[12] Strähling: Du gehörst zu uns, S.153

[13] Vgl. ebd.

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783656133148
ISBN (Buch)
9783656132844
DOI
10.3239/9783656133148
Dateigröße
409 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg
Erscheinungsdatum
2012 (Februar)
Schlagworte
inklusion behinderung grundschule menschenrechtskonvention positionspapiere gesellschaft behindertenrechtskonvention
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Titel: Inklusion nach der Behindertenrechtskonvention