Glücksforschung - ein Überblick über empirische Ergebnisse
Zusammenfassung
Zu Beginn wollen wir uns erst einmal mit dem Glücksbegriff an sich
auseinandersetzen und verschiedene Korrelationen mit Glück ansprechen. Anschließend wird erklärt, mit was sich die Glücksforschung beschäftigt und welche Verfahren in der
Praxis angewendet werden. Dabei soll auch auf Indikatoren wie Net Affect oder U-Index eingegangen werden. Mit ihnen können zeitliche und örtliche Schranken überwunden werden und die Zufriedenheit von Personen unter verschiedenen Gegebenheiten verglichen werden.
In einem weiteren Teil untersuchen wir das Glücksempfinden der Menschen im Bezug auf ökonomische Aspekte. Dabei betrachten
wir Abhängigkeiten des empfundenen Glücks von Einkommen, Arbeitslosigkeit und Inflation und vergleichen auch Messungen aus unterschiedlichen Ländern.
Abschließend fassen wir unsere gewonnen Ergebnisse zusammen und erläutern, inwiefern hilfreiche Erkenntnisse aus der Glücksforschung Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik oder das Handeln von Unternehmen und einzelnen Individuen geben können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist Glück?
3. Glücksfaktoren und Korrelationen mit Glück
4. Was ist Glücksforschung?
5. Glück und Einkommen
5.1 Individuelles Einkommen
5.2 Einkommensentwicklung
5.3 Ländervergleich
6. Glück und Arbeitslosigkeit
6.1 Persönliche Erwerbslosigkeit
6.2 Auswirkungen auf die Allgemeinheit
7. Glück und Inflation
8. Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 3.1 Quellen für Glück und Wohlbefinden
Abb. 3.2 Flow-Kanal
Abb. 5.1 Glück und Einkommen in den Vereinigten Staaten
Abb. 5.2 Durchschnittliches subjektives Wohlbefinden in Japan 1958-1987
Abb. 5.3 Anspruchsniveauverschiebung
Abb. 5.4 Lebenszufriedenheit und BIP pro Kopf
Tab. 4.1 Mean Net Affect by Activity
Tab. 5.1 Verteilung nach Glücks- und Einkommenskategorien
Tab. 5.2 Lebenszufriedenheit in Europa 1975-1992
Tabelle 6.1 Regressionswerte für Einflussfaktoren auf persönliche Lebenszufriedenheit
Tabelle 6.2 Regressionsergebnisse für Einflussfaktoren auf die Gesellschaft
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Was versteht man unter Glück? Ist Glück eigentlich messbar? Macht mehr Einkommen wirklich glücklicher? Diese Arbeit soll Antworten auf obige und weitere Fragen im Zusammenhang mit der Glücksforschung geben und einige empirische Ergebnisse zusammenfassen. Zu Beginn wollen wir uns erst einmal mit dem Glücksbegriff an sich auseinandersetzen und verschiedene Korrelationen mit Glück ansprechen. Anschließend wird erklärt, mit was sich die Glücksforschung beschäftigt und welche Verfahren in der Praxis angewendet werden. Dabei soll auch auf Indikatoren wie Net Affect oder U- Index eingegangen werden. Mit ihnen können zeitliche und örtliche Schranken überwunden werden und die Zufriedenheit von Personen unter verschiedenen Gegebenheiten verglichen werden. In einem weiteren Teil untersuchen wir das Glücksempfinden der Menschen im Bezug auf ökonomische Aspekte. Dabei betrachten wir Abhängigkeiten des empfundenen Glücks von Einkommen, Arbeitslosigkeit und Inflation und vergleichen auch Messungen aus unterschiedlichen Ländern. Abschließend fassen wir unsere gewonnen Ergebnisse zusammen und erläutern, inwiefern hilfreiche Erkenntnisse aus der Glücksforschung Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik oder das Handeln von Unternehmen und einzelnen Individuen geben können.
2. Was ist Glück?
Untersucht man die Herkunft des Wortes „Glück“, so stößt man auf das seit dem 12. Jahrhundert im Mittelhochdeutschen verbreitete Wort „gelücke“. Dies beschreibt die „Art, wie etwas endet“. Mit der Frage nach dem Glück haben sich schon Philosophen wie Aristoteles vor hunderten von Jahren beschäftigt und versucht, eine Erklärung dieses Begriffs zu geben. Vergleicht man ihre persönlichen Vorstellungen und Definitionen von Glück, so stößt man auf die unterschiedlichsten Aussagen, die sich teilweise sogar widersprechen. Schnell wird klar, dass jedes Individuum unter dem Begriff „Glück“ etwas anderes versteht und es sehr schwierig ist, eine allgemeingültige Abgrenzung zu formulieren. Jedoch lässt sich sehr wohl sagen, dass die Menschen unter Glück eigentlich immer etwas Positives verstehen und dabei sehr oft die Lebensqualität eine wichtige Rolle spielt. Fest steht auch, dass wir uns das Erlangen von Glück und Zufriedenheit zu einem der höchsten Ziele gemacht haben, was beispielsweise auch durch die Aufnahme des „Pursuit of Happiness“ als unveräußerliches Recht in der amerikanischen Verfassung unterstrichen wird. Trotz der oben erwähnten Problematik, einen vernünftigen Glücksbegriff anzugeben, sollte man eine grundsätzliche Kategorisierung von Glück vornehmen. Dabei unterscheidet man zwischen einerseits „Glück haben“, womit beispielsweise ein Gewinn im Lotto gemeint ist, und andererseits „Glück empfinden“. Letzteres beschreibt ein Gefühl, das man über eine gewisse Zeitspanne, die hier oft noch in kurz- und langfristig unterteilt wird, empfindet. Von nur kurzer Dauer sind Ereignisse, die meist etwas mit Genuss zu tun haben und nur Glücksmomente darstellen, wie zum Beispiel ein gutes Abendessen oder eine Party mit Freunden. Hält dieses Gefühl über einen längeren Zeitraum an oder erfährt man viele Glücksmomente hintereinander, so spricht man in der Glücksforschung von subjektivem Wohlbefinden, einer gewissen Lebenszufriedenheit, die sich bei den Menschen dann einstellt. (Ruckriegel 2007)
Diese Art von Glück ist es auch, die in der Glücksforschung vorwiegend durch Befragungen näher untersucht wird. Das anfangs angeführte Zufallsglück spielt hierbei keine Rolle. Im Gegensatz zum subjektiven Glück lässt sich auch noch das Konzept des objektiven Glücks beschreiben, welches sich hauptsächlich mit psychologischen und neurobiologischen Ansätzen beschäftigt. Gerade in der Hirnforschung konnten in jüngster Zeit interessante Erkenntnisse gewonnen werden. So lässt sich beobachten, dass bei positivem Empfinden wie Freude oder Glück die linke Gehirnhälfte aktiv ist und bei negativen Emotionen wie Abneigung oder Hass die rechte Hälfte des Gehirns angesprochen wird. Da jedoch bei den Untersuchungen in dieser Arbeit kognitive Faktoren und das Urteil verschiedener Perrsonen eine große Rolle spielen, soll auf die objektive Erfassung des Glücks nicht weiter eingegangen werden. (Stutzer 2003)
Nachdem wir uns nun mit dem Glücksbegriff näher beschäftigt haben, wollen wir im folgenden Abschnitt überprüfen, welche Faktoren das Glück beeinflussen und ob es allgemein Korrelationen mit Glück gibt.
3. Glücksfaktoren und Korrelationen mit Glück
Der britische Nationalökonom und Professor Richard Layard von der London School of Economics hat beobachtet, dass trotz einer kontinuierlichen Steigerung des Wohlstands in den westlichen Industrieländern das empfundene Glück bzw. die Lebenszufriedenheit relativ gleich geblieben ist. Darauf wird auch noch in einem späteren Teil genauer eingegangen. Layard will versuchen, aus den gemachten Beobachtungen Leitlinien für Politik und Wirtschaft zu geben und macht dabei auch einige radikale und unbequeme Vorschläge, mit welchen er oft auf harte Kritik und Empörung stößt, was aber in dieser Arbeit nicht näher diskutiert werden soll. Ihm geht es darum, dass die Menschen einen höheren Sinn im Leben als Reichtum und Macht sehen und sein Ziel ist es, Glück für die ganze Gesellschaft zu erlangen. Dazu stellt Layard sieben Glücksfaktoren auf, die erheblichen Einfluss auf das empfundene Wohlbefinden haben können:
- familiäre Beziehungen: verheiratete Personen berichten tendenziell von einem höheren persönlichen Wohlbefinden als alleinstehende oder geschiedene Menschen. Auch Erfahrungen aus den frühen Kinderjahren können das spätere Wohlbefinden enorm bestimmen.
- finanzielle Lage: inwiefern das Einkommen Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit der Menschen hat, soll in einem späteren Teil noch näher erörtert werden
- befriedigende Arbeit: wie ebenfalls später noch aufgezeigt wird, hat die unfreiwillige Arbeitslosigkeit einen sehr starken negativen Effekt auf das Wohlbefinden der Menschen. In jedem Fall ist es wichtig, überhaupt eine Arbeitsstelle zu haben, jedoch auch die Qualität der Arbeit ist von hoher Bedeutung für das allgemeine Glück. So leidet bei Personen oft die Arbeitszufriedenheit darunter, dass sie für ihre Tätigkeiten über- oder unterqualifiziert sind. Außerdem müssen aber auch andere Aspekte, wie das Vertrauen zu Kollegen und Vorgesetzten, beachtet werden.
- soziales Umfeld: viele unterschiedliche Beziehungen, wie solche zu seinem Lebenspartner, zu Freunden, Bekannten oder Kollegen können Einfluss auf das Wohlbefinden haben. Aber auch aktive Tätigkeiten in Vereinen und anderen Gruppen oder eine vertraute Nachbarschaft sind ausschlaggebend.
- Gesundheit: hierbei spielt hauptsächlich die subjektive Gesundheit, also wie gesund man sich selbst fühlt, eine große Rolle. So schätzen sich Menschen mit einer pessimistischen Grundeinstellung tendenziell unglücklicher ein. Eine weitaus niedrigere, jedoch durchaus vorhandene, Korrelation mit Glück weist die objektive Gesundheit, die Gesundheit aus Sicht des Arztes, auf. So geben Menschen mit einer körperlichen Behinderung in der Regel eine niedrigere Lebenszufriedenheit als gesunde Menschen an, jedoch passen sie sich mit der Zeit an ihre Situation an und sind manchmal überhaupt nicht so unglücklich, wie andere Außenstehende vielleicht meinen könnten.
- persönliche Freiheit: sich frei in seinem Umfeld zu bewegen, Güter auszutauschen, seine Meinung frei sagen zu dürfen, Gebrauch von seinen Bürgerrechten zu machen; all diese Dinge können sehr stark mit unserem Wohlbefinden korrelieren.
- Lebensphilosophie: verschiedene Bildungsniveaus, unterschiedliche Religionen oder Wertvorstellungen können zu anderen Ausprägungen der empfundenen Lebenszufriedenheit führen
(Ruckriegel, 2007; Grimm, 2006)
Dass die von Layard aufgestellten Glücksfaktoren auch in der Realität auftauchen, zeigt Abbildung 1, eine Auswertung der Befragung von über tausend Erwachsenen in Deutschland 2007. So nennen mehr als die Hälfte der Befragten soziale und familiäre Beziehungen als große Quellen für Glück, aber auch die Arbeitszufriedenheit nimmt einen hohen Stellenwert ein. Von nur mittlerer Gewichtigkeit sind aus Sicht der Bevölkerung eher genusssüchtige Güter („Schönes Haus, schöne Wohnung“, „schöner Urlaub“). Eine lediglich nachrangige Quelle von Glück stellen Dinge dar, die sich bei Layard in den Bereich Lebensphilosophie einordnen lassen („Am kulturellen Leben teilhaben“, „Vereinsmitgliedschaft“, „Teilhaben am Leben in der Kirchengemeinde“).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.1 Quellen für Glück und Wohlbefinden (Bertelsmann Stiftung (2007))
Wichtig für das Erlangen von Glück ist auch die Fähigkeit, sich persönliche Ziele zu setzen und diese zu verfolgen. Wer sich nur ziellos vom Leben treiben lässt und hofft, alles würde sich schon von alleine regeln, wird auf Dauer keine allzu große Lebenszufriedenheit verspüren.
Dies entspricht auch dem Konzept von „Flow“, das durch Mihaly Csikszentmihalyi, führender Glücksforscher und Professor für Psychologie an der University of Chicago, näher beschrieben wird: „Flow bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie gänzlich in einer Beschäftigung »aufgehen«. Entgegen ersten Erwartungen erreichen wir diesen Zustand nahezu euphorischer Stimmung meistens nicht beim Nichtstun oder im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder einer schwierigen Aufgabe widmen.“ (Csikszentmihalyi 2007)
Wir können uns also unter Flow einen Zustand der Erfüllung und Genugtuung vorstellen. Csikszentmihalyi beschreibt folgende wesentliche Kennzeichen von flowerzeugenden Aktivitäten:
- die Aktivität hat klar erkennbare Ziele und eine unmittelbare Rückmeldung: man weiß was man tun muss und erfährt wenn man etwas richtig oder falsch gemacht hat
- es herrscht eine Balance zwischen Anforderungen und unseren Fähigkeiten: man muss der Aktivität gewachsen sein, darf aber gleichzeitig auch nicht überfordert werden
- Verschmelzung von Handlung und Bewusstsein: man ist sich zwar seiner Handlung bewusst, nicht aber seiner selbst; sobald man seine Aktivität „von außen“ sieht, also darüber nachdenkt was man eigentlich macht, wird der Flow unterbrochen
- Gefühl von Kontrolle über die Aktivität: es spielt keine Rolle, ob man die Kontrolle auch wirklich hat, das Gefühl ist entscheidend
- die Sorgen um einen selbst verschwinden: eine gewisse Selbstvergessenheit stellt sich ein, alle unangenehmen Probleme des Alltags verschwinden vorübergehend
- man ist fähig, sich auf sein Tun zu konzentrieren: die Aktivität an sich wird nicht hinterfragt und man lässt sich nicht von anderen Dingen ablenken
- verzerrtes Zeitgefühl
- die Aktivität ist autotelisch: sie geschieht um ihrer selbst Willen, hat also eine Art Selbstzweckhaftigkeit; sie wird ohne Erwartung eines künftigen Vorteils ausgeführt
Anhand der Abbildung 2 kann man sich einen derartigen Flow-Prozess auch grafisch veranschaulichen. Dabei gehen wir von Punkt (1) aus. Es wird eine Aktivität ausgeführt, deren Anspruchsniveau angemessen ist und die eigenen Fähigkeiten in ausreichendem Maße unter Beweis stellt. Wird diese Tätigkeit beispielsweise mehrmals hintereinander oder über einen längeren Zeitraum verrichtet, so mag das wie im Punkt (2) für die jeweilige Person anfangs noch interessant genug sein und sie erweitert durch wiederholtes Lernen ihre Fähigkeiten. Später kann sich aber Routine einstellen und allmählich kommt Langeweile auf. Irgendwann verlässt die ausführende Person den Flow-Kanal und landet im Punkt (3). Hier erfährt sie keinen Flow mehr, da das Anspruchsniveau nicht mehr den gesteigerten Fähigkeiten entspricht. Nun wird versucht, die Unterforderung durch Setzen von neuen Herausforderungen mit einem höheren Anspruch zu beseitigen. Im Punkt (4) sind diese aber zu hoch angesiedelt, man ist mit seinen neuen Aufgaben überfordert und erfährt schnell Stress, Frustration oder sogar Angst. Wieder wird das Anspruchsniveau angepasst und nach mehrmaligen Versuchen landet man schließlich im Punkt (5). Diese mögliche Vorgehensweise soll aufzeigen, dass man sich durch ein ausgewogenes Verhältnis von Herausforderungen und gegebenen Fähigkeiten mit der Zeit im Flow-Kanal „aufwärts bewegen“ und somit beide Komponenten verbessern kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.2 Flow-Kanal (http://achim-achilles.de/img/400/experten/motivation/flow-kanal-grafik.jpg)
Beispiele für derartige Flow-Aktivitäten sind Computer spielen oder das Ausüben einer Sportart. Man sollte sich auch bei seinen Flow-Erlebnissen nicht nur auf ein Tätigkeitsfeld beschränken, sondern beispielsweise in Familie, im sozialen Umfeld oder in der Arbeit aktiv werden. (Ruckriegel 2007, Csikszentmihalyi 1990, Csikszentmihalyi 2007)
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