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Der deutsche Sozialstaat als soziale Innovation

©2011 Hausarbeit 17 Seiten

Zusammenfassung

Der Begriff der sozialen Innovation ist schwammig und weit gefasst, die Inhalte sozialer Innovationen sind dabei je nach wissenschaftlicher Couleur breit ausdifferenziert, weswegen es an einer einheitlichen Definition der sozialen Innovation fehlt. So beschreibt Zapf in seinem Aufsatz „Über soziale Innovationen“ sieben Ansätze zur Einordnung sozialer Innovationen, u.a. aus dem betriebswirtschaftlichen, sozialtechnologischen und politischen Bereich (dazu Zapf 1989). Jeder dieser Ansätze setzt den Fokus der Betrachtung sozialer Innovationen auf ein disziplinspezifisches Spektrum. Häufig werden soziale Innovationen dabei als Rand oder Folgeerscheinungen technischer Innovationen verstanden und beleuchten so nur Ausschnitte des sozialen Geschehens (dazu Aderhold/John 2005).
Im Jahr 2000 hat Katrin Gillwald mit ihrer Arbeit „Konzepte sozialer Innovationen“ eine umfangreiche Literaturanalyse der Thematik unternommen und damit verschiedene Ansätze der Innovationsforschung vorgestellt und zusammengeführt und wichtige Merkmale sozialer Innovationen herausgearbeitet, um den Begriff der sozialen Innovation fassbar zu machen.
In dieser Arbeit „Der deutsche Sozialstaat als soziale Innovation“ soll der Frage nachgegangen werden, ob der deutsche Sozialstaat den Kriterien einer sozialen Innovation entspricht und somit als soziale Innovation bezeichnet werden kann. Dazu werden im Folgenden einige Merkmale Gillwalds Konzepts sozialer Innovationen mit Hilfe Zapfs Definition der sozialen Innovation genutzt, um zwei markante Strukturen des deutschen Sozialstaates hin auf sozial-innovatorisches Potential zu untersuchen.
Vorerst wird aber in die Begrifflichkeiten sozialer Innovationen eingeführt, um einen eigenen Merkmalskatalog sozialer Innovation aufzustellen. Sodann wird der deutsche Sozialstaat mit seinen Kernelementen der Sozialhilfe und der Sozialversicherung vorgestellt, um ihn im Folgenden mit dem Merkmalskatalog sozialer Innovationen zu untersuchen.

Leseprobe

INHALT

1. EINLEITUNG

2. SOZIALE INNOVATIONEN
2.1 MERKMALE SOZIALER INNOVATIONEN

3. DER SOZIALSTAAT
3.1 HERLEITUNG DES BEGRIFFS SOZIALSTAAT

4. DIE INHALTE DEUTSCHER SOZIALSTAATLICHKEIT
4.1 BETRACHTUNG DER SOZIALHILFE
4.1.1 DIE ENTWICKLUNG DER SOZIALHILFE
4.1.2 MERKMALE SOZIALER INNOVATIONEN UND DIE SOZIALHILFE
4.2 BETRACHTUNG DER SOZIALVERSICHERUNG
4.2.1 DIE ENTWICKLUNG DER SOZIALVERSICHERUNG
4.2.2 MERKMALE SOZIALER INNOVATIONEN UND DIE SOZIALVERSICHERUNGEN

5. FAZIT

6. KRITIK

7. LITERATUR

1. Einleitung

Der Begriff der sozialen Innovation ist schwammig und weit gefasst, die Inhalte sozialer Innovationen sind dabei je nach wissenschaftlicher Couleur breit ausdifferenziert, weswegen es an einer einheitlichen Definition der sozialen Innovation fehlt. So beschreibt Zapf in seinem Aufsatz „Über soziale Innovationen“ sieben Ansätze zur Einordnung sozialer Innovationen, u.a. aus dem betriebswirtschaftlichen, sozialtechnologischen und politischen Bereich (dazu Zapf 1989). Jeder dieser Ansätze setzt den Fokus der Betrachtung sozialer Innovationen auf ein disziplinspezifisches Spektrum. Häufig werden soziale Innovationen dabei als Rand oder Folgeerscheinungen technischer Innovationen verstanden und beleuchten so nur Ausschnitte des sozialen Geschehens (dazu Aderhold/John 2005).

Im Jahr 2000 hat Katrin Gillwald mit ihrer Arbeit „Konzepte sozialer Innovationen“ eine umfangreiche Literaturanalyse der Thematik unternommen und damit verschiedene Ansätze der Innovationsforschung vorgestellt und zusammengeführt und wichtige Merkmale sozialer Innovationen herausgearbeitet, um den Begriff der sozialen Innovation fassbar zu machen.

In dieser Arbeit „Der deutsche Sozialstaat als soziale Innovation“ soll der Frage nachgegangen werden, ob der deutsche Sozialstaat den Kriterien einer sozialen Innovation entspricht und somit als soziale Innovation bezeichnet werden kann. Dazu werden im Folgenden einige Merkmale Gillwalds Konzepts sozialer Innovationen mit Hilfe Zapfs Definition der sozialen Innovation genutzt, um zwei markante Strukturen des deutschen Sozialstaates hin auf sozial-innovatorisches Potential zu untersuchen.

Vorerst wird aber in die Begrifflichkeiten sozialer Innovationen eingeführt, um einen eigenen Merkmalskatalog sozialer Innovation aufzustellen. Sodann wird der deutsche Sozialstaat mit seinen Kernelementen der Sozialhilfe und der Sozialversicherung vorgestellt, um ihn im Folgenden mit dem Merkmalskatalog sozialer Innovationen zu untersuchen.

2. Soziale Innovationen

Gillwald charakterisiert soziale Innovationen als „gesellschaftlich folgenreiche, vom vorher gewohnten Schema abweichende Regelungen von Tätigkeiten und Vorgehensweisen.“ (Gillwald 2000: 1). Soziale Innovationen bestehen demnach inhaltlich grob formuliert, aus dem Abweichen von gesellschaftlich routinierten Handlungsabläufen.

„Der deutsche Sozialstaat als soziale Innovation?“

Hausarbeit im Seminar 22-409.28 Nicht-eheliche Lebensgemeinschaft als soziale Innovation Vorgelegt von: Joel Eiglmeier Soziale Innovationen sind dabei unbedingt vom sozialen Wandel zu unterscheiden, da sozialer Wandel die Gesamtheit der Veränderungsprozesse einer Gesellschaft bezeichnet (Gillwald 2000: 7), wohingegen soziale Innovationen eher Teilmengen des sozialen Wandels darstellen und dessen Ursachen oder Folgen sein können. Soziale Innovationen können so bspw. neue Wege zur Problemlösung des sozialen Wandels sein, in dem sie „(...) anerkannte Ziele durch die Anwendung neuer Mittel besser erreichen (soziale Probleme besser regulieren) (...)“ (Zapf 1989: 177). Soziale Innovationen sind dabei keine Reformen schon bestehender Praktiken sondern die Neuschaffung solcher Problemlösungen.

Da soziale Innovationen jedoch keine „unmittelbare empirische Entsprechung“ haben, sondern „theoretische Konstrukte“ (Gillwald 2000: 8) sind, bleibt die Untersuchung eines sozialen Tatbestandes auf sozial-innovatorisches Potenzial eine Einzelfallentscheidung. Dabei, erscheint Zapfs Definition sozialer Innovationen als probates Handwerkszeug, um den Rahmen gesellschaftlicher Prozesse hinlänglich sozialer Innovationen einzuengen:

„Soziale Innovationen sind neue Wege, Ziele zu erreichen, insbesondere neue Organisationsformen, neue Regulierungen, neue Lebensstile, die die Richtung des sozialen Wandels verändern, Probleme besser lösen als frühere Praktiken, und die deshalb wert sind, nachgeahmt und institutionalisiert zu werden.“ (Zapf 1989: 177).

An dieser Definition wird deutlich, dass ein zentraler Aspekt sozialer Innovationen ein aktives Tätigsein ist (der soziale Wandel hingegen ist passiv). Dieses Tätigsein wird häufig von einzelnen Akteuren initiiert und durch breite Akzeptanz und Nachahmung institutionalisiert und so gesellschaftlich wirksam (vgl. Gillwald 2000: 25ff).

2.1 Merkmale sozialer Innovationen

Hieraus lassen sich nun die folgenden vier Merkmale ableiten, mit denen ein sozialer Tatbestand als eine soziale Innovation beschrieben und von „sonstigen Verhaltensveränderungen“ (Gillwald 2000: 41) abgegrenzt werden kann:

- Andersartigkeit: Soziale Innovationen zeichnen sich als „eine Störung routinierter Abläufe (...)“ (Aderhold/John 2005: 10) aus. Sie knüpfen dabei häufig an bereits bestehende Praktiken an, bieten aber neu organisierte, teilweise erstmalige Lösungswege und weichen von einem vorher gewohnten Schema ab (vgl. Gillwald 2000: 1) und verändern so die Verhaltensweisen der Betroffenen
- Verbreitung und Stabilisierung: Soziale Innovationen werden fortwährend angepasst bzw. reformiert und zeichnen sich durch einen steigende Diffusion durch die betroffene Gruppe aus. Betrifft eine soziale Innovation einen breiten Personenkreis, so kann von einer Basisinnovation gesprochen werden (vgl. Gillwald 2000: 15)
- Dauerhaftigkeit: Eine soziale Innovation ist keine bloße kurzweilige Modeerscheinung, sondern eine dauerhaft bestehende Institution mit tiefer gesellschaftlicher Verankerung (Gillwald 2000: 41)
- Gesellschaftliche Auswirkung: Soziale Innovationen haben durch die vorhergehenden Merkmale tiefgreifenden Einfluss auf die Richtung gesellschaftlicher Entwicklungen und können Folgewirkungen nach sich ziehen (Gillwald 2000: 16)

Mit Zapfs Definition sozialer Innovationen und den ausgewählten Merkmalen sozialer Innovationen ist der analytische Rahmen gesetzt, der im Folgenden an den deutschen Sozialstaat angesetzt werden soll.

3. Der Sozialstaat

In der deutschen Fachliteratur werden die Begriffe `Wohlfahrtsstaat´ und `Sozialstaat´ häufig synonym verwendet. Die Bezeichnung Sozialstaat ist dabei vor allem in Deutschland und dem deutschsprachigen Raum üblich. Diese Dichotomie ist zum Einen der Sozialstaatsklausel im deutschen Grundgesetz geschuldet (Art. 20 Abs. 1 GG), zum Anderen dem Umstand, dass der Begriff Sozialstaat keine englische Übersetzung findet. In der Englischen Literatur wird deswegen der Begriff des `Welfare State´ (Esping-Anderson: 1990) genutzt, in dem der deutsche Sozialstaat häufig als Idealtypus des sozialversicherungsbasierten und erwerbsarbeitszentrierten Bismarck-Typ der Wohlfahrtsstaaten bezeichnet wird1 (ebenda). Mit dem Sozialstaat wird, in Abgrenzung zum Wohlfahrtsstaat, häufig eine schmalere Umsetzung in der Form sozialer Sicherungssysteme assoziiert (vgl. Ullrich, 2005: 15). Dem Sozialstaat werden in der Regel Kernfunktionen in der sozialen Sicherung beigemessen, wobei der Wohlfahrtstaat häufig als allumfassender Staat mit weitreichenden Kompetenzen zum Eingreifen in das Marktgeschehen (Preiskontrollen und Marktreglementierungen) und im allgemeinen als Versorgungstaat verstanden wird. (ebenda)

3.1 Herleitung des Begriffs Sozialstaat

Mit der Schaffung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland 1949 wird der Sozialstaat zweimal explizit erwähnt:

So Charakterisiert Artikel 20 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes Deutschland als sozialen Staat:

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“

Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 wird diese Forderung nach der sozialen Ausrichtung auch auf die Länder erweitert:

„Die Verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.“

Das Grundgesetz gibt damit den Auftrag einen sozialen Staat zu gestalten, lässt aber, im Gegensatz zur näheren Beschreibung des bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzips, offen welche Inhalte die soziale Dimension zu füllen hat. Trotzdem wird die Sozialstaatsklausel in der Politikwissenschaft oft als Aufruf zur „(...) Gestaltung der gesellschaftlichen ]Ordnung“ und zum „Abbau sozialer Ungleichheit (...)“ (Schnapp 1992: 1046ff) interpretiert, die den Rechtsstaat dazu verpflichte, das soziale Staatsziel des Grundgesetzes in ein eine rechtliche Regelung der „Hilfe gegen Not und Armut und ein menschenwürdiges Existenzminimum für jedermann; mehr Gleichheit durch den Ausbau von Wohlstandsdifferenzen und Kontrolle von Abhängigkeitsverhältnisse; mehr Sicherheit gegenüber den Wechselfällen des Lebens; und schließlich Hebung und Ausbreitung des Wohlstandes“ (Zacher in Isensee/Kirchhof 1987: 1045ff) zu überführen. Trotzdem lässt sich aus dem Artikel kein Gebot ableiten, dass den Staat zwingt „soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren.“ (BVerfGE 82: 60), weswegen es dem Gesetzgeber bzw. der Bundesregierung als verpflichtende Aufgabe obliegt, ein solches Gebot politisch zu gestalten.

[...]


1 Zur Diskussion dieser Verortung siehe J. Kohl „Der Sozialstaat: Die Deutsche Version des Wohlfahrtstaates - Überlegungen zu seiner typologischen Verortung“ in Leibfried/Wagschal, 2000, Frankfurt.

Details

Seiten
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783656165279
ISBN (Paperback)
9783656165828
DOI
10.3239/9783656165279
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Wirtschaft und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2012 (April)
Note
1,7
Schlagworte
sozialstaat innovation sozialstaat gerechtigkeit sozialstaat innovation soziale innovation sozialstaatlichkeit soziologie sozialstaat
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Titel: Der deutsche Sozialstaat als soziale Innovation