Das Nähe/Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher
Ergänzungen und Kritik
Zusammenfassung
Leseprobe
Das Nähe/Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher Ergänzungen und Kritik
Koch/Oesterreicher haben mit ihrem Mündlichkeit/Schriftlichkeits-Modell erstmals darauf hingewiesen, dass bei der Untersuchung von Sprache nicht nur ihr medialer Faktor, also die Unterscheidung in mündlich und schriftlich tradierte Äußerungen, sondern auch ihre Konzeption mit einbezogen werden muss und somit die Annahme widerlegt, dass es sich beim geschriebenen um einen elaborierten und ex negativo beim gesprochenen um einen weniger elaborierten Text handeln muss. Die Medialität ist dichotomisch angelegt, d.h. eine Äußerung liegt entweder in medial schriftlicher oder in medial mündlicher Form vor; die Konzeption kann jedoch innerhalb eines Kontinuums mit den Eckpunkten „konzeptionell schriftlich“ und „konzeptionell mündlich“ variieren. Dem Eckpunkt „konzeptionell mündlich“ ordnen sie den Begriff „Nähe“ und mit ihm die Kommunikationsbedingungen raumzeitliche N ä he, Vertrautheit, Privatheit, Emotionalit ä t, Situations- und Handlungseinbindung, kommunikative Kooperation, Dialog, Spontaneit ä t, freie Themenentwicklung zu und im Gegensatz dazu dem Eckpunkt „konzeptionell schriftlich“ den Begriff „Distanz“ und die entsprechenden Kommunikationsbedingungen raumzeitliche Distanz, Fremdheit, Ö ffentlichkeit, keine Emotionalit ä t, keine Situations- und Handlungseinbindung, keine kommunikative Kooperation, Monolog, keine Spontaneit ä t, Themenfixierung. Zudem ordnen sie den beiden Polen verschiedene Versprachlichungsstrategien zu; dem Mündlichkeitspol jeweils die geringere und dem Schriftlichkeitspol die gr öß ere: Informationsdichte, Kompaktheit, Integration, Komplexit ä t, Elaboriertheit und Planung.
16.05.2009 Jule Ebbing
Matrikelnummer:274164
Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft Lehrstuhl für Deutsche Philologie
Seminar: Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit: Sprache und ihre sozialen Kontexte Seminarleitung: Anna Ullrich, M.A.
SoSe 2009
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das größte Problem dieses Modells ist, dass neuere, digitale Kommunikationsformen nicht mit einbezogen wurden (bzw. nicht einbezogen werden konnten). Das Modell beispielsweise auf die Email-Kommunikation zu übertragen, bereitet Schwierigkeiten. Nach Koch/Oesterreicher ist eine Email medial graphisch und konzeptionell eher mündlich einzuordnen. Jost merkt jedoch an, dass es verstehenskonstitutiv sei, das Medium mitzuverstehen. Er charakterisiert die Konzeptionalität des Textes als seine Inszenierung und seine Medialität als seine Auff ü hrung und weist darauf hin, dass Verstehen sich nicht nur auf das Aufgeführte, sondern auch auf seine Inszenierung bezieht. Um beim Beispiel Email zu bleiben muss man demnach den schriftlich realisierten Text als mündliche Inszenierung begreifen um ihn wirklich verstehen zu können. Es besteht auf der Ebene des Verstehens, die Koch/Oesterreicher nicht mit einbezogen haben, ein Unterschied, ob ein konzeptionell mündlicher, also mündlich inszenierter Text, in medial schriftlicher oder mündlicher Form vorliegt. Der schriftlich realisierte muss als mündlich inszenierter Text begriffen werden. Als Exempel sind hier beispielsweise Emoticons oder Ausdrücke in Majuskeln wie „lach“ etc. zu nennen.
16.05.2009 Jule Ebbing
Matrikelnummer:274164
[...]