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Lektüreneinsatz in der vierten Jahrgangsstufe der Grundschule am Beispiel des Buches „Großvater und die Wölfe“ von Per Olov Enquist

©2009 Hausarbeit (Hauptseminar) 31 Seiten

Zusammenfassung

„Für den schulischen und beruflichen Erfolg ebenso wie für die Teilhabe am kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben ist die Beherrschung der Schriftsprache von grundlegender Bedeutung. […] Ein Versagen im Lesen und Schreiben bedeutet für die Betroffenen eine entscheidende (Lern-) Behinderung, die nicht selten aufgrund der damit verbundenen Misserfolgserlebnisse auch Störungen im Bereich der Persönlichkeit und des Verhaltens nach sich zieht.“1
Die PISA-Studie, in der deutsche Schüler der Sekundarstufe auf ihre Lesekompetenz getestet wurden, zeigte, dass das Niveau ihrer Lesekompetenz im internationalen Vergleich eher niedrig und der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sehr schwacher Leseleistung vergleichsweise hoch ist.2
Im Gegensatz hierzu stehen die Ergebnisse der IGLU-Studie: Schülerinnen und Schüler in Deutschland verfügen am Ende der vierten Jahrgangsstufe über vergleichsweise hohe Kompetenzen im Leseverständnis, ihre Leistungen liegen im oberen Viertel bzw. Drittel der teilnehmenden Länder.3 „Am Ende der vierten Jahrgangsstufe müssen Schülerinnen und Schüler in Deutschland internationale Vergleiche nicht scheuen. Die in der Sekundarstufe I und II festgestellten Mängel sind offensichtlich nicht Fortschreibungen von bereits in der Grundschule angelegten Defiziten, sondern in Deutschland primär Resultat der an die Grundschule anschließenden Schulformen.“4
Es wird deutlich, dass Lesen einen wichtigen Stellenwert in unserer heutigen Gesellschaft einnimmt und von Grund auf gefördert werden muss. Eine zentrale Aufgabe der Leseförderung besteht in Aufbau und Sicherung der Lesemotivation; es geht um die Vermittlung von Lesefreude und Vertrautheit mit Büchern, die Entwicklung und Stabilisierung von Lesegewohnheiten.5
Folgende Seminararbeit befasst sich mit dem Einsatz des Buches „Großvater und die Wölfe“ von Per Olov Enquist im Deutschunterricht der vierten Jahrgangsstufe. Die Lektüre soll besonders die Lesemotivation der Schüler verbessern und sie zu einer positiven Grundeinstellung zum Lesen heranführen.
Zunächst wird eine Sachanalyse durchgeführt, um darauf aufbauend eine umfassende didaktische Analyse anzuschließen. Ein weiterer Teil der Arbeit wird die methodische Umsetzung betreffen: Es wird eine Unterrichtssequenz zum Buch vorgestellt, aus welcher zwei Unterrichtsstunden detailliert ausgearbeitet werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

0. Vorbemerkung

1. Untersuchungsaspekte im Rahmen der Sachanalyse
1.1 Inhalt
1.1.1 Inhaltsangabe
1.1.2 Inhaltsanalyse
1.1.2.1 Themen des Buches
1.1.2.2 Identifikationsfiguren für die Leser
1.1.2.3 Genre
1.1.2.4 Werte und Normen
1.1.2.5 Verhältnis zwischen Belehrung und Unterhaltung
1.2 Erzähltechnik und Aufbau
1.3 Sprache
1.4 Paratextuelle Merkmale

2. Untersuchungsaspekte im Rahmen der didaktischen Analyse
2.1 Zuordnung der Lektüre zu Schulart und Jahrgangsstufe
2.2 Pädagogisch-psychologische Überlegungen
2.3 Textverständlichkeit
2.4 Textattraktivität
2.5 Textqualität
2.6 Didaktisches Potential

3. Methodische Analyse
3.1 Exkurs: Lesetagebuch
3.2 Erarbeitung einer Unterrichtssequenz zur Lektürebehandlung
3.3 Ausarbeitung zweier Unterrichtsstunden der Sequenz
3.3.1 Erste Unterrichtsstunde: Einführung der Lektüre
3.3.2 Fünfte Unterrichtsstunde: Interview mit den Hauptfiguren

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

0. Vorbemerkung

„Für den schulischen und beruflichen Erfolg ebenso wie für die Teilhabe am kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben ist die Beherrschung der Schriftsprache von grundlegender Bedeutung. […] Ein Versagen im Lesen und Schreiben bedeutet für die Betroffenen eine entscheidende (Lern-) Behinderung, die nicht selten aufgrund der damit verbundenen Misserfolgserlebnisse auch Störungen im Bereich der Persönlichkeit und des Verhaltens nach sich zieht.“1

Die PISA-Studie, in der deutsche Schüler der Sekundarstufe auf ihre Lesekompetenz getestet wurden, zeigte, dass das Niveau ihrer Lesekompetenz im internationalen Vergleich eher niedrig und der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sehr schwacher Leseleistung vergleichsweise hoch ist.2

Im Gegensatz hierzu stehen die Ergebnisse der IGLU-Studie: Schülerinnen und Schüler in Deutschland verfügen am Ende der vierten Jahrgangsstufe über vergleichsweise hohe Kompetenzen im Leseverständnis, ihre Leistungen liegen im oberen Viertel bzw. Drittel der teilnehmenden Länder.3 „Am Ende der vierten Jahrgangsstufe müssen Schülerinnen und Schüler in Deutschland internationale Vergleiche nicht scheuen. Die in der Sekundarstufe I und II festgestellten Mängel sind offensichtlich nicht Fortschreibungen von bereits in der Grundschule angelegten Defiziten, sondern in Deutschland primär Resultat der an die Grundschule anschließenden Schulformen.“4

Es wird deutlich, dass Lesen einen wichtigen Stellenwert in unserer heutigen Gesellschaft einnimmt und von Grund auf gefördert werden muss. Eine zentrale Aufgabe der Leseförderung besteht in Aufbau und Sicherung der Lesemotivation; es geht um die Vermittlung von Lesefreude und Vertrautheit mit Büchern, die Entwicklung und Stabilisierung von Lesegewohnheiten.5

Folgende Seminararbeit befasst sich mit dem Einsatz des Buches „Großvater und die Wölfe“ von Per Olov Enquist im Deutschunterricht der vierten Jahrgangsstufe. Die Lektüre soll besonders die Lesemotivation der Schüler verbessern und sie zu einer positiven Grundeinstellung zum Lesen heranführen.

Zunächst wird eine Sachanalyse durchgeführt, um darauf aufbauend eine umfassende didaktische Analyse anzuschließen. Ein weiterer Teil der Arbeit wird die methodische Umsetzung betreffen: Es wird eine Unterrichtssequenz zum Buch vorgestellt, aus welcher zwei Unterrichtsstunden detailliert ausgearbeitet werden.

1. Untersuchungsaspekte im Rahmen der Sachanalyse

1.1 Inhalt

1.1.1 Inhaltsangabe

Das Buch „Großvater und die Wölfe“ von Per Olov Enquist spielt in Schweden und handelt von der Expedition der sechsjährigen Mina in Begleitung ihrer kleinen Schwester Moa, des Cousins Marcus und dessen Schwester Ia sowie ihres Großvaters zum Dreihöhlenberg.

Nachdem Mina im Traum von einem Krokodil gebissen wurde und nun Angst davor hat, dass dieses zurückkehrt und ihr etwas antut, wendet Mina sich an ihren Großvater, welcher mit seinen ausgefallenen Ideen meist besseren Rat weiß als die anderen Erwachsenen. Er schlägt Mina eine Expedition zum Dreihöhlenberg vor, denn nach einer solchen Expedition werde sie vor nichts mehr Angst haben. Zusammen mit Moa, Ia und Marcus sowie dem Großvater und dessen Frau Gunilla fährt Mina zum Ferienhaus nach Värmland. Zunächst wird die Expedition nur geplant und vorbereitet, doch auch dabei erlebt die Gruppe bereits einige Abenteuer: Sie sehen einen Bären und finden ein Wolfsjunges, welches zwei Tage mit den Kindern im Ferienhaus verbringt. Bereits hier wird deutlich, dass die Expedition nicht so harmlos ist wie sie zunächst erscheint. Als sie endlich aufbrechen, dauert es nicht lange und die große Katastrophe trifft ein: Der Großvater bricht sich kurz vor Erreichen des Gipfels das Bein, die Wanderer sitzen hilflos auf dem Berg fest und müssen die Nacht mit zwei Wölfen in einer Höhle verbringen. Am nächsten Morgen muss die Älteste der Kinder, Ia, schließlich in Begleitung von Großvaters Hund Mischa den Weg zurück ins Tal finden, um dort Gunilla zu Hilfe zu holen, welche den Rettungsdienst alarmiert. Als der Rettungshubschrauber dann eintrifft, können nicht nur die Wanderer gerettet werden, sondern auch die beiden Wölfe, auf welche zwei Wilderer Jagd machten und welche nun von der Polizei gefasst werden können. Als Gipfel der ganzen Expedition stellt die Gruppe bei ihrer Rettung fest, dass sie die Nacht auch neben einer bewohnten Bärenhöhle verbrachten.

Im Laufe der Handlung wird deutlich, dass nicht nur der Großvater, sondern auch die Kinder realisieren, mit welchen Gefahren sie konfrontiert werden. Sie lernen, dass man zusammenhalten muss und wie man verantwortungsbewusst handelt. Letztendlich erscheint Mina ihre Angst vor dem Krokodil blödsinnig, da sie nun gelernt hat, dass es in der Realität Situationen gibt, welche eine wirkliche Gefahr darstellen und dass es auf Menschen ankommt, die für einen da sind und auf die man sich verlassen kann.

1.1.2 Inhaltsanalyse

Die Inhaltsanalyse befasst sich mit den Themen der Lektüre, mit Identifikationsfiguren für die Leser, dem Genre der Abenteuerlektüre, Werten und Normen, sowie dem Verhältnis von Belehrung und Unterhaltung im Buch.

1.1.2.1 Themen des Buches

Zu den zentralen Themen des Buches sind der Zusammenhalt in der Gemeinschaft, Freundschaft und Unterstützung zu zählen. Die Kinder lernen, dass andere sich auf sie verlassen und man nicht im Streit, so wie die Geschwister Ia und Marcus stets streiten, sondern in Eintracht und Zusammenhalt schwierige Situationen bewältigen kann. Als Beispiel hierfür ist folgende Textpassage anzuführen, in welcher die Gruppe in der Wolfshöhle nächtigen muss, mit dem verletzten Großvater und kaum Proviant:

„Ja“, antwortete Großvater. „Ein Expeditionsleiter muss immer einen Plan haben, wenn eine Katastrophe eintrifft. Ich habe einen Plan. Doch zuerst müssen wir die Nacht hinter uns bringen, ohne zu erfrieren.“ „Was sollen wir denn essen?“, sagte Marcus, der fast ständig hungrig war. Großvater seufzte schwer. „Wir haben zehn Daim und acht Keksschokoladen. Dazu Würstchen und ungefähr vierhundert Gramm Karamellbonbons. Das ist alles. Davon werden wir nicht fett. Aber wir sterben auch nicht.“ „Ja, wenn du nur einen Plan hast, Großvater“, sagte Mina. „Hast du einen?“ „Ich habe einen Plan“, sagte Großvater. Da sagte Marcus: „Ich gebe Maja-Rubert meine Keksschokolade.“ Alle sahen ihn an. Alle fanden auf einmal, dass Marcus ein unglaublich prima Kerl war, aber ein bisschen verwundert waren sie schon. „Dann kriegst du von meiner die Hälfte ab“, sagte Ia. Da lächelte Marcus sie ein bisschen schüchtern an und es war, als hätten sie sich in ihrem Leben noch nicht gestritten, als hätte Ia noch niemals mit lauter und böser Stimme MARCUS! gesagt, sondern als wäre alles jetzt verändert und sie wären Bruder und Schwester geworden, die immer, immer zusammenhalten und sich niemals je wieder zanken würden. 6

Weiterhin werden die innere Entwicklung der Personen und ihre Reifung an Extremsituationen thematisiert. Es wird deutlich, dass die Kinder im Laufe der Expedition innerlich reifen und einen weiteren Schritt in Richtung Erwachsensein gemacht haben. Zu erkennen ist dies beispielsweise an folgendem Wortwechsel nach der Rettung der Wanderer:

„Ihr habt es geschafft“, sagte Großvater zu Ia. „Ohne Mischa wäre es nicht gegangen“, sagte sie und hörte sich enorm erwachsen an. „Ich meine, wir haben es zusammen gemacht.“ „Noch eine Nacht hätte ich nichtüberstanden“, sagte Großvater. „Doch“, sagte Mina, die zugehört hatte, „das hättest du bestimmt. Man kann mehr, als man glaubt.“ Und da wurde Großvater ganz stumm, denn er wusste, dass es stimmte, aber er hatte nicht gewusst, dass Mina es wusste. Und deshalb verstummte er ein bisschen. 7

Auch der verantwortungsvolle Umgang mit Natur und Tieren ist ein Thema im Buch. Als Nebenthemen werden Geschlechterrollen und ein milder Feminismus gestreift. Großvaters Frau Gunilla ist der Meinung, dass Männer ganz selbstverständlich im Haushalt mit anfassen sollen ohne extra zu fragen. Diese und weitere Einstellungen gibt sie auch an ihre Enkelkinder weiter.8 Ganz generell umfasst die Lektüre die Bereiche Kindheit, Erziehung und Familienleben.

1.1.2.2 Identifikationsfiguren für die Leser

Zur Identifikation sind besonders die Mädchencharaktere geeignet.

Die Lektüre ist für den Einsatz im Deutschunterricht in der vierten Jahrgangsstufe der Grundschule vorgesehen. Die Lektüre weist in der entsprechenden Altersgruppe, also um die neun Jahre, nur eine Figur auf, nämlich die der neunjährigen Ia, Minas Cousine. Da das Buch aber eher auf die Person der sechsjährigen Mina eingeht, muss auch sie als Identifikationsfigur für die Schüler gelten, obwohl sie etwas jünger als die Rezipienten ist. Für die männlichen Schüler gibt es aus Altersgründen keine richtige Identifikationsfigur. Die Person von Minas Cousin Marcus ist mit seinen fünf Jahren für die Schüler kaum mehr attraktiv, Gleiches gilt für den Großvater, welcher schlichtweg zu alt ist. Das Buch lässt sich also bezüglich der Identifikationsfigur eher als eine Lektüre für Mädchen einstufen. Jedoch kann die Geschichte sowohl Mädchen als auch Jungen ansprechen. Denn in der Lektüre an sich wird kaum ein Unterschied in der Behandlung und Darstellung der männlichen und weiblichen Charaktere gemacht. Alle Kinder werden mit weitgehend geschlechtsunabhängigen Charakterzügen dargestellt, die jeder Schüler an sich selbst wieder erkennen kann.

1.1.2.3 Genre

Die Lektüre lässt sich in das Genre des Abenteuerromans einordnen.

Eines der Hauptmerkmale des Genres liegt in der für jeden Text abenteuerlichen Inhalts charakteristischen, auf Spannung angelegten Erzählstruktur.9 „In wechselvoller Buntheit reihen sich die Geschehnisse aneinander, ziehen den Leser in ihren Bann, bis sie über Umwege und Verwicklungen zu einem befriedigenden Abschluss gelangen. Held und Gegenspieler, Freund und Feind, Aufgabe und Hindernis, Chance und Gefahr stehen sich gegenüber. Steigerungen, Höhepunkte, überraschende Wendungen, Auf und Ab in Bedrohung, Wagnis, Rettung und Glück verleihen der Handlung den Charakter erregender Bewegtheit.“10

Die Lektüre weist eben diese auf Spannung angelegte Erzählstruktur auf. Erst nach zwei Dritteln des Buches kommt es zum Höhepunkt, der eigentlichen Katastrophe, nämlich als sich der Großvater das Bein bricht.11 Bis hierher wird der Spannungsbogen aufgebaut. Doch auch vor diesem Ereignis lassen sich zahlreiche spannende Episoden aufzählen: Das Sichten eines Bären, die Jäger im Tal, das Verschwinden Mischas, der tote Vaterwolf und das Finden des Wolfjungen Maja-Rubert oder die Begegnung mit der Wolfmutter. Immer wieder werden die Expeditionsteilnehmer mit Überraschungen und Bedrohungen konfrontiert, die sie meistern müssen.

„Als zweiter Grundzug ist die fast immer fremdartige, exotische Welt zu nennen, in der die Handlung sich vollzieht. In ihr ist - womit ein drittes Moment berührt wird - nur mit außergewöhnlichen Ereignissen zu rechnen, die vor allem dem Helden Mut, Härte, Entschlossenheit, Durchhaltevermögen, Selbstdisziplin, Geistesgegenwart, Einfallsreichtum und Einsatz abverlangen.“12

Der Dreihöhlenberg stellt diese fremdartige Welt dar, in welcher die Kinder mit Bären und Wölfen konfrontiert werden und mit rauer Natur. Sie müssen bei der Besteigung des Berges Durchhaltevermögen und Mut zeigen und in Krisensituationen, wie dem Sturz des Großvaters, einen kühlen Kopf bewahren, um die Situation zum Guten zu wenden. „Als viertes Charakteristikum abenteuerlicher Literatur kann gelten […] (,dass) der Inhalt der Geschichte vom Autor als potentiell real dargestellt und vom Leser entsprechend aufgenommen (wird).“13

Auch dieses Merkmal der Abenteuerliteratur wird bei Enquist verwirklicht. Der Autor widmet das Buch seinen Enkeln, welche die gleichen Namen wie die Kinder des Buches tragen. Ebenso spricht er in der Widmung seinen Dank an das Krankenhaus, den Rettungsdienst und die Polizei aus.14 Die Geschichte ist also nicht nur potentiell real, sondern beruht auf einer wahren Begebenheit. Daher wird es den Schülern erleichtert, sich in die Kinder und ihre Situation einzufühlen.

„Als letztes Moment ist die immer wiederkehrende Handlungsgrundlinie zu nennen: Die Hauptgestalt oder eine Gruppe zentraler Gestalten verlässt aus freiem Entschluss die relative Sicherheit und Ordnung der heimischen Umwelt und bricht auf in eine aus welchen Gründen auch immer verlockende Fremde, von der niemand weiß, was sie außer Überraschungen, Anstrengungen und Gefahren bringen wird.“15

Die Kinder brechen mit dem Großvater auf, um den Dreihöhlenberg zu besteigen und somit Mina von ihrer Angst vor Krokodilen zu befreien, aber natürlich auch, um den Bergsteigertraum des Großvaters endlich zu verwirklichen.16

Nach Anneliese Hölder lässt sich Enquists Roman in die Erlebnisgruppe des Forscher- und Reiseabenteuers einteilen.17

1.1.2.4 Werte und Normen

Bezüglich Wertevermittlung wird im Roman besonderer Wert auf die Art der Konfliktlösung gelegt. Kinder sollen lernen, dass Konflikte nicht durch Gewalt oder Aggression zu lösen sind, sondern durch Einsatz des Verstandes, verantwortungsvolles Handeln und im Zusammenhalt mit anderen.

Weiter werden im Buch klassische Familienmuster dargestellt, die Kinder wachsen alle in geregelten Verhältnissen auf, mit Mutter und Vater. Aus der Reihe tanzt nur der Großvater, dessen Frau nicht die Großmutter der Kinder ist. Doch in der Geschichte lässt sich diesbezüglich kaum ein Unterschied feststellen.

Die Geschlechterrollen werden bei Enquist nur insofern thematisiert, dass Gunilla als Frau des Großvaters emanzipierte Ansichten vertritt, welche sie an ihre Enkel weitergibt beziehungsweise die Enkel im Gespräch der Erwachsenen aufschnappen. Die Kinder können hier bereits herauslesen, dass die klassische Geschlechterrollenverteilung, also der Vater arbeitet und die Mutter kümmert sich alleine um Haus und Kinder, kritisiert werden kann. Doch dieser feministische Ansatz wird nur gestreift und in vereinzelten Aussagen deutlich.

1.1.2.5 Verhältnis zwischen Belehrung und Unterhaltung

Das Verhältnis zwischen Belehrung und Unterhaltung ist bei Enquist unausgeglichen. Obwohl gewisse Werte, wie Zusammenhalt, Freundschaft, verantwortungsvoller Umgang mit Natur und Tieren im Buch vertreten werden, geht es bei der Lektüre doch primär um den Aspekt der Unterhaltung. Die Abenteuergeschichte ist spannend und reizt die Kinder zum Lesen. Es handelt sich um eine Geschichte, in die sich alle Kinder hineinversetzen können, die ihnen theoretisch auch selbst passieren könnte, was das Leseerlebnis umso aufregender macht. Gerade dieser Aspekt macht die Lektüre auch für den schwachen Leser attraktiv. Er muss sich nicht um schwierige Ausdrücke sorgen oder darum, stets zwischen den Zeilen lesen zu müssen. Die meisten Leerstellen füllt der Text selber und die Kinder können sich auf die unterhaltende Geschichte an sich konzentrieren. Kurz, es handelt sich um ein Buch, welches die Lesemotivation steigern kann.

1.2 Erzähltechnik und Aufbau

Die äußere Struktur des Textes ist durch Kapitel vorgegeben. Die Lektüre ist in sieben Großkapitel eingeteilt, welche sich jeweils in zwei bis fünf Unterkapitel untergliedern lassen.

Obwohl sich bei „Großvater und die Wölfe“ die ein oder andere Episode finden lässt, also eine „relativ selbstständige, in einen größeren narrativen Zusammenhang gehörende Teil- oder Nebenhandlung“,18 wie zum Beispiel das Finden des Wolfsjungen, ist der Text dennoch linear aufgebaut. Die Handlung entwickelt sich eher stetig fort und baut aufeinander auf, als dass sie durch einzelne Episoden zusammengesetzt wird. Es handelt sich um eine einsträngige Erzählung, welche nach Stanzel durch einen auktorialen Erzähler wiedergegeben wird.19 Eine allwissende Instanz erzählt dem Leser das Geschehen, mal in direkter Rede, mal in indirekter Rede und wirft gelegentlich wertende Kommentare ein:

Also es war so. Obwohl Mina sich nachher fast nicht mehr daran erinnerte, wie es angefangen hatte. Sie sagte, dass sie damals noch so klein gewesen sei und Angst bekommen habe. Danach hatte sie fast nie mehr solche Angst gehabt. Wie das zugegangen war, wusste sie nicht richtig. Großvater erinnerte sie manchmal daran. Dann sagte sie nur: „Ja, aber das war doch im Früher. Da war ich doch noch so klein.“ Obwohl „im Früher“ nur drei Wochen her war. Komisch, dass man in drei Wochen großwerden kann. Man kann es auch nicht. Aber so fing es an. 20

Der Text weist eine hohe Erklärungsdichte auf. Die wenigen Leerstellen werden zumeist gleich vom Text selbst wieder gefüllt. Als Beispiel wird folgende Textstelle angeführt:

Nach einer Stunde hörten sie plötzlich, dass Mischa Standlaut gab. „Standlaut“, sagte Großvater. „Sie hat etwas gefunden.“ „Was ist ein Standlaut?“, wollte Marcus wissen. Aber plötzlich strahlte er und zeigte und sagte: „Guckt mal da, ich seh einen Standlaut!“ „Marcus“, sagte Großvater, „Standlaut ist, wenn ein Elchhund, zum Beispiel Mischa, einen Elch gefunden hat. Dann bellt er, damit man es weiß. Man kann einen Standlaut nicht sehen. Man hört ihn.“ 21

[...]


1 Bos, Wilfried u.a.: Erste Ergebnisse aus IGLU. Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich, Münster 2003, S.69.

2 Vgl. Baumert, Jürgen u.a.: PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, Opladen 2001, S.131.

3 Vgl. Bos (2003), S.109.

4 Bos (2003), S.2.

5 Vgl. Hurrelmann, Bettina: Leseförderung. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht (September 1994), H. 127, S.17.

6 Enquist, Per Olov: Großvater und die Wölfe, München 2005, S.106f.

7 Enquist (2005), S.128f.

8 Vgl. Enquist (2005), S.24.

9 Vgl. Baumgärtner, Alfred Clemens / Launer, Christoph: Abenteuerliteratur. In: Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur. Band 1. Grundlagen - Gattungen, Baltmannsweiler4 (2005), S.416.

10 Baumgärtner/Launer (2005), S.417.

11 Vgl. Enquist (2005), S.94.

12 Baumgärtner/Launer (2005), S.417.

13 Baumgärtner/Launer (2005), S.417.

14 Vgl. Enquist (2005), S.5.

15 Baumgärtner/Launer (2005), S.417.

16 Vgl. Enquist (2005), S.28f.

17 Vgl. Baumgärtner/Launer (2005), S.428.

18 Martínez, Matías: Episode. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Band I ³(1997), S.471.

19 Zeller, Rosmarie: Erzählsituation. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Band I ³(1997), S.509.

20 Enquist (2005), S.7f.

21 Enquist (2005), S.61f.

Details

Seiten
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783656184447
ISBN (Paperback)
9783656187363
DOI
10.3239/9783656184447
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau
Erscheinungsdatum
2012 (Mai)
Note
1-
Schlagworte
lektüreneinsatz jahrgangsstufe grundschule beispiel buches großvater wölfe olov enquist
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Titel: Lektüreneinsatz in der vierten Jahrgangsstufe der Grundschule am Beispiel des Buches „Großvater und die Wölfe“ von Per Olov Enquist