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Mythologierung des RAF Terrorismus. Eine Gesellschaftliche Betrachtung der Baader-Meinhof-Gruppe

©2010 Hausarbeit (Hauptseminar) 11 Seiten

Zusammenfassung

Schon einige Jahrzehnte ist es her, dass Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin die Integrität der Bundesrepublik Deutschland verunsichert haben. Und dennoch sind die Bilder dieser Tage noch stark präsent: Die Rote Armee Fraktion - genannt RAF - hat Spuren hinterlassen, die sich auch in der heutigen Gegenwart noch finden lassen.

Zuletzt im Jahr 2007 wurden damalige Schreckensereignisse wieder omnipräsent, als der RAF-Terrorist Christian Klar ein weiteres Gnadengesuch gestellt hat und dieser Akt von der Presse wie auch schon zu den aktiven Zeiten der RAF als geeigneter Rekapitulationsanlass herangezogen wurde um den Mythos RAF erneut in den Fokus der Gesellschaft zu rücken.

Hier stellt sich zwangsweise die Frage, wie ein in den frühen 1970er Jahren entstandenes Tabuthema des politischen und tatsächlichen Terrors eine so starke Mythologisierung erhalten konnte, dass selbst in der heutigen Zeit - etwa 45 Jahre später - diese Aktionen von einer damals kleinen Gruppe von unter Anderem regierungsfeindlichen Zeitgenossen noch Einfluss auf die Gesetzgebung, innenpolitische Sicherheit und damit verbunden polizeilichen Handlungen hat nehmen können.
Hier soll nun unter Betrachtung der Baader-Meinhof-Gruppe - also Rote Armee Fraktion der ersten Generation - ein gesellschaftlicher Diskurs geschaffen werden, welcher den geschaffenen Mythos umschreibt; in Verbindung mit den damit stattgefundenen speziell politischen Reaktionen auf die Aktionen der Gruppe.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die RAF und ihre Folgen
2.1 Entstehung und Chronik der Baader-Meinhof-Gruppe
2.2.1 Der deutsche Herbst
2.2.2 Die Offensive
2.2.3 Die Todesnacht von Stammheim
2.2 Politischer Irrglaube: Das Ende der RAF
2.3 Der Mythos RAF

3. Reaktionen
3.1 Politische Reaktionen

4. Fazit
4.1 Resümee

1. Einleitung

Schon einige Jahrzehnte ist es her, dass Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin die Integrität der Bundesrepublik Deutschland verunsichert haben. Und dennoch sind die Bilder dieser Tage noch stark präsent: Die Rote Armee Fraktion - genannt RAF - hat Spuren hinterlassen, die sich auch in der heutigen Gegenwart noch finden lassen.

Zuletzt im Jahr 2007 wurden damalige Schreckensereignisse wieder omnipräsent, als der RAF-Terrorist Christian Klar ein weiteres Gnadengesuch gestellt hat und dieser Akt von der Presse wie auch schon zu den aktiven Zeiten der RAF als geeigneter Rekapitulationsanlass herangezogen wurde um den Mythos RAF erneut in den Fokus der Gesellschaft zu rücken.

Hier stellt sich zwangsweise die Frage, wie ein in den frühen 1970er Jahren entstandenes Tabuthema des politischen und tatsächlichen Terrors eine so starke Mythologisierung erhalten konnte, dass selbst in der heutigen Zeit - etwa 45 Jahre später - diese Aktionen von einer damals kleinen Gruppe von unter Anderem regierungsfeindlichen Zeitgenossen noch Einfluss auf die Gesetzgebung, innenpolitische Sicherheit und damit verbunden polizeilichen Handlungen hat nehmen können.

Hier soll nun unter Betrachtung der Baader-Meinhof-Gruppe - also Rote Armee Fraktion der ersten Generation - ein gesellschaftlicher Diskurs geschaffen werden, welcher den geschaffenen Mythos umschreibt; in Verbindung mit den damit stattgefundenen speziell politischen Reaktionen auf die Aktionen der Gruppe.

2. Die RAF und ihre Folgen

2.1 Entstehung und Chronik der Baader-Meinhof-Gruppe

Ein nicht genau spezifizierbarer Zeitpunkt innerhalb der 1960er Jahre brachte eine Generation von noch meist Jugendlichen hervor, die das Verhalten der Familie und der Eltern in der nationalsozialistisch geprägten Zeit hinterfragten und missbilligten – also kritisch gegenüberstanden. Eine zusätzlich vorhandene Aversion gegenüber dem entstehenden Kapitalismus, der aktuellen Demokratieform in Deutschland sowie für diese Generation als Negativ-Synonym stehende Außenpolitik der USA in Bezug auf den Vietnamkrieg ließ in der BRD meist studentische Bewegungen geprägt von sog. internationalem

Antiimperialismus entstehen. Diese zunächst auch K-Gruppen[1] genannten Strömungen gingen fast ausschließlich aus dem früheren Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) hervor und sahen sich als legitime Erben der seit 1956 verbotenen und verfassungsfeindlichen KPD[2] an.

Am 2. April 1968 wurden unter dem Vorwand der Gewalt gegen Sachen – welche in den Studentenbewegungen stark diskutiert wurde – zwei Brände in den Warenhausfilialen der Firma Kaufhof in Frankfurt gelegt. Schon am 4. April 1968 wurde unter anderem Andreas Baader und Gudrun Ensslin als Täter verhaftet und zu je 3 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Am 14.Mai 1970 wurde mit Führung von Journalistin Ulrike Meinhof unter falschem Vorbehalt eine Ausführung von Baader aus der Haftanstalt in das Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin arrangiert. Hier wurde Baader schließlich unter Waffengewalt befreit. – Einige Tage später erschien am 5. Juni 1970 in der anarchistisch-linksradikalen Zeitschrift: „Agit 883“ die erste programmatische Erklärung der RAF als Gründungspapier und Strategieanweisung mit dem Titel: „ Die Rote Armee aufbauen![3]

Der Grundstein für die weiteren Aktionen der RAF ist hiermit also geschaffen worden und die Presse gab dem jetzt entstehenden Mythos den Namen „Baader-Meinhof-Gruppe“.

Nach einer Guerilla-Ausbildung in Jordanien im Sommer 1970, der Kerngruppe um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof zog die neu gegründete RAF nun die Aufmerksamkeit der Bürger und des Staates auf sich in dem zum Teil mehrere Banken gleichzeitig überfallen, dutzende PKW entwendet und diverse Dokumentendiebstähle durchgeführt wurden. Diese durch fast ausschließlich unter minutiöser Planung ausgeführten Straftaten verliehen der RAF zunächst nur den Status der rechtlichen Unangreifbarkeit. Dieser Umstand verfestigte sich durch weitere Presseberichte und schon zu diesem Zeitpunkt unvollständigen und teilweise verzerrenden staatlichen Berichterstattung jedoch noch um ein Vielfaches und führte in der Bevölkerung somit zu einer erheblichen negativen, aber spannenden Faszination an der Baader-Meinhof-Gruppe.

1972 war das Jahr der Sprengstoffattentate mit Zielrichtung gegen US-Militäreinrichtungen. Bei insgesamt 5 Anschlägen bis Mitte Mai ’72 wurden 4 Menschen getötet und 30 weitere Personen verletzt. Am 11.Mai 1972 wurde der amerikanische Oberstleutnant Paul Bloomquist bei einem Bombenanschlag getötet, ausgeführt vom Kommando Petra Schelm. Diese Gruppe stand in enger Verbindung zur Baader-Meinhof-Gruppe, deren wesentliche Protagonisten also Baader, Meinhof, Ensslin, Raspe und Meins im Juni ’72 daraufhin verhaftet wurden.

Die hier ersichtliche schnelle Abfolge der Taten, verbunden mit der enormen Brutalität, jedoch immer mit eindeutiger Zielrichtung versehen, zeigte den unbeteiligten Bürgern erneut, wie präsent die Gefahr der RAF doch war. Ein noch viel wichtigerer Faktor war die daraus offensichtliche Entstehung einer staatlichen Benommenheit und das Fehlen einer adäquaten Reaktion der Regierung.

Das chronologische, vermeintliche Ende der Aktivitäten der Baader-Meinhof-Gruppe ist hier jedoch noch nicht erreicht. Die Zeitschrift der Spiegel, immer wieder fungierend als eines der ungewollten Hauptsprachrohre der RAF, äußerte sich 1978 zu den von den Gefangenen gestellten Vorwürfen der Folter durch Isolationshaft , „dass der Vorwurf der Folter durch Isolation zwar von 1971 bis 1974 berechtigt war, danach jedoch nur noch der Propaganda gedient habe. (…)“[4]

Diese öffentlichkeitswirksamen Artikel und tatsächlichen Umstände, wie z.B. der Besuch des französischen Schriftstellers und Philosophen Jean Paul Sartre in der Haftanstalt Stammheim führten dazu, dass nicht nur eine breite Resonanz in der linken Szene stattfand, sondern die gesamte nachrichtengeprägte Bevölkerungsschicht beeinflusst wurde, da diese Umstände immer wieder auch ein Fehlverhalten der Regierung offensichtlich machten und somit auch eine starke Polarisierung oder auch Sympathiesierung mit der RAF gegeben war. Dies stellte also eine ernste Gefahr für die Gesamt-Demokratie Deutschlands dar, so dass die politische Führung immer wieder genötigt war Maßnahmen zu treffen, um eventuellen Schaden von der noch jungen Nachkriegsdemokratie abzuwenden.

2.2.1 Der deutsche Herbst

Als deutscher Herbst wird die (gesellschafts-) politische Atmosphäre in Deutschland im September und Oktober 1977 bezeichnet, obwohl der Start dieser auch von der RAF selbst, wie auch von Presse und Ermittlungsbehörden genannten Offensive 77[5] schon im 7. April des Jahres stattfand mit dem Mordanschlag auf den Generalbundesanwalt Sigfried Buback und endete mit der Todesnacht von Stammheim[6] am 18. Oktober 1977.

Nach dem genannten Mordanschlag des Generalbundesanwaltes und der nur kurzweiligen Ruhe wurde zunächst der Vorstandssprecher der Deutschen Bank Jürgen Ponto erschossen und am 5.September 1977 der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer in Köln entführt. - Schleyer geriet in den Fokus der RAF da er in einem Fernsehinterview auf seine nationalsozialistische Vergangenheit und seinen hohen Offiziersrang in der SS angesprochen wurde. „ Er erklärte, er sei stolz auf diese Vergangenheit.“[7] Schleyer wurde über insgesamt 44 Tage gefangen gehalten und im Anschluss am 19.Oktober im Elsass/Frankreich von vermutlich Rolf Heißler und Stefan Wisniewski[8] erschossen, als seine Entführer vom Tod der inhaftierten RAF-Mitglieder in Stammheim erfuhren.

„Unterdessen wurde in der Öffentlichkeit immer lauter eine Wiedereinführung der Todesstrafe für Terroristen verlangt. Auch im Krisenstab wurde über die Möglichkeit selbst "exotischer Lösungen" debattiert.“ [9]

Parallel zur Schleyer-Entführung wurde am 13.Oktober 1977 die Lufthansamaschine „Landshut“ durch ein palästinensisches Kommando, angeleitet durch die RAF, entführt. Während einer Odyssee durch den arabischen Luftraum wurde zunächst der Kapitän Jürgen Schumann erschossen. Eine weitere Landung der Maschine in der sich 87 Passagiere, davon 23 deutsche Urlauber befanden, fand in Mogadischu / Somalia statt. Am 18.Oktober um 00:05 Uhr wurde das Flugzeug von einer Einheit der GSG 9 erfolgreich gestürmt. Hiermit wurde die Todesnacht von Stammheim eingeleitet.

Der deutsche Herbst aus 1977 war beendet.

2.2.2 Die Offensive 77

Ziel der Offensive77[10] war die Befreiung der in Stammheim inhaftierten Mitglieder der RAF. Die Presse (Butz Peters) hatte hier ihre eigene Formulierung bereits gefunden:

„Die "Offensive 77" ist nach Vorstellung der RAF mehr als die bloße Abfolge einzelner Taten. Sie sieht in den aufeinanderfolgenden Angriffen eine "Aktionseinheit": Durch sie soll der Staat immer weiter weich geklopft werden.“ [11] (...)

Dieses Ziel wurde jedoch nicht erreicht, da alle zum Kern gehörenden Anführer der einstigen ersten Generation der RAF, Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin in ihren Gefängniszellen der Justizvollzugsanstalt Stammheim Suizid begangen haben. Ulrike Meinhof hatte dies bereits Monate zuvor getan.- Einzige Überlebende der Todesnacht von Stammheim war Irmgard Möller.

2.2.3 Die Todesnacht von Stammheim

Aus Terroristen werden Märtyrer, aus der RAF wird ein Mythos. Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt des chronologischen Ablaufs der Aktionen der Baader-Meinhof-Gruppe hier ein möglicherweise beabsichtigter Punkt der Beteiligten selbst gesetzt worden ist.

Diese Frage findet ihre Beantwortung eindeutig in der Todesnacht von Stammheim wieder. Hier wird eine Verbindung geschaffen, zwischen den politischen Zielen der Baader- Meinhof-Gruppe, dem Willen auch mit dem eigenen Leben für diese Ziele einzutreten und der Unfähigkeit des Staates trotz Haft und gerichtlichen Prozesses auf irgendeine Weise auf die Betroffenen einzuwirken.

Der Auslöser dieser Suizid-Nacht war ebenfalls eindeutig: Die fehlgeschlagene Entführung der Lufthansamaschine Landshut und der misslungene Freipressversuch der Gefangenen aus Stammheim durch die Schleyerentführung, und der anschließende Mord an Schleyer.

Eine wichtige und unumgängliche Hilfe spielten hier die Sympathisanten der RAF, hier auch Vertreten durch den Rechtsanwalt Arndt Müller und seines Gehilfen und späteren RAF-Mitgliedes Volker Speitel.

[...]


[1] Christiane Landgrebe, „ ’68 und ihre Folgen“, 1998, S.133 ff.

[2] Heinz Laufer: „ Verfassungsgerichtbarkeit und politischer Prozess. Studien zum Bundesverfassungsgericht der BRD “, 1968, S.476

[3] Zeitschrift Agit 833, Ausgabe 62, Abdruck von Holger Meins, Artikel: „ Die Rote Armee aufbauen! “, Ausgabe 6/1970

[4] vgl. Der Spiegel, Ausgabe 50/1978, Artikel: „ Foltervorwurf eine Propagandalüge “, S.62-64

[5] vgl. Butz Peters, „ Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF.“, 2004, S.774

[6] Inge Stephan/Alexandra Tacke, „ NachBilder der RAF “, 2008, S.295

[7] Wolfgang Kraushaar, Zeitung: Die Zeit , Artikel: „ Deutsche Kontinuitäten “, S.2

[8] vgl. Spiegel Online, 07.09.2007, Artikel: „Boock nennt Namen von Schleyers mutmaßlichen Mördern.“

[9] www.Radio.de, Artikel: „ Im Visier der roten Armee Fraktion“, 05.09.2007

[10] Butz Peters, „ Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF.“, 2004, S.774

[11] Butz Peters, „ Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF “, 2004, S.378

Details

Seiten
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783668322332
ISBN (Buch)
9783668322349
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Gelsenkirchen
Erscheinungsdatum
2016 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
RAF Baader Terrorismus deutscher Herbst Offensive 77 Stammheim Rote Armee Fraktion Meinhof Schleyer Entführung Mythos Mythologisierung Buback §129a StGB
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