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Der Internationalisierungsprozess von ALDI SÜD: Eine Überprüfung des Uppsala Modells

©2012 Bachelorarbeit 46 Seiten

Zusammenfassung

Die Homogenisierung der Welt durch technologischen Fortschritt, Deregulierung des Welthandels und schnelleren Zugriff auf Wissen bringt neben anderen Aspekten eine verstärkte internationale Expansion vieler Unternehmen mit sich (vgl. Nordström, 1991, S.28). So sind Unternehmen nicht mehr ausschließlich in ihren Heimatmärkten tätig, sondern suchen vermehrt ausländische Märkte, die sie erfolgreich bearbeiten können. Aus diesem Grund hat die Wirtschaftsforschung in der Vergangenheit zahlreiche Modelle entwickelt, die die voranschreitende Internationalisierung von Unternehmen zu erklären versuchen. Einen der bekanntesten Ansätze stellt dabei das von JAN JOHANSON und JANERIK VAHLNE entwickelte Uppsala Modell des Internationalisierungsprozesses von Unternehmen dar, welches 1977 vorgestellt wurde.
Außerdem lässt sich beobachten, dass der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland einem Wandel unterliegt. So ist ein zunehmender Konzentrationsprozess hin zu oligopolistischen Marktverhältnissen festzustellen. Immer weniger und größere Lebensmitteleinzelhandels-unternehmen kontrollieren immer weniger und größere Geschäfte (vgl. Jauschowetz, 1995, S. 19). Die zehn größten Lebensmitteleinzelhändler vereinen bspw. ca. 89% des gesamten Branchenumsatzes, während die Anzahl von Geschäften in den vergangenen Jahrzehnten um 105.000 auf 55.000 im Jahr 2007 sank (vgl. Schmid/Dauth/Kotulla, 2009, S. 3). Der Wandel wurde zudem durch das Aufkommen von Lebensmitteldiscountern wie Aldi verstärkt, die das Konsumverhalten der Verbraucher änderten, den Wettbewerbsdruck steigerten und so zu einer weiteren Branchenkonsolidierung beitrugen (vgl. Schmid/Dauth/Kotulla, 2009, S. 3). Der deutsche Markt hat somit aufgrund der Existenz weniger großer Unternehmen, des hohen Preiskampfes und einer hochkompetitiven Wettbewerbssituation einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Infolgedessen suchen deutsche Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels vermehrt nach neuen Wachstumspotentialen im Ausland. Aldi Süd kommt dabei durch den frühen Beginn seiner Internationalisierung im Jahr 1968 eine klare Pionierstellung zu.
Die Zielsetzung der Arbeit ist daher eine Überprüfung des Erklärungsgehalts des Uppsala Modells anhand der Betrachtung des Internationalisierungsprozesses des Lebensmitteldiscounters Aldi Süd. Des Weiteren soll ein Ausblick für weitere Studien gegeben werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 DAS UPPSALA MODELL NACH JOHANSON UND VAHLNE
2.1 Motive und Ziele
2.2 Das Internationalisierungsmuster
2.2.1 Psychic Distance Chain
2.2.2 Establishment Chain
2.3 Das Internationalisierungsmodell
2.3.1 Statische Elemente
2.3.1.1 Marktbindung
2.3.1.2 Marktwissen
2.3.2 Dynamische Elemente
2.3.2.1 Laufende Geschäftsaktivitäten
2.3.2.2 Bindungsentscheidungen
2.4 Grenzen des Uppsala Modells und Kritik
2.4.1 Determinismus des Modells
2.4.2 Problematik der psychischen Distanz

3 AUSBAU UND ERWEITERUNGEN DES UPPSALA MODELLS
3.1 Netzwerkansatz nach Johanson und Mattsson und multilaterale Netzwerke .
3.2 Erweiterung des Netzwerkmodells der Internationalisierung

4 INTERNATIONALISIERUNG DES LEBENSMITTEL- DISCOUNTERS ALDI SÜD
4.1 Bedeutung und Struktur des Lebensmitteleinzelhandels
4.2 Der Lebensmitteldiscounter Aldi Süd Überprüfung des Uppsala Modells anhand der Internationalisierung von Aldi Süd
4.3 Überprüfung des Uppsala Modells am Beispiel von Aldi Süd
4.3.1 Psychic Distance Chain
4.3.2 Establishment Chain
4.3.3 Auswertung der Ergebnisse
4.3.3.1 Limitationen der Erhebungsmethode
4.3.3.2 Psychic Distance Chain
4.3.3.3 Establishment Chain

5 RESULTAT UND FAZIT

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die Internationalisierung nach Johanson/Vahlne

Abb. 2: Multilaterale Ausprägung des Internationalisierungsprozesses

Abb. 3: Die Internationalisierung im Netzwerk nach Johanson/Vahlne

Abb. 4: Internationalisierungsschritte von Aldi Süd (tatsächlicher Verlauf und Idealverlauf)

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Die unterschiedlichen Situationen der Internationalisierung nach Johanson/Mattsson

Tab. 2: Auslandsmärkte Aldi Süds, psychische Distanz und Länderranking

Tab. 3: Markteintrittsformen Aldi Süds

Tab. 4: Länderwerte der GLOBE-Studie für die Kulturdimensionen

Tab. 5: Länderwerte der GLOBE-Studie für die Führungsdimensionen

1 Einleitung

Die Homogenisierung der Welt durch technologischen Fortschritt, Deregulierung des Welthandels und schnelleren Zugriff auf Wissen bringt neben anderen Aspekten eine ver- stärkte internationale Expansion vieler Unternehmen mit sich (vgl. Nordström, 1991, S.28). So sind Unternehmen nicht mehr ausschließlich in ihren Heimatmärkten tätig, son- dern suchen vermehrt ausländische Märkte, die sie erfolgreich bearbeiten können. Aus diesem Grund hat die Wirtschaftsforschung in der Vergangenheit zahlreiche Modelle ent- wickelt, die die voranschreitende Internationalisierung von Unternehmen zu erklären ver- suchen. Einen der bekanntesten Ansätze stellt dabei das von JAN JOHANSON und JAN-ERIK VAHLNE entwickelte Uppsala Modell des Internationalisierungsprozesses von Unterneh- men dar, welches 1977 vorgestellt wurde.

Außerdem lässt sich beobachten, dass der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland einem Wandel unterliegt. So ist ein zunehmender Konzentrationsprozess hin zu oligopolistischen Marktverhältnissen festzustellen. Immer weniger und größere Lebensmitteleinzelhandels- unternehmen kontrollieren immer weniger und größere Geschäfte (vgl. Jauschowetz, 1995, S. 19). Die zehn größten Lebensmitteleinzelhändler vereinen bspw. ca. 89% des gesamten Branchenumsatzes, während die Anzahl von Geschäften in den vergangenen Jahrzehnten um 105.000 auf 55.000 im Jahr 2007 sank (vgl. Schmid/Dauth/Kotulla, 2009, S. 3). Der Wandel wurde zudem durch das Aufkommen von Lebensmitteldiscountern wie Aldi ver- stärkt, die das Konsumverhalten der Verbraucher änderten, den Wettbewerbsdruck steiger- ten und so zu einer weiteren Branchenkonsolidierung beitrugen (vgl. Schmid/Dauth/Kotulla, 2009, S. 3). Der deutsche Markt hat somit aufgrund der Existenz weniger großer Unternehmen, des hohen Preiskampfes und einer hochkompetitiven Wett- bewerbssituation einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Infolgedessen suchen deutsche Un- ternehmen des Lebensmitteleinzelhandels vermehrt nach neuen Wachstumspotentialen im Ausland. Aldi Süd kommt dabei durch den frühen Beginn seiner Internationalisierung im Jahr 1968 eine klare Pionierstellung zu.

Die Zielsetzung der Arbeit ist daher eine Überprüfung des Erklärungsgehalts des Uppsala Modells anhand der Betrachtung des Internationalisierungsprozesses des Lebensmitteldis- counters Aldi Süd. Des Weiteren soll ein Ausblick für weitere Studien gegeben werden.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Das zweite Kapitel beschreibt das ur- sprüngliche Uppsala Modell. Dabei werden zunächst die Ziele und Motive JOHAN- SON/VAHLNES näher betrachtet. Anschließend erfolgt eine genaue Beschreibung der theo- retischen Bestandteile des Modells, wobei auf die Internationalisierungsmuster und das Internationalisierungsmodell näher eingegangen wird. Trotz breiter Zustimmung seitens der Wissenschaft, wurde aus verschiedenen Gründen Kritik geübt. Daher wird zum Ab- schluss des Kapitels auf zwei zentrale Kritikpunkte des ursprünglichen Modells eingegan- gen. In diesem Zusammenhang werden zudem die Grenzen des Modells aufgezeigt.

Das dritte Kapitel befasst sich mit den Erweiterungen des Modells. Diese wurden zum einen als Antwort auf viele Kritikpunkte und zum anderen aufgrund von Veränderungen der globalen Wirtschaft entwickelt. Das erste Unterkapitel beschäftigt sich mit dem Netzwerkansatz, welcher eine der wichtigsten Erweiterungen darstellt, während der folgende Unterpunkt die neuste Ergänzung JOHANSON/VAHLNES darlegt.

Im Zentrum der Arbeit (Kapitel 4) werden die erläuterten theoretischen Grundlagen mit dem tatsächlichen Internationalisierungsprozess Aldi Süds bzgl. der psychischen Distanz zu den Auslandsmärkten und der gewählten Markteintrittsform verglichen. Zunächst wer- den einige Ansätze zur Messung psychischer Distanz vorgestellt. Auf Basis einer erstellten Formel wird sodann die psychische Distanz zwischen Deutschland und den Auslandsmärk- ten Aldi Süds gemessen. Im Anschluss daran werden die tatsächlichen Internationalisie- rungsschritte mit denen im Modell postulierten Schritten verglichen, bevor sowohl die Er- gebnisse der Psychic Distance Chain als auch der Establishment Chain ausgewertet wer- den.

Auf Grundlage der gewonnenen Einsichten erfolgt eine Schlussbetrachtung, in der ab- schließend geklärt wird, ob das Uppsala Modell zur Erklärung des Internationalisierungs- prozesses Aldi Süds genügt. Des Weiteren werden Implikationen für zukünftige Studien geliefert.

2 Das Uppsala Modell nach Johanson und Vahlne

Das ursprüngliche Uppsala Modell wurde von den beiden Wirtschaftswissenschaftlern JAN JOHANSON von der University of Uppsala und JAN-ERIK VAHLNE von der Stockholm School of Economics erarbeitet und 1977 der Öffentlichkeit unter dem Titel „The internationalization process of the firm - A model of knowledge development and increasing foreign market commitments“ vorgestellt (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 23).

Im folgenden Kapitel werden zunächst die Motive und Ziele von JOHANSON/VAHLNE bei der Erarbeitung ihres Modells aufgezeigt, bevor die Bestandteile des Modells näher erläutert und die Grenzen sowie Kritikpunkte aufgezeigt werden.

2.1 Motive und Ziele

Basierend auf empirischen Studien1 über die Entwicklung der Auslandsaktivitäten schwedischer Unternehmen entwickelten JOHANSON/VAHLNE ein Modell, mit Hilfe dessen sie den Internationalisierungsprozess von Unternehmen erklären wollten. Als theoretische Grundlagen ihres Modells sehen sie dabei behavioristische Theorien2 (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 23 f.).

Die beiden Wissenschaftler betrachten die Internationalisierung von Unternehmen nicht als rein statischen Vorgang, sondern vielmehr als einen Prozess, der schrittweise vollzogen wird. In Folge dieses Prozesses bewegen sich Unternehmen immer weiter von ihrem Hei- matland weg (vgl. Bäurle, 1996, S. 67). Dabei stehen für sie zum einen verhaltenstheoreti- sche Aspekte wie der sukzessive Erwerb und der Gebrauch von Wissen und Erfahrungen über Auslandsmärkte im Vordergrund. Zum anderen sehen sie eine zunehmende Bindung und graduelle Etablierung von Geschäftsaktivitäten in den neuen Märkten (vgl. Johan- son/Vahlne, 1977, S. 23). Weiter gehen sie davon aus, dass eines der wesentlichen Hinder- nisse für Unternehmen bei der Entwicklung internationaler Tätigkeiten der Mangel an Er- fahrungswissen über die zu bearbeitenden Auslandsmärkte darstellt. Das fehlende Wissen und die daraus resultierende Unsicherheit sollen vornehmlich durch Aktivitäten im Aus- land und das dadurch erworbene Erfahrungswissen überwunden werden (vgl. Johan- son/Vahlne, 1977, S. 23; S. 26).

JOHANSON/VAHLNE wollten folglich mit dem Uppsala Modell einen Beitrag zum besseren Verständnis empirischer Studien zur Entwicklung der Auslandsaktivitäten von Unternehmen leisten. Diese sollten über rein ökonomische Faktoren hinaus, wie z.B. Kosten- und Preisunterschiede, erklärt werden können. Außerdem waren die beiden davon überzeugt, dass ihr Modell sowohl den Planungs- als auch den Entscheidungsprozess internationaler Unternehmenstätigkeiten besser unterstützen könne, da es die Bedeutung der Faktoren Unsicherheit und Erfahrungswissen für die Internationalisierung weiter in den Vordergrund rücke (vgl. JohansonVahlne, 1977, S. 23 ff.). Zudem sollte das Uppsala Modell eine Grundlage für künftige Forschung darstellen und als Analysewerkzeug für Effekte verschiedener Einflussgrößen auf die Internationalisierungsmuster und -stufen von Unternehmen dienen (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 23).

Obwohl die grundlegenden Ausführungen des Modells mit den Ergebnissen aus früheren empirischen Studien übereinstimmen, stellen JOHANSON/VAHLNE klar, dass weitere empirische Forschung betrieben werden müsse. Nur so könne ihr Modell in Hinblick auf die Entwicklung der statischen Größen Marktbindung und Marktwissen, sowie den Inter- nationalisierungsverlauf verschiedener Unternehmen in Bezug auf ihre Größe, Produktlinie oder ihr Heimatland überprüft und validiert werden (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 31).

Bei dem erwähnten graduellen Prozess der Internationalisierung kann zwischen den beiden Merkmalen des Internationalisierungsmusters (patterns of internationalization) und dem Internationalisierungsmodell (model of internationalization), unterschieden werden, welche im Folgenden genauer betrachtet werden (vgl. Holtbrügge, 2005, S. 3).

2.2 Das Internationalisierungsmuster

Das Internationalisierungsmuster ist auf empirische Untersuchungen von JOHAN- SON/WIEDERSHEIM-PAUL (1975) gegründet und wird in die zwei Merkmale „ Psychic Dis- tance Chain “ und „ Establishment Chain “ unterteilt (Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). An- hand dieser beiden Merkmale wird die Entwicklung der Internationalisierung von Unter- nehmen einerseits aus räumlicher Perspektive über die Zeit hinweg (Psychic Distance Chain) und anderseits aus zeitlicher Perspektive (Establishment Chain) beschrieben (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 466 f.).

2.2.1 Psychic Distance Chain

Die Psychic Distance Chain beschreibt die in einer zeitlich bestimmten Reihenfolge ablaufende und schrittweise erfolgende Bearbeitung von Auslandsmärkten, ausgehend vom Heimatland hin zu psychisch immer weiter entfernten Märkten. Psychische Distanz wird dabei als „sum of factors preventing the flow of information from and to the market“ (Johanson/Vahlne, 1977, S. 24) verstanden. Zu diesen Faktoren zählen bspw. Kultur-, Sprachoder Bildungsunterschiede, aber auch wirtschaftliche oder politische Unterschiede (vgl. Dow/Karunaratna, 2006, S. 582 f.; Johanson/Vahlne, 1977, S. 24).

Die wesentliche Annahme hierbei ist, dass Unternehmen neue Auslandsmärkte nur schrittweise mit größer werdender psychischer Distanz erschließen. Folglich gehen JOHAN- SON/VAHLNE davon aus, dass Unternehmen zunächst vom Heimatmarkt aus gesehen psy- chisch nähere und vergleichsweise vertrautere Märkte bearbeiten. Dies hängt damit zu- sammen, dass Unternehmen die dort empfundene Marktunsicherheit als niedriger und ei- nen Markteintritt als erfolgsversprechender einschätzen. Zudem bieten Aktivitäten in psy- chisch nahen Märkten den Unternehmen die Möglichkeit auf einfache Weise ihr Marktwis- sen zu vergrößern (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Dies impliziert, dass es für ein Un- ternehmen umso schwieriger wird, erworbene Markterfahrung zu nutzen bzw. weiteres Marktwissen zu erlangen und dieses adäquat zu deuten, je weiter es sich auf der Psychic Distance Chain vom Heimatmarkt entfernt (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341). Betrachtet man das Ganze als konzentrische Kreise lässt sich folgern, dass erst mit fortschreitender Zeit und wachsendem Marktwissen und dadurch schwindender Unsicherheit solche Märkte erschlossen werden, welche in entfernt liegenderen Kreisen beheimatet sind (vgl. Kutsch- ker/Schmid, 2011, S. 467).

Des Weiteren kann die psychische Distanz auch ein Entscheidungsfaktor bei der Wahl der geeigneten Internationalisierungsform sein, welche im folgenden Unterkapitel, näher erläutert wird (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341).

2.2.2 Establishment Chain

Den zweiten Bestandteil des Internationalisierungsmusters stellt die Establishment Chain dar. Diese beschreibt die Internationalisierung von Unternehmen mit Blick auf die graduel- le Entwicklung der Marktbearbeitungsform über die Zeit hinweg, entlang der sog. Estab- lishment Chain (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Es wird angenommen, dass sich die Internationalisierung nicht anhand einzelner, größerer Sprünge vollzieht. Vielmehr ge- schieht sie in Form eines zeitlichen Verhaltensmusters in kleinen Schritten und verläuft dabei auf vier allgemeingültigen und aufeinanderfolgenden Internationalisierungsstufen (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 24). Dabei ist zu beachten, dass die jeweilige Stufe durch immer stärkere Marktbindung, gesteigerten Ressourceneinsatz und wachsendes Erfah- rungswissen gekennzeichnet ist. Unternehmen erhöhen also ihr Engagement in den Aus- landsmärkten schrittweise, entsprechend der Markterfahrung, die sie durch ihre Ausland- stätigkeiten erlangen (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341; Johanson/Vahlne, 1990, S. 13).

Die Internationalisierung hat nach dem Uppsala Modell ihren Ausgangspunkt auf der ersten Stufe, auf welcher Unternehmen noch nicht international tätig sind. Es findet höchstens gelegentlicher Export statt und die Unternehmen verfügen kaum über Marktwissen (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13).

Die zweite Stufe zeichnet sich durch regelmäßigeren Export, gewöhnlich mittels eigenständiger Zwischenhändler aus, welche das Unternehmen im Auslandsmarkt vertreten. Auf diese Weise erlangen Unternehmen Marktwissen, wobei zu beachten ist, dass diese Marktinformationen meist oberflächlich zu bewerten sind (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Außerdem ist auf dieser Stufe bereits eine gewisse Ressourcenbindung im Auslandsmarkt zu beobachten (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul, 1975, S. 307).

Mit zunehmenden Verkaufszahlen und steigender Erfahrung sowie wachsendem Markt- wissen wird die Exporttätigkeit mittels Zwischenhändler auf der dritten Stufe durch eine Verkaufsniederlassung im Ausland ersetzt, bevor die Gründung ausländischer Produkti- onsstätten auf der vierten Stufe die Establishment Chain abschließt (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13).

Da Internationalisierungsformen wie bspw. eigene Produktionsniederlassungen ressourcenintensiver sind, lässt sich folgern, dass die Bindung von Ressourcen umso größer ist, je weiter ein Unternehmen auf der Establishment Chain fortgeschritten ist (vgl. Johanson/ Vahlne, 1990, S. 13; Johanson/Wiedersheim-Paul, 1975, S. 307).

Bei der Betrachtung der Establishment Chain sollte jedoch beachtet werden, dass sie ledig- lich den idealtypischen Verlauf aufzeigt. So kann es bspw. sein, dass Unternehmen be- stimmte Stufen überspringen, da sie bereits über Erfahrungswissen aus anderen Auslands- engagements verfügen. Möglich ist auch, dass bestimmte Märkte schlicht zu klein sind, als dass die Bearbeitung durch ressourcenintensivere Stufen der Establishment Chain lohnend wäre (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul, 1975, S. 307).

2.3 Das Internationalisierungsmodell

Das Internationalisierungsmodell stellt den zweiten Teil des Uppsala Modells dar. Dieser soll die empirischen Überlegungen der Internationalisierungsmuster anhand eines dynami- schen Modells theoretisch ausführen. Dabei stützt sich das Internationalisierungsmodell auf statische Zustandsgrößen (state aspects) und dynamische Entwicklungsgrößen (change aspects). Grundlegende Annahme des dynamischen Modells ist, dass das Ergebnis einer Entscheidung den Input der nächsten Entscheidung begründet (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 26). Die statischen Größen beinhalten die beiden Elemente Marktbindung (market commitment) und Marktwissen (market knowledge). Die dynamischen Größen werden nach (Markt)-Bindungsentscheidungen (commitment decisions) und laufenden Geschäfts- aktivitäten (current activities) unterschieden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die Internationalisierung nach Johanson/Vahlne

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bäurle (1996), S. 69.

Das Internationalisierungsmodell wird in diesem Zusammenhang als ein interde- pendierendes Wechselspiel dieser vier Elemente angesehen. So beeinflussen Marktbindung und -wissen jene Entscheidungen, welche die Bindung des Unternehmens im Auslandsmarkt und die Durchführung der laufenden Geschäftsaktivitäten in der darauffolgenden Periode betreffen. Zu einem späteren Zeitpunkt haben diese wiederum Auswirkungen auf den Grad der Marktbindung und die Höhe des Marktwissens (vgl. Forsgren, 2002, S. 260).

Im Folgenden werden nun die statischen und dynamischen Elemente sowie der Aufbau und das Zusammenspiel der ihnen zugrundeliegenden Bestandteile näher betrachtet.

2.3.1 Statische Elemente

Marktverbundenheit und Marktwissen bilden die beiden Bausteine der statischen Elemente. JOHANSON/VAHLNE nehmen dabei an, dass beide Aspekte Entscheidungen hinsichtlich der Ressourcenbindung und der laufenden Aktivitäten in ausländischen Märkten beeinflussen (vgl. Johanson/Vahlne, 1990; S. 11).

2.3.1.1 Marktbindung

Hintergrund des statischen Elements Marktverbundenheit bzw. -bindung ist die Annahme, dass Unternehmen, vorrangig in Abhängigkeit ihres Fortschritts auf der Establishment Chain, Ressourcen in einen Auslandsmarkt transferieren und dort binden (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 467). Dabei werden zwei Komponenten von Marktbindung genannt: Die Menge der gebundenen Ressourcen sowie der Grad der Ressourcen- und folglich der Marktbindung (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

Der Grad der Marktbindung lässt sich nach JOHANSON/VAHLNE dadurch bestimmen, wie leicht bzw. schwer sich Ressourcen von einem zum nächsten Markt transferieren und dort einsetzen lassen (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 340). Dies wird am Beispiel einer Marketin- gabteilung verdeutlicht, welche auf die Produkte des Unternehmens spezialisiert ist und starke Beziehungen zu den Kunden des Marktes entwickelt hat. Der Grad der Ressourcen- bindung ist folglich hoch. Aufgrund dessen wäre es für das Unternehmen schwer, diese kurzfristig in andere Ländermärkte bzw. Geschäftsbereiche zu transferieren (vgl. Johanson/ Vahlne, 1977, S. 27). Anhand dieses Beispiels wird einerseits deutlich, dass der Grad der Marktverbundenheit umso höher ist, je mehr Ressourcen auch in anderen Märkten und Bereichen des Unternehmens gebunden sind. Andererseits hängt der Grad der Verbunden- heit vom Spezialisierungsgrad ab, den diese Ressourcen in einem bestimmten Markt auf- weisen. Ein Transfer bzw. eine Reduzierung der Ressourcen würde dementsprechend umso mehr erschwert werden, je höher die Marktverbundenheit ist (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

Die zweite Komponente, die Menge an gebundenen Ressourcen, beschreibt die Investitionsgröße der Ressourcen in einem Markt. Dabei beinhalten Investitionen im weitesten Sinne Investitionen für Marketing und Personal, aber auch Kapital und Wissen (vgl. Holtbrügge, 2005, S. 6 f.; Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

2.3.1.2 Marktwissen

International tätige Unternehmen verfügen über besonderes Wissen ausländischer Märkte, welches sie, je nach Fortschritt auf der Psychic Distance Chain, durch neue Auslandsakti- vitäten erworben haben (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 468). Dieses Marktwissen macht den zweiten Bestandteil der statischen Elemente aus und ist nach JOHANSON/VAHLNE von besonderer Signifikanz für die Internationalisierung. Eine grundlegende Annahme des Up- psala Modells ist demnach auch, dass fehlendes Wissen über einen Auslandsmarkt eines der wesentlichen Hindernisse des Internationalisierungsprozesses von Unternehmen ist (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 23). Dies ist leicht nachzuvollziehen, betrachtet man ei- nerseits Entscheidungen, die die Möglichkeiten und Gefahren für ein Unternehmens betref- fen, und andererseits die Bewertung von Alternativen. Beide setzen Wissen über die ent- sprechenden Märkte sowie die Durchführung verschiedener Geschäftsaktivitäten voraus (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27). Zudem sinken wahrgenommenes Risiko und Unsi- cherheit eines Auslandsmarktes schrittweise mit steigendem Wissen, welches ein Unter- nehmen inkrementell durch Auslandsaktivitäten darüber erworben hat. Je niedriger wiede- rum das wahrgenommene Marktrisiko eines Auslandsmarktes ist, desto höher werden die Auslandsinvestitionen eines Unternehmens ausfallen (vgl. Forsgren, 2002, S. 259).

Darüber hinaus wird dem Lernprozess bei der Internationalisierung von Unternehmen über die Zeit hinweg große Bedeutung beigemessen. So ist jeder Internationalisierungsschritt zwar auf das begrenzte Wissen des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt gegründet. Er ist indes aber auch Teil eines stetig fortschreitenden Prozesses. Dementsprechend geht mit jeder Aktivität in einem fremden Markt ein Lerngewinn und Erfahrungszuwachs einher, der die Basis für spätere Aktionen bilden kann (vgl. Johanson/Vahlne, 2003, S. 6).

Nach PENROSE (1959) lassen sich dabei zwei grundlegende Unterscheidungen treffen: das objektive Wissen und das Erfahrungswissen. Objektives Wissen umschreibt jenes Wissen, welches gelehrt und gelernt werden kann (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S.12). Es zeichnet sich durch standardisierte Erhebungs- und Übertragungsmethoden aus und lässt sich verhältnismäßig einfach in andere Märkte bzw. Geschäftseinheiten transferieren (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 340).

Erfahrungswissen hingegen stellt den entscheidenderen Faktor des Marktwissens dar, da es nicht einfach erlernt und übertragen werden kann. Vielmehr zeichnet sich Erfahrungswis- sen durch ein Gefühl für die Möglichkeiten und Risiken bestimmter Situationen aus. Dem- nach ist es an einzelne Personen gebunden und muss durch deren eigene, spezifische Er- fahrungen, welche bei Tätigkeiten im Ausland gesammelt werden, schrittweise erworben werden (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 12). Dies erschwert die Weitergabe und Übertra- gung an andere Personen des Unternehmens3. Aus diesem Grund wird das Erfahrungswis- sen als die treibende Kraft des Internationalisierungsprozesses und der Reduzierung von Unsicherheiten gesehen (vgl. Eriksson et al.; 1997, S. 342; Johanson/Vahlne, 1977, S. 28).

JOHANSON/VALHNE nehmen noch eine weitere Abgrenzung von Marktwissen vor. So unterscheiden sie zwischen generellem und marktspezifischem Wissen. Während generelles Wissen durch allgemeine betriebswirtschaftliche Kenntnisse wie Marketing- methoden oder Wissen über die verschiedenen Kundentypen gekennzeichnet ist, umfasst marktspezifisches Wissen spezielle Kenntnisse eines bestimmten Ländermarktes. Dazu zählen neben Kenntnissen des Betriebsklimas oder kulturelle Besonderheiten eines Landes auch bedeutende Informationen über die dortigen Kunden. Während sich generelles Wissen leicht von einem Land ins andere übertragen lässt, wird marktspezifisches Wissen vornehmlich durch Tätigkeiten im jeweiligen Ländermarkt gewonnen und kann nur schwer in andere Länder transferiert werden (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 28).

In der Fachliteratur finden sich noch weitere Differenzierungsmöglichkeiten des Erfahrungswissens, z.B. ausländisches Geschäfts-, Institutions- und Internationalisierungswissen (vgl. Eriksson et al.; 1997, S. 344 f.). Infolge des begrenzten Umfang der Arbeit werden diese aber nicht weiter ausgeführt.

[...]


1 vornehmlich von Johanson/Wiedersheim-Paul (1975).

2 Z.B. Cyert/March (1963).

3 Vgl. Kapitel 2.3.2.1

Details

Seiten
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783656188629
ISBN (Paperback)
9783656189220
DOI
10.3239/9783656188629
Dateigröße
702 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Erscheinungsdatum
2012 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
Uppsala Modell Aldi Aldi Süd Lebensmitteleinzelhandel Internationalisierung Internationalisierungsprozess
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