Wortschatzarbeit im Anfangsunterricht Französisch
Zusammenfassung
Anstatt Lehrer und auch teilweise Sprachdozenten an der Universität
ihr Augenmerk mehr diesem durchaus essentiellem Teil des Fremdsprachenunterrichts widmen, versuchen sie immer wieder die ihnen so wichtige Grammatik einzutrichtern. Es steht außer Frage, auch Grammatik ist ein wichtiger Aspekt der gelungenen fremdsprachlichen Kommunikation. Aber was nützt ein umfangreicher Katalog von Regelwissen im Kopf, wenn die nötige Lexik für die Anwendung dieser Regeln fehlt.
Wie soll so ein bestimmtes Sprachniveau erreicht werden, wenn nicht die vom Lehrplan (vgl. Lehrplan Gymnasien 2011:8) verlangte Vermittlung und von Strategien und Methoden zum erfolgreichen Erschließen und Lernen von Wortschatz im Unterricht eingeübt wird? Zudem fällt es später den Lehrpersonen schwerer, die Schüler in höheren Klassen von uneffektiven Lernwegen abzubringen.
Aufgrund der beschriebenen Gegebenheiten und im Hinblick auf die zukünftige Arbeit als Französischlehrerin ist es notwendig, sich grundlegend mit dem Thema Wortschatzarbeit und im Besonderen mit deren Vermittlung zu beschäftigen.
Um aber zu verstehen, wie sich der Erwerb im Gedächtnis des Schülers vollzieht, ist die Beschäftigung mit dem mentalen Lexikon unumgänglich. Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich somit mit dem Aufbau und der Funktion des mentalen Lexikons, um sich dann dem Lernerlexikon zu widmen.
Im zweiten Teil wird der Wortschatz, dessen Gliederung und die Wortschatzarbeit als Prozess im Unterricht erläutert.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das mentale Lexikon
2.1 Organisation des mentalen Lexikons
2.2 Funktionsweise des mentalen Lexikons
2.3 Das Lernerlexikon
2.4 Zusammenfassung
3 Wortschatzarbeit im Französischunterricht
3.1 Gliederung des Wortschatzes
3.2 Prozess der Wortschatzarbeit
4 Semantisierung
4.1 Visuelle Verfahren
4.2 Einsprachige Verfahren
4.3 Mehrsprachige Verfahren
4.4 Autosemantisierung
4.5 Didaktische Konsequenzen
5 Semantisierung im Anfangsunterricht
5.1 Bedingungen im Anfangsunterricht
5.2 Beispiel: Découvertes 1 - Le ç on 3
5.3 Beispiel: Cours intensif 1 - Le ç on 7
6 Schlussbemerkungen
7 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang
1 Einleitung
"Und die unbekannten Vokabeln schreibt ihr euch dann zu Hause raus!" Die- se Aussage einer Lehrerin in einer 8. Klasse in Französisch als 3. Fremd- sprache ist heutzutage durchaus gebräuchlich im Fremdsprachenunterricht und zeigt, dass die Wortschatzarbeit immer noch zu wenig Beachtung im Anfangsunterricht findet. Wortschatzarbeit zu Beginn des Fremdsprachenun- terrichts legt das Fundament für einen weiteren Ausbau der Sprachkompe- tenz. Anstatt Lehrer und auch teilweise Sprachdozenten an der Universität ihr Augenmerk mehr diesem durchaus essentiellem Teil des Fremdspra- chenunterrichts widmen, versuchen sie immer wieder die ihnen so wichtige Grammatik einzutrichtern. Es steht außer Frage, auch Grammatik ist ein wichtiger Aspekt der gelungenen fremdsprachlichen Kommunikation. Aber was nützt ein umfangreicher Katalog von Regelwissen im Kopf, wenn die nötige Lexik für die Anwendung dieser Regeln fehlt.
Wie soll so ein bestimmtes Sprachniveau erreicht werden, wenn nicht die vom Lehrplan (vgl. Lehrplan Gymnasien 2011:8) verlangte Vermittlung und von Strategien und Methoden zum erfolgreichen Erschließen und Lernen von Wortschatz im Unterricht eingeübt wird? Zudem fällt es später den Lehrpersonen schwerer, die Schüler in höheren Klassen von uneffektiven Lernwegen abzubringen.
Aufgrund der beschriebenen Gegebenheiten und im Hinblick auf die zukünf- tige Arbeit als Französischlehrerin ist es notwendig, sich grundlegend mit dem Thema Wortschatzarbeit und im Besonderen mit deren Vermittlung zu beschäftigen.
Um aber zu verstehen, wie sich der Erwerb im Gedächtnis des Schülers voll- zieht, ist die Beschäftigung mit dem mentalen Lexikon unumgänglich. Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich somit mit dem Aufbau und der Funk- tion des mentalen Lexikons, um sich dann dem Lernerlexikon zu widmen.
Im zweiten Teil wird der Wortschatz, dessen Gliederung und die Wortschatzarbeit als Prozess im Unterricht erläutert.
2 Das mentale Lexikon
Da die Semantisierung den Grundstein für den gelungenen Wortschatzerwerb beim Schüler bildet, werden im nächsten Kapitel die im Fremdsprachenunterricht verwendeten Semantisierungsverfahren vorgestellt, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sich Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht im Sinne des mentalen Lexikons gestaltet.
Bei der Semantisierung im Anfangsunterricht gilt es verschiedene Aspekte wie Lerngruppe und der ihr zu vermittelnde Wortschatz zu beachten. Daraufhin folgen Vorschläge für Semantisierung von ausgewähltem Wortschatz für zwei Lektionen aus den Französischlehrbüchern "Découvertes" und "Cours intensif" für das erste Lernjahr.
Abschließend werden nochmal wichtige Erkenntnisse und weitere Ideen für die Wortschatzarbeit im Anfangsunterricht zusammen getragen.
Für das mentale Lexikon lassen sich unterschiedliche konkrete Definitionen finden. Aitchison (1997:13) bezeichnet es schlicht und einfach als "mensch- licher Wortspeicher"; Schwarz (1992:105) wird in seiner Beschreibung schon genauer und verankert es als "der Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem die Wörter einer Sprache mental repräsentiert sind"; Möhle (1994:39) bezieht in ihre Überlegung andere Sprachen mit ein, was für den Fremdsprachener- werb eine prinzipielle Grundvoraussetzung darstellt: "[...] als mentales Lexi- kon bezeichnet man das Reservoir, also den Teil unseres Langzeitgedächt- nisses, in dem unser Wissen über alle uns bekannten Wörter unserer eige- nen und gegebenfalls auch anderer uns verfügbaren Sprachen gespeichert ist." Somit gleicht kein mentales Lexikon dem anderen. Jeder Mensch besitzt aufgrund seiner individuellen Erfahrungen seinen persönlichen Wortschatz.
Durch den Begriff "Lexikon" lässt sich vermuten, dass dieser menschliche Wortspeicher ähnlich angelegt ist wie ein Wörterbuch, welches eine begrenz- te und alphabetisch geordnete Anzahl Einträge besitzt, die zudem nicht ver- ändert werden können, geschweige denn miteinander verknüpft sind. Tat- sächlich ist der menschliche Speicher viel komplexer, inhaltlich unbegrenzt und flexibel.
2 Das mentale Lexikon
2.1 Organisation des mentalen Lexikons
Wie werden Wörter und ihre Informationen im mentalen Lexikon gespei- chert?
Das im mentalen Lexikon gespeicherte Wissen kann als organisiert verstan- den werden, d.h. es umfasst deklaratives Wissen (Repräsentationen) und prozedurales Wissen (kognitive Prozesse). Die Wortformen werden als se- mantische Konzepte (Sprachwissen) und kognitive Konzepte (Weltwissen) gespeichert (vgl. Neveling 2010a:217), dabei sind sie gemeinsam und zu- gleich autonom repräsentiert. Somit ist das mentale Lexikon "Schnittstelle sprachlicher und konzeptueller Strukturen" (Börner/Vogel 1994:2ff).
Am Anfang steht das semantische Konzept eines Wortes, welches sich aus einer "Klasse von Referenten" (Neveling 2010a: 217) herausbildet. Dieses sprachliche Wissen eines Wortes wird nach Inhalt und Form und deren Struktur getrennt gespeichert, also nach phonologisch bzw. graphemati- schen Informationen (Phonemstruktur, Intonationsmuster), nach morpho- logischen Informationen wie Flexionsmuster oder Kompositionsschemata, nach syntaktischen Informationen (Wortklassen, Funktion auf Satzebene) und nach semantisch-lexikalischen Informationen (semantische Merkma- le und Beziehungen). Diese sprachlichen Informationen werden in Form komplexer Zusammenhänge im mentalen Lexikon repräsentiert. Wörter kön- nen ganzheitlich (holistisch) oder als Kombination aus Stamm- und Regelap- parat (transformationalistisch) gespeichert werden. Dabei ermöglicht das Prinzip der kognitiven Interdependenz Verbindungen zwischen den einzelnen Informationen. Wörter müssen mit allen genannten Informationen gespei- chert werden, sonst können sie nicht in jeglicher Art von Kommunikation verwendet werden (vgl. Neveling 2010a:217).
Der Aufbau des mentalen Lexikons lässt sich durch folgende Modelle bzw. Theorien veranschaulichen. Sie betrachten jeweils verschiedene Aspekte, dennoch schließen sich nicht gegenseitig aus (vgl. Neveling 2004a:29) und lassen sich in die Mehrspeichertheorie der menschlichen Informations- verarbeitung (Unterteilung des Gedächtnisse in sensorisches Register, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis) von Atkinson/Shiffrin (1968), aus der pä- dagogischen Psychologie bereits bekannt, integrieren. Ebenfalls bekannt ist die Theorie der dualen Kodierung von Pavio. Sie besagt, dass die Behal- tensleistung sich verbessert, wenn die neue Information wahrnehmungsba- siert (bildhaft) und bedeutungsbezogen (konzeptnah, Begriffe) codiert wird (Hoppe-Graff 2010).
Kerngedanke der Merkmalstheorien (feature models) ist, dass sich Begriffe aus semantischen Merkmalen zusammensetzen. Laut Stork (2003:70) unter- scheiden Shoben und Ribs (1974) zwischen definierenden, die zwingend notwendig sind, um einer Kategorie zugehörig zu sein, und charakteristi- schen Merkmalen, jene, die typisch aber nicht notwendig sein müssen. So sind für die Gattung Vogel die Merkmale 'Flügel' und 'Schnabel' definierend, aber die Eigenschaft 'fliegen' charakterisierend. Pinguine und Sträuße sind Vögel. Sie besitzen Flügel, aber sind damit nicht in der Lage zu fliegen, wie beispielsweise ein Spatz.
Der Spatz wiederum ist ein besonders typischer und idealer Vertreter des Begriffes 'Vogel'. Bei der Prototypentheorie, vor allem von Rosch (1975) begründet, wird der Begriff nicht durch Merkmale, sondern durch Prototypen repräsentiert (vgl. Stork 2003:71). Dafür werden folgende Kriterien angegeben: Prägnanz, Intensität, Frequenz, Vertrautheit, Informationsgehalt und Gestalt. Charakteristische Eigenschaften eines Prototypen werden durch den hohen Wiedererkennungswert schnell erkannt und ermöglichen somit eine beschleunigte Verarbeitung neuer Referenten. Daher ist es möglich, dass auch deformierte (Pinguin) oder defekte Vertreter (Spatz mit nur einem Bein) erkannt werden können (vgl. Neveling 2004a:32)
In einer Definition von Hasselhorn/Gold (2009:53) heißt es: "Schemata sind Wissenspakete, die als organisierte Wissenskomplexe typische Zusammen- hänge eines Realitätsbereiches charakterisieren. Schemata repräsentieren [...] verallgemeinerte Erfahrungen, die mit Gegenständen oder Ereignissen gemacht worden sind". Sie ergänzen demzufolge die Prototypentheorie (vgl. Neveling 2004a:33), denn sie erleichtern Schlussfolgerungen über Exempla- re, der in den Schemata repräsentierten Konzepte. Als Teil des Weltwissens sind sie mit dem mentalen Lexikon verbunden und können durch ihre ganz- heitliche Speicherung schnell abgerufen werden (ebd.). So ist es möglich, dass Informationen aufgrund der Schemata schneller eingeordnet und verar- beitet werden. Damit ist es einfacher, Alltagsituationen zu bewältigen wie beispielsweise das Restaurant-Skript, das aus den Szenarien: Eintreffen - Bestellen - Essen - Bezahlen - Gehen besteht. Skripte (Schank/Abelson 1977) sind eine spezielle Form von Schemata. Sie repräsentieren verallge- meinertes Wissen über Handlungsmuster und Ereignisabfolgen in genau be- schriebenen Situationen, also ein "mentales Regie- oder Drehbuch für typi- sche Szenarien" (Hasselhorn/Gold 2009:53). Sie sind hierarchisch organi- siert und kulturabhängig.
Die Theorie der Verarbeitungsebenen (levels of processing) nach Craik/Lockhard (1975) besagt, dass ein Wort umso tiefer verarbeitet und da- mit länger behalten wird, je mehr Verarbeitungsebenen durchlaufen werden und je höher die kognitive Aktivität dabei ist. Dabei gelten folgende Prinzi- pien: "Semantische Verankerungen durch Bilder oder andere Wörter greifen tiefer als phonologische wie das Hören eines Wortes; Selbsterschlossene Wortbedeutungen festigen sich tiefer im Gedächtnis als das Hören oder Se- hen der Übersetzung eines Wortes" (Neveling 2004a:30). Zudem sind moto- risch-kinästhetische, affektive und perzeptive Ebenen für die Verarbeitungs- tiefe relevant (ebd.), ähnlich wie Pestalozzi schon postulierte: "Lernen mit Kopf, Herz und Hand".
Netzwerkmodelle besagen, dass Begriffe im mentalen Lexikon netzwerkar- tig miteinander verknüpft sind (vgl. Stork 2003:71). Die Begriffe bilden als kleinste ganzheitliche Einheiten die Knoten im Modell. Verbindungen ent- sprechen den zwischen ihnen gebildeten Relationen und Assoziationen und werden als Bedeutungen der Konzepte gespeichert (ebd.). Nach dem Modell der Aktivierungsausbreitung (Collins/Loftus 1975) gibt es keine hierarchische Organisation wie vorher angenommen (Collins/Quillian 1969), sondern es betrachtet den Aspekt der Vernetzungsdichte näher. Dies bedeutet, dass je nach Assoziationsstärke sich die Aktivierung über das Netzwerk ausbreitet. Dabei nimmt mit der Dauer der Beschäftigung auch die Stärke der Aktivität zu und mit zunehmender Distanz vom Ausgangskonzept reduziert sie sich. Schon in Experimenten zur assoziativen Bahnung (Priming) ließ sich eine Beschleunigung des Entscheidungsprozess bei lexikalischen Entschei- dungsaufgaben nachweisen, wenn zuvor ein semantisch ähnliches Wort vor- gegeben wurde (vgl. Storck 2003:72). Aitchison (1997:125) zufolge sind Wör- ter in semantischen Feldern angeordnet, ihre vielfältigen Verbindungen un- tereinander können stark bei Konjunktionen und kollokativen Verbindungen oder schwach zwischen Hyponymen und ihren Oberbegriffen ausgeprägt sein. "Diese bilden ein Gerüst, in das entsprechend der jeweiligen Situation weitere Verbindungen eingebaut werden können." (Aitchison 1997:125). Dies zeigt nochmals, dass das mentale Lexikon dynamisch, also in ständiger Ver- änderung ist und durchaus individuell angelegt ist. Für die lexikalisch- semantischen Relationen wurden sieben Teilnetze empirisch belegt (vgl. Neveling 2004a:41/2004b:195):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Teilnetztypen nach Neveling (2004a:42/2004b:195)
2.2 Funktionsweise des mentalen Lexikons
Ein Lexikoneintrag besteht aus einem Zugriffselement und der dazugehöri- gen lexikalischen Spezifikation (Inhalt und Form). Bezüglich der Zugriffsele- mente gibt es zwei verschiedene Konzeptionen. Einmal wird ein Vollformlexi- kon angenommen, in dem es für jedes Konzept einen umfassenden Eintrag gibt. Dem gegenüber steht das Wurzellexikon (minimal listing hypothesis), welches aus Wortstämmen besteht (vgl. Stork 2003:73ff). Jene Stämme können bedarfsweise nach gespeicherten Regeln zusammengesetzt werden. Man kann aber eine Verbindung beider annehmen, denn der Mensch ist ei- nerseits in der Lage unbekannte Wörter zu verstehen, was für das Wurzelle- xikon spricht, das aber andererseits nicht alle Informationen zum Gebrauch bestimmter Lexeme beinhalten kann (Wolff 2002:12).
Stork (2003:74) merkt an, dass der Zugang zum mentalen Lexikon noch nicht vollständig geklärt ist. Trotzdem sollte ein doppelter Zugang zugrundegelegt werden (vgl. Stork ebd.): die Worterkennung aus Sicht des Hörers und die Wortsuche aus Sicht des Sprechers. Das Kohorten-Modell zur Worterken- nung verdeutlicht einen Zugang in zwei Schritten. Wolff (2002:12) spricht hier von einem "Lautdedektor", welcher aktiviert wird, sobald ein Hörer beginnt ein Wort zu verarbeiten. Dabei werden alle Wörter im mentalen Lexikon akti- viert, die mit demselben Laut beginnen. Mit Voranschreiten des Hörvorgangs wird die Menge der aktiven Wörter durch die weiter eingehenden Laute so- lange reduziert bis schließlich nur noch ein Wort übrig ist. Dadurch werden mehr Wörter aktiviert als gebraucht werden.
Das interactiv activation model ist ein Zugangsmodell, das nicht nur für den Prozess der Worterkennung, sondern auch für den der Wortsuche eine Beschreibung versucht. Hier werden durch ein Wort oder den Teil eines Wor- tes andere ähnliche Wörter mit aktiviert. Dies geschieht in einem komplexen elektrischen Netzwerk (vgl. Stork 2003:74), in dem sich die Aktivierung fä- cherartig ausbreiten kann, wobei wichtige Punkte und Verbindungen stärker erregt und irrelevante gehemmt werden. Dies geschieht solange bis nur ein Wort übrig bleibt. Je öfter ein Knoten bzw. Punkt aktiviert wird, desto höher ist sein Aktivierungszustand. Andersherum gilt das Gegenteil, also gering aktivierte Knoten verfügen über einen geringeren Erregungszustand. Dies erklärt auch, warum kaum benutzte Wörter nach und nach in Vergessenheit geraten können. Meist erfolgt die Aktivierung auf semantischer Ebene (ebd.), also zur Wortsuche. Da durch dieses Modell aber beide Zugangsweisen an- genommen werden, ist auch eine phonologische Aktivierung möglich. Durch dieses Modell lassen sich nach Stork (ebd.) mehrere Tatsachen erklären: das "Es liegt mir auf der Zunge" Phänomen, bei dem das momentane Fehl- schlagen des Wortsuchprozesses aufgezeigt wird sowie Versprecher und abwechslungsreiches Sprechen und Schreiben.
Zusätzlich sind die hier folgenden Effekte besonders wichtig bei der Verarbeitung von Sprache:
die Verwendungshäufigkeit, also Frequenz: Häufig verwendete Worte werden schneller aktiviert.
die Wortlänge: Lange Wörter werden langsamer verarbeitet.
Der Kontext beeinflusst die Worterkennung in entscheidendem Maße.
2.3 Das Lernerlexikon
In der Literatur sind verschiedene Bezeichnungen zu finden. Stork (2003) und Plieger (2006) sprechen vom bilingualen Lexikon. Während Lutjeharms (2004) das "mentale Lexikon bei Mehrsprachigen" beschrieben hat, kann man bei Neveling (2004a) vom "Lernerlexikon" lesen. Der letztere Begriff ist für den Sprachenunterricht in der Schule der treffendste, da er den Prozess des Erwerbs von Wortschatz beim Fremdsprachenlernen impliziert.
Nachdem oben die Organisation, Struktur und der Zugang des mentalen Le- xikons besprochen wurde, soll nun untersucht werden, wie die Speicherung der Fremdsprache funktioniert. Dabei stellen sich folgende Fragen: Ist das Lernerlexikon anders beschaffen als das muttersprachige mentale Lexikon? Arbeiten die beiden Lexika getrennt voneinander oder sind sie miteinander verwoben? Wie verändert sich das mentale Lexikon, wenn eine weitere Sprache hinzukommt?
Neveling (2004a:57) zufolge ist das Lernerlexikon nach denselben Prinzipien aufgebaut wie das Muttersprachige. Es ist aber lückenhafter und weniger stabil.
Das mentale Lexikon der Muttersprache und das der Fremdsprache können nicht als vollständig getrennt angesehen werden. Auf der anderen Seite lässt sich aber auch eine vollständige Integration ausschließen (Wolff 2002:14). Die in der Literatur am häufigsten vertretene Ansicht über die Art und Weise der Speicherung von L1 und L2 ist die subset hypothesis. Demnach gibt es einen konzeptuellen Speicher für beide Sprachen, der demnach die Verbin- dung zwischen L1 und L2 darstellt. Aber die lexikalischen Elemente der Sprache sind getrennt voneinander gespeichert. Man kann also sagen, dass "L1 und L2 Begriffe teils ungeordnet, teils konzeptuell separat oder konzep- tuell verbunden abgespeichert werden" (Kersten 2009:74). Zur Visualisierung wurde von Albert (1998:96) folgendes Netzwerkmodell zur Repräsentation des bilingualen Lexikons vorgeschlagen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Verbindungen im bilingualen Lexikon (Albert 1998:96)
Während mit der semantischen Repräsentation die morphologischen und syntaktischen Komponenten eng verbunden sind, werden die graphemischen und phonologischen Repräsentationen getrennt vom Haupteintrag dargestellt (Stork 2003:78).
Diese Hypothese lässt sich auch mit dem oben beschriebenen Aktivierungsmodel vereinbaren, was wiederum erklärt, dass Mehrsprachige codeswit ching (Sprecher benutzt Worte der anderen Sprache, weil es für passender empfunden wird oder schneller abgerufen werden kann.) beherrschen, aber gleichzeitig die Sprachen getrennt voneinander benutzen können. Außerdem bietet es eine Erklärung, dass bei der Wortsuche manchmal Begriffe anderer Sprachen spontan bei der Kommunikation auftauchen.
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