Individuum und Individualität bei John Stuart Mill
Zusammenfassung
Leseprobe
Verzeichnis des Inhalts
Zum Begriff der Individuation
Zu den Begriffen Individuum und Individualist
Individuum und Individualist bei Mill
Stellungnahme des Autors
Literaturverzeichnis
Zum Begriff Individuation
Der Begriff Individuation kommt vom lateinischen „individuare" und bedeutet sich unteilbar machen. Er bezeichnet den Weg zu einem eigenen Ganzen. Der Prozess des „Ganz-werdens", zu etwas Einzigartigem, einem Individuum, wird beschrieben. Durch den Individuationsprozess wird ein menschliches Wesen zu dem, was es „wirklich" ist. Dieser Prozess beinhaltet die Entfaltung der eigenen Fahigkeiten, Anlagen und Moglichkeiten. Sein Ziel ist die schrittweise Bewusstwerdung der eigenen Person, um sich dadurch als etwas Eigenes und Einmaliges erkennen und verwirklichen zu konnen.
Die Frage nach dem Prinzip der Individuation, oder danach wodurch das einfache Einzelwesen zu einem solchen besonderen wird, wurde bereits von Aristoteles gestellt (vgl. Pieper, 1973). Dieser sieht in der Materie das Prinzip der Individuation ahnlich, wie auch spater Thomas von Aquin. Eine weitere Auffassung wird von Heinrich von Gent vertreten. Er geht von der Negation als Grund fur die Individuation aus. Das Einzelne schliefit die Verschiedenheit mit sich selbst aus jedoch negiert es ebenso die Identitat mit anderen (vgl. Delf, 1988. S.151). Als dritte Auffassung mochte ich noch die von Nietzsche erarbeitete anfuhren. Nietzsche bezeichnet die Individuation als „Quell und Urgrund allen Leidens" (Nietzsche, in: Delf, 1988. S151). Diese sieht er auf der Trennung und Beschrankung begrundet. (vgl. Delf, 1988. S.151). Abschluss mochte ich in einem Zitat von Bernard Stiegler finden, der darauf verweist, „ein Individuum sei vielmehr ein Prozess, der nicht aufhort zu werden, was er ist" (vgl. Stiegler, 2004. S.4).
Zu den Begriffen Individuum und Individualist
Der Begriff des Individuums ist als ein Grenzbegriff der Philosophie zu betrachten. Man versteht ihn als Gegenstand logischer, ontologischer, ethischer sowie auch geschichtsphilosophischer Reflexion (vgl. Delf, 1988. S.151). Der Begriff des Individuums stammt aus der lateinischen Sprache und bedeutet "unteilbar", oder auch „nicht zu Teilendes". Er ist hervorgegangen aus dem griechischen „azo/uoV". Er bezeichnet das raumlich und qualitativ einmalige Einzelwesen (seltener auch Einzelding). Durch seine Lage im Raum und durch deren Veranderung in der Zeit, ist das Atom als das Einzelne elementar bestimmt. Zu einer bestimmten Zeit umfasst ein Atom einen bestimmten Raum, ist folglich identisch mit sich, also „Individuum" (vgl. Schiller, 2006. S.15). Diese zugeschriebene Eigenschaft bezeichnet man auch als raumzeitliche Singularitat und wird als elementarste Ebene der Individualitat verstanden.
Von dieser unterschieden wird eine weitere Ebene, die der biologischen Individualitat. Individualitat wird auf dieser Ebene, hingegen der aufieren Zuschreibung der raumzeitlichen Singularitat, als Eigenleistung betrachtet und verstanden. Organismen in ihrer Gesamtheit, grenzen sich von der Umwelt, mit der sie in einer Stoffwechselbeziehung stehen, ab und erhalten sich selbst. Selbst in ihrer primitivsten organischen Form sind sie „reflexive" Seinsformen (vgl. Schiller, 2006. S.16). Locke formulierte die Unterscheidung wie folgt: „Wahrend die Identitat anorganischer Korper in ihrer Masse besteht, besteht die Identitat lebendiger Wesen in ihrer Organisation." (vgl. Locke, 1981. S.413). Durch eine sexuelle Fortpflanzung von Organismen wird der Ebene der biologischen Individualitat eine weitere Bedeutung zugeschrieben. Das Genom von Organismen, die sich sexuell fortpflanzen, ist einmalig. In dieser einmaligen Merkmalskombination ist hier die Individualitat zu sehen (vgl. Schiller, 2006. S.16).
Eine weitere Ebene der Individualitat ist die der Menschlichen Individualitat. Diese zeichnet sich durch das Bewusstsein von Individualitat und von Selbstbewusstsein aus. Bewusstsein meint die Eigenschaft, dass auch nicht gegenwartig Wahrgenommenes vorgestellt werden kann. Reprasentation von Wirklichkeit (vgl. Schiller, 2006. S.17). Diese Eigenschaft induziert die Notwendigkeit mehrerer differenzierter Vorraussetzungen. Eine Vorraussetzung ist die Ausbildung von Sprache. Diese ermoglicht den Inhalt der Vorstellung zu fixieren und frei uber diesen zu verfugen (vgl. Herder,1960. S.24: in Schiller, 2006. S.17). Die Ausbildung der Sprache ist in ihrer Bedeutung an eine weitere Vorraussetzung gebunden. Das Gemeinschafts- und Wirbewusstsein. Dieses wird in seiner elementarsten Form durch Sprache definiert. Gleich Redende differenzieren sich von ungleich Redenden, Einheimische sondern sich von Fremden ab. So ist das Ichbewusstsein durch die Sprachlichkeit an ein Wirbewusstsein gebunden. Ein Wirbewusstsein ist stets eine Differenzierung zwischen uns und den anderen (vgl. Schiller, 2006. S.18f). Als eine weitere Vorraussetzung ist das Todes- und Transzendensbewusstsein anzufuhren. Dem Selbstbewusstsein der Menschen und der personlichen Identitat stellt der Mensch selbst eine ubernaturliche Abstraktheit entgegen, an der er wiederum sein Selbstbewusstsein erst findet (vgl. Cassirer, 1987. in: Schiller, 2006. S.19). Dies ist aus moralischer Notwendigkeit induziert (vgl. Schiller, 2006. S.19). Aus diesem Bewusstsein geht das Wissen um die Unabanderlichkeit des Ablebens hervor, welches sich an der Erfahrung des Sterbens Anderer manifestiert (vgl. Schiller, 2006. S.19). Eine weitere Vorraussetzung ist die Leiblichkeit und das Korperbewusstsein. Das menschliche Selbstbewusstsein ist an die Leiblichkeit gebunden, obgleich sie gedanklich uber die eigene Existenz hinausstrebt (vgl. Schiller, 2006. S.20).
Die menschliche Individualitat als Selbstbestimmung ist die nachste Ebene der Individualitat. Diese ist eine Frage des Handelns, nicht nur des Bewusstseins. Unter dem Gesichtspunkt der Sozialitat des Menschen ergeben sich Fragen nach den Rechten der Einzelnen, der Vereinbarkeit dieser miteinander und dem Verhaltnis dieser zu einem angenommenen Gesamtinteresse (vgl. Schiller, 2006. S.22). Es werden vier Dimensionen unterschieden. Beginnend die Sozialphilosophische Dimension, die sich auf die Freiheit des Handelns bezieht. Diese Freiheit des Handelns muss aus sozialphilosophischer Sicht unter der Annahme des Menschen, als ein gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell interagierendes Subjekt, eine allgemein gultige sein, die durch Funktion des Staates zu sichern ist (vgl. Schiller, 2006. S.22). Als weiteres ist die moralphilosophische Dimension anzufuhren, die sich auf die Freiheit des Willens und des Charakters bezieht. Unter der Fragestellung, ob ich selbst bestimmen kann, was ich will, wird deutlich, dass das menschliche Handeln abhangig ist von dem Druck der Kollektive, denen ein Mensch angehort und dass die Furcht vor Isolation primares Motiv fur dessen Anpassung ist (vgl. Schiller, 2006. S.23f). Die Dimension der Bildung und Kultur ist als nachstes zu erortern. Sie bezieht sich auf die Freiheit der Selbstverwirklichung, ohne die es humane Individualitat nicht geben konnte. Bildung und Kultur sind hier als Entwicklungen zu verstehen, die aus einem praktischen Freiheitsbegriff hervorgegangen sind. Von einem historischen Aspekt aus erklaren sich Bildung und Kultur, als Spiegel einer contrairen politischen Einstellung des privilegierten Burgertums gegenuber zivilisatorischer Entwicklungen (vgl. Schiller, 2006. S.25). Als weiteres ist die Dimension der Lebensgeschichte zu betrachten. Individualitat kann hier nicht als eine Projektion von differenzierten Attributen, oder Entscheidungen angesehen werden, sondern als ein stetig fortlaufender Prozess, in dem individuelle Konzeption und soziale Determination ineinander greifen (vgl. Schiller, 2006. S.26). Die letzte Ebene der Individualitat ist die historische Dimension. Die Menschliche Individualitat muss, in Abhangigkeit von sozialen, ontogenetischen und epochalen Entwicklungsstufen, graduell differenziert betrachtet werden. Sie steigt mit einer nach innen gerichteten Differenzierung und einem nach aufien zentrierten Wirkungskreis (vgl. Schiller, 2006. S.27). Als allgemeine Gultigkeit, unabhangig von epochalen Verhaltnissen, ist das signifikante Streben nach Differenz und Exzellenz zu sehen (vgl. Schiller, 2006. S.28).
Individuum und Individualitat bei Mill
In diesem Kapitel werde ich mich trotz weiterer, zu der Thematik bestens passender expliziter Literatur John Stuart Mills, vorwiegend mit des genannten Autors Werk Uber die Freiheit beschaftigen und auseinandersetzen.
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