Im Folgenden sollen zunächst mit Thesen der Pluralität von Familienformen der aktuelle Forschungsstand der Familiensoziologie dargelegt werden. Weiter wird die Entstehung der bürgerlichen Familie als familialer Normaltypus der Moderne, dargestellt. Weiter werden wir uns in dieser Arbeit fragen, welche Gründe es bei der Pluralisierung von Familienformen zu berücksichtigen gilt. Zuletzt werden neue Formen des familialen Zusammenlebens beschrieben, wie zum Beispiel nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kind, Multiple Elternschaften, oder Binukleare Familien.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die These der gestiegenen Pluralität von Familienformen
2.1 Die De-Institutionalisierungsthese
2.2 Die Individualisierungsthese
2.3 Die Pluralisierungsthese
3. Die Entstehung der modernen Kleinfamilie
3.1 Familie vor und zu Beginn der Industrialisierung
3.2 Industrialisierung: Die bürgerliche Familie als Vorläufermodell der modernen Kleinfamilie
3.3 Etablierung und Generalisierung des modernen bürgerlichen Familienmusters
3.4 Der Familienbegriff nach Parsons
4. Pluralisierungsmotor von Familienformen
4.1 Demographische Wandlungsprozesse
4.2 Formen der De-Institutionalisierung
4.3 Die Bildungsexpansion und der Wandel der Rolle der Frau
5. Neue Lebensformen der Familie
5.1 Die binukleare Familie
5.2 Multiple Elternschaften
5.3 Alleinerziehende Eltern
5.4 Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften mit Kind
6. Ausblick
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Immer häufiger wird die Zukunft der Familie zum medialen und politischen Thema. Aus den derzeitigen Entwicklungen, wie Geburtenrückgang oder der Individualisierung der Gesellschaft, geht scheinbar eine zunehmende Pluralisierung der Familienformen in Deutschlang einher. Auch die Familiensoziologie hat einen Wandel der Familienformen wahrgenommen. So fasst Hoffman-Nowonty nach Lüscher den Begriff der Familie als "Sozialformen eigener Art, die primär auf die Gestaltung der sozialen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern angelegt sind, die als solche sozial anerkannt werden. Es bestehen Wechselwirkungen zwischen Familie und Gesellschaft"[1], zusammen. Diese Definition bezieht nicht nur das, was sich allgemeinhin hinter dem Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie verbirgt, sondern auch neuere Lebensformen wie Alleinerziehende, nichteheliche oder homosexuelle Partnerschaften mit Kind, mit ein. Die zunehmende Akzeptanz der Gesellschaft, neuen Formen der Familie gegenüber, wirkt sich auch auf die Familienpolitik aus. So steckt der Staat, als normierende und sanktionierende Instanz heutzutage mit dem 1. Eherechtsreformgesetz von 1976, nur noch den Rahmen der Ehe ab. Und mit der Aufhebung des Kuppeleiparagraphen 1972 wurde die rechtliche Diskriminierung nichtehelich geborener Kinder und ihren Müttern, unterbunden.[2] Die Einführung des Gesetztes über die eingetragene Lebenspartnerschaft, das am 01. August 2001 in Kraft trat, erlaubt es außerdem, gleichgeschlechtlichen Paaren, ihrer Beziehung einen rechtlichen Rahmen zu geben. Diese ist dann in den elementaren Punkten der Ehe gleichgestellt.
Im Folgenden sollen zunächst mit Thesen der Pluralität von Familienformen der aktuelle Forschungsstand der Familiensoziologie dargelegt werden. Weiter wird die Entstehung der bürgerlichen Familie als familialer Normaltypus der Moderne, dargestellt. Weiter werden wir uns in dieser Arbeit fragen, welche Gründe es bei der Pluralisierung von Familienformen zu berücksichtigen gilt. Zuletzt werden neue Formen des familialen Zusammenlebens beschrieben, wie zum Beispiel nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kind, Multiple Elternschaften, oder Binukleare Familien.
2. Die These der gestiegenen Pluralität von Familienformen
In den Debatten um die Ursachen zur Vervielfältigung der familialen Lebensformen haben sich drei Thesen durchgesetzt.
2.1 Die De-Institutionalisierungsthese
Im 18. und 19. Jahrhundert verstand man unter Ehe eine dauerhafte und rechtlich legitimierte Lebens- und Sexualgemeinschaft zweier mündiger und verschiedengeschlechtlicher Partner. Seit dem Aufkommen des Ideals der romantischen Liebe, wandelten sich die Ehe weg von einem wirtschaftlichen Aspekt hin zu einer innigen Bindung zweier Liebender. Seit dem 20. Jahrhundert zeichnet sich erneut ein deutlicher Wandel der Institution Ehe ab. Mit der sinkenden Verbindlichkeit steigt heute die Instabilität von Ehe und Familie. "Diese Entwicklung (wird) als De-Institutionalisierungsprozess gedeutet."[3] Diese These betont den Bedeutungsverlust von Ehe und Familie und begründet so den quantitativen Rückgang der Normalfamilie. Der Wandel des Leitbildes des ehelich-familialen Verhaltens führt zu dieser De-Institutionalisierung. Die Normalfamilie hat seit der massiven Kritik durch die antiautoritäre Studentenbewegung Ende der 60er Jahre „kulturelle(n) Legitimationseinbußen“[4] durchlebt, doch „die Legitimitätskrise betrifft in erster Linie die Institution Ehe“[5]. Die Bildungsexpansion geht außerdem mit einem Verbindlichkeitsverlust der traditionellen Verteilung der Geschlechterrollen einher.
2.2 Die Individualisierungsthese
Andere Soziologen, die ebenfalls den Verlust von Tradition in unserer Gesellschaft beobachtet haben, sehen auch die positiven Aspekte, die die Auflösung der Verbindlichkeit mit sich bringt. Sie sehen die „damit einhergehende Chance, zwischen verschiedenen Formen menschlichen Zusammenlebens wählen zu können“[6]. Seit Mitte der 50er Jahre begann ein neuer Individualisierungsschub in der westlichen Gesellschaft, die soziale Klasse ist nun nicht mehr determinierend für das Handeln und die Lebensführung des Einzelnen. Der Mensch wird zum Gestalter seiner eigenen Biographie. Resultieren könnte dieser Wandel aus der „ökonomischen Wohlstandssteigerung, dem sozialstaatlichen Absicherungssystem (und) dem gestiegenen Bildungsniveau“[7]. Ulrich Beck teilt seiner Individualisierungsthese außerdem drei Dimensionen zu. In der Freisetzungsdimension wird das Individuum aus historisch vorgegebenen Sozialformen und -bindungen, im Sinne traditionaler Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge, herausgelöst. Der Mensch wird freier; die Struktur sozialer Ungleichheit bleibt jedoch weiterhin stabil. Bei der zweiten Dimension handelt es sich um die sogenannte Entzauberungsdimension. Hier wird der Verlust von traditionalen Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und leitende Normen betont. Es handelt sich hierbei also um einen Stabilitätsverlust der Menschen in der Gesellschaft. Eine neue Art der sozialen Einbindung durch Beruf, Medien und soziale Sicherungssysteme wird mit der Kontroll- und Reintegrationsdimension erfasst. Der durch den Individualisierungsprozess fortschreitende Wandel, hat dazu geführt, dass es „die Familie“ so nicht mehr länger gibt, sondern nur noch „Familien“[8].
2.3 Die Pluralisierungsthese
Diese These beschränkt sich auf die verschiedenen Rollenzusammensetzungen und Familienbildungsprozesse in der heutigen Gesellschaft. Mittlerweile kann man zwischen 16 verschiedenen und rechtlich möglichen Familientypen[9] unterscheiden. Dabei kommt es auf die Rollenzusammensetzung, die Familienbildung und die Differenzierung der Eltern-Familie an. Mit dem Anstieg von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern, Ein-Eltern-Familien, Wiederverheiratung, etc. findet eine deutliche Veränderung der familialen Rollenzusammensetzungen statt. Eine zuverlässige Geburtenplanung und die Bildungsexpansion bedingen außerdem den Trend der quantitativ weniger werdenden und späteren Eheschließungen. Heutzutage treten drei Gründe für die Entscheidung zur Ehe in den Vordergrund. Diese sind Schwangerschaft, Kinderwunsch oder vorhandene Kinder. Man spricht von einer Kind orientierten Eheschließung. Trotz der Zunahme der Pluralität der Familienformen, bleibt die Eltern-Familie immer noch die dominante Form.
Es kann selbst verständlich keine der Thesen nur für sich genommen betrachtet werden, wenn es darum geht, alle Ursachen und Gründe für die stetig fortschreitende Pluralisierung der Familienformen in unserer Gesellschaft, zu analysieren. Dieser komplexe Wandel bedingt sich aus einer Summe von zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Prozessen.
[...]
[1] Hoffmann-Nowotny: Die Zukunft der Familie, S 328f.
[2] Peuckert: Familienformen im sozialen Wandel, S. 29
[3] Nave-Herz: Familie heute, S. 13
[4] Peuckert: Familienformen im sozialen Wandel, S. 28
[5] Ebd.
[6] Nave-Herz: Familie heute, S. 13
[7] Nave-Herz: Familie heute, S. 13
[8] Vgl. Nave-Herz: Familie heute, S. 13
[9] Vgl. Nave-Herz: Familie heute, S. 16