Die systemische Beratung anhand eines unterrichtsbezogenen Fallbeispiels
Zusammenfassung
Aufgrund der aufgeführten Beratungsanlässe ist es für einen Lehrer / eine Lehrerin zum einen gut, die Grundfertigkeiten der systemischen Beratung zu kennen und diese anwenden zu können. Zum anderen ist es für schwierigere Beratungsfälle wichtig zu wissen, dass es professionelle systemische Berater / Beraterinnen gibt, mit denen man zusammenarbeiten kann, sowie einen Einblick darüber zu haben mit welchen Methoden diese arbeiten.
In meiner Ausarbeitung erläutere ich zunächst die Theorie der systemischen Beratung. Anschließend greife ich diese Thematik in Bezug auf den schulischen Kontext auf und verweise auf den Nutzen sowie die Grenzen der systemischen Beratung in der Schule. Daraufhin stelle ich ein reales Fallbeispiel aus meinen Schulpraktischen Studien vor und gebe Informationen zu dem Beratungsanlass sowie zu den Familienmitgliedern des Problemträgers.
Nach der Erläuterung der systemischen Grundhypothese des Falls, präsentiere ich dann einen möglichen Lösungsansatz. Dieser baut auf die visuelle Methode der „Zwei-Wege-Metapher“ auf.
Abschließend erfolgt ein Fazit darüber, inwiefern sich die systemische Beratung in Bezug auf das gewählte Fallbeispiel in der Schule eignet.
Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Die systemische Beratung
2.1 Die Grundlagen der systemischen Beratung
2.2 Die systemische Beratung in der Schule
3 Das Fallbeispiel
3.1 Der Beratungsanlass
3.2 Die Familienmitglieder
3.3 Die systemische Grundhypothese
4 Ein möglicher Lösungsansatz
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das Thema Beratung nimmt in dem Unterrichtsalltag eines Lehrers / einer Lehrerin einen großen Stellenwert ein. So muss eine Lehrkraft unter anderem die Schüler / Schülerinnen und dessen / deren Eltern über Lernfortschritte oder –defizite informieren, bei Problemen in Klassenverbänden vermitteln sowie Kinder und Jugendliche bei Entscheidungen bezüglich ihres Bildungsweges beraten. Einen weiteren Komplex bildet vor allem in den Hauptschulzweigen die Betreuung von Schülern / Schülerinnen, die in problematischen familiären Verhältnissen aufwachsen.
Aufgrund der aufgeführten Beratungsanlässe ist es für einen Lehrer / eine Lehrerin zum einen gut, die Grundfertigkeiten der systemischen Beratung zu kennen und diese anwenden zu können. Zum anderen ist es für schwierigere Beratungsfälle wichtig zu wissen, dass es professionelle systemische Berater / Beraterinnen gibt, mit denen man zusammenarbeiten kann, sowie einen Einblick darüber zu haben mit welchen Methoden diese arbeiten.
In meiner Ausarbeitung erläutere ich zunächst die Theorie der systemischen Beratung. Anschließend greife ich diese Thematik in Bezug auf den schulischen Kontext auf und verweise auf den Nutzen sowie die Grenzen der systemischen Beratung in der Schule. Daraufhin stelle ich ein reales Fallbeispiel aus meinen Schulpraktischen Studien vor und gebe Informationen zu dem Beratungsanlass sowie zu den Familienmitgliedern des Problemträgers.
Nach der Erläuterung der systemischen Grundhypothese des Falls, präsentiere ich dann einen möglichen Lösungsansatz. Dieser baut auf die visuelle Methode der „Zwei-Wege-Metapher“ auf.
Abschließend erfolgt ein Fazit darüber, inwiefern sich die systemische Beratung in Bezug auf das gewählte Fallbeispiel in der Schule eignet.
2 Die systemische Beratung
2.1 Die Grundlagen der systemischen Beratung
Die systemische Beratung besitzt kein festes grundlegendes Konzept, das sich auf einen Theoretiker / eine Theoretikerin beziehungsweise einen Vertreter / eine Vertreterin stützt. Dementsprechend bezieht sich die systemische Beratung auf mehrere Schulen. Entwickelt hat sich die systemische Beratung aus der psychoanalytischen Familientherapie. „Systemische Beratungsansätze greifen auf Theoriebestände verschiedener Quellen zurück. […] Chaostheorie, Synergetik, dissipative Strukturen, Autopoiese-Konzept und Konstruktivismus haben großen Einfluss auf die Diskussion und Praxis systemischer Therapie und Beratung seit Anfang der achtziger Jahre. Im beraterischen Kontext wurde die Systemtheorie zuerst in der Familientherapie aufgenommen.“[1]
Bei der systemischen Beratung wird mit einem Symptomträger / einer Symptomträgerin, der / die ein Problemverhalten aufzeigt, gearbeitet. Dabei wird diese Person immer in seinem / ihrem System, indem er / sie lebt, ganzheitlich betrachtet. „Der systemische Ansatz arbeitet mit dem Konstrukt komplexer, dynamischer Systeme. Dabei sind Systeme gekennzeichnet durch die Merkmale und Wechselwirkungen ihrer Elemente.“[2] Laut der systemischen Denkweise besitzt jedes Problem, das auftritt, einen wichtigen positiven Effekt beziehungsweise einen Sinn für die Festigung des Systems, indem der Symptomträger / die Symptomträgerin lebt. „In der systemischen Sichtweise haben Probleme eine veränderte und unterschiedliche Bedeutung. Winfried Palmowski etwa schreibt dem Symptom eine positive Funktion zu, da es zur Stabilisierung des Systems beiträgt.“[3] Das bedeutet, dass jedes von außen betrachtete „Problem“ für den Symptomträger / die Symptomträgerin einen Sinn in seinem / ihrem System ergibt. Somit ist das „Problem“ für ihn / sie ein Mittel zum Zweck.
Zur Verdeutlichung kann folgendes Beispiel aufgeführt werden:
Ein Schüler schwänzt mehrmals in der Woche den Unterricht und schreibt schlechte Noten. Die Eltern, die zuhause kaum noch miteinander kommunizieren, reden wieder zusammen, da sie sich über die Schulprobleme ihres Sohnes austauschen. Somit erweist sich die Problematik des Schulschwänzens, in Kombination mit den schlechten Schulnoten, im Hinblick auf das System als sinnvoll, weil der Sohn über dieses Mittel dafür sorgt, dass seine Eltern wieder miteinander sprechen.
Aus diesem Grund arbeitet die systemische Beratung nicht nur mit dem Symptomträger / der Symptomträgerin, der / die auf den ersten Blick die Ursache des Problems darstellt, sondern nimmt das gesamte System mit seinen „Spielregeln“ und den Interaktionen der Systemzugehörigen in den Blickwinkel.
Mit Hilfe verschiedener systemischer Methoden, wie Fragetechniken, Rollenspiele und Systemaufstellungen, sollen die „Spielregeln“ innerhalb des Systems entschlüsselt sowie aufgezeigt und das Verhalten der Mitglieder verändert werden.
Die sechs Grundhaltungen des systemischen Beraters / der systemischen Beraterin:[4]
1. Ressourcenorientierung: Der Berater / Die Beraterin ist davon überzeugt, dass jede Familie Probleme bewältigen und Krisen lösen kann. Diese Fähigkeit muss lediglich während der Beratung wieder hervorgeholt werden.
2. Empathie und Wertschätzung: Das bedeutet, dass der Berater / die Beraterin der Familie Einfühlungsvermögen entgegenbringen sowie Respekt gegenüber ihrem Problem sowie eventuell bereits unternommenen Lösungsversuchen aufbringen soll.
3. Kontextberücksichtigung: Der Berater / Die Beraterin muss auch den außerfamiliären Kontext, in dem die Familie lebt, beachten und einbeziehen.
4. Eigenverantwortung stärkend: Der Berater / Die Beraterin soll die Eltern in ihrer Eigenverantwortung stärken. Das bedeutet, dass der Berater / die Beraterin den Eltern nicht die Verantwortung abnehmen darf beziehungsweise, dass die Eltern nicht das Gefühl bekommen dürfen, dass sie die Verantwortung auf den Berater / die Beraterin übertragen können.
5. Lösungsfokussierung: Hierbei geht es nicht um das Finden oder Vorgeben der einen perfekten Lösung, sondern um das Erstellen von Lösungsschritten zum Abbau des Problems sowie das Aufzeigen von Perspektiven. Dabei steht das Problem lediglich so lang im Vordergrund, wie es zur Entwicklung von Lösungsschritten benötigt wird.
6. Allparteilichkeit (Neutralität): Der Berater / Die Beraterin soll sich während der Sitzung neutral verhalten, so dass eine Familie nicht weiß auf welcher Seite der Berater / die Beraterin steht. Dadurch wird der Berater / die Beraterin in keine internen Familienprobleme hineingezogen. Hierbei handelt es sich um die Beziehungsneutralität.
Ebenso soll der Berater / die Beraterin neutral auf Lösungsvorschläge der einzelnen Familienmitglieder reagieren und diese mit ihnen durchspielen. Diesen Punkt bezeichnet man als Konstruktneutralität.
Des Weiteren bleibt der Berater / die Beraterin auch bei Veränderung sowie Nichtveränderung neutral, da der Berater / die Beraterin keine eigenen Ziele anstrebt. Das stellt die Problemneutralität dar. „Wir gehen davon aus, dass jedes Familiensystem seine eigene Systemgeschwindigkeit, Veränderungsprozesse betreffend, besitzt. Diese Geschwindigkeit kann […] für einen Außenstehenden kaum wahrnehmbar, in flexibleren, für Wachstumsprozesse offenen Familien erstaunlich schnell sein. […] Jede Familie sendet während der Behandlung Signale aus, die dem Berater vermitteln, ob er zu schnell oder zu langsam arbeitet.“[5]
[...]
[1] Schnebel (2007), S. 50.
[2] Ebd., S. 50.
[3] Ebd., S. 50.
[4] Vgl. Henning; Knödler (2007), S. 37.
[5] Henning; Knödler (2007), S. 41.