Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule mit Hilfe von Bildungs- und Lerngeschichten
Transitionen
Zusammenfassung
Der Wunsch nach einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Kindertageseinrichtungen und Grundschulen, um Kindern den Übergang zu erleichtern, ist nicht neu: bereits vor über 100 Jahren wurde dies diskutiert (vgl. Oehlmann, 2011, S. 7). Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen ist aber nach wie vor eine Seltenheit. Dabei wird nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, wie für Kinder ein gelungener Übergang gestaltet werden kann. In Deutschland gibt es dazu verschiedene Projekte und Ideen. Eine Möglichkeit ist die Arbeit mit den Bildungs- und Lerngeschichten. Dieses Beobachtungsinstrument wird bereits in Kindertageseinrichtungen häufig verwendet, um herauszufinden, mit welchen Themen das Kind sich beschäftigt und wie es lernt. Diese Informationen werden aber nur sehr selten an die Grundschule weiter getragen, obwohl sie den Lehrern einen Überblick geben könnten, auf welche Art und Weise das Kind lernt.
In dieser Arbeit werden zunächst allgemeine Information über den Übergang formuliert. Dabei wird auch auf die historische Entwicklung eingegangen. Da diese Hausarbeit im Modul „ Transition“ geschrieben wird, soll auch ein kleiner Überblick über den Transitionsbegriff gegeben werden, und die Frage beantwortet werden, ob der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule eine Transition ist. Neben einer Beschreibung der einzelnen Etappen des Überganges, soll vor allem auf die Bildungs- und Lerngeschichten als Methode für einen erfolgreichen Übergang eingegangen werden. Neben einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Instrument, soll auch beschrieben werden, welche Besonderheiten bei dem Übergang beachtet werden müssen. Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden ob die Bildungs- und Lerngeschichten den Übergang für Kinder erleichtern können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historische Entwicklung des Übergangs
3. Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule als Transition
4. Die einzelnen Schritte des Übergangs
4.1. Das Vorschuljahr
4.2. Kooperationen
4.3. Die Schuleinführung
5. Die Bildungs- und Lerngeschichten
5.1. Allgemeine Informationen über die Bildungs- und Lerngeschichten
5.1.1. Entstehung der Bildungs- und Lerngeschichten
5.1.2. Inhalte der Bildungs- und Lerngeschichten
5.2. Voraussetzungen einer erfolgreichen Gestaltung des Übergangs mit Bildungs- und Lerngeschichten
5.3. Besonderheiten bei der Verwendung von Bildungs- und Lerngeschichten am Übergang vom Kindergarten zur Grundschule
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Wunsch nach einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Kindertageseinrichtungen und Grundschulen, um Kindern den Übergang zu erleichtern, ist nicht neu: bereits vor über 100 Jahren wurde dies diskutiert (vgl. Oehlmann, 2011, S.
7). Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen ist aber nach wie vor eine Seltenheit. Dabei wird nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, wie für Kinder ein gelungener Übergang gestaltet werden kann. In Deutschland gibt es dazu verschiedene Projekte und Ideen. Eine Möglichkeit ist die Arbeit mit den Bildungs- und Lerngeschichten. Dieses Beobachtungsinstrument wird bereits in Kindertageseinrichtungen häufig verwendet, um herauszufinden, mit welchen Themen das Kind sich beschäftigt und wie es lernt. Diese Informationen werden aber nur sehr selten an die Grundschule weiter getragen, obwohl sie den Lehrern einen Überblick geben könnten, auf welche Art und Weise das Kind lernt.
In dieser Arbeit werden zunächst allgemeine Information über den Übergang formuliert. Dabei wird auch auf die historische Entwicklung eingegangen. Da diese Hausarbeit im Modul „ Transition“ geschrieben wird, soll auch ein kleiner Überblick über den Transitionsbegriff gegeben werden, und die Frage beantwortet werden, ob der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule eine Transition ist. Neben einer Beschreibung der einzelnen Etappen des Überganges, soll vor allem auf die Bildungs- und Lerngeschichten als Methode für einen erfolgreichen Übergang eingegangen werden. Neben einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Instrument, soll auch beschrieben werden, welche Besonderheiten bei dem Übergang beachtet werden müssen. Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden ob die Bildungs- und Lerngeschichten den Übergang für Kinder erleichtern können.
Wissenschaftliche Grundlage für die Bearbeitung dieses Themas war das Buch „Bildungs- und Lerngeschichten am Übergang vom Kindergarten in die Grundschule“, welches vom Deutschen Jugendinstitut herausgegeben wurde. Aber auch das Buch „Frühpädagogische Übergangsforschung - Von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule“ enthielt viele wichtige Informationen, welche für die Hausarbeit nützlich waren.
2. Historische Entwicklung des Übergangs
Wie bereits in der Einleitung beschrieben, ist die Frage nach einer besseren Gestaltung des Überganges von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule kein neues Thema, sondern wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts besprochen. Durch die strikte Trennung von Kita und Schule aufgrund der Reichschulkonferenz im Jahr 1920 wurde den Einrichtungen unterschiedliche Aufgaben zugeteilt: Die Kindertageseinrichtung war vorwiegend für die Betreuung, Pflege und Erziehung der Kinder zuständig, während die Grundschule als eine Bildungseinrichtung angesehen war. „Mittlerweile werden [jedoch] Kindertageseinrichtungen in Deutschland deutlicher einem Bildungsmodell zugeordnet, weil immer mehr Kinder ab einem früheren Alter für eine immer längere Zeit des Tages Anspruch auf einen Betreuungsplatz erhalten, Kindertageseinrichtungen stärker als Bildungseinrichtungen konzipiert werden und dies durch weitere Professionalisierungsbestrebungen und bildungs- und betreuungspolitische Diskurse beispielsweise um die Gebührenbefreiung flankiert wird“ (Oehlmann, 2011, S. 18). Die Kindertageseinrichtungen sind inzwischen ein fester Bestandteil im deutschen Bildungssystem und haben neben der Erziehung und Betreuung auch die Funktion der Bildung.
Die institutionelle Gestaltung des Übergangs wird mittlerweile als Qualitätsmerkmal bzw. Standard für professionelle Arbeit angesehen und wird auch häufig in den jeweiligen Bildungsplänen der Bundesländer vorgeschrieben (vgl. Oehlmann, 2011, S. 18). Die Bildungspläne heben gemeinsame Grundlagen hervor und stellen Maßnahmen zur Kooperation vor. Einige Bundesländer haben bereits institutionenübergreifende Bildungspläne entwickelt (vgl. Kleeberger, 2009, S. 13). Diese Bildungspläne können helfen, Übergänge erfolgreich zu gestalten, auf der Grundlage von gemeinsamen Vorgaben und Anforderungen.
In den letzten Jahren wurden die Wichtigkeit und die Bedeutung eines gelungenen Übergangs immer wieder diskutiert. „Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule, die Schuleingangsphase, stellt aus psychologischer und sozialisationstheoretischer Perspektive ein kritisches Lebensereignis dar, dessen Bewältigung oder aber Nichtbewältigung entscheid zum Ge- oder Misslingen des weiteren kindlichen Entwicklungs- und Bildungsprozesses beiträgt“ (Schumacher, 2007, S. 11). Ein schlecht gestalteter Übergang kann also Auswirkungen auf weitere Übergänge haben, und wie die Person diese bewertet und bewältigt.
3. Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule als Transition
„Als Transitionen werden komplexe, ineinander übergehende und sich überblendende Wandlungsprozesse bezeichnet, wenn Lebenszusammenhänge eine massive Umstrukturierung erfahren“ (Griebel, 2004, S. 35). Eine Transition ist also mehr als ein reiner institutioneller Übergang, sondern vielmehr ein prozesshafter Übergang, bei dem die Ebene des Individuums, die Ebene der sozialen Beziehungen und die Ebene der Umwelt betroffen ist und sich verändert. Der reine Schuleintritt ist demnach keine Transition, aber die Veränderung des Kindes vom Kindergartenkind zum Schulkind, das Schließen von Freundschaften in der neuen Klasse und die Veränderung der Umwelt (neue Umgebung, neuer Tagesablauf etc.) sind eine Transition.
Um den Übergang zu bewältigen, werden verschiedene Kompetenzen und Fähigkeiten benötigt, welche manchmal auch erst im Laufe der Transition entwickelt oder erlernt werden müssen. „Für jedes Kind stellt die Schulfähigkeit eine zentrale Entwicklungsaufgabe dar“ (Schmidt-Denter zitiert nach Bründel, 2005, S. 35).
Besonders charakteristisch für einen Transitionsprozess ist, dass die Transition einer Phase beschleunigter Veränderung ist und das Kind eine besonders lernintensive Zeit durchmacht (vgl. Griebel, 2004, S. 11). „Der Übergang vom Kindergarten in die Schule bringt auf der individuellen, der interaktionalen und der kontextuellen Ebene Veränderungen mit sich, die das Kind bewältigen muss“ (Griebel, 2004, S. 92). Durch diese Entwicklungsschritte kann die Transition mit ihren Folgen und Veränderungen erfolgreich bewältigt werden.
Beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule ist eine Berücksichtigung aller beteiligten Akteure wichtig. Nicht nur das Kind erlebt eine Transition, sondern auch die Eltern, da sie sich von Eltern eines Kindergartenkindes zu den Eltern eines Schulkindes weiterentwickeln1. „Das Kind und seine Familie müssen also damit umgehen, dass (…) das Kind in unterschiedliche Institutionen außerhalb der Familie integriert wird“
(Griebel, 2004, S. 37). Dabei müssen Eltern und Kinder den Übergang aktiv bewältigen, während Pädagogen und Lehrer, welche ebenfalls zu den beteiligten Akteuren gehören, nur Einfluss auf die Übergangsbewältigung nehmen. „Die Fachkräfte selber erleben keinen Übergang im Sinne des Transitionsmodells (…). Vielmehr erleben sie einen besonders fordernden Abschnitt im Jahresablauf ihrer beruflichen Routine“ (Griebel, 2004, S. 121).
Transitionen sind ko-konstruktive bzw. soziale Prozesse, welche sich beeinflussen und ausgestalten lassen. Die Dauer des Transitionsprozesses kann sehr variieren und ist abhängig von der jeweiligen Person. Der Prozess beginnt lange vor der Einschulung und wird individuell abgeschlossen2.
4. Die einzelnen Schritte des Übergangs
4.1. Das Vorschuljahr
In den meisten Kindertageseinrichtungen werden die Kinder, welche im darauffolgenden Jahr eingeschult3 werden, in einer Gruppe zusammengefasst. Die Gestaltung des Vorschuljahres ist in den einzelnen Einrichtungen sehr unterschiedlich und individuell gestaltet. Ziel des Jahres ist es4, die Vorrausetzungen für eine Schulfähigkeit zu schaffen und die Kinder zu Selbstständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit zu erziehen. Mit dem schulvorbereitenden Jahr ist also nicht eine „Verschulung der Elementarpädagogik gemeint, sondern eine intensivere Berücksichtigung der Lernbereitschaft von Vorschulkindern und der Nutzung ihrer ‚sensiblen Phasen‘. An erster Stelle steht dabei die Vermittlung lernmethodischer Fähigkeiten und Basiskompetenzen“ (Bründel, 2005, S. 11). Die Bildung und Erziehung sollte von Anfang an in das Geschehen im Kindergartenalltag integriert sein und nicht erst im letzten Kindergartenjahr beginnen, da die Kindertageseinrichtung eine Bildungseinrichtung ist.
Während des Vorschuljahres wird bei den Kindern geprüft, ob sie „schulfähig“ sind5. „Für „Schulfähigkeit“ gibt es keine allgemeingültige Definition. Vielmehr handelt es sich um ein soziokulturelles Konstrukt, eine gemeinsame subjektive Theorie über den Schulanfang von Personen in einem bestimmten sozialen Umfeld“ (Griebel, 2011, S. 127). Inzwischen wird oft nicht mehr von „Schulfähigkeit“ sondern von „Schulbereitschaft“ gesprochen. Damit ist die Bereitschaft des Kindes und auch der Eltern gemeint, sich auf die Schule und den Übergang zum Schulkind einzulassen, aber auch die Bereitschaften und Fähigkeiten der Kindertageseinrichtung und der Schule, sich auf den Übergang einzustellen (vgl. Griebel, 2011, S. 130).
Der Begriff der Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft wird in der Gegenwart deutlich komplexer gesehen, als dies vor einigen Jahrzehnten noch der Fall war. Schulfähigkeit ist „nicht nur vom Kind abhängig und nicht allein am Kind festzumachen, sondern Schulfähigkeit eines bestimmten Kindes wird auch immer zugleich von dem Bildungsangebot des Kindergarten und der betreffenden Grundschule, ihrer beider Erwartungen, der Gruppen- und Klassenzusammensetzung sowie der Erzieher- und Lehrerpersönlichkeit bestimmt“ (Bründel, 2005, S. 42).
Sowohl von den Eltern als auch den Pädagogen der Kindertageseinrichtung wird in dem letzten Jahr vor der Schule gezielt beobachtet, ob das Kind bestimmte Kompetenzen aufweist, welche für den Besuch in der Schule wichtig sind. Dazu gehören unter anderem soziale Kompetenzen und eine emotionale Stabilität, aber auch die körperliche Entwicklung wird in den Blick genommen. Wichtig ist ebenfalls eine ärztliche Untersuchung, die den Gesundheitszustand und die gesundheitliche Leistungsfähigkeit6 des Kindes prüft, aber auch die körperliche und geistige Entwicklung wird untersucht (vgl. Teusen, 2009, S. 18f.).
[...]
1 Diese Transition passiert aber vermutlich nur bei dem ersten Kind, welches in der Familie eingeschult wird. Bei weiteren Schuleinführungen in der Familie haben Eltern diese Transition bereites bewältigt.
2 Die Angaben, wann ein Kind seinen Transitionsprozess abgeschlossen hat, und sich vom Kindergartenkind zu einem Schulkind entwickelt hat, sind sehr unterschiedlich: Die Angaben reichen von „von Anfang an“ bis hin zu „in der ersten Hälfte der zweiten Klasse“ (vgl. Griebel, 2011, S. 118).
3 Wann ein Kind eingeschult wird ist abhängig von seinem Geburtsdatum: Der Stichtage sind unterschiedlich geregelt in den verschiedenen Bundesländern. Grundsätzlich werden Kinder mit sechs Jahren eingeschult (vgl. Teusen, 2009, S. 16).
4 Wichtig ist, dass dies nicht nur das Ziel des letzten Kindergartenjahres ist, sondern auch das Ziel der gesamten Kindergartenzeit.
5 Die Definition und das Verständnis von Schulfähigkeit haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Von dem früheren Glauben, dass sich alle Kinder gleich entwickeln und gleichzeitig „schulreif“ sind, ist man inzwischen abgerückt und betrachtet und beobachtet Kinder individueller, um z.B. die Entscheidung treffen zu können, wann ein Kind in die Schule kann.
6 Besonders wichtig ist dabei das Überprüfen der verschiedenen Sinnesorgane, da ein gutes Seh- und Hörvermögen unerlässlich ist für die Schule.