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Kann Jagd unter Tierschutz- und Tierrechtsaspekten gerechtfertigt sein?

©2012 Hausarbeit 15 Seiten

Zusammenfassung

Das Verhältnis von Jagd und Tierschutz und Tierrecht wird in vielen tierethischen Aufsätzen diskutiert. Auch zwei der wichtigsten Philosophen für diesen Bereich Peter Singer und Tom Regan haben in ihren bekanntesten Werken „Animal Liberation“ und „The Case for Animal Rights“ Stellung zu diesem Thema bezogen. Beide bleiben jedoch in einigen Punkten ihrer Ausarbeitung unklar, beide ziehen beispielsweise keine genaue Trennlinie für ihre jeweils wichtigen Wesensbestimmungsbegriffe. Bei Singer ist das der Personenstatus, dessen An-fang nicht ganz eindeutig geklärt werden kann ; Tom Regan wiederum legt nicht genau fest, wann ein Wesen ein empfindendes Subjekt eines Lebens ist. Gary E. Varner kritisiert in seinem Text „Can Animal Rights Activists Be Environmentalists“ Singer und Regan und kommt zu eigenen Schlüssen. Ich werde die zum Thema „Kann Jagd und Tierschutz- und Tierrechtsaspekten gerechtfertigt sein?“-relevanten Argumente nachvollziehen und kritisieren um zu einer eigenen Überzeugung zu gelangen. Denn mein moralisches Empfinden widerspricht Varner in vielen Punkten und dieses versuche ich zu begründen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begründungen von Jagd

3. Abgrenzung der Begriffe Tierschutz, Tierbefreiung und Tierrecht
3.1. Tierschutz und Tierbefreiung
3.2. Tierrecht

4. Diskussion der Jagd unter Berücksichtigung der verschiedenen ethischen Begründungen
4.1. Jagd und Tierschutz
4.1.1. Singers Position
4.1.2. Kritik an der Argumentation
4.2. Jagd und Tierrecht

5. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Verhältnis von Jagd und Tierschutz und Tierrecht wird in vielen tierethischen Aufsätzen diskutiert. Auch zwei der wichtigsten Philosophen für diesen Bereich Peter Singer und Tom Regan haben in ihren bekanntesten Werken „Animal Liberation" und „The Case for Animal Rights" Stellung zu diesem Thema bezogen. Beide bleiben jedoch in einigen Punkten ihrer Ausarbeitung unklar, beide ziehen beispielsweise keine genaue Trennlinie für ihre jeweils wichtigen Wesensbestimmungsbegriffe. Bei Singer ist das der Personenstatus, dessen An­fang nicht ganz eindeutig geklärt werden kann1 ; Tom Regan wiederum legt nicht genau fest, wann ein Wesen ein empfindendes Subjekt eines Lebens ist.2

Gary E. Varner kritisiert in seinem Text „Can Animal Rights Activists Be Environmentalists" Singer und Regan und kommt zu eigenen Schlüssen. Ich werde die zum Thema „Kann Jagd und Tierschutz- und Tierrechtsaspekten gerechtfertigt sein?"-relevanten Argumente nach­vollziehen und kritisieren um zu einer eigenen Überzeugung zu gelangen.

Denn mein moralisches Empfinden widerspricht Varner in vielen Punkten und dieses versu­che ich zu begründen.

2. Begründungen von Jagd

Es gibt einige gute anthropozentrische Gründe für Jagd: das Fleisch kann als Nahrungsmittel und das Fell oder der Pelz als Kleidung verwendet werden; die Jagd selbst kann als Sport ge­sehen werden, zugleich Erholung und Abenteuer und ein "Naturerlebnis" bieten. Wenn man Jagd unter diesen Gesichtspunkten für richtig hält, betrachtet man den Nutzen für die Men­schen wichtiger als das Leid, das daraus für die Tiere entsteht.

Tierleid wird bei Tierschutz- und Tierrechtspositionen jedoch in die Kosten-Nutzen-Rechnung miteinbezogen. Wenn man eine solche Position vertritt, würde man wahrscheinlich davon ausgehen, dass angesichts vieler Alternativen (Seitan und Tofu statt Fleisch, Kunstpelz und Synthetikleder statt Pelz und Fell, etc.) derartige Gründe nicht Rechtfertigung genug sind, Tiere zu jagen.

Interessanter für diesen Aufsatz sind daher die Fälle, in denen davon ausgegangen werden muss, dass es für Tierschützer oder Tierrechtler strittig ist, ob sie Jagd - konsistent mit ihrer Ethik - für gerechtfertigt halten können oder nicht. Zur besseren Unterscheidung um welche Fälle es sich dabei handelt, greife ich auf eine von Gary E. Varner getroffene Distinktion zu­rück. Bezüglich der Zielsetzung gibt es, laut ihm, drei verschiedene Rechtfertigungen für Jagd:

1. therapeutichunting
2. subsistence hunting
3. sporthunting3

Mit therapeutic hunting ist das Jagen gemeint, dass zur Sicherung des Wohlergehens einer bestimmten Spezies oder eines Ökosystems dient.

Subsistence hunting ist das Jagen das zur Nahrungsgewinnung dient.

Mit dem Begriff des sport hunting fasst Gary E. Varner dagegen alle Begründungen zusam­men, die religiösen oder kulturellen Traditionen entspringen.4

Sowohl subsistence hunting als auch sport hunting widersprechen zumindest einer Tier­rechtsethik (dazu später mehr in Punkt drei).

Daher ist vor allem therapeutic hunting interessant, weil es hierbei um das Wohl der jeweili­gen Spezies geht. Damit besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Individualinteresse des Einzeltiers und einer größeren Gruppe von Tieren, welches man abwiegen muss.

Aber welche Fälle sind es bei denen man sinnvoll davon sprechen kann, dass es einer Spezies "dient", wenn einzelne Tiere gejagt werden? Bei einer gewöhnlichen Tierpopulation ist es nicht einleuchtend, dass der Tod eines Individuums einen positiven Effekt auf eine Herde oder ähnliches haben könnte.

Um dies besser zu erklären, greife ich erneut auf einen Begriff von Gary E. Varner zurück, den dieser wiederum von Ron Howard vom landwirtschaftlichen Erweiterungsservice von Texas hat: obligatorymanagementspecies.5

Diese Bezeichnung meint - im Gegensatz zu permissive management species6 -Tierarten, die dazu neigen sich so stark zu vermehren, dass sie ihr zukünftiges, eigenes und das Überleben fremder Spezies in Gefahr bringen, da sie z.B. ihre Nahrungsquellen so sehr ausschöpfen, dass diese nicht mehr nachwachsen können (Huftiere und Elefanten gehören zu diesen Tie­ren). Eine permissive management species ist eine Tierart, die das normalerweise nicht macht.7 Therapeutic hunting einer obligatory management species ist also das Jagen, das im weiteren Verlauf hauptsächlich behandelt werden soll.

3. Abgrenzung der Begriffe Tierschutz, Tierbefreiung und Tierrecht

Um später bessere Unterscheidungen treffen zu können, mit welcher Überzeugung man zu welchen Schlüssen kommen muss, ist es hilfreich die Begriffe Tierschutz, Tierbefreiung und Tierrecht voneinander zu trennen und deren Bedeutung zu erklären.

3.1. Tierschutz und Tierbefreiung

Elizabeth Anderson setzt die beiden Begriffe animal welfare8 und animal liberation9 gewis­sermaßen gleich, indem sie in ihrem Artikel „Animal rights and the values of nonhuman life" Peter Singer mit seinem 1976 erschienen Buch „Animal Liberation" als Beispiel für einen Ver­treter des Tierschutzes nennt:

„Advocates of animal welfare hold that the fundamental criterion for moral considerability is sentience, or the capacity to suffer. [...] Peter Singer (1976, 152), the most prominent advo- cat of this view, believes that sentience qualifies an organism for equal consideration of its interests."10

Diese Vereinfachung, möchte ich, auch wenn ich sie für etwas ungenau halte, zum besseren Verständnis der restlichen Arbeit ebenso machen. Wenn ich also von Tierschutz rede, meine ich hier, wenn nicht anders gekennzeichnet, Peter Singer's Position(en) in „Animal Liberati­on" und „Praktische Ethik". Es ist daher wichtig Singers Positionen genauer darzustellen. Bekannt geworden ist Peter Singer als Vorreiter der Tierrechtsbewegung mit seinem 1975 erschienen Buch „Animal Liberation".11 Ihn als Tierrechtler zu bezeichnen ist jedoch im Wortsinn falsch, denn in seinem philosophisch ausführlicherem Werk „Praktische Ethik" ver­tritt er einen Präferenzutilitarismus, der den Begriff der Rechte außen vor lässt.12 Der Präferenzutilitarismus wiederum, ist eine Spezialform des Utilitarismus. Utilitarismus selbst kann man mit zwei Prinzipien beschreiben: Gleichheit und Nützlichkeit. Das Prinzip der Gleichheit besagt, dass das Interesse jedes Individuums zählt - und ähnliche Interessen müssen ähnlich gewichtet werden. Das zweite Prinzip der Nützlichkeit kann man sich anhand einer Balkenwaage vor Augen führen: das was die beste Bilanz zwischen Glück und Unglück für alle Betroffenen ergibt, ist die moralisch richtige Handlung.13

Der Präferenzutilitarismus, eine Unterform des Utilitarismus, „[...jbeurteilt Handlungen nicht nach ihrer Tendenz zur Maximierung von Lust und Minimierung von Leid, sondern nach dem Grad, in dem sie mit den Präferenzen der von den Handlungen oder ihren Konsequenzen be­troffenen Wesen übereinstimmt".[14]

Bei Singer ist weiterhin der Personenbegriff ein wichtiger Aspekt seiner Theorie, weshalb Tö­ten unrecht ist. Er ist der Meinung, dass der Personenstatus eines Individuums nichts mit seiner Spezieszugehörigkeit zu tun hat. Der Personenbegriff weist viel mehr auf ein selbst­bewusstes und rationales Wesen hin. Aber da auch andere Tiere über Rationalität und Selbstbewusstsein verfügen können, sind auch einige nichtmenschliche Tiere Personen. Er geht sogar noch weiter und stellt fest, dass nicht alle Menschen über Rationalität und Selbstbewusstsein verfügen und stellt somit deren Personenstatus in Frage.15 Ohne seinen Personenbegriff könnte man das Ersetzbarkeitsargument ansetzen, das besagt, dass z.B. das Töten eines Tieres nicht verwerflich ist, solange es durch eine neue Geburt aus­geglichen wird.

[...]


1 Vgl. Singer, Peter: Praktische Ethik, S. 155.

2 Vgl. Regan, Tom: Wie man Rechte für Tiere begründet, S.42.

3 Varner, Gary E.: Can Animal Rights Activists Be Environmentalists?, S. 98.

4 Vgl. ebd., S.98.

5 Sinngemäß im Deutschen etwa: "Spezies, die einer Kontrolle bedürfen".

6 „Spezies die großzügig kontrolliert werden können".

7 Vgl. Varner, Gary E.:Can Animal Rights Activists Be Environmentalists?, S.98f.

8 Im Deutschen meist übersetzt mit "Tierschutz".

9 "Tierbefreiung".

10 Anderson, Elizabeth E.: Animal Rights and the Values of Nonhuman Life, S.277f.

11 Vgl. Varner, Gary. E: Can Animal Rights Activists Be Environmentalists?, S.99.

12 Vgl. Singer, Peter: Praktische Ethik, S.129.

13 Vgl. Regan, Tom: Wie man Rechte für Tiere begründet, S. 38.

14 Singer, Peter: Praktische Ethik, S. 128.

15 Vgl. Singer, Peter: Praktische Ethik, S. 120.

Details

Seiten
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783656225225
ISBN (Buch)
9783656227939
DOI
10.3239/9783656225225
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Institut für Philosophie
Erscheinungsdatum
2012 (Juni)
Note
1
Schlagworte
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