Immer wieder hört man Beschwerden darüber, wie schlecht Migranten deutsch sprechen oder schreiben können. Warum das so ist, darüber machen sich vermutlich deutlich weniger Menschen Gedanken.
In dieser Arbeit wird eine These – die Kontrastivhypothese – vorgestellt, die Bedingungen für den Zweitspracherwerb anspricht und zu erklären versucht. Ob die Hypothese ‚gesellschaftsfähig‘ ist und sich bewahrheiten lässt, soll hier überprüft werden. Dazu wird beispielhaft ein Text einer türkischen Schülerin zur Hand genommen. Neben der Fehlerüberprüfung und –analyse werden auch mögliche Ursachen aufgezeigt. Am Ende wird man sehen, ob die Kontrastivhypothese hier Anwendung findet, oder nicht. Schließlich werden aus der Analyse mögliche Konsequenzen für den Unterricht abgeleitet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Die Kontrastivhypothese
2.2 Analyse des Schülertextes
2.2.1 Der Originaltext
2.2.2 Fehleridentifikation, -beschreibung und -erklärung
Satz 1: Maine liblings tia ist Zuzi
Satz 2: Zi ist eine Dakel
Satz 3: Ich spile fil mit si
Satz 4: Si beist mir nih
Satz 5: Ich rufe si aber si komm
Satz 6: Ich gerne mit si und her Becher spazian gen
2.3 Fehlerklassifizierung
3. Zusammenfassende Betrachtung
Literatur
1. Einleitung
Immer wieder hört man Beschwerden darüber, wie schlecht Migranten deutsch sprechen oder schreiben können. Warum das so ist, darüber machen sich vermutlich deutlich weniger Menschen Gedanken.
In dieser Arbeit wird eine These – die Kontrastivhypothese – vorgestellt, die Bedingungen für den Zweitspracherwerb anspricht und zu erklären versucht. Ob die Hypothese ‚gesellschaftsfähig‘ ist und sich bewahrheiten lässt, soll hier überprüft werden. Dazu wird beispielhaft ein Text einer türkischen Schülerin zur Hand genommen. Neben der Fehlerüberprüfung und –analyse werden auch mögliche Ursachen aufgezeigt. Am Ende wird man sehen, ob die Kontrastivhypothese hier Anwendung findet, oder nicht. Schließlich werden aus der Analyse mögliche Konsequenzen für den Unterricht abgeleitet.
2. Hauptteil
2.1 Die Kontrastivhypothese
Die Zweitsprachenerwerbsforschung beschäftigt sich mit diversen Theorien und Hypothesen über den Erwerb und das Lernen von Fremdsprachen. Dabei werden verschiedene Ansätze und Annahmen verfolgt und untersucht. Eine der einflussreichen Hypothesen zum Zweitspracherwerb stellt die Kontrastivhypothese dar (vgl. Henrici/Riemer 2003:39f.). Henrici und Riemer (2003) berufen sich u.a. auf Lado (1957) und Richards (1974), die der behavioristischen Auffassung folgen. Ihnen zufolge besagt die Kontrastivhypothese, dass „die Erstsprache des Lerners systematisch den Erwerb einer Zielsprache beeinflusst: Elemente und Regeln, die in Erstsprache und Zielsprache identisch sind, können danach leicht und fehlerfrei erlernt werden; unterschiedliche Elemente und Regeln bereiten dagegen Lernschwierigkeiten und führen zu Fehlern. []“ (Henrici/Riemer 2003:40).
Die Hypothese gilt es nun in dieser Arbeit zu überprüfen. Dazu wird ein Text einer türkischen Schülerin auf Schreibfehler untersucht und analysiert. Zudem werden Vermutungen[1] über mögliche Ursachen der Fehlerentstehung aufgestellt, um herauszufinden, ob die Kontrastivhypothese hier zutrifft oder nicht.
2.2 Analyse des Schülertextes
2.2.1 Der Originaltext
Der Originaltext „Mein Lieblingstier“ wurde von einer türkischen Schülerin verfasst. Sie ist Seiteneinsteigerin und besucht die vierte Klasse. Weitere Informationen zu diesem Schriftstück und der Schülerin sind nicht bekannt.
Im Folgenden wird eine mögliche Übersetzung des Schülertextes in korrektes Deutsch vorgestellt:
Mein Lieblingstier ist Susi. Sie ist ein Dackel. Ich spiele viel mit ihr. Sie beißt mich nie/nicht. Ich rufe sie, aber sie kommt nicht. Ich gehe gerne mit ihr und Herrn Becher/Becker spazieren.
2.2.2 Fehleridentifikation, -beschreibung und -erklärung
Im Verlauf dieses Kapitels wird der Text Satz für Satz auf Fehler überprüft. Die Fehler werden beschrieben und es werden mögliche Erklärungen[2] für die Fehler präsentiert.
Satz 1: Maine liblings tia ist Zuzi
Übersetzt heißt dieser Satz: Mein Lieblingstier ist Susi.
Das Wort Maine zeigt folgende Fehler: (1.) <ai> statt <ei>. Dieser Fehler lässt sich dadurch erklären, dass es in der türkischen Sprache keine Diphthonge gibt. Zwar hört die Schülerin ein <ei>, verschriftlicht dieses aber falsch. Weiter schreibt die Schülerin (2.) <e> am Wortende, anstatt es wegzulassen. Dieses lässt unterschiedliche Erklärungen zu: zum einen kann der Fehler auf die kleine Vokalharmonie des Türkischen zurückzuführen sein, zum anderen darauf, dass es in der Sprache kein Genus gibt.
In dem Wort liblings tia ergeben sich folgende Fehler: (3.) Getrennt- statt Zusammenschreibung. Der Fehler entsteht dadurch, dass Komposita im Türkischen unbekannt sind, bzw. getrennt geschrieben werden. Des Weiteren (4.) wird das Nomen klein statt groß geschrieben, was damit zu erklären ist, dass im Türkischen lediglich Satzanfänge sowie Eigennamen groß geschrieben werden. Zudem wird (5.) sowohl im Wort Lieblings, als auch in Tier <i> statt <ie> geschrieben. Diese Fehlschreibung ist darauf zurückzuführen, dass die türkische Sprache nicht, wie die deutsche, zwischen langen und kurzen Vokalen unterscheidet. Die Schülerin erkennt hier somit keinen langen Vokal. Die Endung des Wortes Tier verschriftlicht die Schülerin (6.) mit <a> statt <r>. Hier schreibt sie, wie sie hört (<r> im Auslaut klingt oftmals wie <a>) und zeigt somit eine mangelnde Kenntnis über die Vokallaute des Deutschen.
Im Wort Zuzi tritt folgender Fehler auf: Die Schülerin schreibt (7.) <Z/z> statt <S/s>. Sie überträgt das türkische Graphem <z> (für stimmhaftes s) falsch ins Deutsche.
Am Satzende fehlt, wie auch in allen folgenden Sätzen (8.) schließlich die Interpunktion.
[...]
[1] Da nicht nachzuvollziehen ist, was zum Zeitpunkt des Schreibens im Kopf der Schülerin vorgegangen ist, lassen sich lediglich Vermutungen aufstellen und keine konkreten Ursachen belegen.
[2] Aufgrund des vorgegebenen Umfangs dieser Arbeit verzichte ich auf ausführliche Fehlererklärungen und gehe nur relativ oberflächlich darauf ein.