Die vorliegende Arbeit soll untersuchen, ob der Arabische Frühling in Ägypten dem Land eine moderne Gesellschaft im Parsons’schen Verständnis geliefert hat. Um diese Frage zu klären soll zunächst das Theoriegebilde Parsons‘ näher erläutert werden (Kapitel I). Hierbei wird als erstes auf die voluntaristische Handlungstheorie (Kapitel I. 1), sowie auf die damit zusammenhängenden pattern variables (Kapitel I. 1. 1) eingegangen. Im letzten Teil dieses Kapitels soll der Strukturfunktionalismus (Kapitel I. 2) und dann das AGIL-Schema (Kapitel I. 2. 1) im Detail erläutert werden.
Hernach soll das Verständnis einer modernen Gesellschaft in der Diktion Parsons‘ im genaueren festlegen, wie hier eine moderne Gesellschaft zu definieren ist (Kapitel II). Dabei werden die verschiedenen Stufen der vormodernen Gesellschaften (Kapitel II. 1) erklärt, um den Prozess der Modernisierung (Kapitel II. 2) nachvollziehen zu können. Im weiteren Teil sollen darauf aufbauend dann die Merkmale einer modernen Gesellschaft aufgezeigt werden (Kapitel II. 3).
Im darauffolgenden Kapitel soll der Arabische Frühling in Ägypten untersucht werden (Kapitel III). Um die gesamten Entwicklungen zu verdeutlichen soll zunächst die ägyptische Geschichte geschildert werden (Kapitel III. 1), danach der Verlauf der Unruhen selbst (Kapitel III. 2). Der letzte Teil dieses Abschnittes soll bei der Darlegung des status quo mit Fokus auf das soziale System (Kapitel III. 3) noch einmal die 4 Felder des AGIL-Schemas aufgreifen (Kapitel II. 3. 1 und 2).
Im abschließenden Resümee soll dann, basierend auf den in der Arbeit erlangten Kenntnissen die Kernfrage, ob Ägypten nach dem Arabischen Frühling eine moderne Gesellschaft im Parsons’schen Verständnis ist, beantwortet werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel I: Das Parsons’sche Theoriegebilde
I.1: Voluntaristische Handlungstheorie
I.1.1: Pattern variables
I.2: Strukturfunktionalismus
I.2.1: Das AGIL-Schema
Kapitel II: Parsons‘ Verständnis einer modernen Gesellschaft
II.1: Vormoderne Gesellschaften
II.2: Modernisierung
II.3: Moderne Gesellschaften
Kapitel III: Der Arabische Frühling in Ägypten
III.1: Die ägyptische Geschichte
III.2: Die Unruhen
III.3: Der status quo
III.3.1: Wirtschaft und Politik
III.3.2: Gesellschaftliche Gemeinschaft und Kultur
Resümee
Literaturverzeichnis
Selbstständigkeitserklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1
Abbildung 2
Einleitung
Die vorliegende Arbeit soll untersuchen, ob der Arabische Frühling in Ägypten dem Land eine moderne Gesellschaft im Parsons’schen Verständnis geliefert hat. Um diese Frage zu klären soll zunächst das Theoriegebilde Parsons‘ näher erläutert werden (Kapitel I). Hierbei wird als erstes auf die voluntaristische Handlungstheorie (Kapitel I. 1), sowie auf die damit zusammenhängenden pattern variables (Kapitel I. 1. 1) eingegangen. Im letzten Teil dieses Kapitels soll der Strukturfunktionalismus (Kapitel I. 2) und dann das AGIL-Schema (Kapitel I. 2. 1) im Detail erläutert werden.
Hernach soll das Verständnis einer modernen Gesellschaft in der Diktion Parsons‘ im genaueren festlegen, wie hier eine moderne Gesellschaft zu definieren ist (Kapitel II). Dabei werden die verschiedenen Stufen der vormodernen Gesellschaften (Kapitel II. 1) erklärt, um den Prozess der Modernisierung (Kapitel II. 2) nachvollziehen zu können. Im weiteren Teil sollen darauf aufbauend dann die Merkmale einer modernen Gesellschaft aufgezeigt werden (Kapitel II. 3). Im darauffolgenden Kapitel soll der Arabische Frühling in Ägypten untersucht werden (Kapitel III). Um die gesamten Entwicklungen zu verdeutlichen soll zunächst die ägyptische Geschichte geschildert werden (Kapitel III. 1), danach der Verlauf der Unruhen selbst (Kapitel III. 2). Der letzte Teil dieses Abschnittes soll bei der Darlegung des status quo mit Fokus auf das soziale System (Kapitel III. 3) noch einmal die 4 Felder des AGIL-Schemas aufgreifen (Kapitel II. 3. 1 und 2).
Im abschließenden Resümee soll dann, basierend auf den in der Arbeit erlangten Kenntnissen die Kernfrage, ob Ägypten nach dem Arabischen Frühling eine moderne Gesellschaft im Parsons’schen Verständnis ist, beantwortet werden.
Kapitel I: Das Parsons’sche Theoriegebilde
I.1: Voluntaristische Handlungstheorie
In Parsons‘ erstem großen Werk, The Structure of Social Action, führt dieser die Utilitarismuskritik der soziologischen Vordenker Weber (Idealismus), Durkheim (Positivismus), Marshall und Pareto (beide ökonomische Handlungstheoretiker) weiter und stellt die These auf, dass sich alle vier unabhängig voneinander bei einer andauernden Auseinandersetzung mit der Thematik dem gleichen Ergebnis angenähert hätten: der voluntaristischen Handlungstheorie.
Nach Parsons‘ Auffassung fehlte der Soziologie eine tragfähige Erklärungsgrundlage für die Frage nach dem sozialen Handeln und der Möglichkeit einer sozialen Ordnung; Eine Frage, die schon der Vertragstheoretiker Hobbes in seinem Leviathan stellte.1 Parsons unterstellt, die von Hobbes postulierte Interessenskonvergenz, also das freiwillige Aufgeben individueller Rechte zur Selbsterhaltung, sei nicht existent. Er greift hier auf das Weber’sche zweckrationale Handeln und das von Durkheim angebrachte Kollektivbewusstsein zurück und behauptet, Handlungsziele definieren sich durch Normen und Werte, wobei eine Nutzenkalkulation keine Rolle spielt.2
Eine soziale Handlung umschreibt er als eine Handlungseinheit, welche aus vier Elementen besteht: Akteur, Handlungsziel, Handlungssituation, sowie Normen und Werte, wobei diese eine Wirkung auf die Mittel und Ziele der Handlung ausüben.3
In Values, Motives and Systems of Action, welches Parsons zusammen mit Shils schrieb, wird die Handlungstheorie weiter ausgearbeitet: Der Handelnde in der Handlungssituation wird nun insgesamt als Action Frame of Reference betrachtet. Hier werden nun auch die pattern variables zur Klassifizierung von Bedürfnispositionen, Rollen und Wertmaßstäben eingeführt.4
I.1.1: Pattern variables
Diese pattern variables sind fünf dichotome Entscheidungsalternativen, zwischen denen zur Situationsdefinition gewählt werden muss. Diese sind:
1) Affektivität versus affektive Neutralität: Hier hat der Akteur die Möglichkeit zu entscheiden, ob er seine Bedürfnisse unmittelbar befriedigt, oder eben diese Affektivität zur langfristigen Bedürfnisbefriedigung aufschiebt.
2) Universalismus versus Partikularismus: Hier muss der Akteur zwischen diversen Normen wählen: einer partikularistischen, welche auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist, oder der universalistischen, welche auf die Ziele der Gesellschaft im Allgemeinen abzielt.
3) Zuschreibung versus Leistung: Hier muss zwischen stigmatisierten Eigenschaften und erworbener Leistung entschieden werden.
4) Selbstorientierung versus Kollektivorientierung: Hier bestehen die Entscheidungsalternativen aus dem Interesse am Eigennutz oder dem Kollektivnutzen.
5) Diffusität versus Spezifität: Hier muss unterschieden werden zwischen einem Bezug auf eine Person als Ganzes oder eine bestimmte Rolle eben jener Person.5
Parsons wollte mit diesen Entscheidungskriterien eine komplette Definition des individuellen Rollenhandelns möglich machen, mit der auch eine Analyse der gesamtgesellschaftlichen Strukturen durchführbar ist.
I.2: Strukturfunktionalismus
Eine Weiterentwicklung der voluntaristischen Handlungstheorie vollbrachte Parsons in The Social System, in welchem er das zusätzliche Element des Bezugsrahmens, der System-Umwelt, miteinbrachte.6 Hier sollte vom Strukturfunktionalismus gesprochen werden. Allgemein betrachtet ist der Strukturfunktionalismus eine soziologische Denkweise, welche soziale Systeme als solche betrachtet, die ihre eigene Existenz erhalten, also autopoietisch sind.
I.2.1: AGIL-Schema
Da nach Parsons jedes System vier Funktionen erfüllen muss, um seine Existenz zu erhalten, entwickelte er aus diesen das AGIL-Schema. Die Funktionen sind:
Adaption: Die Fähigkeit eines Systems, sich den äußeren Bedingungen anzupassen.
Goal Attainment: Die Fähigkeit eines Systems, selbstdefinierte Ziele zu verfolgen.
Integration: Die Fähigkeit eines Systems zur Inklusion.
Latency: Die Fähigkeit eines Systems, bestehende Wertmuster aufrecht zu erhalten.
Idealerweise wird das AGIL-Schema in einer quadratischen Weise dargestellt, wobei je zwei dichotome Kriterien zu unterscheiden sind. In den beiden Spalten sind dies instrumental und konsumatorisch, in den beiden Zeilen intern und extern.7
[...]
1 Vgl.: Hobbes 1651, S. 12
2 Vgl.: Camic 1979, S. 520 f.
3 Vgl.: Parsons 1971, S. 12 f.
4 Vgl.: Parsons / Shils 1951, S. 68 ff.
5 Vgl.: Korte 1992, S. 175.
6 Vgl.: Parsons 1951, S. 24
7 Vgl.: Korte 1992, S. 180 f.