Der historische Faust (Georg Zabel) war ein überaus interessanter, weil vielseitiger Mann. Wenn man den Lebenslauf dieser Person betrachtet, so ist es kaum verwunderlich, dass diese Lebensgeschichte Stoff für viele Literaturadaptionen bot.
Johann Wolfgang Goethes Faust I ist ein Werk, welches (wie ich behaupten möchte) jedem Schüler innerhalb seiner Schullaufbahn begegnet. Während einer Ganzschriftlektüre des Faust I halte ich es für Notwendig die Schüler auch mit der Person des historischen Faust vertraut zu machen.
Hierfür habe ich diesen Stundenverlauf angelegt. Er beginnt mit didaktischen und methodischen Vorüberlegungen. Diese umfassen eine detailierte Lehrplananalyse (welche Ziele des Lehrplans werden mit dieser Stunde erfüllt) mit anschließender Einordnung der Stunde in die gesamte Stundensequenz. Darauf folgt eine Sachanalyse (das Leben Georg Zabels), sowie die didaktische (Berechtigung der Stunde) und methodische Analyse (welche Methoden sind hinsichtlich der Ziele gerechtfertigt). Die Beschreibung des Stundenverlaufs ist auf knapp drei Seiten recht umfassend gestaltet. Des Weiteren befinden sich im Anhang alle Materialien, die in der Stunde Verwendung finden.
Inhaltsverzeichnis
1. Didaktische und methodische Vorflberlegungen
1.1 Lehrplananalyse
1.2 Einordnung der Stunde in die Unterrichtssequenz
1.3 Sachanalvse
1.4 Didaktische Überlegungen
1.5 Methodische Überlegungen
2. Beschreibung des Stundenverlaufs
3. Materialien zur Stunde
4. Verzeichnis der verwendeten Literatur
1. Didaktische und Methodische Vorflberlegungen
Als kurze Anmerkung werde ich ab diesem Gliederungspunkt die gesamte Schülerschaft, welche logischerweise aus Jungen (Schülern) und Mädchen (Schülerinnen) besteht, als Schüler bezeichnen, da eine ständige Differenzierung und Benennung beider Geschlechter, den Schreib- und später auch den Lesefluss unnötigerweise erschweren und unterbrechen würde. Ich bitte um Ihr Verständnis.
1.1 Lehrplananalyse
Der Lehrplan für bayerische Gymnasien fordert im Fach Deutsch für die 11. Klasse (bzw. für jede Klassenstufe) eine intensive Auseinandersetzung mit den Schwerpunkten: Sprechen, Schreiben, Sprache analysieren (Sprachbetrachtung), Literatur- und Sachtextanalyse, sowie die Nutzung von und das Reflektieren über Medien.
Im Bereich Sprechen wird vor allem auf den Ausbau bereits angeeigneter sprachlicher Fertigkeiten wert gelegt. Das bedeutet, dass beispielsweise nicht nur Gruppenarbeiten vorgestellt werden, sondern die Ergebnisse dieser Arbeit anschließend auch beispielsweise in einem gelenkten Unterrichtsgespräch verteidigt werden müssen. In meiner Stunde ist besonders der Aspekt des Referierens wichtig, d. h. dass die Schüler sich wiederholend mit dem Darlegen komplexer Inhalte beschäftigen sollen. Auch muss ein gewisser Teil der Arbeit in Kooperation gelöst werden, wodurch eine Absprache erforderlich wird.
Schreiben bedeutet in der 11. Klasse, dass die Schüler ihre erworbenen Fertigkeiten zur sinnvollen Analyse und Interpretation von literarischen und sachlichen Texten anwenden und vertiefen sollen. Es geht hierbei auch um die Erfassung von Aufbau und Struktur von Texten. Die Analyse der Texte muss in eine höhere Ebene an Komplexität gehoben werden. Schüler müssen dementsprechend Texte nicht nur nach mehreren aufeinander folgenden, klar formulierten Anweisungen bearbeiten können, sondern sie müssen lernen Texte auch ohne detaillierte Anweisungen vollständig zu erfassen und zu interpretieren. Vor allem die Analyse von Sachtexten (speziell: das Herausarbeiten der wichtigsten Informationen) wird in meiner Stunde eine zentrale Position einnehmen.
Der Bereich Sprachbetrachtung, welcher vor allem die Analyse, d. h. die Auseinandersetzung der Schüler mit der Sprache als Zeichen- und Kommunikationssystem, umfasst, wird in meiner Stunde nur latent vermittelt werden. Die Schüler werden die aus den Texten heraus gefilterten Informationen verschriftlichen und dabei grammatische Regeln anwenden, jedoch wird in der Stunde nicht explizit auf Sprachbesonderheiten der Texte eingegangen werden.
Der Umgang mit Sachtexten bildet einen Bereich des Lehrplans, der in meiner Stunde von besonderer Wichtigkeit sein wird. Des weiteren umfasst dieser Bereich den Umgang mit literarischen Texten (speziell: Literatur der Klassik, der Romantik und realistische Strömungen des 19. Jahrhunderts), diese werden in meiner Stunde jedoch nicht zum tragen kommen. Jedoch findet diese Stunde im Verlauf einer Sequenz zum Faust I statt und im Rahmen dessen beschäftigen sich die Schüler mit der Literatur der Klassik. Auch wird in meiner Stunde ein Vergleich des historischen mit Goethes Faust anstehen, wodurch die Schüler bereits erlerntes Wissen zur literarischen Figur, welches durch Analyse des literarischen Textes erlernt wurde, zum Ausdruck bringen müssen.
Den letzten Bereich des Lehrplans bildet der Umgang mit Medien, welcher sowohl deren Nutzung als auch das Reflektieren über diese umfasst. Hier wird vor allem auf die neuen Medien verwiesen. Der Umgang mit dem Computer und die Nutzung des Internets sind wichtig, sowie die kritische Bewertung dieser Medien. In meiner Stunde gehe ich nicht auf diese Medien ein, es werden lediglich die ^klassischen' Medien zum Einsatz kommen, d. h. die Tafel, das Buch und diverse Arbeitsblätter. Ich denke, dass der Einsatz neuer Medien ohne Frage wichtig ist, da heute fast jeder Haushalt über einen Computer mit Internetzugang verfügt, jedoch denke ich nicht, dass jede Stunde mit der Nutzung dieser Medien verbracht werden muss.
Zusammenfassend ist für meine Stunde der Umgang mit Sachtexten, sowie der Umgang mit Sprache und Schrift wichtig, in den Hintergrund treten die Nutzung moderner Medien und die Sprachbetrachtung.
1.2 Einordnung der Stunde in die Unterrichtssequenz
Die Stunde findet im Rahmen einer Ganzschriftlektüre von Goethes Faust I statt. Sie ist ungefähr in der Mitte der Sequenz angesetzt. Zuvor wurde den Schülern bereits aufgetragen die Lektüre in Heimarbeit komplett zu lesen. Des weiteren fanden Stunden zur Interpretation einzelner Szenen statt. Die Arbeit am Faust I bis hin zu dieser Stunde war also Primär auf Interpretation ausgelegt. Den Schülern wurde noch nichts über den historischen Faust dargelegt, auch wurde noch nicht auf die Gründe für die Faszination des Fauststoffes oder dessen Werdegang verwiesen. Es besteht also, bis auf das Wissen über diverse Charaktermerkmale von Goethes Faust kein Vorwissen zu meiner Stunde. Nach dieser Stunde wird am Text selbst weitergearbeitet, so werden noch vertiefte Charakterisierungen angefertigt und es wird auf die Besonderheiten der Textgestaltung (Variation der Strophen- und Versform) eingegangen. Eine direkte Rückführung auf die Stunde zum historischen Faust wird nicht stattfinden, sodass diese Stunde als kontextuel losgelöst betrachtet werden kann, d. h. sie ist nicht innerhalb der Sequenz festgelegt - die Stunde hätte auch zu Beginn oder zum Ende der Sequenz gehalten werden können. Ich hielt es für gut, die Stunde in der Mitte zu platzieren, da sie doch im Vergleich zur Arbeit am Primärtext eine leichte Abwechslung bietet und die Schüler nach intensiver Interpretationsarbeit zu einer etwas größeren Distanz zum Text zurückführt. So wird verhindert, dass bei den Schülern, durch ausschließliches Arbeiten am Primärtext, Langeweile aufkommt.
1.3 Sachanalvse
Die Informationen meiner Sachanalyse entnehme ich den drei Texten (vgl. Bernhardt 2005, Bruckner/Sternelle 2005, Mahal 1988), welche auch auf den zwei Arbeitsblättern für die Schüler abgebildet sind.
Georg Zabel war ein Mann, der zwischen dem späten 15. Jahrhundert und dem frühen 16. Jahrhundert gelebt hat. Man vermutet er sei ca. 1470 geboren. Fragt man nach seinem Geburtsort, so gehen die Expertenmeinungen auseinander. In die engere Auswahl kommen Helmstadt (in der Nähe von Heidelberg), Knittlingen (bei Maulbronn) oder Simmern (bei Kreuznach). Seinen Namen ändert Georg Zabel während seines Lebens mehrmals, zunächst nennt er sich Georgius Sabellicus, dann Georgius Faustus und schließlich Johann Faustus. Warum er seinen Namen derart häufig ändert ist nicht bekannt, jedoch ist Faustus ein Gelehrtenname und Georg Zabel betrachtete sich selbst als einen überaus gelehrten Mann. Trotz bäuerlicher Abstammung besuchte er wohl eine Lateinschule und studierte anschließend in Heidelberg. Er übte mehrere Berufe während seines Lebens aus. So war er Schullehrer in Kreuznach, hielt Vorlesungen an der Universität in Erfurt, verdingte sich als fahrender Geselle und stellte dem Fürstbischof von Bamberg das Horoskop (übte also auch den Beruf eines Astrologen aus). Er selbst rühmte sich häufig alchemistischer, magischer und astrologischer Künste und bezeichnete sich als Magister, Doktor und Philosoph. In einem Text von Philipp Begardi wird Zabel als das „Muster eines schlechten Arztes“ bezeichnet. Dementsprechend ist anzunehmen, dass er auch medizinische Kenntnisse besaß, oder zumindest vorgab diese zu besitzen und als Arzt tätig war. Neben diesen Unklarheiten über Herkunft, Ausbildung und Beruf kommen noch Informationen über diverse Gesetzesüberschreitungen hinzu. Er floh aus Wittenberg, wurde aus Ingolstadt, Nürnberg und Würzburg ausgewiesen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass es noch weitere Städte gab, die seiner Anwesenheit überdrüssig wurden. Der Verweis aus Nürnberg und Würzburg geht wohl darauf zurück, dass Zabel in diesen Städten der Sodomie (sexuelles Vergehen an Tieren) und Nekromantie (Totenbeschwörung) beschuldigt wurde. Sein Leben findet, laut einiger Quellen, in Staufen ein abruptes Ende. So soll er sich in Staufen ein Zimmer gemietet und dort chemische Experimente durchgeführt haben. Doch da zu dieser Zeit die Wissenschaft, vor allem die experimentelle Wissenschaft noch nicht weit vorangeschritten war, gab es einen Unfall und Zabel starb in einer Explosion. Inwieweit dies der Wahrheit entspricht ist schwer zu sagen, jedoch existieren keine anderen Quellen über Zabels Tod.
Betrachtet man diesen kurzen Lebenslauf, so ist es nicht verwunderlich, dass das Leben Georg Zabels so viel Stoff für Literatur geboten hat. Das nur Bruchstücke aus seinem Leben bekannt sind, das er nur hin und wieder an den verschiedensten Orten auftaucht und durch mehr oder weniger außergewöhnliche Taten auffallt, dass alles trägt zur Faszination des Stoffes bei. Auch sein wahrscheinlicher Tod in einer Explosion, der für damals eine mehr als untypische Art zu sterben ist, lassen schnell die Gerüchte über einen Teufelspakt aufkommen, welcher ein fester Bestandteil der folgenden Faust-Literatur wird.
So dauert es nur kurz, bis die erste Niederschrift von Zabels, oder besser Fausts Leben erscheint. Das erste sogenannte Volksbuch des ,,Dr. Johann Fausten“ erscheint 1587 und legt den Grundstein der Fausttradition. 1588 erscheint das erste von Marlowe verfasste FaustDrama „The tragical history of Doctor Faustus“. Dieses Drama wird als Theaterstück aufgeführt und schafft es 1608 auch auf deutschsprachige Bühnen. Experten gehen davon aus, dass Goethe erstmalig in dieser Form mit dem Fauststoff in Berührung kam. Des weiteren erscheinen über die Jahrhunderte mehrere neue Ausgaben des Volksbuches. Weiterhin arbeiten Lessing, natürlich Goethe und auch Thomas Mann am Fauststoff.
Wenn man die Charakteristika des historischen Faust mit denen von Goethes Faust vergleicht, dann fallen doch einige Ähnlichkeiten auf. Logischerweise ist der Nachname gleichlautend. Auch die vielseitige Berufswahl ist ähnlich, beide bezeichnen sich als Philosoph, Doktor und Magister. Auch werden beide mit magischen Künsten in Verbindung gebracht, sowie der Alchemie und Astrologie. Ebenso sind beide Gesetzesbrecher. Warum der historische Faust den Drang Regeln zu missachten verspürte ist nicht geklärt. Goethes Faust hingegen wird durch Mephisto (eine Teufelsfigur) zur Gesetzesüberschreitung verführt, so wie es auch später dem historischen Faust nachgesagt wird. Nur der Tod der beiden Figuren unterscheidet sich stark. Während die historische Person wahrscheinlich in einer Explosion ums Leben kam (oder auf eine andere Aufsehen erregende Art und Weise), stirbt Goethes Faust im Alter von über 100 Jahren auf ganz natürliche Weise und erfüllt nicht einmal das Abkommen zwischen ihm selbst und Mephisto.
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