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Der Begriff des Mitgefühls bei Hume

Die Sympathie als Voraussetzung für ethisches Handeln

©2006 Hausarbeit 14 Seiten

Zusammenfassung

Nach Humes Ansicht wird unser menschliches Verhalten nicht durch die Vernunft gesteuert, sondern durch Affekte und Gefühle. Dabei basiert seine Moralphilosophie auf zwei Prinzipien der subjektiven Empfindungen: Selbstliebe und Sympathie (Mitgefühl). Das diese beiden Begriffe sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sogar bedingen, zeigt Hume im Buch III seines Werkes "Ein Traktat über die menschliche Natur" auf. Der Autor sieht in Mitgefühl die Quelle aller Wertschätzung und die Basis zur Entwicklung von Gefühlen, die für die Moral entscheidend sind.

Die Hausarbeit untersucht den Begriff des Mitgefühls als moralische Instanz bei Hume. Als Gegengewicht zur Humes Sympathieethik fließt die Kritik von Max Scheler mit ein.

Leseprobe

Inhaltverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Begriffsklärung: Affekte
1.2 Begriffsklärung: Mitgefühl

2. Mitgefühl als Basis von moralischen Gefühlen
2.1 Mitgefühl als gesellschaftlicher Vorteil
2.2 Mitleid – Mitgefühl
2.3. Unterscheidung von Fremden und Nahestehenden
2.4 Sympathie bei Tieren

3. Schelers Kritik an der Sympathieethik

4. Fazit: Die Sympathie als Voraussetzun für moralisches Handeln

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

David Hume vertrat die Meinung, dass unser menschliches Verhalten nicht durch die Vernunft, sondern durch Affekte und Gefühle gesteuert wird. Dabei sind diese Gefühle besonders stark, wenn sie sich auf die Person selber beziehen oder auf ihn Nahestehende. Diese Punkte müssen bei der Erarbeitung einer Ethik beachtet werden.

In seinem Werk mit dem Titel: „Ein Traktat über die menschliche Natur“ stellt er ein anthropologisches Konzept auf. Nur durch eine empirische Untersuchung kann man die menschliche Selbstwahrnehmung erkennen: Man sollte sich auf Erfahrungen und Beobachtungen stützen.

Das „Traktat“ unterteilt sich in 3 Bücher, wobei Hume im „Vorwort zu Buch III“ betont, dass es für das Verständnis nicht nötig ist, die beiden vorangegangenen Bücher zu lesen. Aus diesem Grund werden ich auf Buch I und II nicht im Besonderen eingehen. In „Buch III: Über Moral“ beschäftig sich Hume mit Gefühlsregungen, da diese den Verstand neben den Affekte steuern. Diese Moralphilosophie basiert auf zwei Prinzipien der subjektiven Empfindungen: Selbstliebe und Sympathie[1]. Die Sympathie verwendet Hume auch als ein Synonym für Mitgefühl und mit seinem Verständnis von diesem Gefühl will ich mich in der vorliegenden Hausarbeit auseinandersetzen. Hume sieht im Mitgefühl „die Quelle aller Wertschätzungen“ (S. 331)[2] und allein diese Aussage bekräftig mich darin, dass man diesen, beim Lesen schnell übergangenen Begriff, etwas genau betrachten sollte.

Auf den ersten Blick erscheint es schwierig die Begriffe Selbstliebe und Mitgefühl miteinander in Beziehung zu setzen und man denkt, dass diese sich eigentlich gegenseitig negieren. Aber gegenseitiges Mitgefühl und Wohlwollen sind empirische Wahrnehmungen, die auf eigene Erfahrungen beruhen und mit einer gesunden Selbstliebe verbunden sind[3]. Durch das Hineinfühlen in andere wird es dem Menschen auch ermöglicht, sich selbst zu erkennen. Aber das Mitgefühl sollte nicht in Altruismus enden. Diese Selbstlosigkeit trennt mich von meinen natürlichen Drang der Selbstbezogenheit und gibt dem andern das Gefühl von Nutzlosigkeit. Es würde auch Humes Auffassung widersprechen, dass Gefühle dann besonders stark sind, wenn sie sich auf die Person selber beziehen: Ich handle dann nicht mehr für mich selbst, sondern nur noch für andere.

Mitgefühl ist die Gefühlsregung, die der Mensch schon im Naturzustand kannte[4] und somit eine vorangestellte Rolle in der Erarbeitung einer Moralphilosophie haben sollte.

Bevor ich jedoch mit dem Hauptteil der Hausarbeit beginne, möchte ich die Funktion von Mitgefühl und was Hume darunter verstand, näher erklären. Doch zuerst werde ich die Affekte kurz erläutern, da Hume die Sympathie als Ursache der Affekte sieht[5]. Des Weiteren schließt er aus der Wirkung von Affekten auf die Erweckung von Sympathie[6].

1.1 Begriffserklärung: Affekte

Affekte sind Gemütsbewegungen, die laut Aristoteles weder gut noch schlecht sind[7]. Hume unterscheidet dabei zwischen direkten und indirekten Affekten:

„Unter direkten Affekten verstehe ich solche, die unmittelbar aus einem Gut oder einem Übel, […] entspringen; unter indirekten dagegen […], die auf derselben Grundlage beruhen, bei denen aber noch andere Momente mitwirken.“ ( S. 5)

Besonders bei den indirekten Affekten ist das Mitgefühlt von Bedeutung, da hier das Subjekt eine andere Person ist. Liebe und Hass nennt Hume als Beispiele hierfür und schon an diesen Gemütsbewegungen zeigt sich, dass sie davon abhängig sind, in welchem Maß ich an der Person Interesse bzw. Sympathie habe.

Affekte sind sekundäre Impressionen da sie abgeleitete Empfindungen sind und diese Emotionen sind ein direkter Ausdruck der menschlichen Natur[8]. Diese Stufe des Geistes ist von der Ratio am weitesten entfernt. Die menschlichen Triebe und Handlungen müssen also mit Betrachtung der Affekte untersucht werden.

Aber Affekte gehen häufig „Hand in Hand […] mit einer lebhaften Einbildungskraft“ (S. 165). Diese verstärkt dann die Affekte mit auf falscher Wahrnehmung basierenden Urteilen. Durch das Mitgefühl veranlasst, nehmen wir aber an, „daß etwas, das uns persönlich berührt, keine Einbildung sein kann“ (S. 196). Somit ist das Interesse an etwas, das uns interessiert höher, als an Dingen, welche uns gleichgültig sind.

1.2 Begriffserklärung: Mitgefühl

Hume definiert in Abschnitt 11 des Teil I im Buch II das Wesen des Mitgefühls. Denn nur durch dieses können wir unser Streben nach Achtung verstehen[9]. Er sieht in dieser „Eigenschaft der menschlichen Natur“ (S. 48) eine Folge für unsere Neigung zum sympathisieren mit anderen. Affekte wie Hass und Liebe bewegen uns mehr wegen unserem Mitgefühl. Auch betont Hume die Ähnlichkeit zwischen den Menschen, wodurch wir Beobachtungen an unseren Mitmenschen auch in uns finden. Dadurch versteht man sich besser, kann sich leichter in andere hineinfühlen und sich dessen Empfindungen zu Eigen machen. Hume sieht das Wesen und die Ursache des Mitgefühls darin, dass unsere Gemütsbewegungen am meisten „von uns selbst und der innerlichen Wirksamkeit des Geistes“ (S. 51) abhängen. Volles Mitgefühl kann man nur verspüren, wenn die Überzeugung von der Wirklichkeit eines Affektes durch Beziehungen der Ähnlichkeit und der Nähe unterstützt wird. Da sich das Objekt unserer Betrachtung mit uns im Zusammenhang befindet, wandelt sich eine Vorstellung offenbar in einen Eindruck um[10].

„Die Sympathie ist nichts anderes als eine lebhafte, in einen Eindruck verwandelte Vorstellung.“ (S. 121)

Beim Mitgefühl sind nicht wir das Objekt unseres Affektes, sonders unser Gegenüber. Unsere Aufmerksamkeit ist nicht an uns selbst gefesselt. Durch das Mitfühlen können wir andere und ihre Handlung besser verstehen, da man sich in die andere Situation hineinversetzt. Durch die Sympathie[11] mit Reichen beispielsweise nehmen wir an ihrer Lust teil und nur darauf beruht unsere Wertschätzung. Diese entspringt wie die Liebe aus dem Mitgefühl mit der Lust des Besitzers. Sympathie zu anderen erhält die Lebensgeister und ist uns deshalb angenehm.

Durch Sympathie nimmt der Mensch Anteil am guten und bösen Schicksal anderer und dieses wahrgenommene sekundäre Gefühl entspricht dem primären. Denn durch die Ähnlichkeit fühlt man denselben Schmerz. Er wird zwar durch eine sekundäre Wahrnehmung hervorgerufen, spricht aber die gleiche Stelle in unserem Gefühl an, als wenn wir es selber erleben würden. Dennoch unterteilt Hume die Sympathie in begrenzte und erweitete[12], deren Stärke von der primären Sympathie abhängt. Ich fühle also mit einer mir nahestehenden Person intensiver als mit einer Fremden[13].

Das Mitgefühl ist ein Grundpfeiler des menschlichen Zusammenlebens und ermöglicht dies erst[14]. Denn laut Hume ist der Mensch ein Wesen, was auf die Gesellschaft angewiesen ist[15].

Die Gemütsbewegungen der Menschen sind sich ähnlich, deshalb können wir nachempfinden.

Aber das Mitgefühl ist nicht so lebhaft, wie Gemütsbewegungen die uns selbst oder Freunde betreffen. Darin unterscheidet es sich von Hass und Liebe, denn je nachdem, ob ich eine Person schätze oder nicht, ist auch meine Anteilnahme an ihr. Ich messe den Charakter eines Menschen oft an seinem Vorteil für mich oder die Gesellschaft. Denn so wie das Mitgefühl uns am Wohl der Gemeinschaft teilhaben lässt, so unterstützt es damit auch mein eigenes Wohlergehen. Das Mitgefühl ist zwar die Quelle aller künstlichen Tugenden[16] aber bei den natürlichen Tugenden würde es Taten nur tugendhaft nennen, wenn sie zum Vorteil für die Menschheit wären[17].

Zu Beginn des Abschnittes 2 im Dritten Teil von Buch III nennt Hume das Mitgefühl und den Vergleich die zwei Triebfedern. Die meisten Urteile über bestimmte Gegenstände basieren auf dem Vergleich, ich messe einen Gegenstand mit dem anderen und wiege ab. Nicht der eigentliche Wert einer Sache steht im Vordergrund sondern ihr Wert im Vergleich. Beim Umgang mit Mitmenschen steht der Vergleich mit uns selbst an erster Stelle.

„Diese Art der Vergleichung nun wirkt aber dem Mitgefühl direkt entgegen; […].“ (S.348)

Denn nun steht nicht das Wohlwollen und das Hineinfühlen im Blickpunkt, sondern unsere Wert im Vergleich mit der anderen Person. Wir versuchen uns über den anderen zu stellen und durch seine vielleicht unglückliche Lage an unserem Glück mehr Lust zu empfinden. Dabei ist die Vorstellung von dessen misslichen Lage nicht so befriedigend, wie der direkte Anblick. Mitgefühl entsteht laut Hume erst bei „einer größeren Kraft und Lebendigkeit der Vorstellung […], als für die Wirkung des Vergleichs notwendig ist.“ (S. 349)

[...]


[1] Vgl. dtv-Altas, S. 125

[2] Die Seitenangaben für die Stellen, an welchen Hume zitiert wird, beziehen sich auf die Ausgabe des Traktates: Buch II und III aus dem Meiner Verlag von 1978.

[3] Vgl. Geisen, Grundwissen Ethik, S. 47f.

[4] Vgl. Hume, Buch III, S. 237

[5] Vgl. Ebd. S. 93 Buch II

[6] Vgl. Ebd. S. 329 Buch III

[7] Vgl. Ulfig, Lexikon der philosophischen Begriffe, Art. Affekt, S. 14f

[8] Vgl. Metz, Hume, S. 245

[9] Vgl. Hume, Buch II, S. 48f

[10] Unter Eindrücken versteht Hume alle Sinnes- und innere Selbstwahrnehmungen, wie sie direkt in der Seele in Erscheinung treten. Vorstellungen sind nur Abbilder von Erscheinungen. (Vgl. dtv-Atlas, S.125)

[11] Wie schon oben erwähnt, benutzt Hume die Begriffe Mitgefühl und Sympathie synonym, dies werde ich beibehalten.

[12] Vgl. Hume, Buch II, S. 123

[13] Auf diesen Bereich werden ich in Punkt 2.3 genauer eingehen.

[14] In Punkt 2.1 werde ich mich mit damit befassen und darlegen, wie durch Sympathie ein Zusammenleben ermöglicht wird.

[15] Vgl. Brandt in: Hume, Buch I, Einführung S. XL

[16] Vgl. Hume, Buch III, S. 331 Künstliche Tugenden sind Erfindungen, die das Leben regeln sollen. Dagegen sind natürliche Tugenden auf das Wohlergehen ausgerichtet, wie z.B. Milde und Großmut.

[17] Vgl. Ebd. S. 338 Buch III

Details

Seiten
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783656253990
ISBN (Buch)
9783656255871
DOI
10.3239/9783656253990
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – Institut für Philosophie
Erscheinungsdatum
2012 (August)
Note
2
Schlagworte
begriff mitgefühls hume sympathie voraussetzung handeln
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