Parteitage sind die höchsten Organe innerparteilicher Willensbildung. Ihnen kommen laut Parteiengesetz Funktionen der personellen und sachlichen Entscheidung zu. Ein Ordentlicher Parteitag tritt mindestens alle zwei Jahre zusammen. Ein Außerordentlicher Parteitag wird hingegen außerplanmäßig aufgrund eines wichtigen Anlasses abgehalten.
Solche Außerordentlichen Parteitage sollen im Fokus des Interesses dieser Arbeit stehen. Es geht um die Frage, ob und inwiefern Parteitage im Zuge der zunehmenden Mediatisierung von Politik heute stärker als noch vor 40 Jahren inszeniert werden. Zu diesem Zweck sollen, nach einer kurzen Einführung der Begriffe Mediatisierung und Inszenierung, Beiträge der Süddeutschen Zeitung zu den Außerordentlichen Parteitagen der SPD in den Jahren 1972 und 2009 auf Inszenierungsmerkmale hin beschrieben und verglichen werden. Auf diese Weise kann zwar keine allumfassende Antwort auf die Frage gegeben werden, ob sich die Parteitagsinszenierung im Laufe der Jahre verstärkt hat. Immerhin aber lässt sich durch die Textbeispiele eine Tendenz zur Beantwortung dieser Frage aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Mediatisierung als theoretischer Begriff
3. Inszenierung als Teilaspekt der Mediatisierung von Politik
4. Die Außerordentlichen Parteitage der SPD 1972 und 2009 in der Süddeutschen Zeitung
4.1 Der Außerordentliche Parteitag vom 12. bis 13. Oktober 1972
4.2 Der Außerordentliche Parteitag vom 14. Juni
4.3 Zusammenfassung: formale und inhaltliche Aspekte in den Berichterstattungen
5. Schlussbemerkungen
Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Die Mitglieder- oder Vertreterversammlung […] ist das oberste Organ des jeweiligen Gebietsverbandes. Sie führt bei Gebietsverbänden höherer Stufen die Bezeichnung ‚Parteitag’ […]. Die Parteitage treten mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr einmal zusammen.“ (§9 (1) Parteiengesetz)1
Parteitage sind die höchsten Organe innerparteilicher Willensbildung. Ihnen kommen laut Parteiengesetz Funktionen der personellen und sachlichen Entscheidung zu2. Ein Ordentlicher Parteitag tritt mindestens alle zwei Jahre zusammen. Ein Außerordentlicher Parteitag wird hingegen außerplanmäßig aufgrund eines wichtigen Anlasses abgehalten.
Solche Außerordentlichen Parteitage sollen im Fokus des Interesses dieser Arbeit stehen. Es geht um die Frage, ob und inwiefern Parteitage im Zuge der zunehmenden Mediatisierung von Politik heute stärker als noch vor 40 Jahren inszeniert werden. Zu diesem Zweck sollen, nach einer kurzen Einführung der Begriffe Mediatisierung und Inszenierung, Beiträge der Süddeutschen Zeitung zu den Außerordentlichen Parteitagen der SPD in den Jahren 1972 und 2009 auf Inszenierungsmerkmale hin beschrieben und verglichen werden. Auf diese Weise kann zwar keine allumfassende Antwort auf die Frage gegeben werden, ob sich die Parteitagsinszenierung im Laufe der Jahre verstärkt hat. Immerhin aber lässt sich durch die Textbeispiele eine Tendenz zur Beantwortung dieser Frage aufzeigen.
2. Mediatisierung als theoretischer Begriff
Das Angebot an Literatur, das versucht, den Begriff Mediatisierung zu definieren, ist vielfältig. Marcinkowski/Steiner fassen auf fast fünf Seiten nur grob die Definitionsversuche verschiedener Autoren zusammen und stellen fest, wie beachtlich diese Literatur inzwischen gewachsen sei3. Aus Platzgründen und weil es zunächst notwendig ist, einen konkreten Mediatisierungsbegriff einzuführen, wird in dieser Arbeit nur die Sichtweise von Krotz erwähnt. Er betrachtet Mediatisierung als einen Metaprozess, der zugleich Formen, Ursachen und Folgen medienvermittelter Kommunikation umfasst. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Veränderungen von Kultur und Gesellschaft. Diese werden durch die Handlungsweisen sozialer Akteure, die zunehmend über technische Medien kommunizieren, hervorgerufen4. Diese Betrachtung von Mediatisierung ist weit gefasst und erlaubt somit einen groben Überblick über das, was unter dem Begriff zu verstehen ist.
Konkreter zu formulieren ist hingegen, was mit einer Mediatisierung von Politik gemeint ist. Sarcinelli versteht darunter „die wachsende Verschmelzung von Medienwirklichkeit und politischer wie sozialer Wirklichkeit“5. Politik wird dabei zunehmend auf medienvermitteltem Weg wahrgenommen und politisches Handeln und Verhalten richtet sich verstärkt an den Gesetzmäßigkeiten des Mediensystems aus6.
3. Inszenierung als Teilaspekt der Mediatisierung von Politik
Ein Teilaspekt der Mediatisierung ist die Inszenierung. Der Inszenierungsbegriff selbst stammt aus dem Bereich des Theaters. Fischer-Lichte versteht darunter einen Prozess, bei dem Strategien entwickelt werden, „nach denen was, wann, wo und wie vor Zuschauern in Erscheinung treten soll.“7 Auf das Politikgeschehen übertragen wird Inszenierung oft mit Manipulation und Lüge verbunden, die den sachlichen Inhalten konträr gegenüberstehen. Schicha vertritt jedoch die Ansicht, dass die Inszenierung aufgrund ihres ‚Planungscharakters’ auch ein Mittel darstelle, durch das sich ein Inhalt überhaupt mitteilen ließe, weswegen Inszenierung in der Politik nicht a priori illegitim sei8.
Meyer stellt das Verhältnis zwischen der Politik und den Medien als dreistufigen Prozess dar. Zunächst wird Politik ‚hergestellt’. Dabei werden verbindliche politische Entscheidungen in einer parlamentarischen Nichtöffentlichkeit getroffen. Die zweite Stufe bildet die Darstellung von Politik durch das politische System selbst, wobei verstärkt auf Eigeninszenierung fokussiert wird. Zu guter Letzt erfolgt eine mediale Fremddarstellung der Politik, anhand derer sich die Bürger letztendlich über politische Abläufe informieren9. Die beiden letzten Stufen dieser Politik-Medien-Relation werden folgend relevant sein. Sie verdeutlichen auf der einen Seite das Inszenierungsziel der Parteien und auf der anderen Seite das Bestreben der Medien, die Berichterstattung an die Rezeptionsbedürfnisse der Menschen anzupassen10. Beide Seiten nutzen dabei unterschiedliche Instrumente, um ihre Ziele effektiv zu erreichen. Sowohl für die Medien als auch für die Politik sind dabei vor allem - neben anderen - unterschiedliche Inszenierungsinstrumente wie die Personalisierung, die Symbolisierung und Ästhetik von Vorteil. Sie sollen daher noch kurz erläutert werden.
Die Personalisierung in der Politik als Inszenierungsinstrument meint die Existenz von Leitfiguren, Wortführern und Vorbildern. Politische Gegenstände werden von bestimmten Personen verkörpert; politische Sachverhalte können dabei mit Körpersprache und Stimme sowie anderen visuellen und akustischen Reizen verbunden werden11. Personalisierung bewirkt somit laut Kamps eine „[…] Reduktion von Komplexität auf ein überschaubares, kognitiv wie emotional verarbeitbares Maß“12.
Auch ästhetische Elemente wie Schönheit und Geschmack kommen in der Politikinszenierung zum Einsatz. Umgebungen, Kulissen und Requisiten werden bewusst genutzt, um maximale Medienwirksamkeit zu erreichen13. Symbolische Handlungen, die auf einer verbalen wie einer visuellen Ebene stattfinden können, führen beim Rezipienten sowohl zu kognitiver als auch zu affektiver Verarbeitung. „Hierbei wird auf Formen der symbolischen Verdichtungen u.a. durch Begriffe und Formeln sowie optische Signale zurückgegriffen“14, behauptet Schicha.
[...]
1 Bundesministerium der Justiz: http://www.gesetze-im-internet.de/partg/__9.html, letzter Zugriff: 25. Juni 2011.
2 Vgl. Ebda.
3 Vgl. Marcinkowski/Steiner, 2010:51.
4 Vgl. Krotz, 2007: 37f.
5 Sarcinelli, 1998:678f.
6 Vgl. ebda.
7 Fischer-Lichte, 2004: 325.
8 Vgl. Schicha, 2006: 153.
9 Vgl. Meyer 2000. 117.
10 Vgl. Hilmer, 2003: 224.
11 Vgl. ebda.
12 Kamps, 1998: 42.
13 Vgl. Meyer, 2001: 110.
14 Schicha, 2006: 223.