Krankheitsbedingte Kündigung von Arbeitsverhältnissen wegen häufiger Kurzerkrankungen
Zusammenfassung
Der arbeitsrechtliche Krankheitsbegriff folgt dem medizinischen. Danach liegt eine Krankheit vor, wenn ein regelwidriger physischer oder psychischer Zustand die Notwendigkeit einer Heilbehandlung auslöst. Fehlt dem Gericht die notwendige Fachkenntnis, ob ein bestimmtes Leiden die ungestörte Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung zur Folge hat, muss in der Regel das Gutachten eines Arbeitsmediziners eingeholt werden.
Die Voraussetzungen einer solchen krankheitsbedingten Kündigung sind vom Gesetzgeber klar definiert. Diese Hausarbeit gibt Aufschluss darüber, welche Voraussetzungen, welches Prüfungsschema, welche sonstigen Argumente berücksichtigt werden müssen und welche Möglichkeiten ein Arbeitgeber hat, einen Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen rechtsgültig zu kündigen.
Nach einer kurzen Abgrenzung der personenbedingten Kündigungen und der Frage, wie krankheitsbedingte Kündigungen sozial zu rechtfertigen sind, wird das Prüfungsschema des BAG erläutert. Es folgen weitere themenbezogene Gliederungspunkte vom betrieblichen Eingliederungsmanagement bis hin zu der Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats bei Kündigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen. Zum Schluss werden noch einige Kritikpunkte zur Rechtsprechung des BAG erläutert und abschließend das Fazit gezogen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Personenbedingte Kündigung wegen Krankheit
2.1 Abgrenzung Personen-/ Verhaltensbedingte Kündigung
2.2 Krankheit als Kündigungsgrund sozial gerechtfertigt?
3 Prüfungsschema
3.1 Negative Prognose
3.2 Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen
3.3 Interessenabwägung
3.4 Betriebliches Eingliederungsmanagement
3.5 Weitere Leitsätze des BAG
4 Darlegungs-und Beweislast
5 Das Thema Diskriminierung
6 Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats
7 Kritik an der Rechtsprechung des BAG
8 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Krankheitsbedingte Fehlzeiten stellen in der Regel eine hohe Belastung für den Arbeitgeber dar. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber im Rahmen der personenbedingten Kündigung auch die Kündigung wegen Krankheit vorgesehen.
Der arbeitsrechtliche Krankheitsbegriff folgt dem medizinischen. Danach liegt eine Krankheit vor, wenn ein regelwidriger physischer oder psychischer Zustand die Notwendigkeit einer Heilbehandlung auslöst. Fehlt dem Gericht die notwendige Fachkenntnis, ob ein bestimmtes Leiden die ungestörte Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung zur Folge hat, muss in der Regel das Gutachten eines Arbeitsmediziners eingeholt werden.1
Die Voraussetzungen einer solchen krankheitsbedingten Kündigung sind vom Gesetzgeber klar definiert. Diese Hausarbeit gibt Aufschluss darüber, welche Voraussetzungen, welches Prüfungsschema, welche sonstigen Argumente berücksichtigt werden müssen und welche Möglichkeiten ein Arbeitgeber hat, einen Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen rechtsgültig zu kündigen.
Nach einer kurzen Abgrenzung der personenbedingten Kündigungen und der Frage, wie krankheitsbedingte Kündigungen sozial zu rechtfertigen sind, wird das Prüfungsschema des BAG erläutert. Es folgen weitere themenbezogene Gliederungspunkte vom betrieblichen Eingliederungsmanagement bis hin zu der Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats bei Kündigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen. Zum Schluss werden noch einige Kritikpunkte zur Rechtsprechung des BAG erläutert und abschließend das Fazit gezogen.
2 Personenbedingte Kündigung wegen Krankheit
Die auf Krankheit beruhende personenbedingte Kündigung kann wegen häufiger Kurzerkrankungen, wegen lang anhaltender oder dauernder Erkrankung oder auch wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt sein. Die Vorraussetzung dafür ist, dass es zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führt und das die Interessenabwägung ergibt, dass die auch zukünftig zu erwartenden Störungen dem Arbeitgeber nicht weiter zumutbar sind.2
2.1 Abgrenzung Personen-/ Verhaltensbedingte Kündigung
Laut § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt sind. Diese Gründe sind abzugrenzen von den verhaltensbedingten Kündigungen, obwohl diese Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein könnte, da auch das kündigungsrelevante Verhalten von Arbeitnehmern letztlich ein „in der Person des Arbeitnehmers liegender Umstand“ ist. Vereinfacht ist die personenbedingte Kündigung, wenn der Arbeitnehmer will, kann sich aber nicht anders verhalten und die verhaltensbedingte Kündigung, wenn der Arbeitnehmer kann, sich aber nicht vertragskonform verhalten will.3
2.2 Krankheit als Kündigungsgrund sozial gerechtfertigt?
Der praktische Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers. Grundsätzlich gilt, dass eine Krankheit des Arbeitnehmers als solches niemals eine Kündigung rechtfertigen kann. Allein mit dem Hinweis auf eine aktuelle oder frühere Krankheit des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber eine Kündigung nicht erfolgreich sozial begründen.4
Wichtiger jedoch ist, dass eine Krankheit auch kein Kündigungshindemis darstellt. Eine Kündigung ist weder deshalb allein unwirksam, weil sie während einer Krankheit ausgesprochen wurde, noch hindert die Krankheit des Arbeitnehmers den Ablauf der Kündigungsfrist.5
Auch bedarf es in der Regel keiner Abmahnung für eine krankheitsbedingte Kündigung, da der Arbeitnehmer mangels vorwerfbaren Verhaltens, regelmäßig die Ursache nicht beheben kann. Da der Arbeitnehmer selbst keinen Einfluss hat, verfehlt hier die Abmahnung seine Wirkung.6
3 Prüfungsschema
Grundsätzlich hat die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer auf Krankheit gestützten Kündigung in drei Stufen zu erfolgen, was das BAG in einer Entscheidung vom April 1999 nochmals bestätigt hat:7
- Es ist zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands erforderlich.
- Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers müssen weiter zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen führen.
- Bei der Interessensabwägung ist dann zu prüfen, ob die erheblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitsgebers führen.8
3.1 Negative Prognose
Auch häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können eine entsprechende negative Gesundheitsprognose indizieren und somit eine negative Prognose rechtfertigen. Das BAG entschied dazu in einem Urteil von 2006: „Sind in den vergangenen zwei bis drei Jahren krankheitsbedingte Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen im Jahr aufgetreten, ist die negative Prognose begründet“. Dies gilt nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt oder auf einmaligen Ereignissen, wie beispielsweise bei einem Sportunfall beruhen (diese werden nicht in der Berechnung berücksichtigt). Unerheblich ist hingegen, ob es sich um unterschiedliche Erkrankungen gehandelt hat, da auch unterschiedliche
Erkrankungen möglicherweise auf eine für die Zukunft relevante Krankheitsanfälligkeit schließen lassen.9
Die Prognoseentscheidung ist allein zukunftgerichtet zu treffen. Es ist einem Arbeitgeber nicht erlaubt, vergangene Krankheiten zu sanktionieren. Vielmehr dient die kranheitsbedingte Kündigung dem Arbeitgeber als letztes Mittel, ihn vor künftigen unzumutbaren Belastungen zu bewahren.10
Um eine negative Prognose in einem Prozess vorzutragen, hat der Arbeitgeber zunächst die bisherigen Krankheitszahlen nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge offen zu legen. Dann trifft den Arbeitnehmer die Darlegungslast, um diese Indizien zu entkräften. Hier reicht es nicht aus, mögliche Behandlungsmethoden aufzuzählen oder einen verbesserten Gesundheitszustand pauschal zu behaupten.11
Eine begründete negative Prognose kann der Arbeitnehmer entkräften, indem er darlegt, weshalb mit seiner baldigen Genesung und der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.12
3.2 Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen
Die prognostizierten Fehlzeiten in der Zukunft sind nur geeignet, eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit zu rechtfertigen, wenn diese zu erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen. Allgemein wirtschaftliche Interessen des Unternehmens sind ohne Bedeutung. Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Belange liegt vor, wenn Störungen im Produktionsablauf eintreten, wenn unentwegt vorübergehend Aushilfskräfte beschäftigt werden müssen, wenn der Betriebsfrieden infolge sich wiederholender Vertretungsnotwendigkeit gestört wird, wenn Kunden verärgert werden (beispielsweise weil Termine nicht eingehalten werden) oder wenn eine fehlende Einplanbarkeit im Rahmen einer Dienstplangestaltung gegeben ist.13
[...]
1 Vgl.: Thies in Arbeitsrecht Kommentar §1 KSchG Rn. 136.
2 Vgl.: Thies in Arbeitsrecht Kommentar §1 KSchG Rn. 136.
3 Vgl.: Berkowsky, W. (2005), S. 84.
4 Vgl.: Berkowsky, W. (2005), S. 61.
5 Vgl.: Berkowsky, W. (2005), S. 61.
6 Vgl.: Eisner, S. (2000), S.60.
7 BAG, 29.04.1999 -2 AZ 431/98.
8 Vgl.: Dr. Tschöpe, U., BB, 2001, 2110, 2110.
9 Vgl.: Dr. Lingemann, S./ Dr. Ludwig, G., ArbRAktuell, 2010, 409, 409.
10 Vgl.: Eisner, S. (2000), S.61.
11 Vgl.: Dr. Lingemann, S./ Dr. Ludwig, G., ArbRAktuell, 2010, 409, 409.
12 Vgl.: Berkowsky, W. (2005), S. 65.
13 Vgl.: Oetker in Erfuhrter Kommentar zum Arbeitsrecht §1 KSchG Rn. 140.