In meiner Arbeit als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeitete ich Drei Jahre auf einer Station zur Entgiftung illegaler Substanzen. In diesem Arbeitsbereich gehört es selbstverständlich zu meinen Aufgaben die Patienten in Bezug auf ihre Abhängigkeitserkrankung zu beraten. Dies erfolgt in Einzelgesprächen und Gruppen. Zwar wurde ich im Rahmen meiner Ausbildung für solche Situationen geschult, das wirkliche Erlernen der für Beratung erforderlichen Kompetenzen erfolgte aber mehr mit der Orientierung an erfahrenen Kollegen und ohne theoretischen Hintergrund. Dies empfinde ich als grundsätzliches Problem in der Gesundheits- und Krankenpflege. Die Änderungen des Ausbildungsgesetzes im Jahr 2005 setzten zwar neue Schwerpunkte im Bereich der Beratung, in der schulischen Ausbildung allerdings kamen diese jedoch oft zu kurz.
In Vorbereitung zu dieser Arbeit und mit der Auseinandersetzung mit dem Thema der „Systemischen Beratung“ bemerkte ich, dass sich die Grundhaltung der systemischen Beratung und der im Umgang mit Abhängigen häufig überschneiden. Auch das multiprofessionelle Team der Station beschäftigt sich mit den verschiedenen Systemen der Patienten, allerdings wird der Schwerpunkt auf Fehler in diesen gelegt. Die Ressourcen und Möglichkeiten des Menschen werden zu häufig nicht beachtet. Gerade neues, unerfahrenes Personal neigt häufig dazu, den Patienten von außen korrigieren zu wollen. Ein Grund dafür liegt in der Entwicklung und in den Rahmenbedingungen für die Behandlung Abhängiger. Als das Bundessozialgericht 1968 dem Rauschmittelkonsum einen Krankheitswert zuordnete, musste die Sucht in der Medizin verankert werden. Das in der Medizin bewährte Prinzip, dass ein Helfer, die Verantwortung für das Handeln gegenüber einem Gefährdeten übernimmt, wurde unreflektiert übernommen. Es wurde nicht reflektiert, ob dem Patienten, bzw. dem Krankheitsbild mit dieser Entscheidung überhaupt geholfen ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die systemische Therapie
2.1 Systemisches Denken
2.2 Klinische Theorie
2.3 Lösungsorientierte Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer
3. Implementierung systemischer Elemente auf einer Entgiftungsstation
3.1 Bedingungsanalyse
3.2 Möglichkeiten systemischer Therapie auf Station
3.2.1 Das Behandlungsteam
3.2.2 Der Patient
3.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.2.4 Möglichkeiten des stationären Behandlungsrahmen
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Arbeit als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeitete ich Drei Jahre auf einer Station zur Entgiftung illegaler Substanzen. In diesem Arbeitsbereich gehört es selbstverständlich zu meinen Aufgaben die Patienten in Bezug auf ihre Abhängigkeitserkrankung zu beraten. Dies erfolgt in Einzelgesprächen und Gruppen. Zwar wurde ich im Rahmen meiner Ausbildung für solche Situationen geschult, das wirkliche Erlernen der für Beratung erforderlichen Kompetenzen erfolgte aber mehr mit der Orientierung an erfahrenen Kollegen und ohne theoretischen Hintergrund. Dies empfinde ich als grundsätzliches Problem in der Gesundheits- und Krankenpflege. Die Änderungen des Ausbildungsgesetzes im Jahr 2005 setzten zwar neue Schwerpunkte im Bereich der Beratung, in der schulischen Ausbildung allerdings kamen diese jedoch oft zu kurz.
In Vorbereitung zu dieser Arbeit und mit der Auseinandersetzung mit dem Thema der „Systemischen Beratung“ bemerkte ich, dass sich die Grundhaltung der systemischen Beratung und der im Umgang mit Abhängigen häufig überschneiden. Auch das multiprofessionelle Team der Station beschäftigt sich mit den verschiedenen Systemen der Patienten, allerdings wird der Schwerpunkt auf Fehler in diesen gelegt. Die Ressourcen und Möglichkeiten des Menschen werden zu häufig nicht beachtet. Gerade neues, unerfahrenes Personal neigt häufig dazu, den Patienten von außen korrigieren zu wollen. Ein Grund dafür liegt in der Entwicklung und in den Rahmenbedingungen für die Behandlung Abhängiger. Als das Bundessozialgericht 1968 dem Rauschmittelkonsum einen Krankheitswert zuordnete, musste die Sucht in der Medizin verankert werden. Das in der Medizin bewährte Prinzip, dass ein Helfer, die Verantwortung für das Handeln gegenüber einem Gefährdeten übernimmt, wurde unreflektiert übernommen. Es wurde nicht reflektiert, ob dem Patienten, bzw. dem Krankheitsbild mit dieser Entscheidung überhaupt geholfen ist.
Im ersten Teil dieser Arbeit werde ich die „Systemische Beratung“ vorstellen. Im zweiten Teil erarbeite ich die Vorteile und Möglichkeiten der Implementierung einzelner Elemente des Konzeptes auf Station.
2. Die Systemische Therapie
“Die Systemische Therapie verfügt über eine eigenständige klinische Theorie, die auf Grundlage der allgemeinen Systemtheorien entwickelt wurde. Sie verfügt über ein differenziertes Menschenbild, aus dem sich therapeutische Grundhaltungen, methodische und ethische Implikationen ergeben. Sowohl in ihrem Verständnis vom Menschen, als auch in ihrer klinischen Theorie unterscheidet sich die Systemische Therapie grundsätzlich von tiefenpsychologischen, verhaltenstherapeutischen, gesprächstherapeutischen Verfahren und der Gestalttherapie.“
(Strunk, 1998, S. 6)
2.1 Systemisches Denken
„Unter systemisch wird hier eine allgemeine Sichtweise auf die Welt verstanden, die Systeme zur Einheit ihres Denken macht. Diese Sicht impliziert eine Theorie des Seins, des Erkennens und des Werdens, die als Orientierung für die Praxis des Lebens dient.“ (Ludewig, 1987, S. 180)
Systemisches Denken geht von der Autonomie der Hilfesuchenden aus und betrachtet diese als „Experten und Expertinnen ihrer Selbst“. Unter Verzicht auf Krankheitszuschreibungen und Problemdefinitionen knüpft systemische Therapie an die Ressourcen an und versucht, mittels Kommunikation, deren Beschreibungs-, Erklärungs-, Bewertungs- und Verhaltensmöglichkeiten zu erweitern. Zusammengefasst bildet der Therapeut ein kommunikatives System mit dem Ratsuchenden über ein gemeinsam definiertes Thema. Dieses ist ein Problem und dessen Linderung. Der Therapeut konstruiert Systeme, welche nicht objektivierbar sind, sondern seiner persönlichen, aus der Kommunikation mit dem Ratsuchenden resultierenden, Ansichten entsprechen. Gemeinsam mit dem Ratsuchenden überprüft er dann die erarbeiteten Systeme auf ihre Wechselwirkung untereinander. Denn systemisches Denken geht davon aus, dass die Veränderung eines Elementes zwangsläufig zur Veränderung aller Elemente im System führt (vgl. Strunk, 1998, S.7).
2.2 Klinische Theorie
Im folgenden werde ich einige, für den Verlauf dieser Arbeit relevante, Elemente der klinischen Theorie zusammenfassen.
Systemisches Denken ist aufgrund seiner Interpretations-möglichkeiten nicht nur auf die Therapie beschränkt. Um aber eine direkte Verknüpfung zur Psychotherapie herzustellen, wurde eine eigenständige klinische Theorie entwickelt. Ausgangspunkt für systemische Konzepte war die Feststellung, dass viele Menschen beunruhigende Situationen als therapiebedürftiges Problem deuten (Goolishian & Anderson, 1988). Durch die Wahrnehmung und die aktive Auseinandersetzung mit einem bestimmten Problem kommt es zu einer emotionalen Verunsicherung. Dabei spielt es keine Rolle ob der Betroffene das Problem mit anderen Personen bespricht oder alleine klären möchte. Das Problem wird relevant sobald es Thema eines sozialen Systems wird.
Das Mitglied-Konzept:
Das Mitglied-Konzept bezieht sich auf die verschiedenen Mitgliedschaften eines Menschen in Systemen. Der Mensch verhält sich aus systemischer Sicht demnach nicht nach einem festen Programm, sondern reagiert in den Systemen flexibel und autonom. Um eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Betrachtungsebenen „Mensch“ und “Kommunikation“ herzustellen, schlägt Ludewig den Begriff „Mitglied“ vor. Die Mitgliedschaft bezieht sich auf ein bestimmtes Verhalten das ein Mensch im Rahmen von Kommunikation zeigt. Aus dieser Kommunikation kann ein Beobachter die aktuelle Mitgliedschaft erschließen. Daraus erschließt sich das „Thema“. „Die Unterscheidung zwischen Mensch und Mitglied befreit von der Annahme, die Therapie müsse Menschen verändern. Angestrebt wird vielmehr, leidvolle Mitgliedschaften in Problemsystemen zu beenden“ (Ludwig, 1992, S. 114).
Problemsysteme:
„Problemsysteme sind eigenständige Soziale Systeme, die kommunikativ im Umkreis von Problemen entstehen. Unter einem Problem versteht man zunächst jedes Thema einer Kommunikation, die etwas als unerwünscht und veränderbar wertet – das heißt, für veränderungsbedürftig und –fähig hält.“ (Strunk, 1998, S. 11) Ludewig fasste das Problemsystem 1991 damit zusammen, dass „nicht soziale Strukturen (Familien, Ehen usw. Probleme haben, sondern dass Probleme soziale Strukturen erzeugen (Ludewig, 1991, S. 27). Unveränderbare Probleme, wie chronische Krankheiten, schließt Ludewig von seiner Definition aus. Für einen Therapeuten werden Probleme erst dann relevant, wenn bei dem Betroffenen ein Leiden entsteht, er dieses akzeptiert und aktiv Rat sucht (vgl. Ludewig, 1991, S. 27)
2.3 Lösungsorientierte Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer
Steve de Shazer war amerikanischer Psychotherapeut und wurde 1940 in Milwaukee geboren. Im Jahr 2005 verstarb er in Wien. Mit seiner Ehefrau entwickelte de Shazer die „Lösungsorientierte Kurzzeittherapie“. Dabei stützte er sich auf Arbeiten von Erickson, Wittgenstein und Derrida. Auch findet man diese Therapie unter dem Namen „Lösungsfokussierte Kurzzeittherapie“.
Nach de Shazer soll ein Berater auf eine detaillierte Analyse eines Problems verzichten und die „positiven Unterschiede“ und mögliche Lösungen erkennen und verstärken. Das neue an diesem Ansatz ist die Einfachheit. De Shazer beschreibt, dass es hilfreicher ist unvoreingenommen zu beobachten, was alles funktioniert, um diese Faktoren zu fördern. Lösungsfokussierung geht davon aus, dass positive Veränderungen bei einem Menschen in schwierigen Situationen auf Basis kleiner Schritte geschehen. Das bislang praktizierte „Verstehenwollen“ von Problemen, rückt in der Kurzzeittherapie also in den Hintergrund und macht Platz für eine positive Grundeinstellung.
Die drei Grundprinzipien von de Shazer lauten:
1. „Repariere nicht, was nicht kaputt ist!“
2. „Finde heraus, was gut funktioniert und passt – und tu mehr davon!“
3. „Wenn etwas trotz vieler Anstrengungen nicht gut genug funktioniert und passt – dann höre damit auf und versuche etwas anderes!“ (vgl. McKergow/Clarke, 2007, Chapter 1)
Des Weiteren formulierte de Shazer sechs Merksätze zur lösungsorientierten Einfachheit:
1. Lösungen statt Probleme: "Nicht das Problemverständnis vertiefen, sondern erkunden, wie es ist, wenn es besser ist".
2. Interaktion statt isolierter Individualität: "Unser Verhalten entwickelt sich in der Interaktion mit anderen. In der Lösungsfokussierten Arbeit wird nicht über Meinungen, Glaubenssätze oder Werte diskutiert, sondern über beobachtbares Handeln".
3. Beachte und nutze das, was da ist - nicht das Fehlende: "Nicht die Lücke zwischen 'Ist' und 'Soll' ermitteln, sondern das, was - wenn auch nur selten - heute bereits etwas besser ist".
4. Die Chancen im Gestern, Heute und Morgen sehen: "Chancen in der Zukunft und im Heute zu überlegen, ist ein vertrauter Gedanke. Eher unüblich ist es, auch im 'Gestern' bewusst das zu erkunden, was sich früher bereits als Chance zeigte - um auch das zu nutzen".
5. Einfache Sprache: "Statt langer, komplizierter, abstrakter und beeindruckend klingender Worte einfache Alltagsworte benutzen".
6. Jede Situation als speziell sehen - keine schlechtpassende allgemeine Theorie darüberstülpen: "Offen und neugierig sich jedes Mal von neuem positiv überraschen lassen".
(vgl. McKergow/Clarke, 2007, Chapter 1)
Der Berater übernimmt also die Funktion eines Impulsgebers für Selbstregulation.
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