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Der Begriff des Rahmens nach Erving Goffman

©2011 Hausarbeit (Hauptseminar) 14 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Begriff des Rahmens, mit dem Ziel aufzuzeigen, was Goffman mit diesem Begriff spezifisch meint und welche Funktionen ihm innewohnen.
Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 die begriffliche Differenz zwischen Rahmen und Rahmung vorangestellt wird, um im dritten Kapitel die primären Rahmen näher beleuchten zu können. Diese werden in zwei Kategorien unterteilt, womit sich das vierte Kapitel beschäftigen wird. Zudem dienen primäre Rahmen als Ausgangsmaterial für mannigfaltige Sinntransformationen. Goffmans Ziel ist es, Regeln anzugeben, nach denen primäre Rahmen in etwas anderes transformiert werden. Aus diesem Grund findet in Kapitel 5 eine Beschäftigung mit den Begriffen der Modulation und der Täuschung statt.
Letztendlich untersucht Goffman soziale Interaktionen mit einer Neugier auf das, was sich hinter der Maske tut. Dafür führt er die Begriffe der Vorder- und Hinterbühne ein, die in Kapitel 6 näher betrachtet werden sollen, bevor in Form eines abschließenden Resümees die Rahmentheorie Goffmans komprimiert dargestellt wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rahmen und Rahmung

3. Primäre Rahmen

4. Soziale und natürliche Rahmen

5. Modulation und Täuschung

6. Bühnen

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Rekonstruktive Sozialforschung beansprucht die Rekonstruktion von Sinn (Vogd 2009:13). Dieser Sinn wird dabei verstanden als ein Verweisungshorizont, als eine Form, die auf weitere Möglichkeiten des Erlebens und Handelns verweist. Es stellt sich die Frage, wie eine adäquate Rekonstruktion von Sinn in Organisationen geleistet werden kann? Denn Ausdrucksformen können je nach Kontext eine andere Bedeutung, einen anderen Sinn besitzen, sie sind polyvalent. Handlungen oder andere Ausdrucksformen machen also nicht ohne weiteres Sinn, erst anhand einer Perspektive werden sie verständlich.

Erving Goffman bietet mit seinem Rahmenbegriff eine solche Perspektive an, in der eine gegebene Handlung gesehen und verstanden werden kann. Innerhalb seines Werkes „Rahmenanalyse“ beschäftigt sich Goffman mit der Organisation von Alltagserfahrungen, wobei Rahmen den Schlüssel zu diesem Zugang bieten.

Er beschäftigt sich hierfür mit Mikrophänomenen, weshalb seine Soziologie als „Soziologie der Gelegenheiten“ verstanden werden kann (Vgl. Lübcke 2011:115). Dabei ist sein Anliegen, kulturelle Deutungsmuster der Gesellschaft und ihre situative Anwendung vor allem im interaktiven Zusammenspiel zu beschreiben (Eberle 1991:168). Nicht die Konstitution der Rahmen interessiert ihn, sondern deren inhaltliche Ausgestaltung und deren Anwendung in sozialen Kontexten. Sein Interesse bezieht sich also auf den sozilogischen Aspekt der Erfahrungsorganisation (ebd.). Mit seinem Werk hat er damit einen entscheidenden Beitrag zur Erschließung des sozialen Handelns im Alltag beigetragen. Er ist zweifelsohne ein bedeutender soziologischer Theoretiker, auch wenn er „nur“ als „Klassiker der zweiten Generation“ verstanden wird (Vgl. Hettlage 1991).

Goffmans Werk lässt sich dabei nicht einfach in eine bestimmte Forschungsrichtung einordnen. Viele Einflüsse prägten ihn, aber (oder vielleicht deshalb) scheint es schier schwierig bis unmöglich ihn in eine bestimmte Forschungsrichtung einzuordnen, da es nicht in Goffmans Interesse lag, sein Werk in Relation zu anderen Arbeiten zu positionieren, oder Konzepte systematisch herzuleiten (Lübcke 2011:108).[1] Oftmals bedient er sich bestimmter Konzepte anderer Theoretiker, die er jedoch nicht in einen theoretischen Kontext einbindet, so auch bei dem Begriff des Rahmens, den er von Bateson entlehnt hat (ebd.).[2]

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Begriff des Rahmens, mit dem Ziel aufzuzeigen, was Goffman mit diesem Begriff spezifisch meint und welche Funktionen ihm innewohnen.

Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 die begriffliche Differenz zwischen Rahmen und Rahmung vorangestellt wird, um im dritten Kapitel die primären Rahmen näher beleuchten zu können. Diese werden in zwei Kategorien unterteilt, womit sich das vierte Kapitel beschäftigen wird. Zudem dienen primäre Rahmen als Ausgangsmaterial für mannigfaltige Sinntransformationen. Goffmans Ziel ist es, Regeln anzugeben, nach denen primäre Rahmen in etwas anderes transformiert werden. Aus diesem Grund findet in Kapitel 5 eine Beschäftigung mit den Begriffen der Modulation und der Täuschung statt.

Letztendlich untersucht Goffman soziale Interaktionen mit einer Neugier auf das, was sich hinter der Maske tut. Dafür führt er die Begriffe der Vorder-und Hinterbühne ein, die in Kapitel 6 näher betrachtet werden sollen, bevor in Form eines abschließenden Resümees die Rahmentheorie Goffmans komprimiert dargestellt wird.

2. Rahmen und Rahmung

Bevor eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Begriff des Rahmens beginnen kann, soll zunächst eine begriffliche Klärung des Begriffspaares Rahmen und Rahmung erfolgen. Trotz gelegentlicher synonymer Verwendung dieser Begriffe, besteht ein wesentlicher Unterscheid zwischen ihnen. Obwohl das Funktionieren der Rahmung erst dann erfolgreich ist, wenn diese mit dem tatsächlichen Rahmen übereinstimmt, können die beiden Begriffe als zwei Seiten einer Medaille gesehen werden (Vgl. Willems 1997:47). Mit diesen beiden Begriffen wird der Dualismus von Struktur und Handlung verdeutlicht (Lübcke 2011:120). Der Rahmen stellt den strukturellen Teil des sozialen Ereignisses dar, das subjektive Interpretationsschemata, während die Rahmung aktiv vom Individuum ausgeht und, „[…] hier […] subjektive Ausdifferenzierungen und Interpretationen des Rahmens beschrieben [sind]“ (ebd.). Diese Unterscheidung steht für die Annahme und das Verständnis der Differenz von sozialen Sinn und sinnaktualisierender Praxis (Willems 1997:46). Der Rahmen wird dabei als eine Erzeugungsstruktur definiert, die sich als relativ stabil, autonom und immun gegenüber der faktischen (Inter-) Aktion auszeichnet (ebd.). Die Rahmung hingegen ist „[…] kontingent, subjektiv anforderungsreich und (weil) offen und anfällig“ (ebd.). Sie wird verstanden als die Umsetzung von Sinn und der Sinn für Sinn, bezieht sich also auf die Praxisebene, in derer der Handelnde versucht, seine Deutung des Ereignisses aktiv einzubringen (Vgl. Willems 1997:46/ Lübcke 2011:120). Rahmen dagegen verweisen auf situative Praxisverhältnisse, die eine eigene Wirklichkeitsebene darstellen (Willems 1997:46). Sie stellen vordefinierte Deutungsschemata dar, die sich im Prozess des sozialen Wandels befinden (Goffman 1981:63). Grundlegend hierfür ist die Annahme, dass diese Deutungs- und Handlungsmuster nicht erst in der Situation selbst erzeugt werden, sondern zum sozial tradierten Wissensvorrat von Gruppen und Gesellschaften gehören, und sogar den Hauptbestandteil ihrer Kultur (ihre Kosmologie) bilden (Raab 2008:88f.).

3. Primäre Rahmen

Rahmen stellen für Goffman mehr oder weniger komplexe Sinnstrukturen dar, die es ermöglichen Situationen und Handlungen jeglicher Art zu identifizieren. Eine Klasse solcher Strukturen sind die primären Rahmen (primary framework), auf deren Grundlage das Individuum seine Reaktionen bestimmt (Goffman 1977:30). Der Begriff „primär“ bezeichnet dabei allerdings keine „vorherrschende“ Realitätsebene (z.B. hinsichtlich des Grades von Wichtigkeit), sondern erfasst zunächst „[…] die Differenz von Sinnlosigkeit und Sinnhaftigkeit“ (Willems 1997:52). Die Anwendung des Rahmens wird vom Akteur so gesehen, „[…] dass sie nicht auf eine vorhergehende oder „ursprüngliche“ Deutung zurückgreift; ein primärer Rahmen wird eben so gesehen, dass er einen sonst sinnlosen Aspekt einer Szene zu etwas Sinnvollem macht“ (Goffman 1977:31). Primäre Rahmen stellen also den ursprünglichsten Typ von Rahmen dar, der „[…] dem, der ihn anwendet, die Lokalisierung, Wahrnehmung, Identifikation und Benennung einer anscheinend unbeschränkten Anzahl konkreter Vorkommnisse, die im Sinne des Rahmens definiert sind", erlaubt (ebd.). Auf die Grundfrage danach, „was hier eigentlich vor sich geht“, können primäre Rahmen somit eine erste Antwort geben und bieten dem Akteur eine mögliche Deutung der Situation. Sie sind in der Regel demjenigen, der sie anwendet, nicht bewusst und können auf Nachfrage nicht vollständig beschrieben werden, was jedoch nicht daran hindert, dass die angewandt werden (ebd.).

[...]


[1] So wurden Versuche unternommen, Goffman in soziologische Strömungen wie den symbolischen Interaktionismus, die Ethnomethodologie , die Konversationsanalyse und die Phänomenologie einzuordnen (Vgl. Raab 2008/Willems 1997).

[2] Ein anderes Beispiel bildet Harvey Sacks Idee der „adjacency pairs“ in Goffmans Werk „Erwiderung und Reaktion“ (Lübcke 2011:108).

Details

Seiten
14
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783656304258
ISBN (Buch)
9783656304555
DOI
10.3239/9783656304258
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Institut für Erziehungswissenschaft
Erscheinungsdatum
2012 (November)
Note
1,0
Schlagworte
Goffman Goffmann Rahmen Rahmung Organisationsberatung Bühne Täuschung Erving Modulation modulation und täuschung soziale Rahmen primäre rahmen Natürliche Rahmen soziologischer Theoretiker Rekonstruktive Sozialforschung . Rekonstruktion von Sinn in Organisationen Rahmenanalyse
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