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Erklärungsversuch des Sozialen Wandels in der arabischen Gesellschaft am Beispiel Ägyptens in Einbeziehung theoretischer Grundlagen Emile Durkheims

©2012 Hausarbeit 13 Seiten

Zusammenfassung

Die arabisch-islamische Welt ist im Umbruch. Beginnend mit der „Jasmin-Revolution“ 2010 in Tunesien über Proteste in Ägypten, Syrien, Jemen und Libyen und Teilen der restlichen arabisch-islamischen Staaten. Die Proteste im sogenannten „Arabischen Frühling“ richten sich gegen die alten Strukturen und die autokratische Politik der autoritären Herrscher. Politiker wie der ehemalige ägyptische Präsident Husni Muhammad Mubarak und seine Regierung führten über Jahre einen politischen Kurs, dessen Grundzüge sich im Wesentlichen nicht veränderten. Weder Zeitpunkt noch Auslöser der Revolutionen waren vorhersehbar, da bereits seit Jahrzehnten diese politischen Zustände herrschten, die jetzt zur Auflehnung der Menschen führten (Özturk 2011: 2). Die Menschen forderten die Absetzung des Präsidenten und seiner Regierung und damit auch den Wandel (Bamyeh 2011: 3). Wie kam es jedoch zu einer so breiten spontanen Solidarisierung der Protestler, die fast alle Bevölkerungsschichten erfasste? Anhand späterer soziologischer Theorien wie die der Symbolisierung aus den „Elementaren Formen des religiösen Lebens“ des französischen Soziologen Emile Durkheims, soll versucht werden, den sozialen Wandel im andauernden „Arabischen Frühling“ am Beispiel Ägyptens zu erklären. Hierfür wurde zum einen auf massenmediale Internetberichterstattung wie beispielsweise „Zeit.de“ oder „Süddeutsche.de“, aber auch auf staatliche Online-Berichterstattung wie das vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellte Informationsmaterial zu den Ereignissen in Ägypten 2011 zurückgegriffen, um die Geschehnisse der Revolution zu skizzieren. Zuerst sollen einige theoretische Ideen sowie das für diese Arbeit relevante basale Grundverständnis Emile Durkheims vorgestellt werden.

Leseprobe

Gliederung

Einführung

Theorie und Hypothesen

Hinführende Gedanken zur politischen und sozialen Situation Ägyptens

Husni Mohammad Mubarak

Die Analyse

Fazit

Quellen

Einführung

Die arabisch-islamische Welt ist im Umbruch. Beginnend mit der „Jasmin-Revolution“ 2010 in Tunesien über Proteste in Ägypten, Syrien, Jemen und Libyen und Teilen der restlichen arabisch-islamischen Staaten. Die Proteste im sogenannten „Arabischen Frühling“ richten sich gegen die alten Strukturen und die autokratische Politik der autoritären Herrscher. Politiker wie der ehemalige ägyptische Präsident Husni Muhammad Mubarak und seine Regierung führten über Jahre einen politischen Kurs, dessen Grundzüge sich im Wesentlichen nicht veränderten. Weder Zeitpunkt noch Auslöser der Revolutionen waren vorhersehbar, da bereits seit Jahrzehnten diese politischen Zustände herrschten, die jetzt zur Auflehnung der Menschen führten (Özturk 2011: 2). Die Menschen forderten die Absetzung des Präsidenten und seiner Regierung und damit auch den Wandel (Bamyeh 2011: 3). Wie kam es jedoch zu einer so breiten spontanen Solidarisierung der Protestler, die fast alle Bevölkerungsschichten erfasste? Anhand späterer soziologischer Theorien wie die der Symbolisierung aus den „Elementaren Formen des religiösen Lebens“ des französischen Soziologen Emile Durkheims, soll versucht werden, den sozialen Wandel im andauernden „Arabischen Frühling“ am Beispiel Ägyptens zu erklären. Hierfür wurde zum einen auf massenmediale Internetberichterstattung wie beispielsweise „Zeit.de“ oder „Süddeutsche.de“, aber auch auf staatliche Online-Berichterstattung wie das vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellte Informationsmaterial zu den Ereignissen in Ägypten 2011 zurückgegriffen, um die Geschehnisse der Revolution zu skizzieren. Zuerst sollen einige theoretische Ideen sowie das für diese Arbeit relevante basale Grundverständnis Emile Durkheims vorgestellt werden.

Theorie und Hypothesen

Das religiöse Ritual und die Theorie des Symbolismus sollen uns als Modell für Durkheims Verständnis vom sozialen Leben dienen. Eine emotionale Interaktion findet nie getrennt von einer Symbolisierung von vorgestellten Werten statt. Die sogenannte psychische Energie der Massen kann sich an machtvolle Symbole, die eine autonome Organisation bilden, anheften. (Alexander 1993: 149). Symbole könne man in zwei Hauptgruppen fassen: in das Profane und in das Nichtprofane. Das Nichtprofane müsse man erneut teilen in „Heilig“ bzw. „Rein“ und „Unheilig“ bzw. „Unrein“ (Durkheim, 2007: 62). Das Symbol des Profanen steht für das Alltägliche, Dinge die weder gut noch schlecht sind. Die „heilige“ Welt umfasst Dinge bzw.

Ideen, die für die Gesellschaft wichtig und gesellschaftsschützend sind wie die Verfassung, Rechte und Werte, die die Gesellschaft erhalten. Die „unheilige“ Welt steht für Dinge, die die Gesellschaft gefährden wie Werte- und Rechtsverletzungen, Bedrohungen aller Art. Eine Trennung dieser Welten begründet die Autorität der Gesellschaft. Hierbei muss streng vom Nichtprofanen zum Profanen getrennt werden (Alexander 1993: 149). Jede dieser Welten wird durch idealisierte Symbole repräsentiert, besonders Symbole, die die nichtprofane Welt repräsentieren. Außeralltägliche Gefühle übertragen sich auf das Symbol. Es ist ein Stell- vertreter und erinnert an Gefühle, die mit dem zu symbolisierenden Sachverhalt verbunden sind. Das soziale Leben braucht diesen Symbolismus, da ein Kollektivgefühl sich nur bewusst entwickeln kann, wenn es sich an ein materielles Objekt wie bspw. eine Fahne heftet (Durkheim 2007: 349 - 350). Demnach sind für die Gesellschaft nicht nur Dinge und Ideen wichtig sondern auch Funktionen innerhalb der Gesellschaft. Funktionen wie die eines Führers und dessen individuellen Amtsinhabers sind Teil der „Heiligen Welt“ und heben sich so von der profanen Welt ab. „Genauso wie Menschen heiligt die Gesellschaft Dinge und besonders Ideen. Wird eine Vorstellung einstimmig von einem Volk geteilt […], dann darf man daran nicht rühren, d. h. sie verneinen oder bestreiten.“ (Durkheim 2007: 317) Die „heiligen“ Symbole sind Träger der sozialen Organisation und kontrollieren die Gesellschaft, daher ist es wichtig für die Gesellschaften Regeln für deren Erhalt zu erarbeiten (Durkheim 2007: 316). Das Symbol verbindet die Gesellschaft untereinander und dient der Herrschafts- sicherung. Im sozialen Kontext sind sie mit Macht und Autorität geladen (Endruweit & Trommsdorff, 1989: 714). Die Gesellschaft könnte womöglich ohne das Kollektivsymbol nicht existieren. Da „…dieses Emblem jedem Individuum überall gegenwärtig ist, wurden auf es und auf die Gegenstände, deren Bild es ist, die Gefühle übertragen, die die Gesellschaft in ihren Mitgliedern erweckt. Die Menschen waren also gezwungen, sich die kollektive Kraft, deren Wirkung sie fühlten, so wie die Dinge vorzustellen, die der Gruppe als Fahne dienten.“ (Durkheim 2007: 349) Er sagt, dass die Gesellschaft aus mehr bestünde als nur der Menge der Individuen, sie sei eine kollektive Angelegenheit, „ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige, d. h. abgesonderte und verbotene Dinge, Überzeugungen und Praktiken beziehen, die in einer und derselben moralischen Gewissheit, […], alle vereinen, die ihr angehören.“ (Durkheim 2007: 76) Ein Konflikt zwischen sozialen Werten ist wie jener zwischen „Heiligem“ und „Unheiligem“ und die politische Interaktion ist gleich der Teilnahme an einem Ritual. Es muss jedoch eine Zusammengehörigkeit und ein Bekenntnis gemeinsamer Werte gegeben sein (Alexander 1993: 151). In Zeiten von sozialen Konflikten und Spannungen erfährt die Gesellschaft eine Generalisierung, wobei Interessenpolitik eine wichtige Rolle spielt und sogenannte nichtrationale Ritualisierungen entstehen, die in verschiedener Art auftreten können und die unmittelbare Erneuerung von fundamentalen Werteerfahrungen umfassen (Alexander 1993: 154). Eine Neubeurteilung bzw. Neubearbeitung oder Bestätigung von Situationen findet ebenfalls statt. Hierbei kann das Klassifizierungssystem der kollektiven Symbole nach Durkheim sich drastisch verändern. Die Beziehung unter den Akteuren im sozialen Konflikt kann sich verschieben und transformieren. Praktiken wie beispielsweise das Ritual, werden für sich entdeckt und finden ihre Anwendung unter den zeitgenössischen Umständen. Das Ritual als weitgehend festgelegte Abfolge von Handlungen umfasst die Komponenten der Kommunikation des kulturellen Wissens, allgemein anerkannter Grundüberzeugungen bzw. Werte und ein zweck- orientiertes, sozialgebundenes Vorgehen (Endruweit & Trommsdorff, 1989: 546). Durch diese Außerkraftsetzung der normalen Regeln des alltäglichen Lebens während der Ausübung des Rituals, kommt es zu einem Zustand der Efferveszenz, einer kollektiven Wallung, in dem die Akteure glauben, sich in eine andere Welt, die des Nichtprofanen, versetzt zu haben (Durkheim 2007: 333 - 335). Diese Wallung ist nicht nur eine bedingte Voraussetzung, sie kann auch während der gesamten Zeit andauernd sein. Die neuentstandenen Solidaritäten unter den Akteuren werden entweder erweitert oder eingeschränkt. Die Rollenbeziehungen werden hinsichtlich ihrer „Struktur von Möglichkeiten und Belohnungen“ und ihrer subjektiven Rollendefinition verändert, d. h. nach Dahrendorf in ihren Verhaltenserwartungen (Endruweit & Trommsdorff, 1989: 547). Zusammenfassend: Wie in einem rauschartigen Zustand abseits der profanen Alltagswelt wird das Kollektiv versuchen, das Symbol, das für die Gemeinschaft steht, im Falle einer Verunreinigung vom Unreinen zu „säubern“. Daraus ergeben sich für die Arbeit folgende Hypothesen: Wenn die gesellschaftliche Wahrnehmung sich ändert und das Symbol des „Heiligen“ von außen oder innen bedroht wird, dann kann das Bestreben zum Schutz und Erhalt des Symbols einen sozialen Wandel herbeiführen. Um das „heilige“ Symbol zu schützen, werden soziale Solidaritäten in Zeiten dieses Bestrebens durch Ritualisierung neu erarbeitet. Im Folgenden sollen einige hinführende Gedanken ein Grund- verständnis für die politische und soziale Situation Ägyptens vor dem Zeitpunkt der Revolution bilden. Die Informationen sollen einen groben geschichtlichen Abriss über den Werdegang des Landes und des ehemaligen Präsidenten Mubarak liefern.

Hinführende Gedanken zur politischen und sozialen Situation Ägyptens

„Ägypten ist das bevölkerungsreichste und kulturell sowie wirtschaftlich bedeutendste arabisch-islamische Land“, (Elger 2008: 20). Seitdem die Araber 640 n. Chr. die Region des heutigen Ägyptens erreichten, erlebte das Land einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung, der sich erst durch die Öffnung zum Westen abschwächte und zu einer wirtschaftlichen und kulturellen Abhängigkeit und schließlich in den Kolonialismus führte. Nach der Gründung der Republik folgte unter der Ära Präsident Nassers eine Form des arabischen Sozialismus. Dem folgte eine Form des Fundamentalismus, die 1981 zum Tod des Präsidenten Sadat führte und damit die Herrschaft Muhammad Husni Mubarak einleitete. Dieser steuerte das Land in einen Kurs der Liberalisierung. Im Gegenteil zum erhofften Wohlstand vergrößerte die wirtschaftliche Öffnung jedoch die Kluft zwischen Arm und Reich, (Elger 2008: 21) bedingt dadurch, dass es vor allem eine Öffnung für westliche Importgüter war, ohne einen strukturellen Umbau der Wirtschaft einzuleiten. Im Zuge dessen wuchs die Auslandsverschuldung und das Pro-Kopf-Einkommen sank. Die sozialen Spannungen nahmen zu und eine Revolte unbezahlter Polizisten konnte nur durch den Einsatz der Armee beendet werden. Die Regierung nutzte die Furcht ihrer internationalen Partner vor sozialen Protesten und einer daraus resultierenden Destabilisierung Ägyptens bewusst, um Forderungen wie beispielsweise den Schuldenerlass und vollständige Umsetzungen vereinbarter Reformschritte abzuwehren. Es folgten Privatisierungen, die Produktivität der einheimischen Industrie blieb gering und ging kontinuierlich zurück, wobei die Gesellschaft weiterhin in einer sozialen Kluft lebte (Perthes 2006: 177 - 180). „Ein Teil der Gesellschaft zwängt sich in die überfüllten Busse, der andere fährt deutsche oder amerikanische Luxuslimousinen; ein Teil wohnt in innenstädtischen Vierteln […] und schickt seine Kinder auf überfüllte Schulen mit unterbezahlten Lehrern, ein anderer wohnt in noblen Villen- vororten mit ausländischen Schulen, privaten Kliniken sowie Golf- und Poloplätzen.“ (Perthes 2006: 181) Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebte nach offiziellen Angaben im letzten Jahrzehnt unter der Armutsgrenze (Perthes 2006: 181).

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Details

Seiten
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783656301158
ISBN (Buch)
9783656301677
DOI
10.3239/9783656301158
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – Soziologie
Erscheinungsdatum
2016 (Januar)
Note
1,6
Schlagworte
erklärungsversuch sozialen wandels gesellschaft beispiel ägyptens einbeziehung grundlagen emile durkheims
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Titel: Erklärungsversuch des Sozialen Wandels in der arabischen Gesellschaft am Beispiel Ägyptens in Einbeziehung theoretischer Grundlagen Emile Durkheims