Die Pisa-Studie - Ein kritischer Blick hinter die Ergebnisse
Zusammenfassung
Diese Arbeit beleuchtet die Pisa-Ergebnisse der letzten Jahre und soll zur kritischen Auseinandersetzung mit der Studie anregen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Gliederung der Arbeit
1. Einleitung
2. PISA – Die erste große Schulleistungsuntersuchung
2.1 Ziele und Konzept von PISA
2.2 Reaktionen auf PISA
3. Zur methodischen Durchführung von PISA
3.1 Planung und Durchführung
4. Kritik an den PISA-Studien
4.1 PISA und die Bildungsökonomie
4.2 Methodisch-statistische Mängel
4.2.1 Verzerrte Stichproben
4.2.2 Ungleiche Voraussetzungen der Teilnehmer
4.3 Diagnoseinstrument PISA?
5. Fazit
6. Schlussfolgerungen für die Deutschdidaktik
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„PISA Schock – Die Mitte ist in Panik“ titelte die Süddeutsche Zeitung 2008 und liefert damit erneut Anlass zur regen Diskussion. Die Medien überschlagen sich geradezu, wenn es darum geht, neue, schockierende Schlagzeilen über den Bildungsstand unserer Kinder zu veröffentlichen. Und das Volk reagiert entsprechend. „PISA hat uns wieder fest im Griff“ (Kraus 2005) schreibt Gymnasiallehrer und Psychologe Josef Kraus in seinem Essay Der PISA Schwindel. Die Entschlossenheit mancher Eltern scheint geradezu grenzenlos. Private Kindergärten und Grundschulen boomen und teure Nachhilfeinstitute sind gefragt wie nie zuvor. Die Intention der Eltern scheint überdeutlich: Bloß keinen Fehler machen! Offensichtlich hat ein großer Teil der deutschen Bevölkerung sein Vertrauen in das öffentliche Schulsystem verloren. Bildungsbeflissene Bürger nehmen die Ausbildung ihrer Kinder nach PISA vermehrt selbst in die Hand (vgl. Berth 2008). Gemäß dem Motto „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ stehen private Bildungseinrichtungen beim Bildungsbürgertum hoch im Kurs. Doch sind diese Maßnahmen wirklich nötig? Wird unser Schulsystem den hohen Vorgaben anderer europäischer Nationen tatsächlich nicht gerecht? PISA spricht eine überdeutliche Sprache und ihre Ergebnisse sind für die Mehrheit der Bevölkerung ein klares Indiz für den deutschen Bildungsverfall. In den letzten Jahren wurde diese PISA-Allianz jedoch durch eine starke Opposition erschüttert. Erste Kritiker haben begonnen die Studie selbst zu überprüfen und sind dabei auf etliche Ungereimtheiten gestoßen. Die neue Testkultur steht auf dem Prüfstand und muss sich beweisen.
An dieser Stelle möchte ich auch mit meiner Arbeit anschließen. Ein kritischer Blick hinter die Ergebnisse scheint angebracht, bedenkt man das beispielslose mediale Interesse, das mit der Veröffentlichung der Ergebnisse einhergeht. Auch die deutsche Bildungspolitik agiert mittlerweile ganz im Zeichen von PISA und gerät durch die Ergebnisse immer wieder unter enormen Druck. Wie solide ist jedoch eine Studie, die eine solche Durchschlagskraft besitzt?
Im weiteren Verlauf meiner Arbeit möchte ich versuchen, diese Frage vor dem Hintergrund aktueller Kritiken zu erörtern. Anschließend wird eine Einschätzung aus deutschdidaktischer Sicht erfolgen, die neben einem Kommentar auch Änderungsvorschläge und Ausblicke enthalten wird. Bevor ich mich jedoch kritisch mit der Studie auseinandersetzte, möchte ich zunächst kurz PISA selbst vorstellen, ausgewählte Eckdaten präsentieren und dabei genauer auf Ziele, Reaktionen, Methodik und Konzeption eingehen.
2. PISA – Die erste große Schulleistungsstudie
2.1 Ziele und Konzept von PISA
Die PISA-Debatte ist in aller Munde und doch wissen die Wenigsten was sich hinter den vier Buchstaben verbirgt. PISA, oder Programme for International Student Assessment ist eine internationale Schulleistungsuntersuchung, die erstmals von der Organisation für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kurz OECD in Auftrag gegeben worden ist. Seit dem Jahr 2000 wird die Vergleichsstudie in fast allen Mitgliedstaaten der OECD durchgeführt und will dort „basale Kompetenzen “ 15-Jähriger messen (OECD, 1999). Im 3-Jahre-Zyklus gibt PISA Aufschluss über Berufs- und alltagsrelevante Kompetenzen der Jugendlichen und testet dabei vor allem die drei Basiskompetenzen Lesekompetenz (reading literacy), mathematische Grundbildung sowie naturwissenschaftliche Grundbildung (scientific literacy) (vgl. PPP, Folie 4). Übergeordnetes Ziel von PISA ist es, einen detaillierten Vergleich zwischen den OECD-Teilnehmerstaaten (und einigen Nicht-OECD-Mitgliedstaaten) zu ermöglichen und die Ergebnisse in einer Art internationalen Rangordnung festzuhalten (vgl. Stanat 2002, 1). Für jeden Testzyklus werden jedoch auch separate Forschungsanliegen und Untersuchungsziele formuliert, so war beispielsweise im Jahr 2000 die Lesekompetenz Schwerpunkt der Untersuchungen, der zweite Zyklus im Jahr 2003 konzentrierte sich auf die mathematische Grundbildung und der dritte Durchgang im Jahr 2006 Stand im Zeichen der naturwissenschaftlichen Grundbildung. Im Jahr 2009 lag der Schwerpunkt dann zum zweiten Mal nach 2000 auf dem Lesevermögen. Neben den drei Basiskompetenzen werden in den verschieden Zyklen zudem fächerübergreifenden Kompetenzen wie die Beherrschung von Lernstrategien, Problemlösefähigkeiten und Computerkenntnissen getestet (vgl. PPP, Folie 6).
Die Testaufgaben entstehen in Zusammenarbeit aller Teilnehmerstaaten und werden nach eigehender Prüfung der verschiedenen PISA-Expertenteams in die Landessprachen aller teilnehmenden Länder übersetzt. Anzumerken ist hierbei, dass sich die Testfragen nicht an den spezifischen Lehrplänen der Länder orientieren, sondern an Fähigkeiten, die zum alltäglichen Erwerb von Wissen benötigt werden (vgl. DIPF 2010).
PISA 2000, PISA 2003 und PISA 2006 haben in vielen Teilnehmerstaaten ein heftiges Medienecho ausgelöst; in Deutschland ist der Begriff PISA mittlerweile zum Inbegriff aller Probleme des Bildungssystems geworden.
2.2 Reaktionen auf PISA
Hauptsächliches Ziel der PISA-Studien ist es wie bereits erwähnt, aufzuzeigen, inwieweit Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Pflichtschulzeit auf zukünftige Herausforderungen der Alltagswelt vorbereitet sind. Die Beherrschung der sogenannten basalen Kompetenzen ist für die OECD somit maßgebliches Indiz für eine erfolgreiche Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben. Bloßem Faktenwissen wird wiederum eine weitaus kleinere Bedeutung beigemessen, da es nicht in konkret-realistischen Bezügen angewendet werden kann und auch nicht für Bewältigung von Alltagsproblemen nutzbar ist.
Neben den bereits genannten basalen Kompetenzen untersucht PISA ebenfalls, inwieweit Bildungserfolg und Bildungschancen der unterschiedlichen Bildungssysteme unabhängig von sozioökonomischen und soziokulturellen Faktoren sind. Um Ergebnisse zu ermitteln und gleichzeitig Ursachen transparent zu machen, hat PISA auch soziale Aspekte wie die gesellschaftliche Position der Eltern oder den Migrationshintergrund der jeweiligen Testpersonen berücksichtigt. Nach PISA 2000, PISA 2003 und PISA 2006 ist in der Bundesrepublik Deutschland jedes Mal erneut die Diskussion über eine Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern aus sozial schwächeren Milieus entbrannt. Vor allem Schülerinnen und Schüler mit einem ausländischen Migrationshintergund, so belegte PISA 2000, weisen bis heute signifikant schwächere Lesekompetenzen auf, als Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund.
Aus diesen PISA-Ergebnissen ergaben sich wiederum sehr konkrete und zugleich unangenehme Fragen an das deutsche Bildungssystem. Der Begriff der institutionellen Diskriminierung wurde umgehend in die nationale Diskussion eingebunden und die Politik forschte nach spezifischen Ursachen, die soziale Benachteiligung im Bildungssystem erklären sollten. Eine erste Ursache für die Diskriminierung sozial schwacher Schülerinnen und Schüler war schnell gefunden: Schuld war da dreigliedrige, differenzierte deutsche Schulsystem, das ungleiche Voraussetzungen für Schülerinnen und Schüler bot und somit maßgeblich verantwortlich für die schlechten PISA-Ergebnisse gemacht wurde (vgl. Frederking 2005, 9). Das Urteil nach PISA 2000 fiel daher eindeutig aus: Reformen braucht das Land. Als Ende 2001 die ersten PISA-Ergebnisse an die Öffentlichkeit kamen, sprach man schnell von einem PISA-Schock. „Noch am selben Tag verabschiedete die KMK sogenannte ‚Handlungsfelder‘, die die Bildungspolitik von nun an bestimmen sollte“ (Raidt, 3). In den folgenden Wochen nach Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse wurde eine Vielzahl von umfangreichen Reformen und Neuerungen veranlasst, die als direkte Reaktion auf PISA gewertet werden können. PISAs Einfluss auf die deutsche Bildungspolitik war somit Auslöser vieler verschiedener Umwälzungen in unserem Bildungssystem. Tabea Raidt, Referentin für Qualitätsentwicklung und Evaluation am Landesinstitut für Schulentwicklung (Baden-Württemberg), spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem Paradigmen- und Wertewandel nach PISA (vgl. Raidt 2010). Der Paradigmenwandel von der Input- zur Outputsteuerung im deutschen Bildungssystem, so Raidt, sei beispielsweise direkt auf PISA zurückzuführen (vgl. Raidt, 3).
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