Gedoppelte Agenten sind Auftragnehmer, die sich hinsichtlich einer Aufgabe in Vertragsbeziehungen mit zwei Auftraggebern befinden. In der Sozialen Arbeit gibt es zahlreiche solcher Auftragsverhältnisse. Entsprechend groß ist die Anzahl der gedoppelten Agenten in diesem Bereich, sprich: der Professionellen, die bei einem Träger der Sozialen Arbeit angestellt sind und Adressaten bzw. Klienten betreuen. Dem folgend hat der Professionelle zwei Aufträge für ein und dieselbe Sache. Im Falle des Erziehungsbeistands nach § 30 SGB VIII betreut er Kinder oder Jugendliche. Zudem ist er bei einem Träger beschäftigt, verfügt über einen mehr oder minder präzisen expliziten Arbeitsvertrag mit diesem und hat somit den Auftrag, in dessen Sinne zu handeln. Neben dem Träger der Sozialen Arbeit ist der Adressaten des Erziehungsbeistands – also quasi den Hilfeempfänger, der eigentlich den Kern des expliziten Vertrages zwischen dem Professionellen und dem Träger bildet. Zwischen dem Adressaten und dem Professionellen besteht ein impliziter Vertrag. Auf diesen Vertrag fußt die adressatenspezifische Aufgabe des Professionellen im Erziehungsbeistand.
Der Professionelle als Agent wird von zwei Auftraggebern gedoppelt, die unterschiedlicher nicht sein können: Der Träger der Sozialen Arbeit beurteilt die Handlungen des Professionellen unter organisationalen und ökonomischen Kriterien. Für den Adressaten hingegen ist die Interaktion mit dem Professionellen zentrales Beurteilungskriterium. Das passt nur schwer zusammen. Mehr noch: Die Ökonomisierung hält vermehrt Einzug in die Soziale Arbeit. Dies hat Auswirkungen auf die Professionellen, die einerseits immer enger in die Trägerstrukturen eingebunden werden und diesen verpflichtet sind, aber andererseits loyal ihren Klienten gegenüber zu sein haben. Auf Basis dieses Dilemmas stellen sich diverse Fragen:
Welche Probleme ergeben sich aus den zunehmenden organisationalen und ökonomischen Steuerungsversuchen professioneller Tätigkeit in den Handlungsstrukturen Sozialer Arbeit?
Können ökonomische Kriterien, wie Qualität, Effizienz und Effektivität als adäquate Steuerungsmittel im Bereich der Sozialen Arbeit analysiert werden?
Welchen Platz hat dabei das zentrale Interaktionsgeschehen zwischen Professionellem und Adressaten?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Ziel der Arbeit und inhaltliches Vorgehen
1.2 Vorbemerkungen
2. Die Prinzipal-Agent-Theorie
2.1 Definition und Problemstellung
2.2 Vertragsbeziehungen
2.3 Interessenkonflikte
2.4 Umweltunsicherheiten
3. Informationsasymmetrien
3.1 Informationsdimensionen
3.2 Asymmetrietypen
3.2.1 Hidden Characteristics
3.2.2 Hidden Action
3.2.3 Hidden Information
4. Prinzipal-Agent-Probleme
4.1 Harmonie und Konflikt
4.2 Adverse Selection
4.3 Moral Hazard
4.4 Übersicht
5. Das Doppelte-Prinzipal-Agent-Modell in der Sozialen Arbeit
5.1 Hilfen zur Erziehung
5.1.1 Beratung und Bewilligung
5.1.2 Hilfeplanung
5.1.3 Erziehungsbeistand
5.2 Zwei Prinzipale und ein Agent
5.3 Der Träger als Prinzipal
5.3.1 Die ökonomische Organisationsanalyse
5.3.2 Informationsasymmetrien und Agenturprobleme
5.4 Der Klient als Prinzipal
5.4.1 Dienstleistung Soziale Arbeit
5.4.2 Die Bedeutung von Vertrauen
5.4.3 Der unmündige Prinzipal
5.4.3.1 Grenzen des Klienten
5.4.3.2 Vertragsbasis
5.4.3.3 Schutz des Klienten
6. Abschließende Gedanken und Ausblick
6.1 Diskussionsansätze für die Zukunft
6.1.1 Erweiterung der Grenzen
6.1.2 Rollenkonflikte und Entscheidungsunsicherheiten
6.1.3 Weiche Faktoren
6.1.4 Ethische Gesichtspunkte
6.2 Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis, Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Ziel der Arbeit und inhaltliches Vorgehen
Gedoppelte Agenten sind Auftragnehmer, die sich hinsichtlich einer Aufgabe in Vertragsbeziehungen mit zwei Auftraggebern befinden. In der Sozialen Arbeit gibt es zahlreiche solcher Auftragsverhältnisse. Entsprechend groß ist die Anzahl der gedoppelten Agenten in diesem Bereich, sprich: der Professionellen, die bei einem Träger der Sozialen Arbeit angestellt sind und Adressaten bzw. Klienten betreuen. Dem folgend hat der Professionelle zwei Aufträge für ein und dieselbe Sache. Im Falle des Erziehungsbeistands nach § 30 SGB VIII betreut er Kinder oder Jugendliche. Zudem ist er bei einem Träger beschäftigt, verfügt über einen mehr oder minder präzisen expliziten Arbeitsvertrag mit diesem und hat somit den Auftrag, in dessen Sinne zu handeln. Neben dem Träger der Sozialen Arbeit ist der Adressaten des Erziehungsbeistands – also quasi den Hilfeempfänger, der eigentlich den Kern des expliziten Vertrages zwischen dem Professionellen und dem Träger bildet. Zwischen dem Adressaten und dem Professionellen besteht ein impliziter Vertrag. Auf diesen Vertrag fußt die adressatenspezifische Aufgabe des Professionellen im Erziehungsbeistand.
Der Professionelle als Agent wird von zwei Auftraggebern gedoppelt, die unterschiedlicher nicht sein können: Der Träger der Sozialen Arbeit beurteilt die Handlungen des Professionellen unter organisationalen und ökonomischen Kriterien. Für den Adressaten hingegen ist die Interaktion mit dem Professionellen zentrales Beurteilungskriterium. Das passt nur schwer zusammen. Mehr noch: Die Ökonomisierung hält vermehrt Einzug in die Soziale Arbeit. Dies hat Auswirkungen auf die Professionellen, die einerseits immer enger in die Trägerstrukturen eingebunden werden und diesen verpflichtet sind, aber andererseits loyal ihren Klienten gegenüber zu sein haben. Auf Basis dieses Dilemmas stellen sich diverse Fragen:
Welche Probleme ergeben sich aus den zunehmenden organisationalen und ökonomischen Steuerungsversuchen professioneller Tätigkeit in den Handlungsstrukturen Sozialer Arbeit?
Können ökonomische Kriterien, wie Qualität, Effizienz und Effektivität als adäquate Steuerungsmittel im Bereich der Sozialen Arbeit analysiert werden?
Welchen Platz hat dabei das zentrale Interaktionsgeschehen zwischen Professionellem und Adressaten?
Die hier vorliegende Arbeit geht diesen Fragen nach und versucht sie mit Hilfe des folgenden Vorgehens zu beantworten: Zunächst erfolgt eine Sammlung wesentlicher Faktoren und Inhalte der Prinzipal-Agent-Theorie. Vor diesem Hintergrund werden die zentralen Handlungskontexte Professioneller in der Sozialen Arbeit am Beispiel des Erziehungsbeistands nach § 30 SGB VIII im Doppelten-Prinzipal-Agent-Modell aus der institutionellen Perspektive reformuliert. Darauf aufbauend erfolgt eine Analyse verschiedener Agenturprobleme und Informationsasymmetrien, die im Rahmen des Verhältnisses zwischen dem Professionellen und dem Träger der Sozialen Arbeit mit Kontrolle und Steuerung der professionellen Tätigkeit in Verbindung stehen. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Professionellen und dem Adressaten wird, weiterhin am Beispiel des Erziehungsbeistands, der Terminus der „Co-Produktion“ unter Verwendung einer Erweiterung der Prinzipal-Agent-Theorie durch die soziologische Kategorie „Vertrauen“ näher bestimmt. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse und Einsichten werden zum Abschluss der vorliegenden Arbeit Probleme und mögliche zukünftige Ansatzpunkte benannt, die sich mit Hilfe des Doppelten-Prinzipal-Agent-Modells erfassen lassen.
1.2 Vorbemerkungen
Zur Gewährleistung einer flüssigen Lesbarkeit des Textes wird der im Erziehungsbeistand nach § 30 SGB VIII tätige Professionelle nachfolgend verkürzt als „Erziehungsbeistand“ bezeichnet. In Fällen, in denen es notwendig ist, den im Erziehungsbeistand tätigen Professionellen explizit zu betrachten, wird von der „Person des Erziehungsbeistands“ gesprochen.
Ebenfalls im Sinne der flüssigen Lesbarkeit erfolgt die Schreibweise des nachfolgenden Textes ausschließlich in maskuliner Form.
Die Begriffe Prinzipal-Agent-Theorie, -Modell, -Verhältnis usw. werden synonym ver-wandt.
2. Die Prinzipal-Agent-Theorie
2.1 Definition und Problemstellung
Die Wurzeln der Prinzipal-Agent-Theorie liegen in der Neoklassik. Kurz ausgedrückt formuliert die Neoklassik einen Gleichgewichtszustand für den Markt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass vollkommen rationale Entscheidungsträger mit absolut perfektem Informationsstand Güter miteinander tauschen. (vgl. Alparslan 2006, S. 1)
Die Prinzipal-Agent-Theorie nivelliert diese Annahme und geht davon aus, dass Marktteilnehmer immer mit verborgenen Handlungen anderer (Marktteilnehmer) konfrontiert sind. Sie verfügen demnach nie über vollkommene Informationen, z. B. hinsichtlich ihrer Handlungsspielräume. (vgl. Meinhövel 1999, S. 21)
Trotz dieses klaren Ansatzes hat sich in der Literatur keine eindeutige Definition der Prinzipal-Agent-Theorie durchgesetzt. Eine brauchbare allgemeine Definition der Theorie legen Pratt und Zeckhauser (1985, S. 2) vor:
„Whenever one individual depends on the action of another, an agency relationship arises. The individual taking the action is called the agent. The affected party is the principal.”
Für die hier vorliegende Arbeit ist vor allem die konkretere Definition von Jensen (1976, S. 308) erwähnenswert:
„An agency relationship can be defined as a contract, under which one or more persons (the principal/s) engage another person (the agent), to perform some service on their behalf which involves delegating some decision making authority to the agent.”
Im Unternehmenskontext gibt es diverse Auftragsbeziehungen, so z. B. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Käufer und Verkäufer, Aufsichtsrat und Vorstand, Eigentümer und Geschäftsführer etc. (vgl. Picot 1991, S. 150)
Diese Auftragsbeziehungen werden mittels eines Vertrages zwischen dem Auftraggeber, dem Prinzipal, und dem Auftragnehmer, dem Agenten, geregelt. Dabei überträgt der Prinzipal bestimmte Aufgaben und Entscheidungskompetenzen einem Agenten. Der Prinzipal möchte so seine Interessen realisieren. Der Agent erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung. Je weniger der Prinzipal z. B. über die Eigenschaften, das Leistungsvermögen oder die Qualifikationen des Agenten weiß, desto größer ist die Gefahr, dass der Agent nicht gemäß der getroffenen Vereinbarungen handelt, sondern seine eigenen opportunistischen Interessen verfolgt. Der Prinzipal ist somit gefordert, den Vertrag mit dem Agenten so zu gestalten, dass dieser seinen Verpflichtungen bestmöglich nachkommt. (vgl. Lohrig 2010, S. 4; Alparslan 2006, S. 3)
In der modernen, arbeitsteilig organisierten Markt- und Wirtschaftsordnung können Unternehmen ohne Kontakte zu anderen kaum noch überleben. Somit sind Unternehmen zunehmend dazu gezwungen, Auftragsbeziehungen und Kooperationen einzugehen. (vgl. Meinhövel 1999, S. 1)
Prinzipal-Agent-Beziehungen sind daher allgegenwärtig. Der Prinzipal ist jedoch so gut wie nie in der Lage, den Agenten vollständig zu beobachten. Zudem kann er nur geringe bis gar keine Erkenntnisse darüber gewinnen, ob der Erfolg des Agenten durch Umweltumstände oder –einflüsse zustande kam oder ob und in welcher Form das Verhalten, bzw. die Aktion des Agenten dabei eine Rolle spielte. Diese sogenannte asymmetrische Informationsverteilung zugunsten des Agenten kann für einen Prinzipal oder eine Organisation Probleme aufwerfen, die zu Effizienzverlusten führen können.
Die zuvor zitierten Definitionen von Pratt und Zeckhauser bzw. Jensen, sowie der kurze Einblick in Grundlagen der Prinzipal-Agent-Theorie, verweisen auf mehrere Konstituenten, die nachfolgend näher erläutert werden, um die Struktur einer Prinzipal-Agent-Beziehung darzustellen.
2.2 Vertragsbeziehungen
Im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie wird ein Unternehmen als ein Netzwerk verstanden, das aus verschiedenen Verträgen besteht. Das gesamte Unternehmen ist demnach geprägt von internen Vertragsbeziehungen und von Vertragsbeziehungen mit der Umwelt.
Aus dieser Sichtweise heraus werden alle Vertragsbeziehungen zwischen mindestens zwei Akteuren als Prinzipal-Agent-Beziehungen betrachtet. Die nachfolgende Abbildung 1 veranschaulicht das Vertragsnetzwerk eines Unternehmens in abstrahierter und vereinfachter Form.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Unternehmen als Vertragsnetzwerk
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Alparslan 2006, S. 12)
Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass in einem Unternehmen nicht nur reine Prinzipale ( ) und reine Agenten ( ) im Vertragsnetzwerk agieren. So mancher Agent kann einerseits z. B. von einem in der Hierarchie höher stehenden Prinzipal beauftragt sein, jedoch auch selber Prinzipal sein, wenn er Agenten beauftragt und mit diesen Verträge schließt ( ).
Der Vertrag zwischen Prinzipal und Agent ist das zentrale Merkmal und der Dreh und Angelpunkt einer Prinzipal-Agent-Beziehung. Die Prinzipal-Agent-Theorie legt den Vertragsbegriff an sich sehr weit aus. So werden unter einem „Vertrag“ sämtliche Vereinbarungen verstanden, die sich dazu eignen, die Entscheidungen des Agenten zu definieren, zu koordinieren und zu beeinflussen. Entsprechend finden Belohnungs- und Sanktionsregeln in einem Vertrag Erwähnung. Sie besitzen eine handlungsinduzierte Koordinationsfunktion. Die Belohnungsregeln verweisen auf erwünschte Handlungen des Agenten. Sanktionsregeln verweisen auf die negativen Konsequenzen bei Auftreten abweichender bzw. unerwünschter Handlungen oder Aktionen des Agenten. (vgl. Lohrig 2010, S. 7)
Verträge, die einer Prinzipal-Agent-Beziehung zugrunde liegen, können unterschiedlich gestaltet sein (Tabelle 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Vertragsvarianten
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Martiensen 2000, S. 361)
2.3 Interessenkonflikte
Der Abschluss eines Vertrags zwischen Prinzipal und Agent verweist bereits darauf, dass es zwischen den beiden Vertragspartnern keine prästabilisierte Interessenharmonie gibt. Die jeweils eigenen Interessen bestimmen das Handeln. In der Prinzipal-Agent-Theorie wird deshalb davon ausgegangen, dass die Handlungen des Agenten im Allgemeinen nicht zum bestmöglichen Nutzen des Prinzipals geschehen, sondern im Sinne der eigenen Nutzenmaximierung. Dadurch soll aber nicht ausgeschlossen werden, dass Handlungen, die der Agent zur eigenen Nutzenmaximierung vollzieht, nicht auch der Nutzenmaximierung des Prinzipals dienlich sein können. (vgl. Lohrig 2010, S. 8)
Prinzipiell ist festzuhalten, dass sowohl der Agent als auch der Prinzipal eine Maximierung des jeweils eigenen Nutzens erzielen wollen. Beide sind daran interessiert, durch materielle Güter, wie z. B. Gehalt oder Provision, oder durch immaterielle Güter, wie beispielsweise Prestige oder Karriere, befriedigt zu werden.
Aufgrund der jeweiligen Präferenzen zur Nutzenmaximierung besteht ein grundsätzlicher Interessenkonflikt zwischen den Vertragspartnern. Die Prinzipal-Agent-Theorie geht davon aus, dass die Präferenzen von Prinzipal und Agent sowohl konstant als auch konsistent sind.
Es wird davon ausgegangen, dass beide Akteure, v. a. aber der Agent, alle ihm zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume innerhalb der Vertragsbeziehung oppor-tunistisch ausnutzt, um seine eigenen Interessen durchzusetzen und den für ihn bestmöglichen Nutzen zu erzielen. Den Akteuren wird dem zur Folge unterstellt, versteckt und unehrlich zu agieren. So können beide z. B. Fakten fälschen oder ihre jeweiligen Präferenzen verbergen. Die Prinzipal-Agent-Theorie geht davon aus, dass solch opportunistisches Verhalten und das daran gebundene Streben nach Maximierung des eigenen Nutzens für die Durchführung eines Auftrags nicht unbedingt problematisch ist. Zu einem Problem wird dies erst, wenn die Interessen des Prinzipals und des Agenten innerhalb der Vertragsbeziehung gegensätzlich sind. Für die Prinzipal-Agent-Beziehung ist genau diese Gegensätzlichkeit, oder besser: dieser Interessenkonflikt, von großer Relevanz. (vgl. Lohrig 2010, S. 9)
Dies erklärt sich wie folgt: Ein Agent erhält für seine Leistung eine Gegenleistung vom Prinzipal. Beispielsweise wird er für seine Arbeit finanziell honoriert. Die Zahlung des Honorars stellt für den Agenten einen Nutzen dar. Allerdings hat der Agent bei seiner Tätigkeit aber nicht nur Freude sondern verspürt mitunter auch ein gewisses Arbeitsleid. Im Laufe der Zeit steigt der Nutzen des Agenten, weil möglicherweise auch die Zahlungen des Prinzipals zunehmen. Mit der Steigerung dieses Nutzen ist aber zwangsläufig auch eine Erhöhung des Arbeitseinsatzes und zudem eine Steigerung des Arbeitsleids verbunden. Dies wissend, wird der Agent immer seinen Vorteil, in diesem Falle den der Zahlung, gegen seinen Nachteil, das sich steigernde Arbeitsleid, aus der Vertragsbeziehung abwägen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Agent daran interessiert ist, mit möglichst geringer Arbeitsleistung – und dem damit einhergehenden geringeren Arbeitsleid – hohe Zahlungen zu erhalten
Für den Prinzipal gestaltet sich das anders. Er erzielt seinen Nutzen aus einem (besonders) hohen Ergebnis, das der beauftragte Agent mittels seines Handelns zu erreichen hat. Dieser Nutzen wird durch Zahlungen an den Agenten gemindert. Der Prinzipal wägt somit die Vorteile aus der Vertragsbeziehung – also: die Ergebnisse - mit den Nachteilen - also: den Zahlungen – ab. Grundsätzlich ist der Prinzipal an einem hohen Ergebnis bei möglichst geringer Bezahlung interessiert.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Prinzipal kann zu Beginn einer Vertragsbeziehung nicht damit rechnen, dass der Agent seine Handlungen im Sinne des Prinzipals wählt, sondern stattdessen seine eigenen (opportunistischen) Interessen verfolgen wird. (vgl. Alparslan 2006, S. 18)
2.4 Umweltunsicherheiten
Neben den Aktionen und Handlungen des Agenten haben auch exogene Umweltfaktoren, wie z. B. Konjunktur oder Börsenkurse, als Störgrößen Einfluss auf das Auftragsergebnis bzw. auf die Vertragsbeziehung. In der Prinzipal-Agent-Theorie wird der Umwelteinfluss als Zufallsvariabel ausgedrückt.
Es besteht nicht unbedingt ein direkter Zusammenhang zwischen der exogenen Störgröße und der Aktion des Agenten. Indirekt können exogene Umweltfaktoren aber beeinflussen, ob der Agent mit geringem oder mit hohem Aufwand das gewünschte Auftragsergebnis erzielt.
Der Zeitpunkt des Wirkens der exogenen Störgröße auf das Auftragsergebnis kann höchst unterschiedlich sein. Daher werden Prinzipal und Agent Erwartungsurteile über den Zeitpunkt des Wirkens der Störgröße und den Umfang dieser fällen. Beide, Prinzipal und Agent, sind jedoch zu keinem Zeitpunkt in der Lage, Zeitpunkt und Umfang des Wirkens der Störgröße exakt vorherzusagen. Der Prinzipal reagiert auf diesen Umstand, indem er bei der Vertragsgestaltung Aspekte der Risikostreuung berücksichtigt. Der Agent wird, je nach Risikoeinstellung, eine höhere Vergütung für die Übernahme eventueller Risiken verlangen. (vgl. Alparslan 2006, S. 18f.)
3. Informationsasymmetrien
3.1 Informationsdimensionen
Die Informationen hinsichtlich bestimmter, für die Auftragsdurchführung relevanter Faktoren, sind innerhalb einer Prinzipal-Agent-Beziehung asymmetrisch verteilt. Prinzipiell ist eine solche Informationsasymmetrie innerhalb einer Vertragsbeziehung als erwünscht zu betrachten, da sie Arbeitsteilung und Spezialisierung ermöglicht. Agenten werden von Prinzipalen engagiert, weil sie über gewisse Fähigkeiten oder Wissen verfügen, das für einen Auftrag relevant ist. Kein Prinzipal ist in der Lage alles zu können oder zu wissen. Prinzipale brauchen immer wieder Agenten.
Die Informationsasymmetrie in einer Prinzipal-Agent-Beziehung kann zu einer Gefahr werden, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt (siehe 2.3). Dann kann der besser informierte den schlechter informierten Akteur ausnutzen,
In der Prinzipal-Agent-Theorie wird zwischen drei verschiedenen Typen von Informationsasymmetrien unterschieden. Diese treten durchaus auch gleichzeitig auf. Zur besseren Betrachtung ihrer Eigenschaften und ihrer Auswirkungen auf die Vertragsbeziehung zwischen Prinzipal und Agent werden sie in Tabelle 2 jedoch getrennt und unabhängig voneinander dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Typen von Informationsasymmetrien
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lohrig 2010, S. 11)
Hidden Characteristics, Hidden Action und Hidden Information als die drei in einer Prinzipal-Agent-Beziehung auftretenden Informationsasymmetrien unterliegen jeweils den drei folgenden Informationsdimensionen (vgl. Alparslan 2006, S. 20f.):
Personelle Informationsdimension
Zwischen den an der Vertragsbeziehung beteiligten Akteuren besteht eine unausgewogene Informationsverteilung. Es ist von großer Bedeutung, welche Person den Informations-vorsprung hat.
Inhaltliche Informationsdimension
Hier spielt eine Rolle, welche Informationen zwischen den Akteuren unausgewogen verteilt sind. Vor allem die Fähigkeiten und Eigenschaften des Agenten fallen dabei ins Gewicht. Aber auch die Informationen über die Aktionen des Agenten und die exogene Störgröße spielen eine Rolle.
Zeitliche Informationsdimension
Informationen zwischen Prinzipal und Agent können zu jedem Zeitpunkt im Rahmen der Vertragsbeziehung asymmetrisch verteilt sein. Entscheidend für die zeitliche Dimension ist, wann eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Akteuren auftritt bzw. vorliegt.
3.2 Asymmetrietypen
3.2.1 Hidden Characteristics
Bei Hidden Characteristics hat der Prinzipal ein Informationsdefizit hinsichtlich der Eigenschaften und Fähigkeiten des Agenten. Diese sind ihm nicht oder nur teilweise bekannt. Solche Eigenschaften eines Agenten können z. B. Präferenzen, Leistungsvermögen, Erfahrungswerte oder Erwartungsurteile hinsichtlich der exogenen Störgröße sein. Hidden Characteristics entsteht bereits vor Vertragsabschluss. Der Agent verfügt zu diesem Zeitpunkt über Eigenschaften, die er im Verborgenen hält. Erst nach Vertragsabschluss lernt der Prinzipal die Aktionen des Agenten an sich konkret kennen und kann sich ein Bild davon machen, ob der Agent über das erwartete Leistungsvermögen verfügt.
Vor Vertragsabschluss verfügt der Prinzipal nicht über dieses Wissen. Einzig und allein der Agent weiß, was er kann. Der Prinzipal kann sich bei Aufnahme der Vertragsbeziehung somit niemals sicher sein, ob er wahrheitsgemäße und vollständige Informationen von einem Agenten über dessen Wissen und Fähigkeiten erhält. Es weiß daher auch bei Vertragsabschluss nicht, ob der Agent fähig ist, den Auftrag erwartungsgemäß zu erledigen. Der Prinzipal kann also die sprichwörtliche „Katze im Sack“ kaufen, denn er begibt sich in eine Vertragsbeziehung von der er hofft, dass diese gewinnbringend für ihn ist. Das hofft er – er weiß es aber nicht. Die Vertragsbeziehung kann sich durchaus auch als problematisch und verlustbringend erweisen. (vgl. Jost 2001, S. 27ff.)
3.2.2 Hidden Action
Im Gegensatz zu Hidden Characteristics sind dem Prinzipal bei Hidden Action die Eigenschaften des Agenten bekannt. Allerdings kann der Prinzipal bei Hidden Action die Ausprägung der exogenen Störgröße und die Aktion des Agenten nicht beobachten. Zudem kann er nicht beobachten, welchen Einfluss die exogene Störgröße und welchen Einfluss die Aktion des Agenten auf das Ergebnis hat oder hatte. Demnach kann der Prinzipal aus dem Ergebnis auch keine realistischen Rückschlüsse auf die Aktivitäten des Agenten ziehen. Gleichzeitig bleibt ihm auch die realistische Auswirkung der exogenen Störgröße auf das Ergebnis weitestgehend unbekannt. Bei Hidden Action ist also die Ergebnisbeurteilung problematisch. Ein positives Auftragsergebnis kann durchaus auch das Ergebnis einer stark wirkenden Störgröße sein. Die Aktion des Agenten könnte dabei äußerst minimal ausgefallen sein. Dem Prinzipal bleibt unbekannt, welchen Anteil welches Wirken hatte. (vgl. Jost 2001, S. 25f.)
3.2.3 Hidden Information
Die Informationsasymmetrie bei Hidden Information bezieht sich auf die Ausprägung der exogenen Störgröße. Der Prinzipal ist vom unmittelbaren Kontext der Aufgaben-durchführung (weit) entfernt und kann aufgrund dessen die Ausprägung der exogenen Störgröße nicht beobachten. Die Aktion des Agenten bleibt für ihn nicht verborgen. Allerdings kann der Prinzipal so gut wie gar nicht einschätzen, ob der Agent in seinem Interesse gehandelt hat, da er die Auswirkung der exogenen Störgröße nicht kennt. Möglich ist es auch, dass der Prinzipal zwar die Ausprägungen der exogenen Störgröße beobachten kann, diese jedoch - z. B. aufgrund fehlenden Hintergrundwissens - nicht in die Beurteilung der Aktion des Agenten einfließen lassen kann. (vgl. Jost 2001, S. 30f.)
4. Prinzipal-Agent-Probleme
4.1 Harmonie und Konflikt
Der Prinzipal ist immer dem Risiko ausgesetzt, von einem Agenten im Rahmen der Vertragsbeziehung ausgenutzt zu werden. Interessenkonflikte, Umweltunsicherheiten und Informationsasymmetrien fördern diese Gefahr. Besteht zwischen einem Prinzipal und einem Agenten eine gewisse „Interessenharmonie“, so spielen in der Vertragsbeziehung Informationsasymmetrien und Umweltunsicherheiten keine Rolle. In einem solchen Fall wird der Agent kein opportunistisches Verhalten zeigen und seine Aktionen im Sinne des Prinzipals durchführen. Es entsteht kein Prinzipal-Agent-Problem.
Es entstehen auch keine Prinzipal-Agent-Probleme, wenn ein Interessenkonflikt zwischen den Akteuren vorliegt und Unsicherheit über die Einflüsse der Umwelt existieren, der Prinzipal jedoch die Eigenschaften und die Aktionen des Agenten sowie die Ausprägung der exogenen Störgröße beobachten kann.
Wenn über die Umwelteinflüsse keine Unsicherheit besteht, sind ein Interessenkonflikt und die Informationsasymmetrie zwischen den Akteuren nicht problematisch. Anders gestaltet sich dies allerdings, wenn ein Interessenkonflikt zwischen dem Prinzipal und dem Agenten nebst einer Unsicherheit über den Einfluss der Umwelt auf das Ergebnis der Auftragsdurchführung vorliegt. Dann lassen sich die Informationsasymmetrien jeweils verschiedenen Prinzipal-Agent-Problemen zuordnen. Diese Probleme werden im Folgenden vorgestellt. (vgl. Alparslan 2006, S. 25f.; Lohrig 2010, S. 14f.)
4.2 Adverse Selection
Mit dem Problem der Adverse Selection (negative Auslese) kann der Prinzipal bei Hidden Characteristics konfrontiert sein. Bietet der Prinzipal einem Agenten einen Vertrag an, der auf einem auf durchschnittlichem Niveau agierenden Agenten zugeschnitten ist, läuft er Gefahr, dass ein Agent mit unpassenden Eigenschaften oder schwachem Handlungsniveau einen Agenten mit passenden Eigenschaften oder hohem Handlungsniveau kopiert, um den Auftrag zu bekommen. Ein Agent mit passenden oder guten Eigenschaften wird häufig die Unterzeichnung eines durchschnittlich zugeschnittenen Vertrags ausschlagen, da ihm mitunter keine ausreichenden Anreize geboten werden und er nicht unterhalb seiner Fähigkeiten beauftragt werden will. Entsprechend ist der Prinzipal dem Risiko ausgesetzt, Vertragsbeziehungen zu Agenten mit unpassenden und eher schlechten Eigenschaften aufzubauen. (vgl. Jost 2001, S. 27ff.; Alparslan 2006, S. 26; Lohrig 2010, S. 15)
Mittels des „screenings“ kann der Prinzipal seine Informationslücken im Hinblick auf die Eigenschaften des Agenten vor Vertragsabschluss reduzieren. Qualitätsprüfungen und Leistungstests sind als Beispiele dafür zu nennen, wie der Prinzipal Informationen erhalten kann, um Rückschlüsse auf die tatsächlichen Fähigkeiten eines Agenten ziehen zu können. (vgl. Jost 2001, S. 28f.)
Je genauer die Datenerhebung ist, umso präziser gestaltet sich die Messung. Je präziser eine Messung – umso höher deren Kosten. Informationsbeschaffung kann somit enorme Kosten verursachen.
Innerhalb der Prinzipal-Agent-Theorie wird vor allem der „self-selection“ als Ansatz zur Reduzierung der Adverse Selection Beachtung geschenkt. Bei der self-selection nutzt der Prinzipal das vorliegende eigennützige Ansinnen und Verhalten des Agenten, um Informationen über dessen Eigenschaften zu erhalten. So bietet der Prinzipal dem Agenten verschiedene Vertragsvarianten mit unterschiedlichen Vergütungsformen und Anreizen an. Aus der Wahl, die der Agent trifft, kann der Prinzipal Rückschlüsse und Informationen über die Leistungsbereitschaft des Agenten ableiten. Wesentlich dabei ist, dass dem Prinzipal die verschiedenen Agenten-Typen bekannt sind. (vgl. Alparslan 2006, S. 29f.)
Das „signalling“ dient ebenfalls der Reduzierung der Adverse Selection. Hier ist der Agent aktiv und verrät dem Prinzipal schon vor Beginn der Vertragsbeziehung seine Eigenschaften. Bei Hidden Characteristics kennt der Prinzipal die Eigenschaften des Agenten nicht in Gänze. Die Folge dabei ist, dass der Prinzipal nur zu einem Vertragsabschluss mit durchschnittlichen Konditionen und Anreizen bereit ist. Wenn sich der Agent mit guten Eigenschaften von denen mit schlechten distanzieren will, so kann er dies nur erreichen, wenn er dem Prinzipal bereits vor Vertragsabschluss seine relevanten Eigenschaften mitteilt.
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