„Regierungen sind so entscheidend, weil ihre Möglich-keiten der Machtausübung verhältnismäßig groß sind“ (Dahl 1976, 46).
Die Möglichkeiten der Regierungen gründen auf die wegen ihres Amtes zugeschriebenen Kompetenzen und wie die Regierenden die Potenziale der Machtausübung ausschöpfen. Gleichzeitig kommen weitere nicht verfassungsgemäße Instrumente hinzu, die in vorliegender Arbeit anhand der „dominanten Führungstechniken innerhalb der Öffentlichen Arena“ diskutiert werden (Grasselt und Korte 2007, 128-133).
Daraus resultiert folgende Forschungsfrage: Wie instrumentalisieren Regierungschefs die ihnen gegebenen Instrumente der Darstellungspolitik?
Die folgenden Leitfragen spiegeln sich in den einzelnen Kapiteln und Unterpunkten wider:
i) Welches sind dominante Instrumente der Darstellungspolitik?
ii) Was sind Voraussetzungen für mediale Inszenierung?
iii) Was begrenzt die Instrumente?
iv) Wie setzten Gerhard Schröder und Angela Merkel die Instrumente ein?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Mittel der medialen Darstellung und Inszenierung
1.1. Personalisierung
1.2. Medienkompetenz
1.3. Mediencharisma
2. Verhandlungs- vs. Mediendemokratie
3. Ein Vergleich aus der Empirie: Ungleichgewichte und Gleichgewichte
3.1. Gerhard Schröder: Ungleichgewicht zwischen Darstellungs- und Entscheidungspolitik
3.2. Angela Merkel: Gleichgewicht mit Ausschlägen
4. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Regierungen sind so entscheidend, weil ihre Möglichkeiten der Machtausübung verhältnismäßig groß sind“ (Dahl 1976, 46).
Die Möglichkeiten der Regierungen gründen auf die wegen ihres Amtes zugeschriebenen Kompetenzen und wie die Regierenden die Potenziale der Machtausübung ausschöpfen. Gleichzeitig kommen weitere nicht verfassungsgemäße Instrumente hinzu, die in vorliegender Arbeit anhand der „dominanten Führungstechniken innerhalb der Öffentlichen Arena“ diskutiert werden (Grasselt und Korte 2007, 128-133).
Daraus resultiert folgende Forschungsfrage: Wie instrumentalisieren Regierungschefs die ihnen gegebenen Instrumente der Darstellungspolitik? Die folgenden Leitfragen spiegeln sich in den einzelnen Kapiteln und Unterpunkten wider:
i) Welches sind dominante Instrumente der Darstellungspolitik?
ii) Was sind Voraussetzungen für mediale Inszenierung?
iii) Was begrenzt die Instrumente?
iv) Wie setzten Gerhard Schröder und Angela Merkel die Instrumente ein?
Im ersten Kapitel werden die dominanten Instrumente der Darstellungspolitik dargestellt, interpretiert und wissenschaftlich zugeordnet (Leitfrage i). Personalisierung gilt als zentral und wird unterschiedlich normativ bewertet. Zum einen wird sie als boulevardisierend kritisiert (Holzer 1973), zum anderen als notwendig zur Reduktion komplexer politischer Prozesse erachtet (Grande 2000). Empirisch argumentierend wird sodann aufgezeigt wie das Instrument der Personalisierung als Machtquelle eingesetzt wird (Glaab 2000, Grasselt und Korte 2007, Kaltefleiter 1981, Sarcinelli 2005a). Daran anknüpfend wi9rd hinterfragt, was Medienkompetenz ausmacht, was sie begrenzt und fördert (Leitfrage ii). Hierbei wird zwischen Wort-, Bild und Telepolitik unterschieden (Grasselt und Korte 2007). Die Analyse des Mediencharismas wird das erste Kapitel schließlich abrunden, wobei zwischen Charisma im Sinne Max Webers (1985) und dem Charisma im Sinne medialer Inszenierung (Grande 2000) unterschieden wird (Leitfrage ii).
Das zweite Kapitel ist ein essentieller Bestandteil, sobald man von Mediendemokratie und Verhandlungsdemokratie, von Darstellungspolitik und Entscheidungspolitik spricht (Korte und Fröhlich 2009, Sarcinelli 2005b, Sarcinelli 2008). Es wird gezeigt, dass eine darstellungspolitische Analyse den entscheidungspolitischen Aspekt nicht vernachlässigen darf, da die Modelle in Konvergenz, aber auch in Konkurrenz stehen können (Leitfrage iii). Im Kapitel wird ebendiese wechselseitige Beziehung zwischen den demokratietheoretischen Modellen beleuchtet und argumentiert, dass sich die Logik des Politischen in die Logik des politischen Machtgewinns (Darstellungspolitik) und die Logik des politischen Macherhalts (Entscheidungspolitik) differenzieren lässt und der Bundeskanzler an der Schnittstelle zu verorten ist (Sarcinelli 2008).
Nun gilt es empirisch vorzugehen. Die einzelnen Merkmale der Darstellungen und ihrer Determinanten werden im dritten Kapitel auf Gerhard Schröder und Angela Merkel angewendet (Leitfrage iv). Das Ergebnis wird sein, dass man Schröder ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen der Logik des Machtgewinns und der Logik des Machterhalts nachweisen kann (Grasselt und Korte 2007, Langguth 2009, Rosumek 2007). Merkel hingegen, weniger auf Darstellungspolitik konzentriert, dafür umso mehr auf Entscheidungspolitik (Korte 2010, Langguth 2007, Rosumek 2007), kann eher ausgeglichenes Verhältnis zwischen beiden Rollen abgeleitet werden.
Im Fazit werden die einzelnen Befunde zusammenfassend dargestellt, um ein Gesamtbild zu liefern. Das Ergebnis wird sein, dass Darstellungspolitik hauptsächlich für Machtgewinn eingesetzt wird, aber auch, um Verluste in der Entscheidungspolitik auszugleichen (Korte und Fröhlich 2009). Gleichzeitig wird, aus dem Beispiel Schröder resultierend, gezeigt, dass zu starke Verluste in der nichtöffentlichen Arena durch Darstellungspolitik nicht mehr ausgeglichen werden können.
1. Mittel der medialen Darstellung und Inszenierung
Im Folgenden werden, anhand Grasselt und Kortes (2007) „Politikmanagement“ wichtige Instrumente der medialen Darstellung erläutert und diskutiert. Daneben wird ein kurzer Forschungsstand, auch in Hinblick auf nicht-politikwissenschaftliche Disziplinen, dargestellt.
1.1. Personalisierung
„Personalisierung ist (…) ein elementarer Mechanismus der Verantwortungszuweisung und -kontrolle in der Politik“ (Sarcinelli 2008, 23).
Politik nimmt der Bürger zu einem Gros über „Medienbühnen“ war, weshalb auch die politischen Akteure selbst auf „politische Inszenierung von Erfolgshandlungen und Persönlichkeitsimages setzen“ (Meyer, Ontrup und Schicha 2000, 43). Zu unterscheiden, was authentisch, was inszeniert ist, was echt, was unecht ist, gleicht dem Versuch, die unlösbare Quadratur des Kreises zu lösen. Ein Hauptsymptom politischer Inszenierung ist Personalisierung. Je stärker Politik personalisiert wird, desto verkürzter die Meldung, desto weniger werden gesellschaftliche Umstände hinterfragt, umso mehr werden Vor- und Nachtteile von Personen hinterfragt (Holzer 1973, 167).
Personalisierung wird innerhalb der Wissenschaft konträr interpretiert, wodurch das diesem Begriff zugrundeliegende Spannungsverhältnis offenbart wird. Notwendig und gleichzeitig manipulierend wird Personalisierung ambivalent verortet (Grande 2000, 124, Holzer 1973, 159-161, Sarcinelli 1987, 166-180). Dementsprechend sind Definitionen bezüglich Personalisierung so verschieden wie der Begriff umfassend ist. Während die Soziologie (über konventionelle Rollentheorien gebündelt mit normativen Verhaltenserwartungen), die Ökonomie (über akteurspezifische Rational Choice Theorie) und die Psychologie (über personenbezogene Schematheorien der Wahrnehmung) Personalisierung weitestgehend neutral bewerten, zeigt die Politologie die „stärkste normative ‚Ladung‘“ (Hoffmann und Raupp 2006, 459-467).[1] Die Gefahr einer starken Personalisierung, die politologische Beiträge aufzeigen, ist Privatisierung als Folge der Personalisierung, die nicht ent-kompliziert, sondern den öffentlichen Diskurs verzerrt, seine Qualität senkt und Ideen sowie Inhalte zur Nebensache macht. „Die massenmediale Propagierung eines personalisierten, personalisierenden Geschichts- und Gesellschaftsbildes führt (…) zur Privatisierung von Gesellschaftspolitik und deren Probleme“, schreibt Horst Holzer in seinem Werk Kommunikationssoziologie (1973, 167).
So viel zu den Gefahren. Denn Personalisierung wird auch als essentiell interpretiert, um komplexe politische Prozesse zu erklären, weshalb sie als „affektive Orientierungshilfe und Entfremdungsprophylaxe“ dient (Westerbarkey 1991, 219).
Demnach trifft es Kaltefleiters (1981, 296) Definition wohl am deutlichsten:
„Personalisierung der Politik bedeutet, dass die komplexe, von vielfältigen Motivationen und Einstellungen geprägte Wahlentscheidung reduziert wird auf die alternative Entscheidung zwischen den Spitzenkandidaten. Die Person des Spitzenkandidaten wird zum Deutungsmuster komplexer politischer Tatbestände“.
„Politik lebt davon, dass (…) politischen Inhalten ‚Köpfe‘ zugeordnet werden“ schreiben Grasselt und Korte (2007, 130) und charakterisieren Personalisierung als wirksames Instrument politischen Managements. Statt wie andere Autoren normativ zu argumentieren und (zu Recht (Hoffmann und Raupp 2006)) die Gefahren der Personalisierung aufzuzeigen, wird Personalisierung als strategisches Mittel von Parteien und Politikern innerhalb der öffentlichen Arena verortet (empirische Argumentation). Personalisierung helfe nicht nur in Wahlkampfzeiten, schreiben Grasselt und Korte, sondern helfen auch das Profil einer Partei zu stärken und „inhaltliche Flexibilität zu demonstrieren“. Auf individueller Ebene tritt hinzu, dass ein „Image eines Politikers geprägt wird“ (Grasselt und Korte 2007, 130).
Das unkomplizierteste Instrument dazu seien schlicht Wortmeldungen der Akteure (Ebd.). Aber das Instrument kann wesentlich weitreichender sein, denn nicht nur Themen, auch Wahlen können personalisiert und zum Plebiszit gemacht werden. Beispielsweise Gerhard Schröder, der als amtierender Ministerpräsident Niedersachsens die Wahl 1998 im zweitgrößten Bundesland Deutschlands zum Volksentscheid über seine potenzielle Kanzlerkandidatur machte (Langguth 2009, 197 f.). Auch Angela Merkel personalisiert, e. g. als Klima-Kanzlerin – Sigmar Gabriel (SPD) war Umweltminister – während sie in Grönland die Erderwärmung studierte (Langguth 2009, 438).
So wird nicht nur klar, was Personalisierung ist, sondern wie sie als strategisches Mittel eingesetzt wird. Warum sich Personalisierung bedient wird, kann im Hinblick auf Verfassung und Verfassungswirklichkeit beantwortet werden. Denn der Handlungskorridor des Bundeskanzlers ist zwar mehr oder weniger begrenzt, beispielsweise durch die aktuelle Mehrheitskonstellation in Bundestag und Bundesrat. Allerdings kann der Kanzler über Personalisierung versuchen, „die (begrenzten) Spielräume des Amtes selbst zu kompensieren und zu ergänzen (Anmerk. i. Org.)“, schreibt Clemens Clay (2000, 187) und kommt zum Schluss, dass die Kanzler so „zusätzliche Quellen von politischem Kapital beschaffen. Daher setzten sie hauptsächlich auf ‚public relations‘, um persönliche Eigenschaften zu verkaufen.“ (Ebd.). Zusammenfassend: durch Personalisierung erweitern die Kanzler fungierend als „personifizierte Ideenträger“ (Korte und Fröhlich 2009, 268) ihren Handlungskorridor, da sie sich – in extremen Fällen – Plebiszite über die Öffentlichkeit „abholen“, um ihre Entscheidungen zu legitimieren, wodurch sie klassische handlungsbegrenzende Faktoren wie Partei und institutionelle Bindungen umgehen können (Sarcinelli 2005a, 68 f.).
1.2. Medienkompetenz
Wer personalisiert, der muss einen versierten Umgang mit den Medien par excellence pflegen. Denn „Personalisierung wird zunehmend (…) von den Massenmedien selbst (…) erwartet“ (Clemens 2000, 187). Daher ist eine kompetente Begegnung mit den Medien und ihren Vertretern unverzichtbares Mittel der Machtausübung der politischen Führung. Gleichzeitig sind die Instrumente medialer Darstellung nicht nur Katalysator für die Entscheidungskraft des Darstellers, sondern „ist selbst Teil der Politik“ geworden (Korte und Fröhlich 2009, 101). Medienkompetenz sichert des Protagonisten Drahtseilakt in der öffentlichen Arena, sie macht ein souveränes Auftreten in der Wort-, Bild-, und Telepolitik[2] wahrscheinlich (Grasselt und Korte 2007, 131-134).
[...]
[1] Die vorliegende politikwissenschaftliche Arbeit behandelt im Folgenden nur die politologische Perspektive.
[2] Sicherlich können auch einige andere Elemente hinzugefügt werden, würde aber die politikwissenschaftliche Arbeit in eine kommunikationswissenschaftliche transformieren.