Um Einsatzkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung oder Übungen möglichst realistisch auf den Ernstfall vorzubereiten, ist es notwendig, sie am Menschen trainieren zu lassen. Hierzu werden Szenarien realistisch dargestellt und die entsprechenden Verletzungsmuster von den Darstellern (auch Mimen genannt) ebenso realitätsnah geschminkt und gespielt. Die gesamte Darstellung muss vom Beginn der Planung bis zum Ende der Nachsorge genau durchdacht werden, damit keiner der Beteiligten einen physischen oder psychischen Schaden nimmt. Wenn alle Faktoren optimal aufeinander abgestimmt sind, wird die realistische Unfalldarstellung für alle Beteiligten zu einem realen Einsatz mit positivem Ausgang für die jeweilige reale Lebenssituation. Es handelt sich bei der Darstellung meistens um ein nachgestelltes Unfallszenarium. Da es sich aber auch manchmal um nachgestellte größere Wunden oder Notfälle handelt, wird die Darstellung in diesen Fällen als Realistische Wund- bzw. Notfalldarstellung betitelt. Da aber diese Formulierungen im Rahmen der Realistischen Unfalldarstellung nur eine untergeordnete Rolle spielen, wird ihnen auch im folgenden Text nur bedingt Beachtung geschenkt. Für die richtige Deutung dieses Textes sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass an vielen Stellen vom „Darsteller“ die Rede ist, damit aber männliche sowie weibliche Personen gemeint sind.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungen
1 Einleitung
2 Geschichte der Realistischen Unfalldarstellung
3 Ziele der Realistischen Unfalldarstellung
4 Vorbereitung der Übung
4.1 Planung einer Übung
4.2 Hygiene
4.3 Grenzen der Darstellung bei der Übung
5 Darsteller
5.1 Auswahl der Darsteller
5.2 Kinder als Darsteller
5.3 Vorbereitung der Darsteller
5.4 Wahrung der Intimsphäre der Darsteller
5.5 Mögliche Gefahren für die Darsteller
5.6 Sicherheit
5.7 Zeitliche Grenzen der Übung
6 Das Schminken
6.1 Schmink- und Modelliermaterialien
6.2 Schminkgerätschaften
6.3 Weitere Hilfsmittel
6.4 Simulation verschiedener Verletzungen
7 Durchführung einer Übung
7.1 Bestandteile der Übung
7.2 Darstellung
8 Einsatznachsorge
9 Fazit
Quellenverzeichnis
Anhang
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Um Einsatzkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung oder Übungen möglichst realistisch auf den Ernstfall vorzubereiten, ist es notwendig, sie am Menschen trainieren zu lassen. Hierzu werden Szenarien realistisch dargestellt und die entsprechenden Verletzungsmuster von den Darstellern (auch Mimen genannt) ebenso realitätsnah geschminkt und gespielt. Die gesamte Darstellung muss vom Beginn der Planung bis zum Ende der Nachsorge genau durchdacht werden, damit keiner der Beteiligten einen physischen oder psychischen Schaden nimmt. Wenn alle Faktoren optimal aufeinander abgestimmt sind, wird die realistische Unfalldarstellung für alle Beteiligten zu einem realen Einsatz mit positivem Ausgang für die jeweilige reale Lebenssituation. Es handelt sich bei der Darstellung meistens um ein nachgestelltes Unfallszenarium. Da es sich aber auch manchmal um nachgestellte größere Wunden oder Notfälle handelt, wird die Darstellung in diesen Fällen als Realistische Wund- bzw. Notfalldarstellung betitelt. Da aber diese Formulierungen im Rahmen der Realistischen Unfalldarstellung nur eine untergeordnete Rolle spielen, wird ihnen auch im folgenden Text nur bedingt Beachtung geschenkt. Für die richtige Deutung dieses Textes sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass an vielen Stellen vom „Darsteller“ die Rede ist, damit aber männliche sowie weibliche Personen gemeint sind.
2 Geschichte der Realistischen Unfalldarstellung
Die Realistische Unfalldarstellung (abgekürzt: RUD) wurde ursprünglich unter Mitwirkung der Schweizer für militärische Zwecke entwickelt und von der britischen Armee eingeführt. Ihre Renaissance erlebte sie in der ehemaligen DDR.
Zweiter Weltkrieg:
Zunächst trugen Berufsschauspieler als Mimen dazu bei, Sanitäter an den Anblick von Verletzten zu gewöhnen. Sie bildeten mit Hilfe von Schminkmaterialien aus dem Theater Wunden nach, die bei Einsatzübungen in realitätsnahen Situationen zur Anwendung kamen. In Großbritannien, Dänemark und der Schweiz wurden 1944 erste Unterlagen erstellt und Hilfsmittel entwickelt, um Verletzungen realitätsnah und dem Szenario angepasst darzustellen. In Frankreich erschienen 1950 und in Schweden 1953 erste Unterlagen zu diesem Thema.
Nachkriegszeit (bis 1950):
1949 entwarf der englische Apotheker Ward eine illustrierte Broschüre mit dem Titel: „Die Naturgetreue Darstellung von Wunden mit Kitt und Schminke“. Diese Broschüre gab er für das englische Jugendrotkreuz heraus.
Deutschland (1950 – 1970):
Bis 1950 arbeitete man in der Bundesrepublik Deutschland bei Übungen mit Verletzungskarten. Bis 1954 wurden dann Nachbildungen verschiedener Körperteile (Moulagen) in Form von Gummiattrappen angeboten, die am Körper angebunden wurden.
1954 erschienen zum ersten Mal Blätter über die Realistische Unfalldarstellung, herausgegeben vom Jugendrotkreuz. Seit 1955 wurde vom DRK in mehreren Auflagen die Broschüre „Realistische Unfalldarstellung“ (Dr. Gerlach/Stoeckel) herausgegeben. Ergänzt wurde diese 1968 durch die „Arbeitsmappe Realistische Unfalldarstellung“ (Körner).
Um das Materialangebot zu verbessern, wurde 1964 der Schminkkasten „Mehlem“ entwickelt. Er enthielt eine für die damalige Zeit bereits große Auswahl von verschiedenen Utensilien, wie: Modellierkitt, Filmblut, Make-up-Pasten oder Modellierholz. Nach zahlreichen Verbesserungen entwickelte sich daraus der Schminkkasten
„Bavaria 91“, der sich durch ein leicht erweitertes Material- und Zubehörangebot auszeichnete.
Entwicklung beim DRK der ehemaligen DDR während dieser Zeit:
Auch im DRK der ehemaligen DDR wurde die Realistische Unfalldarstellung zur Verbesserung des Ausbildungsniveaus und der psychischen Belastbarkeit der Helfer eingesetzt. Nachdem man auch hier zuerst mit Geschädigtenkarten arbeitete, wurden später verschiedene Schminkmaterialien und eine schauspielerische Darstellung mit eingesetzt. Eine Broschüre „Die realistische Unfalldarstellung“ gibt es seit 1960.
Wundmoulagen wurden am 3.11.1973 vom Herrn Werner Stammberger eingeführt. Bis 1990 wurden 3000 kleinflächige und 4000 großflächige Moulagensätze produziert.
Deutschland (1980 bis heute):
Die Palette der benötigten Materialien wurde 1988 durch die Herausgabe des Handbuches „Realistische Wund- und Unfalldarstellung“ vervollständigt. Auf dieses Buch wird auch heute noch zurückgegriffen.
Entwicklung beim DRK der ehemaligen DDR während dieser Zeit:
1984 wurden im DRK der Bundesrepublik Deutschland erste bundeseinheitliche Ausbildungsunterlagen erstellt. Mit den Leitfäden für die Grundausbildung und den Aufbaulehrgang sowie dem Handbuch für die Realistische Unfalldarstellung wurde diese Etappe nun abgeschlossen (vgl. Johannhardt, 2005, www.rud-dornberg.de).
3 Ziele der Realistischen Unfalldarstellung
Das Ziel der RUD ist es, Einsatzkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung oder Übungen möglichst realistisch auf den Ernstfall vorzubereiten und sie am Menschen trainieren zu lassen. Dabei werden Darsteller, Wunden und andere Materialien eingesetzt, die mögliche Verletzungszustände und das wahrscheinliche Verhalten von Verletzten möglichst wirklichkeitsgetreu wiedergeben. Dabei versucht man, die Darstellungen so zu realisieren, dass sie im vorhandenen Gelände glaubhaft erscheinen und mit den Geländemöglichkeiten übereinstimmen. Erst durch eine realistische Art der Darstellung wird diese Darstellung zu einem realen Einsatz für alle Beteiligten. Dadurch gibt man den Einsatzkräften die Möglichkeit, sich an den Anblick von verschiedenen Verletzungen und Szenarien zu gewöhnen und minimiert ihre Ängste vor kommenden schwierigen Einsätzen (vgl. Frohreich, 2008, www.asb-regionalverband.de).
Helfer aus den Hilfsorganisationen, aus dem Bereich Rettungsdienst, Feuerwehr und Krankenhaus, sowie auch Ersthelfer werden dadurch so vorbereitet, dass sie Unfallsituationen und Verletzungen richtig erkennen und Gefahrensituationen richtig einschätzen können. Sie sollen in der Lage sein, eine der Situation und Verletzung angepasste, richtige Hilfeleistung durchzuführen.
Im Schulsanitätsdienst, bei Feuerwehrübungen, Katastrophenschutzübungen, Prüfungen für Rettungssanitäter und -assistenten sowie bei Aus- und Weiterbildungen aller Art findet die RUD ihre Anwendung. Das Wissen dazu wird den jeweiligen Darstellern in verschiedenen Grund- und Aufbaulehrgängen von Experten vermittelt (vgl. Wollwinder, 2009, www.wollwinder.de).
Um Rettungsszenarien auch außerhalb dieser Möglichkeiten möglichst realistisch trainieren zu können, sind verschiedentlich Simulationszentren entstanden, z. B. das Tübinger Patientensicherheits- und Simulationszentrum. Dieses gilt nicht nur für den zivilen Bereich, sondern auch für die RUD innerhalb der Bundeswehr. In der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München und im Simulationszentrum des Bundeswehrkrankenhauses in Hamburg werden regelmäßig einsatzspezifische Szenarien nachgestellt.
4 Vorbereitung der Übung
4.1 Planung einer Übung
Bei der Planung einer Übung ist es immer wichtig, dass man das ganze Szenario im Zusammenhang sieht. Das bedeutet, dass man nicht nur die Wundherstellung isoliert betrachten soll, sondern mitwirkende Verletzte mit ihren Verletzungsmustern in ihre entsprechende Umgebung integrieren muss. Dabei ist wichtig, sich Gedanken zu machen, wann und wo eine Übung abgehalten werden soll. Wird die Übung im Außengelände abgehalten, ist es wichtig zu beachten, wie die Witterungsverhältnisse sind und zu welcher Tageszeit die Übung stattfindet. Da die Mimen bei einer Übung meist auf dem Boden liegen, kommt der Umgebungstemperatur größte Bedeutung zu. Abzuklären ist auch, zu welchem Zweck die Übung stattfinden soll und welche Ziele damit verbunden sind. Nach der Art und Größe der Übung richten sich die Anzahl der Darsteller und die Anzahl aller am Aufbau Beteiligten. Daraus ergeben sich wiederum die Verletzungsmuster, das Material zur Darstellung und das Material, das benötigt wird, um die gesamte Übung in die Tat umzusetzen. Dabei muss immer im Vordergrund stehen, dass die Sicherheit aller Mitwirkenden an dieser Übung immer und überall gewährleistet ist. Wichtig ist es auch, im Vorfeld abzuklären, von wem eventuell anfallende Kosten übernommen werden (vgl. Kaiser, 1963, S. 24 f.).
4.2 Hygiene
Hygiene ist die Lehre von der Verhütung von Krankheiten und der Erhaltung und Festigung der Gesundheit. Dabei ist die Sauberkeit der erste Schritt zur Hygiene. Vor dem Schminken eines jeden Darstellers sind das Waschen und die Desinfektion der Hände von zentraler Bedeutung. Zum Abtrocknen sollten Einmalhandtücher verwendet werden. Aber nicht die Handhygiene allein ist wichtig; sie kann nur bei gleichzeitiger Materialhygiene wirksam sein. Dies bezieht sich primär auf äußerste Sauberkeit der RUD-Koffer, Schminkkästen, Farbpaletten, Schminkmaterialien und aller benötigten Gefäße und Gegenstände. Dies ist von besonderer Wichtigkeit für die Gesundheit aller Darsteller. Die benutzte Schminke muss auf Haltbarkeit und Verträglichkeit überprüft werden. Auch bei ihrer Anwendung ist die Sauberkeit von größtem Belang, um Krankheiten zu vermeiden. Weitere wichtige Aspekte sind die regelmäßige Säuberung der Pinsel und Schwämme sowie die Reinigung aller Kleidungsstücke der Mimen. Abschließend lässt sich aussagen, dass eine allgemeine Hygiene am gesamten Arbeitsplatz unerlässlich zur Verhütung von Krankheiten und zur Erhaltung und Festigung der Gesundheit ist (vgl. Klischies, Panther, Singbeil-Grischkat, 2008, S. 278).
4.3 Grenzen der Darstellung bei der Übung
Jede realistische Unfalldarstellung findet ihre Grenzen, wenn Situationen dargestellt werden sollen, welche die Darsteller physisch oder psychisch in Gefahr bringen. Wenn z. B. eine Verbrennung so dargestellt werden soll, dass dem Mimen ein Schaden zugefügt wird, ist diese Darstellung als grob fahrlässig einzustufen. Auch mit einem Szenario, das einem Stunt gleicht, bringt man den Darsteller in unnötige Gefahr. Von allergieauslösender Schminke geht ebenfalls eine gesundheitliche Gefährdung aus. Ein jeder Darsteller hat in seinem Leben positive und negative Dinge erlebt. Es sollte beim Szenario vermieden werden, dass durch das Mimen negative Erlebnisse im Darsteller wachgerufen werden. Diese Tatsache macht ein Vorhandensein von Ansprechpartnern für die Darsteller vor, während und nach der Übung unbedingt erforderlich.
Da es nicht möglich ist, jede Verletzung und jedes Szenario darzustellen, sollten die jeweiligen Ziele so formuliert werden, dass das Mögliche erreicht wird und das Unmögliche nicht als Mangel erscheint (vgl. Liebeknecht, 2006, www.jrk-kv-vs.de/fileadmin/Arbeitshilfen/Arbeitshilfe_ND.pdf, Abschnitt 1.6, S. 7).
[...]