Haushaltsrecht und Haushaltssystematik öffentlicher Haushalte
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Der öffentliche Gesamthaushalt - eine finanzwirtschaftliche Einheit
1.1 Rechtsgrundlagen
1.2 Haushaltsgrundsätze
1.3 Haushaltssystematik
2 Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern
2.1 Gesetzgebungskompetenzen
2.2 Verwaltungskompetenzen
3 Finanzierungslasten und ihre Verteilung
3.1 Grundsatz
3.2 Ausnahmen
4 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Thesaurus der Haushaltssystematik.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Der öffentliche Gesamthaushalt - eine finanzwirtschaftliche Einheit
„Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden.“[1]
Die bis 1969 geltende Reichshaushaltsordnung kannte bereits die preußischen Grundsätze einer bedarfsdeckenden und ordnungsmäßigen Haushaltswirtschaft des Staates. Die stetig steigenden öffentlichen Investitionen führten zu signifikantem Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und folglich auch zu Verwerfungen innerhalb der Reichshaushaltsordnung. Dies hatte zur Folge, dass sowohl mehljähriges koordiniertes Planen als auch neue Anforderungen an die Haushaltssystematik insbesondere zur Verbesserung der Transparenz von Bund und Länder gefordert wurden.
Mit der 1969 geschaffenen Haushaltsreform erfolgte eine einheitliche Rahmensetzung für das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder. Bestandteil dessen war die Neufassung der Haushalts- Verfassung der Artikel 109 GG bis 115 GG. Sowohl das für Bund und Länder geltende Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)[2] als auch die für den Bund allein geltende Bundeshaushaltsordnung (BHO) traten am 01. Januar 1970 in Kraft. Auf Länder- und Gemeindeebene erfolgt die im HGrG postuliere Gesetzgebungspflicht durch Erlass der jeweiligen Landes- bzw. Gemeindehaushaltsordnung.
Gemeinsam mit dem 1967 verabschiedeten Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) beinhaltete die Haushaltsreform evidente Neuerungen. Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht verpflichtet.[3] Dieses Gleichgewicht postuliert die Stabilität des Preisniveaus, einen hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei Stetigkeit und Angemessenheit des Wirtschaftswachstums.[4] Die Einnahmen aus Krediten dürfen der Summe der Investitionsausgaben des veranschlagten Haushaltsplans nicht überschreiten.[5] Ausnahmen hiervon waren zur Abwehr eines gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts.[6] Demzufolge legen Bund und Länder ihrer Haushaltswirtschaft eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde.[7]
Das Institut des Finanzplanungsrates hat die öffentlichen Gebietskörperschaften[8] zum Zwecke ihrer Finanzplanungskoordinierung zu beraten.[9] Dem Transparenzgebaren wurde durch Einführung des Fälligkeitsprinzips Rechnung getragen, wonach Ausgaben nur veranschlagt werden, die im Haushaltsjahr voraussichtlich fällig und kassenwirksam werden. Darüber hinaus gibt der Gruppierungsplan den ökonomischen Inhalt des Haushalts wieder und der Funktionsplan listet der Höhe nach einzelne öffentliche Aufgäbenerfullungen auf.[10]
In den Folgejahren wurde das Haushaltsrecht mehrfach verändert.[11] Das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Haushalts-Fortentwicklungsgesetz änderte die HGrG und das BHO mit dem Ziel, Ersparnisse durch flexible Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln durch die Dienststellen zu ermöglichen.
Mit dem 01. August 2009 hielt auf Grundlage der sogenannten Föderalismus II Reform eine Änderung der Finanzverfassung des Art. 109 und 115 GG Einzug. Durch das Postulat des Haushaltsausgleichs sind künftig sowohl die Bundes- als auch die Landeshaushalte materiell und formell auszugleichen - und zwar ohne Einnahmen aus Krediten.[12] Um dem Transparenzgebaren der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen und die öffentliche Verschuldung durchsichtiger zu gestalten, wurde nunmehr seit dem 01.01.2010 wahlweise das Instrument der kaufmännisch doppelten Buchführung (Doppik) auf Basis des Handelsgesetzbuches eingeführt, um insbesondere den oben genannten Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitgrundsätzen zu entsprechen.[13] Da jedoch das Handeln der Exekutive nicht in rechtsfireier Materie erfolgen darf, werden in Nachfolgenden die Legitimations- grundlagen der Haushaltspolitik benannt.
1.1 Rechtsgrundlagen
Die nachfolgenden Absätze sollen lediglich einen Überblick des materiellen und formellen Rechts- kleides des geltenden Haushaltsrechst wiedergeben, welches die Haushaltspolitik legitimiert.
Mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) aus dem Jahre 1967 wurde die herkömmliche Bedarfsdeckungsfunktion der öffentlichen Haushalte durch die gesamtwirtschaftliche Budgetfunktion abgelöst. So erfolgt eine Konkretisierung des in Art. 109 Absatz 2 GG genannten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts um das oben bereits angeführte in § 1 StWG benannte magische Viereck der Wirtschaftspolitik; Preisniveaustabilität[14], hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes stetiges Wachstum.
Die Artikel 109 bis 115 GG (Art. 110-115 GG für den Bundeshaushalt) enthalten neben zahlreichen anderen Fundstellen innerhalb der Verfassung Regelungen zum Haushaltsrecht und Haushaltsverfahrensrecht; Der Artikel 109 Abs. 1 GG entspricht i.V.m. dem Postulat des Bundesstaates[15] der Unabhängigkeit von Bund und Ländern (siehe öffentliche Gebietskörperschaften). Demnach ist die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern selbstständig und voneinander unabhängig.[16] Sie haben gemeinsam den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch Haushaltsdisziplin innerhalb ihrer Haushaltswirtschaft Rechnung zu tragen.[17] Der durch die Föderalismuskommission beschlossene neue Art. 109 Abs. 3 GG erfordert weitere Haushaltsdisziplinen der öffentlichen Gebietskörperschaften, denn deren Haushalte sind materiell und formell ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen - die sogenannte Schuldenbremse.[18] Inhaltlich bedeutet dies eine strukturelle (Ф konjunkturelle)[19] annualisierte Nettokreditaufnahme des Bundes (nicht der Länder)[20] von maximal 0,35% des BIP als strukturelle Komponente, welche nach Konkretisierung durch Art. 115 GG den Vorgaben des mittelfristig ausgeglichen Haushalts für den Bundeshaushalt noch entspricht.[21]
Diese Entpolitisierung der Haushaltspolitik und zugleich Verrechtlichung der politischen Souveränität tritt für den Bund ab 2016 und für die Länder 2020 zwingend in Kraft. Art. 143d Abs. 1 GG ordnet die Anwendung der Artikeländerungen des 109 und 115 GG ab dem Haushaltsjahr 2011 an, sieht jedoch für die öffentlichen Gebietskörperschaften Übergangsregelungen[22] und Konsolidierungshilfen[23] vor. Die Bundesregierung wird ermächtigt, bestimmte Aufgaben zu leisten, wenn der Haushalt nicht rechtzeitig verabschiedet wurde.[24] Über- und außerplanmäßige Ausgaben benötigen die Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), die nur bei unvorhersehbaren und unausweichlichen Gründen erteilt wird.[25] Darüber hinaus hat das BMF die Rechnungslegungspflicht über alle Einnahmen und Ausgaben sowie Vermögen und Schulden den Bundes.[26] Der Bundesrechnungshof prüft indes Rechnung, Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsund Wirtschaftsführung und bedarf demnach einer unabhängigen Rechnungsprüfungsbehörde.[27]
Der Gesetzgeber hat durch die Änderung des Art. 109 GG wie oben gezeigt nicht nur den Bundeshaushalt, sondern auch die Landes- und Gemeindehaushalte entpolitisiert. Dies gelang ihm, da sich aus dem Art. 109 Abs. 4 GG gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht ergeben. Genau auf dieser Grundlage erschließt sich das bereits oben erwähnte Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), welches seit 1969 in Kraft getreten ist. Haushaltsgrundsätze erheben den Anspruch auf Vollständigkeit und Einheitlichkeit des Haushalts. So verpflichtet es Bund und Länder, ihr Haushaltsrecht nach den Prinzipien bzw. Grundsätzen dieses Gesetztes zu regeln. Die ab §§ 49 ff. aufgestellten Vorschriften gelten unmittelbar und einheitlich für alle öffentlichen Gebietskörperschaften gleichzeitig.
Der Bund regelt sein Haushaltsrecht den in Kapitel 1.2 folgenden Grundsätzen nach durch die Bundeshaushaltsordnung (BHO), in der er seinen Verpflichtungen unter Zuhilfenahme ergänzender Verordnungen nachkommt. Simultan erfolgt dies auf Länder- und Gemeindeebene durch die jeweiligen Länder- und Gemeindehaushaltsordnungen (LHO; GemHO).[28]
[...]
[1] Kant (1977), A 313.
[2] Abgeleitet aus dem Art. 109 Absatz 4 GG.
[3] Vgl. Art. 109 Abs. 2 GG.
[4] Vgl. § 1 StWG; das sogannte magische Viereck der Wirtschaftspolitik.
[5] Vgl. Art. 115 GG.
[6] Vgl. Art. 115 Abs. 1 Satz 2,2. HS GG.
[7] Vgl. §50 HGrG.
[8] Art. 109 Abs. 1 GG postuliert das Unabhängigkeitsgebot der Länder, Gemeinden und des Bundes. Daraus lässt sich i.V.m. Art. 20 GG der Begriff der öffentlichen Gebietskörperschaft formen, der im weiteren Verlauf Verwendung findet. Demzufolge bezeichnet eine öffentliche Gebietskörperschaft jene Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Hoheitsgebiet durch einen räumlich begrenzten Teil des Staatsgebietes bestimmt wird - der Bund, die Länder und die Gemeinden.
[9] Vgl. §51 HGrG.
[10] Mehr hierzu in Kapitel 1.2.
[11] 1985 Bundesrechnungshofgesetz; 1990 und 1994 viertes und finîtes Gesetz zur Änderung des BHO.
[12] Vgl. Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 GG.
[13] Vgl. § 7a HGrG.
[14] Preisniveausstabilität erfährt durch vorrangigem Europarecht eine besondere Stellung, die sowohl durch Art. 88 S. 2 GG als auch Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Arti 127 AEUV gestärkt wird.
[15] Vgl. Art. 20 GG.
[16] Vgl. Art. 109 Abs. 1 GG.
[17] Vgl. Art. 109 Abs. 2 GG.
[18] Diese Vorgabe orientiert sich an der mittelfristigen Zielsetzung eines strukturell ausgeglichenen Haushalts des Stabilitäts- und Wachstumspakt der europäischen Union.
[19] Ausnahmen für Bund und Länder sind vorgesehen in keynesianischer antizyklischer Finanzpolitik bei symmetrischer, d.h. von der normalen Wirtschaftslage abweichender Konjunkturentwicklung; Zusätzlich bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen (Art. 109 Abs. 3 GG).
[20] Nettokreditaufiiahmen sind für Gemeinden und Länder gänzlich verboten. Aber auch hier treffen die Ausnahmen des Art. 109 Abs. 3 GG für Naturkatastrophen zu. Die Länder haben im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenz die nähere Ausgestaltung zu regeln (siehe Kapitel 2.1).
[21] Der Art. 115 GG und ein Ausgleichsgesetz konkretisieren die Kreditaufnahme des Bundes. Demnach wird der Negativsaldo bei Abweichung von der nach Art. 109 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 115 Abs. 2 GG vorgeschriebenen 0,35% des BIP auf einem Kontrollkonto erfasst. Hier sind maximal 1,5% des BIP zulässig, wobei bereits nach Überschreitung von 1% das Kontrollkonto konjunkturgerecht (d.h. unter Normallage und antizyklisch) ausgeglichen wird.
[22] Gemäß Art. 143d Abs. 1 GG hat die Regierung beispielsweise ab dem Haushaltsjahr 2011 das bestehende Defizit abzubauen.
[23] Gemäß Art. 143d Abs. 2 GG erhalten die fünf stark defizitäre Bundesländer i.S.e Transferunion finanzielle Unterstützungen (Konsolidierungshilfen) zur Erreichung der Art. 109 Abs. 3 GG-Vorgaben.
[24] Die sogenannte vorläufige Haushaltsführung nach Art. 111 GG
[25] Vgl. Art. 112 GG; Zur Außerplanmäßigkeit und Überplanmäßigkeit sowie Unvorhersehbarkeit und Unausweichlichkeit Probst/Hinz (2005), S. 2; Für das Haushaltsjahr 2012 entspricht die Summe 5.000.000 €, geregelt im § 4 HG 2012.
[26] Vgl. Art. 114 Abs. 1 GG.
[27] Vgl. Art. 114 Abs. 2 GG.
[28] Vgl. § 1 HGrG.