Das Thema "Glück" als Gegenstand des Sachunterrichts in der Grundschule
Im Spiegel der Didaktischen Rekonstruktion
Zusammenfassung
Als angehende Grundschullehrerin interessiert mich diesbezüglich besonders die Frage, was das deutsche Bildungssystem leisten kann, um genau diese Wege für Kinder leichter auffindbar zu machen, weshalb ich dieser Arbeit die Frage zugrunde lege, in welcher Form der Sachunterricht der Grundschule die Schüler dabei unterstützen kann, sich zu glücklichen und lebenskompetenten Individuen zu entwickeln.
Die Voraussetzungen, Lerngegenstände zwischen Wissenschaft und Lebenswelt zu rekonstruieren, bietet das Modell der Didaktischen Rekonstruktion, welches drei unterschiedliche Anforderungen an die Lehrperson stellt, denen hinsichtlich der Planung konkreten Fachunterrichts zu einem Thema nachgekommen werden sollte (vgl. Gropengießer/ Kattmann 2009, S. 159- 160).
Anschließend wird in Form des zweiten Hauptabschnitts der Arbeit die Lernerperspektive auf den Lerngegenstand näher erläutert, welche aufgrund der von mir durchgeführten empirischen Erhebung zu Glückskonzepten von Grundschulkindern herausgestellt werden konnte. Aufgrund dieser Ergebnisse folgt im Anschluss eine Analyse, an welchen Stellen das kindliche mit dem fachlichen Verständnis verknüpft und inwieweit es weiterentwickelt werden kann.
In Form des dritten und letzten Abschnitts werden sodann, ausgehend von den Erkenntnissen aus den beiden zuvor dargestellten Schritten, Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine didaktische Strukturierung des Lerngegenstands aussehen könnte, um das Lebensglück der Grundschüler durch die Thematisierung innerhalb des Unterrichts entsprechend fördern zu können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Fachliche Klärung
2.1 Glück im fachwissenschaftlichen Diskurs
2.1.1 Der Begriff des Glücks – eine Arbeitsdefinition
2.1.2 Philosophische Glückskonzepte von der Antike bis zur Gegenwart
2.1.2.1 Antike
2.1.2.2 Mittelalter
2.1.2.3 Neuzeit
2.1.2.4 Gegenwärtiges Glücksverständnis
2.1.3 Glücksfaktoren – Das Glück aus der Sicht der heutigen Wissenschaft
2.1.3.1 Luxus und Wohlstand
2.1.3.2 Soziale Kontakte
2.1.3.3 Die Aktivitätstheorie
2.1.3.4 Der Zustand des ,Flowsʼ
2.1.4 Positive Effekte des Glückserlebens
2.2 Glück im pädagogischen Diskurs
2.2.1 Der Glücksbegriff als pädagogische Kategorie im historischen Wandel
2.2.2 Argumente gegen die Erhebung des Glücks zu einer pädagogischen Kategorie
2.2.2.1 Die inhaltliche Unbestimmtheit des Glücksbegriffs
2.2.2.2 Zwangsbeglückung
2.2.2.3 Höhere Priorität andere Erziehungsziele
2.2.3 Pädagogische Legitimation der Erziehung zum Glück
2.3 Gegenwärtiger Forschungsstand zum Thema Kindheitsglück
3 Empirische Untersuchung
3.1 Relevanz des Forschens zu Kindervorstellungen im Kontext qualitativer Forschung
3.2 Darstellung und Reflexion der Erhebungsmethodik
3.2.1 Vorstellungen von Kindern als Forschungsobjekt
3.2.2 Halbstandardisiert- episodisches Einzelinterview
3.2.3 Vorstellung der Untersuchungsgruppe
3.2.4 Durchführung der Einzelinterviews
3.3 Darstellung und Reflexion der Auswertungsmethodik
3.3.1 Qualitativ- inhaltsanalytisches Auswertungs- und Analyseverfahren
3.3.2 Verschriftlichung der Interviews
3.3.3 Redigierung: Inhaltliche Überarbeitung der Transkripte
3.3.4 Kodierung
3.4 Gütekriterien qualitativer Forschung
4 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
4.1 Darstellung und Auswertung der Kategorie „Subjektive Glücksmomente/ Subjektive Glückskonzepte“
4.2 Darstellung und Auswertung der Kategorie „Körperliche Reaktionen auf das Glücksempfinden“
4.3 Darstellung und Auswertung der Kategorie „Subjektive Unglücksmomente“
4.4 Darstellung und Auswertung der Kategorie „Zukünftiges Glück“
4.5 Darstellung und Auswertung der Kategorie „Komplexität und subjektive Interpretierbarkeit des Glücksbegriffs“
5 Didaktische Strukturierung
5.1 Den Glücksbegriff im Rahmen des Philosophierens erschließen
5.2 Förderung sozialer Kompetenz
5.3 Förderung emotionaler Kompetenz
5.3.1 Wetterbericht
5.3.2 Hugo - das traurige Gespenst
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Über das menschliche Existenzial Glück ist schon immer viel nachgedacht und geschrieben worden. Jeder möchte glücklich sein und allein die Tatsache, dass man auf dem gegenwärtigen Büchermarkt eine Vielzahl an Ratgebern für ein glückliches und gelingendes Leben findet, lässt darauf schließen, dass die Frage nach dem Weg in ein solches Leben aktueller denn je erscheint.
Ein Grund dafür liegt in der Entwicklung der westlichen Welt, die eine unbegrenzte Vielfalt an Lebenskonzepten hervorgebracht hat und die Menschen aufgrund dessen immer mehr nach Orientierung suchen lässt, um ihren Platz in der Welt zu finden, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage nach einem glücklichen und sinnerfüllten Leben eine zunehmend wichtigere Rolle spielt.
Doch was zeichnet ein glückliches Leben aus? Hinsichtlich einer Antwort auf diese Frage gehen die Meinungen weit auseinander. Während einerseits behauptet wird, die subjektive Interpretierbarkeit des Glücksbegriffs indiziere, dass es kein Patentrezept für ein glückliches und sinnerfülltes Leben gibt und aufgrund dessen jeder seinen eigenen Weg zu seinem persönlichen Lebensglück finden müsse, so sind andere davon überzeugt, dass man Glück in Form von Lebenskompetenz erlernen kann.
Diesbezüglich geht es vor allem darum, welche Kompetenzen entwickelt und gefördert werden müssen, um Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sich der Mensch zu einem glücklichen und zufriedenen Individuum entwickeln kann.
Vor dem Hintergrund der heutigen Gesellschaftstrukturen, die, wie bereits dargestellt, durch Individualisierung und Pluralisierung gekennzeichnet sind, fordert Hans Braun sogar, das Glück zu einer „öffentlichen Aufgabe zu machen“ (Braun 2002, S. 44) und es im Zuge dessen auch in die Regelschulen zu integrieren.
Auch Ernst Fritz- Schubert, Schulleiter der Willy- Hellpach- Schule in Heidelberg und Begründer des Schulfaches Glück, spricht sich ebenfalls dafür aus, Schüler1 nicht nur fachlich zu qualifizieren sondern vor allem “wieder Bildung im ursprünglichen Sinn zu vermitteln“ (http://www.spiegel.de), wozu es seiner Meinung nach auch gehöre, den Kindern Wege in ein glückliches, sinnerfülltes und zufriedenes Leben aufzuzeigen.
Als angehende Grundschullehrerin interessiert mich diesbezüglich besonders die Frage, was das deutsche Bildungssystem leisten kann, um genau diese Wege für Kinder leichter auffindbar zu machen, weshalb ich dieser Arbeit die Frage zugrunde lege, in welcher Form der Sachunterricht der Grundschule die Schüler dabei unterstützen kann, sich zu glücklichen und lebenskompetenten Individuen zu entwickeln.
Die Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage wird innerhalb dieser Arbeit vor dem Hintergrund der Didaktischen Rekonstruktion vollzogen, die sich auf die Erkenntnis stützt, dass verständnisvolles und bedeutsames Lernen in erster Linie durch grundsätzliche Lerninhalte und deren lebensweltliche Bezüge erzeugt wird. Diese Bezüge sind hinsichtlich der Verbindung zwischen fachspezifischem und fächerübergreifendem Wissen von großer Bedeutung, da beide Wissensbereiche nicht vollkommen voneinander getrennt gelehrt werden sollten (vgl. Kattmann 2007, S. 93- 94).
Die Voraussetzungen, Lerngegenstände zwischen Wissenschaft und Lebenswelt zu rekonstruieren, bietet das Modell der Didaktischen Rekonstruktion, welches drei unterschiedliche Anforderungen an die Lehrperson stellt, denen hinsichtlich der Planung konkreten Fachunterrichts zu einem Thema nachgekommen werden sollte (vgl. Gropengießer/ Kattmann 2009, S. 159- 160).
Die erste Bedingung, die das Modell an die Planung von Unterricht knüpft, besteht in der ,Fachlichen Klärungʼ, im Rahmen derer eine kritische und systematische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Methoden, Theorien und Definitionen bezüglich des Lerngegenstandes erfolgt, um aus diesen wiederum Lerninhalte auszuwählen und in pädagogischer Zielsetzung didaktisch zu rekonstruieren (vgl. ebd., S. 161- 162).
Da Lernen aber vor allem auch davon abhängt, „über welche Kenntnisse, Fertigkeiten, Verständnisse und Kompetenzen ein Lernender bereits verfügt“ (ebd., S. 162), bedingt die Auswahl von Lerninhalten zudem die ,Erfassung der Lernerperspektiveʼ, die den zweiten Schritt der Didaktischen Rekonstruktion darstellt. Diese umfasst die empirische Untersuchung von individuellen Vorstellungen, Einstellungen und Interessen der Lernenden, wodurch ausgemacht werden kann, an welchem kindlichen Vorwissen der Lehrende anknüpfen kann (vgl. ebd., S. 162).
Den letzten Schritt des Modells stellt die ,Didaktische Strukturierungʼ dar, im Rahmen derer die „grundsätzlichen und verallgemeinerbaren Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen für den Unterricht“ (Kattmann 2007, S. 96) im Rückgriff auf die Ergebnisse der Fachlichen Klärung und der Lernpotenzialanalyse getroffen werden (vgl. Gropengießer/ Kattmann 2009, S. 163).
Wie bereits erwähnt, ist entsprechend dem Modell der Didaktischen Rekonstruktion auch der Aufbau der vorliegenden Arbeit konzipiert. Bezogen auf den Lerngegenstand Glück erfolgt zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Theorien und Definitionen innerhalb des fachwissenschaftlichen sowie des pädagogischen Diskurses.
Anschließend wird in Form des zweiten Hauptabschnitts der Arbeit die Lernerperspektive auf den Lerngegenstand näher erläutert, welche aufgrund der von mir
durchgeführten empirischen Erhebung zu Glückskonzepten von Grundschulkindern herausgestellt werden konnte. Aufgrund dieser Ergebnisse folgt im Anschluss eine Analyse, an welchen Stellen das kindliche mit dem fachlichen Verständnis verknüpft und inwieweit es weiterentwickelt werden kann.
In Form des dritten und letzten Abschnitts werden sodann, ausgehend von den Erkenntnissen aus den beiden zuvor dargestellten Schritten, Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine didaktische Strukturierung des Lerngegenstands aussehen könnte, um das Lebensglück der Grundschüler durch die Thematisierung innerhalb des Unterrichts entsprechend fördern zu können.
2 Fachliche Klärung
Da die Glücksvorstellungen und – erfahrungen der befragten Grundschüler trotz aller Individualität und Subjektivität auch immer in einen historischen, sozialen, psychologischen und materiellen Kontext eingebettet sind, soll dem empirischen Teil meiner Bachelorarbeit eine fachliche Klärung vor dem Hintergrund des fachwissenschaftlichen sowie des pädagogischen Diskurses hinsichtlich des Lerngegenstands Glück vorangehen.
2.1 Glück im fachwissenschaftlichen Diskurs
2.1.1 Der Begriff des Glücks – eine Arbeitsdefinition
Dem Begriff des Glücks werden im Allgemeinen zwei unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben – zum einen die Bedeutung des kurzweiligen und vom Menschen nicht beeinflussbaren Zufallsglücks und zum anderen die Bedeutung des Lebensglücks im Sinne eines subjektiven Wohlbefindens.
Während in anderen Sprachen die beiden unterschiedlichen Bedeutungen des Glücksbegriffs durch jeweils ein eigenständiges Wort unterschieden werden (im Englischen wird eindeutig zwischen ,luckʼ und ,happinessʼ, im Französischen zwischen ,bonne chanceʼ und ,bonheurʼ unterschieden), existiert in der deutschen Sprache für beide Bedeutungen lediglich ein einziges Wort. Eine inhaltliche Differenzierung ist im Deutschen nur unter der Verwendung von Hilfsverben möglich: das Zufallsglück wird mit ,Glück habenʼ, das Lebensglück mit ,glücklich seinʼ beschrieben (vgl. Bucher 2001, S. 26).
Das Glück, welches die vorliegende Arbeit zum Gegenstand hat, ist ausschließlich im Sinne von Lebensglück zu verstehen, wobei es insbesondere um die Formen des Lebensglücks und des Glücksempfindens von Grundschulkindern geht.
Das Lebensglück soll dabei vorrangig als Zustand einer subjektiven Grundzufriedenheit verstanden werden, die jemanden in einen glücklichen Zustand versetzen und zugleich die Basis für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Glückserlebens darstellen kann.
Wie schwer jedoch der Glücksbegriff im Sinne von ,glücklich seinʼ zu definieren ist, zeigt allein die Tatsache, dass der Begriff in den meisten Lexika nicht verzeichnet ist.
Eine mögliche Begründung für diese Abstinenz liefert das ,Handbuch psychologischer Grundbegriffeʼ. Unter dem Schlagwort ,Gefühleʼ, zu denen ,glücklich seinʼ immerhin gehört, steht dort geschrieben: „Gefühle sind Erlebens- bzw. Verhaltenskategorien, für die es keine allgemein verbindlichen Definitionen gibt.“ (Debus 1977, S. 155)
Das Glück ist also in erster Linie durch ein individuelles und subjektives Empfinden gekennzeichnet, welches eine objektive Verallgemeinerung dieses Begriffs nahezu unmöglich macht. Die Subjektivität des Glücksbegriffs unterstreicht auch Hans Braun in seinem Artikel ,Empirische Glücksforschung. Ein schwieriges Unterfangenʼ, indem er konstatiert: „Glück ist das, was Menschen sich darunter vorstellen.“ (Braun 2002, S. 48)
Aufgrund der Individualität und Subjektivität des Glücksbegriffs scheint es zunächst unmöglich zu sein, den Lerngegenstand Glück innerhalb des Grundschulunterrichts zu thematisieren.
An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass es sich bei dem Begriff des Glücks im Sinne der vorliegenden Arbeit nicht um die Zielbestimmung einer allgemeinen Erziehungswissenschaft handelt, sondern um das Glück als eine Art Lebenskompetenz im Sinne von persönlicher Zufriedenheit, Wohlbefinden, Selbstsicherheit, Selbstverantwortung und sozialer Verantwortung, zu dessen Befähigung oder Erwerb der Unterricht in der Grundschule beitragen soll.
2.1.2 Philosophische Glückskonzepte von der Antike bis zur Gegenwart
2.1.2.1 Antike
Beginnen möchte ich meinen Überblick in der sog. ,Klassischen Periode der griechischen Philosophieʼ, die sich über das fünfte und vierte Jahrhundert vor Christus erstreckt und deren führende Vertreter Platon und sein Schüler Aristoteles sind, die sich beide der philosophischen Lehre des Eudämonismus verschrieben haben, in der das Glück das Motiv allen menschlichen Strebens darstellt (vgl. Horn 2011, S. 120).
Platon (427– 347 v. Chr.) zu Folge entspringt die Glückseligkeit „aus einer angemessenen seelischen Verfassung des Menschen“ (ebd., S. 118), für die vor allem eine sittliche Lebensweise als fundamental angesehen wird.
Demnach kann also nur derjenige glückselig werden, der ,wohl lebtʼ und sein Handeln an den Maßstäben der Gerechtigkeit und Besonnenheit ausrichtet. Platon führt dazu das Beispiel an, dass im Wirken für andere das Glück für einen selbst entstehen kann. Den Lohn für das gerechte Handeln sieht er hierbei nicht in einer äußeren Anerkennung, sondern vor allem in der Entwicklung von seelischer Harmonie, die negativen, äußeren Umständen entgegengesetzt werden kann (vgl. ebd., S 118- 119).
Der Zustand der ,eudaimoniaʼ, was soviel wie ,Glückseligkeitʼ bedeutet, ergibt sich für Platon also aus dem ,rechten Strebenʼ, wobei dieser Zustand gleichzeitig auch als sein höchstes Ziel angesehen wird (vgl. ebd., S. 120).
Platons Schüler Aristoteles (384- 322 v. Chr.) definiert den Zustand der ,eudaimoniaʼ sogar noch tiefer gehender.
Wie auch für seinen Lehrmeister Platon ist für Aristoteles das Glück das „höchste Gut“ sowie das „Endziel allen menschlichen Handelns“ (Blum/ Rupp 1992, S. 25), wobei die besondere Stellung des Glücks für Aristoteles darin besteht, dass es seiner Ansicht nach das einzige Gut ist, das die Menschen lediglich um ihrer selbst Willen verfolgen (vgl. Horn 2011, S. 122).
Im Gegensatz zu Platon verbindet er das Glück nicht ausschließlich mit einem gerechten Verhalten. Vielmehr liegt für Aristoteles das Glück in der Vernunft und in der Tüchtigkeit des Menschen begründet. ,Eudaimoniaʼ ist für ihn „die tätige Verwirklichung der Seele mit Vernunft, und dies auf einem hohen Level der Tüchtigkeit.“ (Forschner 1994, S. 11) Glück ist für den Philosophen somit kein Besitz und auch kein Zustand, sondern etwas, das aktiv erreicht werden muss.
Vor allem die geistige Tätigkeit ist für Aristoteles der Schlüssel zum einem glücklichen und erfüllten Leben, da für ihn ein dem Denken und der Theorie gewidmetes Leben dem Leben Gottes nahe kommt, welches er zuhöchst als ,eudaimonʼ bezeichnet (vgl. ebd., S. 16).
Eine weitere philosophische Lehre der Antike stellt der Hedonismus dar, der das Glück noch über die Tugend stellt und den Begriff der Glückseligkeit in erster Linie mit Lebensgenuss und Lust verbindet.
Einer der bedeutendsten Vertreter dieser Strömung ist Epikur (341- 270 v. Chr.), in dessen Glückskonzept das Lustmotiv ebenfalls eine wesentliche Rolle spielt, wobei er den Begriff der Lust, die sog. Ataraxie, als „seelisch- geistige Unerschütterlichkeit und Heiterkeit“ (vgl. ebd., S. 35) definiert, deren Ursprung in der „genussvolle[n] Wahrnehmung der kleinen Schönheiten, [den] Freuden der Sinne und [denen] der Erkenntnis“ (Winterswyl 1995, S. 122) liegt.
2.1.2.2 Mittelalter
Zum Ende der Antike bzw. zu Beginn des Mittelalters verlieren die römischen und griechischen Stadtstaaten zunehmend an Bedeutung, gleichzeitig schreitet die Christianisierung Europas voran, was zur Folge hat, dass das mittelalterliche Glücksverständnis überwiegend durch die Theologie beeinflusst ist.
Neben der Bibel stellen zu dieser Zeit die Schriften des späteren Bischofs Aurelius Augustinus (354- 430) eine der wichtigsten Quellen dar, in denen das Thema Glück problematisiert wird (vgl. Ritter 1974, S. 691).
Augustinus definiert das glückselige Leben zum einen als ein „Leben in der Gemeinschaft“ (Blum/ Rupp 1992, S. 67) und zum anderen als die Freude an Gott und durch Gott, wobei der Mensch die wahre und ewige Glückseligkeit erst nach dem Tod erlangen kann (vgl. Mayring 1991, S. 24).
Aufgrund des Untergangs des römischen Reiches kamen wissenschaftliche Betätigungen fast komplett zum Erliegen, wodurch auch die philosophischen Schriften der Griechen im lateinischen Abendland in den Hintergrund gerieten und erst wieder im 13. Jahrhundert, in Form der ,neuesten Philosophieʼ, die sich hauptsächlich auf Aristoteles berief, wieder entdeckt wurden (vgl. Blum/ Rupp 1992, S. 77- 78).
Ein Anhänger dieser ,neuesten Philosophieʼ war der Priester und Prediger Thomas von Aquin (1224- 1274), dessen Glücksbegriff vor allem religiös geprägt ist.
Genau wie bei Aristoteles gilt für ihn die Glückseligkeit als das Ziel aller Sehnsucht. Wenngleich bei Aristoteles die vollkommene Glückseligkeit jedoch auch auf Erden erlangt werden kann, so ist diese Erfüllung bei Thomas von Aquin nur im Jenseits möglich.
Ihm zu Folge kann das Glück, wenn auch nur in unvollständiger Weise, zwar auch im Diesseits erlangt werden, es besteht jedoch keinesfalls ein Anspruch darauf, da das Glück als göttliche Gnade angesehen wird (vgl. Mayring 1991, S. 24).
2.1.2.3 Neuzeit
Mit dem 18. Jahrhundert wird das Zeitalter der industriellen, politischen sowie geistigen Revolution eingeleitet, in welchem das Glück als Menschenrecht deklariert wird und dessen Vorstellungen wieder mehr vom Jenseits ins Diesseits rücken (vgl. Mayring 1991, S. 22).
Immanuel Kant (1724- 1804), der Begründer der geistigen Revolution, betrachtet den Zustand der vollkommenen Glückseligkeit als eine Art Utopie, da das ideelle Glück für ihn in der vollständigen und dauerhaften Erfüllung aller Wünsche und Phantasien besteht, an welches sich das reale Glück des Individuums lediglich annähern kann.
Zudem ist der Glücksbegriff für Kant vorrangig durch subjektive Erfahrungen des Einzelnen geprägt, weshalb er den Begriff des Glücks als unbestimmbar definiert und aufgrund dessen davon Abstand nimmt, allgemein bestimmen zu können, welche Handlungsprinzipien die Glückseligkeit eines vernünftigen Individuums befördern können (vgl. Kaiser 1986, S. 14- 15).
Im 20. Jahrhundert wird das Phänomen Glück nicht mehr nur aus der philosophischen oder theologischen Perspektive betrachtet, sondern insbesondere auch aus dem psychologischen Blickwinkel.
Das Glückskonzept des Psychoanalytikers Sigmund Freud (1856- 1939) kann grundsätzlich als eine Hinwendung zum Eudämonismus angesehen werden, da auch er davon überzeugt ist, dass die Menschen stets nach Glück streben, auch wenn er den Glückszustand an sich nicht als höchstes Ziel des menschlichen Lebens betrachtet, da seiner Meinung nach „die Absicht, daß [sic!] der Mensch glücklich sei, [nicht] im Plan der Schöpfung enthalten [ist].“ (Vollmann 2011, S. 278)
Freud setzt den Begriff des Glücks vor allem mit der Befriedigung und dem Erleben starker Lustgefühle in Verbindung, weshalb Glück für ihn lediglich ein episodisches und zeitlich begrenztes Phänomen darstellt. Nach seiner Auffassung ist die Aussicht auf dauerhaftes Glück also sehr gering und die reale Glücksfähigkeit des Menschen sehr begrenzt, weshalb der Glücksanspruch des Individuums in erster Linie in der Vermeidung von Unglück liegt (vgl. Kaiser 1986, S. 15- 16).
2.1.2.4 Gegenwärtiges Glücksverständnis
Philipp Mayring (vgl. Mayring 1991, S. 9- 10) stellt in seinem Buch ,Psychologie des Glücksʼ fünf ideologische Tendenzen dar, die einer Art Bestandsaufnahme gleichkommen, wie es um das Glück in der heutigen Zeit bestellt ist.
Die erste ideologische Tendenz, von der das gegenwärtige Verständnis von Glück durchsetzt ist, besteht für Mayring in der Abwertung des Glücks, da aufgrund einer veränderten Werteorientierung innerhalb der Gesellschaft dem Streben nach Zielen wie Wohlstand oder Macht immer mehr Bedeutung zugemessen, und das Streben nach Glück dadurch zunehmend abgewertet oder sogar verdrängt wird.
Die zweite Tendenz stellt die Privatisierung von Glück dar, indem das verbleibende, restliche Streben nach Glück in das familiäre Umfeld verlagert und somit privatisiert wird. Die Verantwortung für das Glück wird also von der Gesellschaft abgegeben und vermehrt den Individuen zugeschrieben, welches für Mayring die dritte Tendenz – die Individualisierung von Glück – darstellt.
Als vierte Tendenz nennt Mayring die Kommerzialisierung von Glück, wobei insbesondere der Markt die Sehnsucht nach dem Glück geschickt ausnutzt.
Die letzte Tendenz besteht in der Mystifizierung des Glück, indem es in der heutigen Zeit als etwas nicht Greifbares dargestellt wird.
2.1.3 Glücksfaktoren – Das Glück aus der Sicht der heutigen Wissenschaft
In ihrem Buch ,Pädagogik des Glücksʼ vertreten die Erziehungswissenschaftlerin Irit Wyrobnik und der Pädagoge Joachim Münch (vgl. Wyrobnik/ Münch 2010, S. 147ff) die Auffassung, dass der Mensch das Glück nicht einfach herstellen aber es sehr wohl ermöglichen, erkennen und fördern kann, wobei sie sich auf verschiedene Faktoren berufen, die für ein glückliches Leben als besonders bedeutsam angesehen werden.
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis werden im Folgenden diejenigen Glücksfaktoren näher erläutert, die einen Bezug auf die von mir erhobenen kindlichen Vorstellungen von ,Glückʼ aufweisen.
2.1.3.1 Luxus und Wohlstand
Innerhalb dieses Kapitels soll das Glückskonzept des Soziologen Werner Sombart (1863- 1941) näher betrachtet werden, der sich verstärkt mit den Auswirkungen des Kapitalismus auf die Gesellschaft beschäftigte und für den Geld und materieller Wohlstand zur damaligen Zeit einen ganz neuen Aspekt darstellten, der das Leben der Menschen zunehmend beeinflusst (vgl. ebd., S. 252).
Während das Glücksstreben der Menschen bisher durch Fleiß und Sparsamkeit gekennzeichnet war, beobachtet Sombart fortschreitende Veränderungsprozesse innerhalb der Gesellschaft, die insbesondere dadurch charakterisiert sind, dass das Bürgertum vermehrt zu Konsum und Luxus neigt und dadurch „immer breitere Schichten der Bevölkerung von der Sehnsucht nach materiellem Wohlstand ergriffen werden.“ (Sombart 1902, S. 294; zit. n. Barboza 2011, S. 252)
Vor diesem Hintergrund liegt das Glück der Gesellschaft für Sombart in der stetigen Verbesserung des materiellen Wohlstands, da den Menschen nicht mehr der Stolz über das gesparte Geld beglückt, sondern die Umsetzung des Geldes in Konsumgüter (vgl. Barboza 2011, S. 252).
Die Anhäufung von Geld und der damit verbundene Konsum stellten für Sombart bereits zur damaligen Zeit bedeutende Faktoren für das Glück des Menschen dar, an deren Tatsache sich - trotz einer Erweiterung des Glücksbegriffs bis in die heutige Zeit hinein - nicht viel geändert hat.
2.1.3.2 Soziale Kontakte
Worüber sich nahezu alle Philosophen und Glücksforscher einig sind, ist die Tatsache, dass Freundschaften für den Menschen einen bedeutenden, glücksbedingenden Faktor darstellen (vgl. Wyrobnik/ Münch 2010, S. 151).
Gemeinsam mit Freunden teilt man Geheimnisse, Freuden, Ängste, Sorgen und Hoffnungen, man durchlebt schöne Momente und wird in schlechten von ihnen aufgefangen.
Wichtig ist dabei jedoch, dass Freundschaften nicht mit dem Ziel eines bestimmten äußeren Nutzens eingegangen werden, sondern sich durch „ein uneigennütziges Geben und Nehmen“ (ebd., S. 152) auszeichnen und auf Vertrauen, Toleranz, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit aufbauen. Erwartet man diese Attribute von einem Freund, so muss man ihm diese selbst entgegenbringen, wodurch man vor allem auch in emotionaler Hinsicht profitiert (vgl. ebd.).
2.1.3.3 Die Aktivitätstheorie
Die Aktivitätstheorie besagt, „dass nur derjenige Mensch glücklich und zufrieden ist, der aktiv ist [und] etwas leisten kann […]“ (ebd., S. 155), da der Mensch sonst an Langeweile leidet, welche das Lebensglück wiederum negativ beeinflusst.
Grundsätzlich sollte also Langeweile durch Tätigsein vermieden werden, wobei sich nach der Aktivitätstheorie nicht jede Tätigkeit förderlich auf das menschliche Glück auswirkt, sondern nur diejenige, die einem sinnvoll und lohnenswert erscheint.
Das Ausüben einer Tätigkeit, die eine erfüllende Abwechslung zu monotonen alltäglichen Pflichten darstellt, trägt also in entschiedenem Maße zur Verstärkung des eigenen Glückspotenzials bei (vgl. ebd. S. 157).
2.1.3.4 Der Zustand des ,Flowsʼ
In enger Verbindung zu der zuvor dargestellten Aktivitätstheorie, nach welcher der Mensch durch das Ausüben einer für ihn sinnvollen Tätigkeit in hohem Maße zu seinem eigenen Glück beiträgt, steht der Zustand des ,flowsʼ, der für den ungarischen Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi einen Teilaspekt des menschlichen Glücks verkörpert.
Ihm zufolge handelt es sich beim sog. ,flowʼ um einen Zustand, „bei dem man in eine Tätigkeit so vertieft ist, dass nichts anderes eine Rolle zu spielen scheint“ (Csikszentmihalyi 1993, S. 70), wobei sich dieser Zustand dann einstellt, wenn man eine Tätigkeit nicht hinsichtlich eines Resultats sondern lediglich um ihrer selbst Willen ausübt.
Der Psychologe lehnt sich damit an das von Aristoteles vertretene Glückskonzept an, bei dem das aktive Tun eine der wichtigsten Komponenten des Glücks darstellt und weil sich das Glück bei Aristoteles ebenso wie der ,flowʼ bei Csikszentmihalyi ein Selbstzweck ist (vgl. ebd., S. 13).
Der Eintritt des flow- Zustands ist dabei von der Art der Tätigkeit unabhängig, da er sich sowohl bei besonders angenehmen und sinnerfüllenden Tätigkeiten als auch bei alltäglichen Routinearbeiten einstellen kann. Begünstigt wird er „wenn wir ein Gleichgewicht zwischen Handlungsmöglichkeiten einerseits und unseren Fähigkeiten andererseits wahrnehmen.“ (Csikszentmihalyi 1996, S. 76)
Csikszentmihalyi betont außerdem, dass das Erreichen des flow- Zustands nicht nur Erwachsenen vorbehalten ist, sondern insbesondere Kinder, vor allem in Form des Spiels, „mit der Unvermeidlichkeit eines Naturgesetzes“ (ebd., S. 227) flow- Situationen instinktiv aufsuchen.
2.1.4 Positive Effekte des Glückserlebens
Die positiven Effekte des Glückserlebens betreffend, bezieht Bucher (vgl. Bucher 2001, S. 241- 243) sich auf zahlreiche Studien, die unterschiedliche Auswirkungen des Glückserlebens untersuchten, von denen einige Ergebnisse kurz dargelegt werden sollen.
Als interessant erachte ich zunächst die Forschungsergebnisse von Bierhoff (vgl. Bierhoff 1988; n. Bucher 2001, S. 241), der herausfand, dass glückliche Menschen eher bereit sind, altruistisch zu handeln, da besonders die Ausbildung sozialer Kompetenzen bzw. soziales Verhalten als pädagogisch wünschenswert eingestuft werden kann.
Eine andere Studie fand hingegen heraus, dass das Glückserleben positive Effekte auf die allgemeine Gedächtnisleistung zeigt (vgl. Schmidt- Atzert 1996, S. 197- 205; n. Bucher 2001, S. 242). Zudem stärkt das Glücksempfinden das Selbstvertrauen sowie das Selbstwertgefühl (Csikszentmihalyi 1996, S. 234; n. Bucher 2011, S. 242) und wirkt sich außerdem förderlich auf die Gesundheit aus (vgl. Kaiser 1986/ Diebschlag 1991; n. Bucher 2001, S. 242).
Die soeben aufgezählten Forschungsergebnisse stellen nur einige von vielen Indizien dar, dass die Effekte des Glückserlebens positive und wünschenswerte Auswirkungen nach sich ziehen und liefern damit weitere Gründe, innerhalb der Pädagogik glücksförderliche Situationen zu schaffen.
2.2 Glück im pädagogischen Diskurs
2.2.1 Der Glücksbegriff als pädagogische Kategorie im historischen Wandel
Das Thema Glück stellt als pädagogische Kategorie keinesfalls eine neuartige Tendenz der heutigen Zeit dar. Neben den sich auf die Philosophie der Antike berufenden Ansätze des Eudämonismus (vgl. Kapitel 2.1.2.1 ), forderte insbesondere Rousseau, „dass das Kind auf jeder Entwicklungsstufe glücklich sein solle.“ (Mayring 1991, S. 176)
Was den historischen Wandel des Glücksbegriffs in Form einer pädagogische Kategorien betrifft, werden insgesamt vier Phasen unterschieden.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts sprach sich die Pädagogik der deutschen Aufklärung zwar für das Glück als Erziehungsziel aus, brachte es jedoch in erster Linie mit dem Erwachsenenalter in Verbindung, indem man die Glückseligkeit als eine Art Folge einer veränderten Grundeinstellung zur Welt, die durch eine entsprechende Erziehung in Kindheit und Jugend vorbereitet wurde, ansah.
Das preußische Erziehungskonzept kritisierte hingegen Glück als pädagogisches Ziel, da Schule und Erziehung nach dem damaligen Verständnis vor allem beschwerlich sein musste.
Die Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellt Glück als pädagogische Kategorie wieder in den Vordergrund und erachtet seine Verwirklichung bereits im Jugendalter als möglich. Eines der obersten Gebote bestand zu dieser Zeit darin, dass in der Schule statt eines starren Erziehungsystems vor allem Glück herrschen soll.
Diese Form des Erziehungskonzeptes konnte sich bis zur heutigen Zeit jedoch nicht durchsetzen, sodass die Glücksthematik, insbesondere in den letzten Jahren, immer mehr in den Hintergrund geriet, da Erziehung heutzutage vordergründig als Ausbildung definiert wird (vgl. Rülker 1971, S. 161- 178).
Die Pädagogik behandelte die Glücksthematik insbesondere in den letzten 20 Jahren jedoch nicht nur marginal, sie entwickelte sogar „Argumente gegen seine Erhebung zum Erziehungsziel, mit denen sich auseinandersetzen muss, wer es für wünschenswert hält.“ (Bucher 2001, S. 229). Nachfolgend werden einige dieser Argumente näher erläutert.
2.2.2 Argumente gegen die Erhebung des Glücks zu einer pädagogischen Kategorie
2.2.2.1 Die inhaltliche Unbestimmtheit des Glücksbegriffs
Ein Argument gegen die Erhebung des Glücks zu einer erzieherischen Zielkategorie bestand für die Pädagogik vor allem in der Vieldeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Phänomens Glück, da es aufgrund dessen anfällig für Ideologien ist und kein pädagogisches Leitziel darstellen kann (vgl. Zirfas 1993, S. 369; n. Bucher 2001, S.231). „Wenn von Erziehungszielen intersubjektive Verallgemeinerbarkeit erwartet wird, hat es Glück schwer, als Regulativ akzeptiert zu werden, sofern es […] als subjektive Befindlichkeit […] definiert wird.“ (Bucher 2001, S. 231)
Bucher stellt dem jedoch entgegen, dass Glückserlebnisse zwar immer durch ihre Individualität und Subjektivität gekennzeichnet sind, diese Erlebnisse jedoch auch identische Komponenten beinhalten, wie beispielsweise freundschaftliche Interaktion, Aktivität oder die Bewältigung von Herausforderungen, welche innerhalb des erzieherischen Kontextes durchaus gefördert werden können.
Zudem vertritt Riemen (vgl. Riemen 1991, S. 167) die Meinung, dass die Offenheit des Glücksbegriffs grundsätzlich kein Argument gegen das Glück als Erziehungsziel darstellt, sondern lediglich dagegen „eine bestimmte Lebensweise als die richtige auszuweisen.“ (ebd.)
2.2.2.2 Zwangsbeglückung
Die Antipädagogik kritisiert die Erhebung des Glücks zum Erziehungsziel und betitelt es als eine Art Zwangsbeglückung der Kinder, da auf diese Weise das situative Glück der Heranwachsenden zugunsten einer längerfristigen Erhaltung des Glückszustands zerstört wird.
Ihr zufolge seien Kinder durchaus selbst in Lage, einschätzen und entscheiden zu können, was sie glücklich macht, weshalb sie die Thematisierung des Glücks innerhalb der Institution Schule als Manipulation des Kindheitsglücks betrachtet (vgl. Schoenebeck 1989, S. 19; n. Bucher 2001, S. 235).
Nach Bucher ist dieser Vorwurf dann berechtigt „wenn im Namen eines überindividuellen Glücksquantums die Individualität und Freiheit von Menschen geopfert und diese zum Mittel werden.“ (Bucher 2001, S. 239) Schaber merkt dazu an, dass es zu einem guten Leben jedoch auch gehöre, über mögliche negative Folgen von eigenen Wünsche hinreichend informiert zu werden und es als pädagogisch verantwortungslos gilt, den Kindern diese Folgen vorzuenthalten, da Erziehung im langfristigen Interesse der Kinder nicht alles erlauben kann, was diese für glücksstiftend erachten. Vielmehr besteht sie aus Verantwortung und stellvertretenden Entscheidungen, insbesondere in den Situationen, in denen den Kindern sowohl das Wissen als auch die Kompetenz dafür fehlt (vgl. Schaber 1998, S. 154; n. Bucher 2001, S. 235- 236).
2.2.2.3 Höhere Priorität andere Erziehungsziele
Ein weiteres Argument gegen eine Erziehung zum Glück stellt die Überzeugung dar, dass andere Erziehungsziele wichtiger sind, wobei es als Folge des Erreichens anderer Erziehungsziele durchaus zugelassen wird (vgl. Bucher 2001, S. 238).
Insbesondere Frankl (vgl. Frankl 1975, S. 9-10) lehnt eine Pädagogik, die das Glück des Kindes zum direkten Erziehungsziel proklamiert, ab, da das Glück seiner Meinung nach nur als eine Art Nebenwirkung durch die Hinwendung zu Mitmenschen und durch sinnerfüllte Tätigkeiten zu erlangen ist, welches sich mit der bereits dargestellten aktivitätstheoretischen Sicht auf das Glück deckt. Vor diesem Hintergrund habe die Pädagogik „jene Kräfte zu unterstützen, die es dem Menschen ermöglichen, sich selbst zu transzendieren und sich Tätigkeit sowie anderen Menschen hinzugeben.“ (vgl. Frankl 1975, S. 9-10)
2.2.3 Pädagogische Legitimation der Erziehung zum Glück
Nachdem nun drei grundlegende Einwände der Pädagogik gegen die Erhebung des Glücks zu einer erzieherischen Kategorie eingehender dargestellt wurden, sollen nachfolgend einige Argumente dargelegt werden, die Bucher als Ergebnis seiner Studie über das Kindheitsglück formuliert hat und welche sich für eine pädagogische Legitimation der Erziehung zum Glück aussprechen.
Als ein Argument für die Thematisierung des Glücks innerhalb der Institution Schule nennt Bucher die Tatsache, dass Glück, was auch die Ergebnisse seiner Studie zeigen, täglich erlebt wird und sich permanent ereignet und zwar unabhängig davon, ob die Pädagogik es als Erziehungsziel anstrebt oder ablehnt.
Jedoch kann die Erziehung auf die Existenz des Glücks einwirken, indem sie es entweder reduziert oder es begünstigt und fördert, wobei es nach Bucher aufgrund der zahlreichen positiven Effekte des Glückserlebens ratsam wäre, auf das Lebensglück der Kinder innerhalb der Institution Schule förderlich einzuwirken (vgl. Bucher 2001, S. 240).
2.3 Gegenwärtiger Forschungsstand zum Thema Kindheitsglück
Im Rahmen seiner 2001 veröffentlichten Studie, in der sich der schweizer Theologe und Pädagoge Anton A. Bucher ausführlich mit dem Kindheitsglück auseinandersetzte, erhob Bucher in Form des ,Salzburger Kindersurveysʼ im Jahre 1998 die Glücksvorstellungen von 1319 Kindern (706 Mädchen und 613 Jungen) im Durchschnittsalter von 11,2 Jahren aus dem österreichischen Bundesland Salzburg (vgl. Bucher 2001, S. 133ff).
Das Ziel dieses Surveys bestand in erster Linie darin, „soviel Varianz des subjektiv eingeschätzten Kindheitsglück zu erklären wie möglich, [da dies] für eine Erziehung, die das Glück von Kindern zwar nicht direkt anzielt […] sondern Bedingungen der Möglichkeit für glücksstiftendes Handeln schaffen will, […] von enormer Bedeutung [ist].“ (ebd., S. 133)
Hierzu entwickelte Bucher einen umfangreichen Fragebogen mit 158 verschiedenen Items, welche sich drei unterschiedlichen Themenbereichen zuordnen ließen.
Die Fragen des ersten Themenbereichs bezogen sich dabei auf Tätigkeiten, Personen, Orte, etc., die bezüglich ihrer ,Glücksförderlichkeitʼ mit Hilfe von fünf Smileys, welche die Gefühlslagen von ,sehr glücklichʼ bis ,sehr unglücklichʼ symbolisierten, von den Kindern beurteilt werden sollten
Im Rahmen des zweiten Themenbereichs wurde die Häufigkeit unterschiedlicher Tagesaktivitäten erfragt, wobei die Befragten jeweils kenntlich machen sollten, wie oft sie welche Tätigkeiten verrichten (vgl. ebd., S. 134).
1In dieser Arbeit wird in Bezug auf Personengruppen stets die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
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