Inhaltsverzeichnis
1. Theoretische Untersuchungen zum mittelalterlichen Literaturbegriff …………..…………………………..2
1.1. Die Bedeutung des Prologes zu `Erec et Enide` bei Chretien 2
1.2. Die Voraussetzung des Fiktionalitätsbewusstseins und die Entwicklung der Fragestellung 3
2. Analyse der beiden Romane 5
2.1. Die Komposition des arthurischen Strukturmodells . 5
2.2. Das Zwischenspiel am Artushof 9
2.3. Die zweite Triade 10
2.4. Joie de la curt 11
2.5. Chretien: Das Finale am Artushof . 14
2.6. Hartmann: Erec und die Friedensherrschaft in Karnant 16
3. Schlussbetrachtung…………………………………………………………………………………………………………………17
Inhaltsverzeichnis
1. Theoretische Untersuchungen zum mittelalterlichen Literaturbegriff
1.1. Die Bedeutung des Prologes zu `Erec et Enide` bei Chretien
1.2. Die Voraussetzung des Fiktionalitätsbewusstseins und die Entwicklung der Fragestellung
2. Analyse der beiden Romane
2.1. Die Komposition des arthurischen Strukturmodells
2.2. Das Zwischenspiel am Artushof
2.3. Die zweite Triade
2.4. Joie de la curt
2.5. Chretien: Das Finale am Artushof
2.6. Hartmann: Erec und die Friedensherrschaft in Karnant
3. Schlussbetrachtung
1. Theoretische Untersuchungen zum mittelalterlichen Literaturbegriff
1.1. Die Bedeutung des Prologes zu Erec et Enide bei Chretien
Walter Haug bescheinigt Chretien mit der Konzeption von Erec und Enide einen Meilenstein in der Entwicklung der Literaturgeschichte vollzogen zu haben[1]. Er habe den ersten fiktionalen Roman des Mittelalters konzipiert und dieser zeichne sich durch die Anlage einer Handlungsebene und einer dahinterliegenden Sinnebene aus, die vom Leser zu konstituieren sei. Das eigentlich Dichterische trägt den Charakter einer solchen Form einer uneigentlichen Rede.
Damit fallen aber dem Autor und dem Rezipienten in der Erfassung von Literatur unterschiedliche Aufgaben zu. In den Worten der Literaturtheorie J.P. Sartres obliegt es dem Autor eine Struktur anzulegen, die durch Notwendigkeiten und Leerstellen gekennzeichnet ist[2]. Chretien legte in der von ihm konzipierten conjointure die Doppelwegstruktur fest, welche in Variationen für den Artusroman verbindlich wird. Sie ist als eine feststehende Struktur mit Notwendigkeitscharakter zu verstehen, welche die Interpretation des Rezipienten lenkt. Die Charakterisierung der Figuren und die Ausschmückung von Handlungsorten und Gegebenheiten lässt darüber hinaus Spielraum, die Fantasie des Lesers uneingeschränkt zum Zuge kommen zu lassen. Daher die Aufforderung Chretiens an die Leser, ihr Bemühen um Verständnis nicht frühzeitig abbrechen zu lassen, sondern zu einem lohnenden Ende zu bringen.
„por ce fet bien qui son estuide
atorne a bien quel que il l`ait;
car qui son estuide antrelait,
tost i puet tel chose teisir
qui molt vandroit puis pleisir «.[3]
Der Roman erweist sich nicht als eine Erzählung mit vorher festgelegtem Sinn, sondern als eine Aufgabe, die von der produktiven Imaginationskraft des Lesers erschaffen werden muss. Chretien spürt in seiner Aufforderung an die Leser seine Angewiesenheit als Dichter auf die Produktivleistung der Rezipienten, weil diese den Roman als Kunstwerk erst vollenden. Das Literarische entsteht in dem Zusammenwirken der vom Autor vorgelegten Struktur und dem gelenkten Schaffen der Leser. Daher ist die von Chretien vorgelegte conjointure tatsächlich als ein grundlegendes Merkmal der Fiktionalität von Texten anzusehen und ihm zu bescheinigen, dass er wohl ein Bewusstsein davon besass, wie Literatur funktioniert.
Da der Prolog eines Romans den mittelalterlichen Schriftstellern Gelegenheit gab ihr Selbstverständnis als Schriftsteller zu artikulieren, ist es zu bedauern, dass zur deutschen Version des Erec keine Einleitung aufzufinden ist, so dass über den Reflexionsstand Hartmann von Aues in Bezug auf dieses Werk keine Auskunft zu geben ist. Voraus zu setzen ist, dass er den conjointure Gedanken Chretiens sehr wohl verstanden hat und in der Abänderung der Konzeption seines Vorgängers eine eigenständige Auslegung dieses Stoffes vornahm. Beide Dichter verstanden sich in diesem Sinne als Subjekte des Erzählens[4].
1.2. Die Voraussetzung des Fiktionalitätsbewusstseins und die Entwicklung der Fragestellung
Einen Text als fiktional zu erleben zu können, setzt in der gesellschaftlichen Entwicklung bestimmte Notwendigkeiten voraus.[5] Ein bestimmter Grad von Schriftlichkeit muss erreicht sein, damit bei Autor und Rezipienten eine solche Distanzierung von dem Text erreicht ist, dass ihnen bewusst ist, dass der Text ein Produkt der Imagination ist.
Mit dem Untergang des Römischen Reiches ging mit den urbanisierten Formen der Kultur auch das differenzierte Wissen der antiken Philosophen über das Verhältnis von Philosophie, Geschichte und Dichtung unter, wie sie vor allem von Aristoteles in seiner Poetik formuliert worden sind. Mit der These, dass Dichtung sich an dem Wert der Wahrscheinlichkeit zu orientieren habe, begründete er zum ersten Mal theoretisch den Status des Fiktionalen. Nach den Wirren der Völkerwanderung waren es im Zuge der Christianisierung unter Chlodwig vor allem die Klöster, die zu Zentren einer latinisierten Schriftlichkeit wurden. Erst mit der staatspolitischen Notwendigkeit der Etablierung der Schriftlichkeit an den Fürstenhöfen entstand das Bedürfnis auch weltliche Inhalte schriftlich zu fixieren. Die höfische Literatur wäre ohne schriftliche Niederlegung nicht denkbar gewesen. Zu Chretiens Zeiten ist gesellschaftlich von einer symbiotischen Mischkultur auszugehen, die Lesen und Hören als Rezeptionsformen zuliess.
Die Möglichkeit die literarischen Texte auch in schriftlicher Form vorliegen zu haben, ermöglichte dem höfischen Leser eine zunehmende Eigenständigkeit in Bezug auf das Dargestellte. In der kritischen Befragung des Textes entwickelt sich eine Deutungsebene, die die Leerstellen fantasiereich füllt und die aus den notwendigen strukturellen Gegebenheiten des Textes einen Sinn erschliesst. Die `face to face` Situation der oralen Tradition zerfällt in zwei getrennte Prozesse, die hierbei zunehmend Autonomie gewinnen. Der Autor schreibt für ein vorgestelltes Publikum und er ist beim Lesen anwesend, in dem er einen Vermittler kreiert, der als fiktive Gestalt Teil der Geschichte ist und als Erzähler diese darstellt. Da der Autor strikt vom Erzähler zu trennen ist, braucht dieser im Gegensatz zur oralen Tradition für das Gesagte nicht einzustehen und dies erhöht den Fiktionsgrad des Romans.
Dieser Prozess emanzipiert Dichter und Rezipient voneinander und lässt das eigentlich Literarische erst entstehen, da ein solcher Text, in uneigentlicher Rede formuliert, durch die Deutung des Lesers vervollständigt wird. Dass die beiden Erneuerer der Literatur im Mittelalter um die Fiktionalität ihrer Texte wussten, zeigt Chretien in der Ansage seiner conjointure und Hartmann in der Konzeption fiktiver Dialoge, in denen er mit dem Status seines Textes spielt.
Der Sinn der Vermittlung der Texte besteht nicht darin, Informationen zu vermitteln, da diese nach der Korrespondenztheorie der Wahrheit eine unmittelbare Entsprechung in der Wirklichkeit besitzen und dieser ausserliterarische Bezug käme einem Missverständnis gleich. Von Seiten der Dichter werden keine Geschichtslektionen erteilt und es muss vorausgesetzt werden, dass auch die Zuhörer um diesen grundsätzlichen Unterschied wussten.
Im literarischen Sinn kann die Bedeutung des Artushofes nur auf der autonomen Ebene der konzeptionellen Anlage der Geschichte gesucht und gefunden werden. Wo wird der Artushof im Zusammenhang der Ereignisse jeweils platziert und welcher konzeptionelle Sinn lässt sich daraus entwickeln? Es wird also gefragt nach dem Stellenwert dieses Hofes und seiner zentralen Figur im Gesamtrahmen des autonomen fiktionalen Bereiches.
2. Analyse der beiden Romane
2.1. Die Komposition des arthurischen Strukturmodells
Die meisten Artusromane gleichen sich in der Anfangssequenz, die zum Schauplatz der weiteren Gestaltung den Artushof wählt. Er wird konzipiert als ein Ort des Friedens in der Blütezeit des Jahres, dessen Freude spendende Ausstrahlung den Eindruck einer umfassenden Harmonie erweckt und einen Hort der Zivilisation markiert. Die Exposition eröffnet einen ruhigen Raum der ungestörten Teilhabe der gleichberechtigten Ritterschaft und der Damen am Hofleben.
[...]
[1] Haug W. Literaturtheorie im Mittelalter S. 91 ff.
[2] Sartre, J.P. Was ist Literatur? S.13 ff.
[3] Chretien de Troyes Erec et Enide Vers 4 - 8
[4] Grünkorn, Gertrud Die Fiktionalität des höfischen Romans um 1200 Seite 153
[5] Ebenda Seite 21 ff