Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit der unterschiedlichen Auslegung des Doppelbestrafungsverbotes („ne bis in idem“) durch den OGH und den EuGH.
Das Verbot der Doppelbestrafung war schon im 5. Jh. vC im attischen Recht bekannt, ebenso im römischen Recht und im Sachsenspiegel. Dieses fand 1791 als Grundfreiheit Eingang in die französische Verfassung, ebenso in das 5. Amendment der Verfassung der USA (als Verbot des „double jeopardy“).
Dieses Recht findet sich nicht in der EMRK selbst, sondern ist erst durch das 7. Zusatzprotokoll, welches durch Österreich ratifiziert wurde, aufgenommen worden. Durch erhebliche Auslegungsschwierigkeiten wird dieser Artikel in der Lehre oft auch als das „verflixte Siebente“ bezeichnet.
Dieses Recht dient dem Schutz des Normunterworfenen vor einem neuerlichen Strafverfahren, nachdem bereits ein Strafprozess durch einen Frei- oder Schuldspruch abgeschlossen wurde. Die Ziele des Doppelbestrafungsverbotes sind Rechtssicherheit und Berechenbarkeit der Strafjustiz. Diese „Sperrwirkung“ betrifft lediglich Strafen im Sinne des Art. 6 EMRK, also dem Recht auf ein faires Verfahren, nicht aber andere Sanktionen wie administrative Maßnahmen wie zB den Lenkberechtigungsentzug und Disziplinarmaßnahmen. Die rechtskräftige Aburteilung muss nicht vor einem Richter stammen, es kann sich durchaus auch um ein Urteil einer Verwaltungsbehörde handeln, da man darunter die förmliche Verhängung einer Strafe wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, mithin also auch eine rechtskräftige Strafverfügung oder ein solches Straferkenntnis, zB nach dem österreichischen Verwaltungsstrafgesetz - VStG, einer Verwaltungsstrafbehörde versteht. Auch ein Strafbefehl ist denkbar.
Selbst unter dem Begriff „Freispruch“ ist nicht bloß ein richterliches Urteil zu verstehen, sondern auch eine Verfahrenseinstellung einer Verwaltungsbehörde, sofern das Verfahren strafrechtlichen Charakter hatte. Sind Anklagefakten in Bezug auf die erfolge Verurteilung unwesentlich, sind sie durch das Urteil konsumiert. Der EuGH versteht darunter auch eine Verfahrenseinstellung der Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft) unter Auflagen, wenn darin eine Ahnung der Tat zu sehen ist und damit der staatliche Strafanspruch konsumiert ist.
Der EuGH legt also ein extensives Verständnis an den Art. 54 SDÜ an.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1.2 Entscheidungen des OGH
2. Einheitlicher Rechtsraum in Europa
2.2 Das Verhältnis von Art. 54 SDÜ zu Art. 50 GRC
2.3 Voraussetzung und einheitliche Handhabung des Art. 54 SDÜ
3. Rechtskräftige Aburteilung
3.1 Der Tatbegriff des Art. 54 SDÜ
3.2 Das Vollstreckungselement des Art. 54 SDÜ
II. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit der unterschiedlichen Auslegung des Doppelbestrafungsverbotes („ne bis in idem“) durch den OGH und den EuGH.
Das Verbot der Doppelbestrafung war schon im 5. Jh. vC im attischen Recht bekannt, ebenso im römischen Recht und im Sachsenspiegel. Dieses fand 1791 als Grundfreiheit Eingang in die französische Verfassung, ebenso in das 5. Amendment der Verfassung der USA (als Verbot des „double jeopardy“).
Dieses Recht findet sich nicht in der EMRK selbst, sondern ist erst durch das 7. Zusatzprotokoll, welches durch Österreich ratifiziert wurde, aufgenommen worden. Durch erhebliche Auslegungsschwierigkeiten wird dieser Artikel in der Lehre oft auch als das „verflixte Siebente“ bezeichnet.
Dieses Recht dient dem Schutz des Normunterworfenen vor einem neuerlichen Strafverfahren, nachdem bereits ein Strafprozess durch einen Frei- oder Schuldspruch abgeschlossen wurde. Die Ziele des Doppelbestrafungsverbotes sind Rechtssicherheit und Berechenbarkeit der Strafjustiz. Diese „Sperrwirkung“ betrifft lediglich Strafen im Sinne des Art. 6 EMRK, also dem Recht auf ein faires Verfahren, nicht aber andere Sanktionen wie administrative Maßnahmen wie zB den Lenkberechtigungsentzug und Disziplinarmaßnahmen. Die rechtskräftige Aburteilung muss nicht vor einem Richter stammen, es kann sich durchaus auch um ein Urteil einer Verwaltungsbehörde handeln, da man darunter die förmliche Verhängung einer Strafe wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, mithin also auch eine rechtskräftige Strafverfügung oder ein solches Straferkenntnis, zB nach dem österreichischen Verwaltungsstrafgesetz - VStG, einer Verwaltungsstrafbehörde versteht. Auch ein Strafbefehl ist denkbar.
Selbst unter dem Begriff „Freispruch“ ist nicht bloß ein richterliches Urteil zu verstehen, sondern auch eine Verfahrenseinstellung einer Verwaltungsbehörde, sofern das Verfahren strafrechtlichen Charakter hatte. Sind Anklagefakten in Bezug auf die erfolge Verurteilung unwesentlich, sind sie durch das Urteil konsumiert. Der EuGH versteht darunter auch eine Verfahrenseinstellung der Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft) unter Auflagen, wenn darin eine Ahnung der Tat zu sehen ist und damit der staatliche Strafanspruch konsumiert ist.[1]
Der EuGH legt also ein extensives Verständnis an den Art. 54 SDÜ an.
1. Rechtsordnungsinterne Bedeutung
Der Grundsatz, wonach niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden darf, „ne bis in idem, ist in allen Mitgliedsstaaten anerkannt. Der OGH erkennt an, dass ein durch rechtskräftige Strafverfügung erledigter Straffall ohne vorangegangene Wiederaufnahme nicht Gegenstand eines neuerlichen Verfahrens und einer neuerlichen Entscheidung sein kann.[2]
Dieser innerstaatlich in §17 Abs. 1 StPO normierte Grundsatz ergibt sich aus Art. 4 Z 1 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK, wonach niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf. Auch eine Verurteilung aufgrund des selben Sachverhalts, welcher bereits Gegenstand eines vorhergehenden Urteils war, steht dem in der StPO normiertem Doppelbestrafungsverbot, mithin also das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen.
1.2 Entscheidungen des OGH
Der OGH nimmt in seinen Auslegungen eine Einschränkung vor, indem er vom Doppelbestrafungsverbot absieht, wenn der Schuldspruch lediglich aufgrund pauschal individualisierter gleichartiger Taten gefällt wird. Unter pauschal individualisierten gleichartigen Taten versteht der OGH selbstständige Taten, welche bei sonstiger Nichtigkeit nur gegen andere, aber nicht untereinander abgegrenzt werden können. Der OGH begründet dies damit dass es sich hierbei, anders als beim fortgesetzten Delikt, nicht um eine materiellrechtliche, sondern bloß um eine prozessuale Zusammenfassung handelt.[3]
Werden in den Urteilsgründen neben entscheidenden, hinsichtlich des Schuldspruches (§260 Abs. 1 Z2 StPO) nicht entscheidende Tatsachen festgestellt, ist der Angeklagte dadurch nicht beschwert. Er ist zur Anfechtung weder gezwungen noch ist er dazu berechtigt. Durch Aufnahme solcher Tatsachen in das Erkenntnis (§260 Abs. 1 Z1 StPO) wird stattdessen sogar zu seinen Gunsten klargestellt, dass derentwegen eine Verurteilung auf Grund des Grundsatzes „ne bis in idem“ in der Regel nicht mehr in Betracht kommt.[4]
Der Angeklagte darf nach einer aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erfolgten Aufhebung eines mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs, dem keine rechtswirksame Anklageerhebung zu Grunde liegt, wegen der davon erfassten Taten nicht neuerlich vor Gericht gestellt werden. (XX. Hauptstück der StPO; Art. 47 ZPMRK). Bei einer Urteilsaufhebung aufgrund einer wegen Anklageüberschreitung (§§281 Abs. 1 Z8, 468 Abs. 1 Z4, 489 Abs. 1, 345 Abs. 1 Z7 StPO) vom Ankläger ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde (§§ 281 Abs. 2, 349 Abs. 1 StPO) ist dies hingegen nicht der Fall. Der Grundsatz des Doppelbestrafungsverbotes kommt in so einem Fall nicht zu tragen. (WK-StPO §281 Rz 529).[5]
Kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 4 des siebenten Zusatzprotokolls zur MRK liegt auch im Fall gesonderter Verfolgung und Bestrafung einer Tat sowohl durch das Gericht als auch die Verwaltungsbehörde vor, wenn die zusammentreffenden Delikte nicht dieselben wesentlichen Tatbestandsmerkmale aufweisen, sodass zur vollen Auswertung des Unrechtsgehalts die Betrachtung unter dem Aspekt mehrerer einander ergänzender Tatbestände erforderlich ist.[6]
2. Einheitlicher Rechtsraum in Europa
Angesichts der nur rechtsordnungsinternen Relevanz des nationalen wie europäischen „ne bis in idem“ Grundsatzes, findet dieser auch gegenüber Verurteilungen in anderen Mitgliedsstaaten keine Anwendung. Auch insoweit muss die bereits vollstreckte ausländische Strafe nur angerechnet werden. In Österreich ist dies durch §65 IV StGB geregelt.
Ziel ist es, einen einheitlichen Rechtsraum in Europa zu schaffen. Voraussetzung dafür ist ein umfassender transnationaler „ne bis in idem“ Grundsatz. Jede Verurteilung in einem Mitgliedsstaat soll danach ein Hindernis für ein weiteres Strafverfahren, oder zumindest eine weitere Aburteilung in jedem anderen Mitgliedsstaat begründen. Die Rechtskraftwirkung in einem Staat würde somit durch alle anderen Staaten anerkannt werden. Die Gefahr einer Doppelbestrafung besteht aufgrund der Tatsache dass jeder Mitgliedsstaat sein eigenes Strafanwendungsrecht hat und bis dato keine eindeutige Zuständigkeitsverteilung für die Durchführung von Strafverfahren in Europa aufgestellt ist.
Art. 4 III AEUV begründet allerdings eine Loyalitätspflicht. Das bedeutet für das nationale Strafrecht, dass die Mitgliedsstaaten ihr Strafanwendungsrecht so auszugestalten haben, dass eine Sanktion von Verstößen gegen Unionsrecht in größtmöglichem Umfang gewährleistet ist. Dies führt zu einer zunehmenden Ausweitung des bislang auf das Staatsgebiet bezogenen Territorialitätsgrundsatzes hin zu einem „europäischen Territorialitätsprinzip“. In der Konsequenz nimmt die Gefahr der Doppelbestrafung weiter zu, da es keine verbindliche Klärung der Zuständigkeit zur Strafverfolgung, auch im Sinne eines anschließenden Doppelbestrafungsverbotes, gibt. Im Jahr 2009 wurde zwar ein Rahmenbeschluss zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten angenommen[7], welcher allerdings gemäß Satzger kein ausreichendes Instrument darstellt.[8] Je weiter die Europäisierung der Strafrechtspflege voranschreitet und die Unterschiede in den nationalen Strafrechtsordnungen durch Harmonisierungstätigkeit schwinden, umso mehr wird deshalb das Bedürfnis nach einem transnationalem „ne-bis-in-indem“ Grundsatz offenbar.
Ein Verbot der Doppelbestrafung sollte durch Abschluss völkerrechtlicher Verträge zwischen den EU Staaten erreicht werden, es soll also auf zwischenstaatlicher Ebene eine Regelung gefunden werden. Die größte Bedeutung hierbei hat das seit 1995 in Kraft befindliche Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) erlangt, dessen §54 wie folgt lautet:
[...]
[1] Slg. 2003, I-1345, §§ 28ff.
[2] RIS JUSR RS0108564, OGH 10.07.1997, 15 Os 92/97. OGH 12.09.2007, 16 Ok 4/07.
[3] RIS JUSR RS0119552, OGH 15.12.2004, 13 Os 142/04. OGH 10.05.2005, 14 Os 2/05h. OGH 28.09.2005, 13 Os 85/05g.
OGH 22.11.2005, 14 Os 116/05y. OGH 14.06.2006 ,13 Os 35/06f. OGH 01.08.2006, 11 Os 47/06f. OGH 13.09.2006, 13 Os 72/06x.
OGH 10.10.2006 ,14 Os 103/06p. OGH 11.04.2007, 13 Os 1/07g. OGH 31.07.2007, 14 Os 52/07i. OGH 28.08.2007, 14 Os 60/07s.
OGH 16.10.2007, 14 Os 104/07m. OGH 27.08.2008, 13 Os 83/08t. OGH 16.09.2008, 11 Os 105/08p.
OGH 21.01.2009, 15 Os 155/08w. OGH 28.05.2009, 12 Os 48/09i. OGH 09.09.2009, 15 Os 107/09p. OGH 17.11.2009, 14 Os 87/09i.
[4] RIS JUSR RS0119664, OGH 11.01.2005, 11 Os 131/04.
[5] RIS JUSR RS0123160, OGH 16.01.2008, 13 Os 68/07k. OGH 10.04.2008, 12 Os 42/08f.
[6] RIS JUSR RS0124159, OGH 16.10.2008, 15 Os 89/08i.
[7] ABlEU 2009 Nr. L 328/42.
[8] Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht (2010)136, 180.