Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsnehmers durch den Arbeitgeber ist die schärfste aller arbeitsrechtlichen Sanktionen. Sie führt nicht nur zur unmittelbaren, fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch zur sofortigen Einstellung der Gehaltszahlungen durch den Arbeitgeber. Dadurch wird dem Arbeitnehmer sofort seine wirtschaftliche Grundlage entzogen, zusätzlich verhängt die Agentur für Arbeit im Falle einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber regelmäßig eine Sperrzeit von maximal 12 Wochen für den Bezug von Arbeitslosengeld (§ 144 Abs. 1 Nr. 1. und Abs. 3 SGB III). Nicht zuletzt diesem Umstand geschuldet, ist die außerordentliche Kündigung im be-sonderen Fokus der Rechtssprechung und der Öffentlichkeit und dies erst recht, wenn der Grund für die fristlose Kündigung in einem geringwertigen Vermögensdelikt des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber beruht.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
1.4 Thematische Abgrenzungen
2 Zweistufenprinzip
2.1 Wichtiger Grund „an sich“
2.1.1 Unbestimmter Rechtsbegriff
2.1.2 Vermögensdelikte als wichtiger Grund
2.2 Interessenabwägung
2.2.1 Prognoseprinzip und Verzicht auf Abmahnung
2.2.2 Umfassende Interessenabwägung
2.2.3 Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip)
3 Entwicklung der Rechtssprechung
3.1 Grundlagen der Rechtssprechung des BAG.
3.1.1 Die „Bienenstich“-Entscheidung
3.1.2 Die „Emmely“-Entscheidung
3.1.3 Nach der „Emmely“-Entscheidung
4 Kritik an der Rechtssprechung
4.1 Bagatelldelikte in anderen Rechtsgebieten
4.1.1 Strafrecht
4.1.2 Beamtenrecht
4.2 Zweistufenprinzip
4.3 Vertrauensstörung und –verlust
4.4 Vertrauenskapital und Abmahnung
4.5 Wertmäßige Bagatellgrenze
5 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Urteile der Landesarbeitsgerichte im Überblick
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsnehmers durch den Arbeitgeber ist die schärfste aller arbeitsrechtlichen Sanktionen. Sie führt nicht nur zur unmittelbaren, fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch zur sofortigen Einstellung der Gehaltszahlungen durch den Arbeitgeber. Dadurch wird dem Arbeitnehmer sofort seine wirtschaftliche Grundlage entzogen, zusätzlich verhängt die Agentur für Arbeit im Falle einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber regelmäßig eine Sperrzeit von maximal 12 Wochen für den Bezug von Arbeitslosengeld (§ 144 Abs. 1 Nr. 1. und Abs. 3 SGB III).
Nicht zuletzt diesem Umstand geschuldet, ist die außerordentliche Kündigung im besonderen Fokus der Rechtssprechung und der Öffentlichkeit und dies erst recht, wenn der Grund für die fristlose Kündigung in einem geringwertigen Vermögensdelikt des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber beruht.
1.1 Problemstellung
Jahrzehnte lang galt der harte Grundsatz, dass Vermögensdelikte, unabhängig von der Schadenshöhe, eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Als Leiturteil wird in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1984 gesehen, welches als sog. „Bienenstich Urteil“ bekannt geworden ist.[1] Dabei entwendete eine Buffettkraft ein Stück Bienenstich aus der Kuchentheke und verzehrte es vor Ort ohne dieses zu bezahlen. Die Bundesarbeitsrichter sahen darin einen an sich geeigneten Grund für eine außerordentliche Kündigung, unbeachtlich der Geringwertigkeit.
Eine vermeintliche Trendwende brachte das Urteil des BAG im Jahre 2010. Dabei sollte einer Kassiererin einer Einzelhandelskette fristlos gekündigt werden, weil diese ihr nicht gehörende, liegen gebliebene Flaschenpfandbons im Wert von 1,30 Euro bei ihrem eigenen Einkauf eingelöst hatte. Diese sog. „Emmely“-Entscheidung des BAG sah den Sachverhalt zwar als einen an sich geeigneten Grund an, erklärte die Kündigung aber als unverhältnismäßig und damit für rechtswidrig.
Diese Entscheidung des BAG hat in der Praxis zu einer erheblichen Verunsicherung bei den Arbeitgebern geführt. Es ist in der Praxis schwierig zu beurteilen, wann eine fristlose Kündigung bei Vermögensdelikten vor Gericht bestand hat. Ebenso gibt es keine Betragsgrenze, die ein geringwertiges Vermögensdelikt von einem hochwertigen Vermögensdelikt unterscheidet. Zudem ist der Begriff es Vertrauenskapitals nicht in jedem Fall gleich, die Betriebszugehörigkeit ist allenfalls ein Indiz.
Aus diesen Gründen ist eine Beurteilung der außerordentlichen Kündigung im Lichte der „Emmely“-Entscheidung des BAG notwendig und Teil der vorliegenden Arbeit.
1.2 Zielsetzung
Ziel dieser Seminararbeit ist die Beschreibung der für eine außerordentliche Kündigung bei geringwertigen Vermögensdelikten zu beachtenden und in die Entscheidungsfindung einzubeziehenden Punkte. Zudem werden die bisherige und die aktuelle Rechtssprechung dargestellt und kritisch beleuchtet.
1.3 Vorgehensweise
Zu Beginn wird der zweistufige Prüfungsaufbau bei der rechtlichen Beurteilung einer außerordentlichen Kündigung aufgezeigt.
Danach wird die Entwicklung der Rechtssprechung, ausgehend von der grundlegenden „Bienenstich“-Entscheidung über die „Emmely“-Entscheidung zu der Rechtssprechung in jüngerer Zeit dargestellt und somit ein Überblick über die zu diesem Thema relevanten Entscheidungen gegeben.
Anschließend wird die vorgestellte Rechtssprechung kritisch beurteilt. Zuletzt schließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einem Fazit ab.
1.4 Thematische Abgrenzungen
Die vorliegende Arbeit befasst sich ausschließlich mit der außerordentlichen, fristlosen Kündigung von Arbeitnehmern nach Eigentums- oder Vermögensdelikten gegen den Arbeitgeber. Dabei stehen im Vordergrund die Regelungen des BGB, die Regelungen des KüSchG werden, soweit sie für das Verständnis erforderlich sind, mit einbezogen.
[...]
[1] Vgl. (BAG, Urteil vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, DB 1984, S. 2702 )