»Hamās« bedeutet im Deutschen »Eifer« und stammt aus dem Arabischen. Zugleich
ist es ein Akronym, setzt sich folglich aus den Anfangsbuchstaben des Begriffs »Ha-rakat al-muqāwama al-islāmiyya« zusammen, welche als »Islamische Widerstandsbewegung« bezeichnet wird.Die Hamas verfolgt, in ihrer Rolle als palästinensische Organisation, zwar hauptsächlich die nationalen Ziele und politischen Interessen, beschränkt ihre Aktivitäten und ihre Organisationsstruktur aber keinesfalls nur auf das palästinensische Territorium.
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Politisch-geographische Historie
2.1 Palästina - eine historische und geographische Einordnung
2.2 Die Muslimbruderschaft
3 Die Hamas
3.1 Ideologie und Ziele der Hamas
3.2 Die Charta
4 Verflechtung auf nationaler und transnationaler Ebene
4.1 Grenzübergreifende Beziehungen
4.2 Die Hamas und die weltweite muslimische Gemeinschaft
4.3 Die Hamas und der Westen
5 Hamas als Teil eines »internationalen Netzes des Islamismus«?
6 Literaturverzeichnis
1. Einleitung
»Ham s« bedeutet im Deutschen »Eifer« und stammt aus dem Arabischen. Zugleich ist es ein Akronym, setzt sich folglich aus den Anfangsbuchstaben des Begriffs »Harakat al-muq wama al-isl miyya« zusammen, welche als »Islamische Widerstandbewegung« bezeichnet wird (vgl. CHIARI/KOLLMER 2007: 166).
Die Hamas, die beim Ausbruch der ersten Intifada 1987 gegründet worden ist, wird von der EU, den USA und von Israel als Terrororganisation eingestuft. Die Hamas lehnen eine Koexistenz neben Israel vehement ab und sind durch ihre gewalttätigen Aktionen bekannt. Aus diesem Grund sehen die USA und die EU die Hamas nicht als politische Partei, obwohl die Hamas im Gazastreifen die regierende politische Kraft ist, sondern als Widerstandsgruppe an (vgl. RAUSCHER 2011: 1-5).
Derartige Konflikte streifen auch den Wissenschaftsbereich der politischen Geogra- phie. Die politische Geographie setzt sich dabei mit unterschiedlichen Forschungs- feldern auseinander. Diese haben sowohl regionale als auch globale Kontroversen zur Grundlage und reichen von neuen sozialen Bewegungen über politische Ausei- nandersetzungen um ökologische Ressourcen bis zu Konflikten um territoriale Kont- rolle und raumbezogene/kulturelle Identität. Hierbei spielen, gerade im Zeitalter der Globalisierung, die internationalen Beziehungen eine primäre Rolle (vgl. GEBHARD et al. 2011: 806) Wie viele andere Organisationen hegt auch die Hamas ein internatio- nales Geflecht, um sich zu organisieren, zu finanzieren und grenzübergreifend ihre Ideologien und Ziele zu verfolgen (vgl. RAUSCHER 2011: 4). Sie hat unübersehbar ei- ne entscheidende regionale Bedeutung sowie eine transnationale, also länderüber- greifende, Struktur, die es zu untersuchen gilt.
Doch wieso hat gerade die Hamas einen so großen Einfluss in den islamischen Gebieten und welche Ziele verfolgen sie? Inwiefern konnte sie sich bereits auf internationalen Ebenen etablieren, um sich zu organisieren und zu finanzieren? Kann sie als ein dogmatisch-organisierter oder als ein pragmatischer, der jeweiligen Situation angepasster, Akteur bezeichnet werden? Die Hamas verfolgt, in ihrer Rolle als palästinensische Organisation, zwar hauptsächlich die nationalen Ziele und politischen Interessen, beschränkt ihre Aktivitäten und ihre Organisationsstruktur aber keinesfalls nur auf das palästinensische Territorium.
2. Politisch-geographische Historie
Wie viele andere Organisationen der Region, geht auch die Hamas auf die Muslimb- ruderschaft zurück. Diese ist eine der wohl bedeutendsten islamistischen Bewegun- gen überhaupt und bildete zahlreiche Untergruppen und Abspaltungen aus, welche selbst häufig radikaler waren als jene. Die Muslimbruderschaft wurde 1928, nach dem Zerfall des Osmanischen Reichs, von Hasan al-Banna in Ägypten gegründet und breitete sich in den folgenden Jahrzehnten weit über die islamische Welt und sogar darüber hinaus aus. In den 1950er-Jahren stieg ihre Bedeutung schließlich auch im palästinensischen Territorium. Jahrhunderte lang waren die Muslime eng mit diesem Land vertraut und verbunden und drohten nun mit diesem entzweit zu wer- den (vgl. HROUB 2011: 34).
2.1 Palästina - eine historische und geographische Einordnung
In der Geschichte und Tradition der Muslime war Palastina uber Jahrhunderte enq verbunden mit dem Islam. Palastina war sowohl fur die Muslime als auch fur die Christen und Juden eine reliqiose Heimstatte. In Jerusalem und der dortiqen Al- Aqsa-Moschee, also ubersetzt »der fernste Moschee«, richteten die ersten Muslime ihre Gebete aus. Dies war zu der Zeit, als Muhammad, der erste Prophet, beqann, Anfanq des siebten Jahrhunderts, den Islam zu verkunden. Jerusalem ist somit, ne- ben den Orten Mekka und Medina, die auf der Arabischen Halbinsel, also im westli- chen Saudi-Arabien lieqen, eine der heiliqsten Stadte des Islam. Sie wird bereits im Qur'an erwahnt (vql. HROUB 2011: 28). „Gepriesen sei Der, Der bei Nacht Seinen Diener von der heiliqen Moschee [in Mekka] zu der fernen Moschee [Al-Aqsa- Moschee], deren Umqebunq Wir qeseqnet haben, hinfuhrte [...] (Qur’an, Sura al-Isra 17:1). Auch das fur die Muslime Heiliqe Land Palastina wird bereits im Qur’an er¬wahnt. ,,O mein Volk, betretet das Heiliqe Land (Palastina), das Allah euch bestimmt hat, und kehrt nicht den Rucken, denn dann werdet ihr als Verlorene umkehren" (Qur’an, Sura al-Ma’ida 5:21). Die Sura al-Isra berichtet soqar von der Reise des Propheten Muhammad von Mekka nach Jerusalem, wo er schlieBlich in den Himmel und zu Gott aufsteiqt. Direkt neben dem Ort, an dem nach judischem Glauben einmal der Tempel des Salomon stand, wurde spater der Felsendom erbaut. Auf jenem Fel- sen, von dem Muhammad aus in den Himmel auffuhr (HROUB 2011: 28).
Anfang des ersten Jahrhunderts vor Christus war Israel ein selbstständiger Staat in Palästina und gehörte in der späten Antike der kleinen römi- schen Provinz »Palaestina Prima« mit der Haupt- stadt Caesarea. Der Name »Palaistine« wird ers- tmals im fünftes Jahrhundert vom griechischen Historiker Herodot verwendet und beschreibt das Territorium an der vorderasiatischen Mittelmeer- küste. »Israel« steht in der Bibel für das gesamte Palästina und wird von der Sinaiwüste und den Jordanquellen, der arabisch-syrischen Wüste und dem Mittelmeer abgegrenzt (vgl. CHIARI/KOLLMER 2007: 17).
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Dieses Gebiet unterlag im Laufe der Geschichte den unterschiedlichsten Herrschern. Einst gehörte es zu den Großreichen der Assyrer, Perser und Babylonier. Darauf war es im Besitz der syrischen Seleukiden und makedonischen Ptolmäer. Für eine gewisse Zeit war es unabhängig unter den jüdischen Hasmonäern und schlussendlich ein Vasallens- taat der Römer König Herodes. Der Name des Gebietes wandelte sich im Laufe der Zeit von der römischen Provinz »Palaestina« und Iudaea (Abb. 1) zu Syria Palaestina und zur dreigesteilten Provinz Palaestina Prima, Secunda und Tertia um ca. 400 nach Christus. Die Stadtstruktur war, aufgrund der direkten römischen Herrschaft, griechisch-römisch geprägt. Das jüdische Volk litt stark unter der unterdrückenden, römischen Politik der Stadthalter. So kam es um 66 bis 70/74 nach Christus zum »Ersten Jüdischen Krieg«, da der Prokurator Gessius Florus seine dürftige Steuerbi- lanz mit den Schätzen aus jüdischen Tempeln aufbessern wollte. Folge des Krieges war die Zerstörung der Stadt Jerusalem und des Tempels durch die Römer. Die un- terlegenen Juden, die sich 73 nach Christus in der ehemaligen Residenz des Hero- des »Masada« verschanzten, töteten sich selbst, um nicht durch ihre Feinde gefan- gen genommen zu werden. Noch heute dient Masada Israel als Symbol für den hel- denhaften Widerstand gegen äußere Feinde. Am 9. Tag im Monat Av (Juli/August) trauern die Juden um den zerstörten Tempel. Die Klagemauer, ein kurzes, erhaltenes Stück der Tempelanlage, ist auch heute noch ein wichtiger heiliger Ort der Juden. Im fünften Jahrhundert wurde das Christentum Staatsreligion und somit Palästina zum Mittelpunkt der Christenheit. Die Anerkennung der Juden variierte von nun an, ab- hängig von der Einstellung der römischen Kaiser, und endete schließlich sogar in antisemitischen Gesetzgebungen ((vgl. CHIARI/KOLLMER 2007: 18-19). Zwischen 634 und 640 wurde Palästina von den muslimischen Arabern erobert, womit der Islam ein zentrales Element im kulturellen/emotionalen und politischen Fundament wurde. Der Islam respektierte ausdrücklich die religiöse Bedeutung Palästinas für die Christen und Juden.
Zu seiner religiösen Bedeutung nahm (und nimmt) Palästina eine wichtige geostrate- gische Position ein, indem es den asiatischen und afrikanischen Teil des Nahen Os- tens miteinander verbindet. Somit wurde Palästina über Jahrhunderte hinweg immer wieder Schauplatz großer historischer Schlachten und zum Ziel vieler Eindringlinge. Ab 1094 bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts führten die europäischen Kreuzfahrer mehrere Kriege um Palästina zu erobern. 1099 nahmen die Kreuzfahrer, nach vierhundert Jahren offenen Austauschs, Jerusalem ein und herrschten für ca. 90 Jahre. 1187 besiegte Saladin die Eindringlinge und wurde damit einer der bedeutendsten Helden des Islam. Noch heute erinnern sich die Muslime an die glorreichen Zeiten zurück und sehen die zionistische Eroberung Palästinas als Nachahmung dieser fremden Invasion, deren Ursprung erneut in Europa zu fin- den ist. Mehr als 600 Jahre lang blieb Palästina in muslimischer Hand, bis das Osmanische Reich nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel. Dieses stieg seit dem vierzehnten Jahrhundert zur entschei- denden Macht in Kleinasien, auf der Krim und in Nordafrika auf und be- herrschte im sechszehnten Jahrhundert fast den ganzen Nahen Osten. Ins Wan- ken geriet nach dem Fall der untrennba- re Zusammenhalt zwischen Palästina und dem Islam.
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